Schlagwort: Zuchthengst

  • Cornet Obolensky – Deutschland hat den Superstar (Teil 1)

    Cornet Obolensky – Deutschland hat den Superstar (Teil 1)

    Als hätte die Zucht auf ihn gewartet, so schlug Cornet Obolensky ein. Vom Fleck weg erfüllte der belgische Schimmelhengst die in ihn gesetzten Hoff­nungen und jumpte so ganz nebenbei über höchste Abmessungen.

    Es sollte Höhe- und Schlusspunkt einer bemerkenswerten Parcourskarriere werden – doch die Reise von Cornet Obolensky und seinem Reiter Marco Kutscher zu den Olympischen Spielen 2012 in London endete jäh im Nationenpreis von Aachen. Beim CHIO riss eine bemerkenswerte Erfolgsserie ab, zu der Siege in den Nationenpreisen von Rotterdam, Barcelona und Rom sowie den Großen Preisen von Balve und Cervia gehörten, genau wie zweite Plätze in den Weltcup-Springen von Bordeaux und Verona und im Großen Preis von Rotterdam sowie dritte Plätze in den Großen Preisen von Rio de Janeiro und Hickstead, im Masters-League-Finale von Frankfurt und im Nationenpreis von Rom. Außerdem standen Cornet Obolensky und Marco Kutscher 2011 in der Deutschen EM-Gold-Equipe von Madrid und 2008 in der Olympia-Equipe von Hongkong. 2008 kam noch Bronze bei der DM in Balve hinzu. Vordere Platzierungen gab es auch in den Weltcup-Finals 2012 in ’s-Hertogenbosch und 2009 in Las Vegas.

    Sensationelles Springpferd

    Doch zurück zum heiligen Rasen von Aachen, den Marco Kutscher im Juli 2012 nach 16 Fehlern im ersten und ebenso vielen im zweiten Umlauf kopfschüttelnd verließ. Zwar rehabilitierte sich Cornet Obolensky nur zwei Wochen später mit Nullrunden im Nationenpreis von Hickstead und den Plätzen vier und acht bei der Global-Champions-Tour-Etappe von Valkenswaard, doch das sicher geglaubte Ticket für seine zweite Olympiateilnahme war weg. Sehr zur Enttäuschung von Marco Kutscher, der seinem vierbeinigen Partner dennoch höchstes Lob zollte: „Cornet ist ein sensationelles Springpferd. Er hat unheimliche Qualitäten, die es, glaube ich, auf dieser Welt nicht so o­ gibt.“ Auch die Rittigkeit, die anfangs noch nicht optimal gewesen sei, habe sich im Verlauf der Arbeit stark verbessert, was letztlich zu den vielen Erfolgen in schnellen Stechen geführt habe. Im Oktober 2012 hatte das Dream-Team Kutscher-Cornet dann seinen letzten Auft­ritt beim CSI5* in Rio de Janeiro. 15-jährig wurde Cornet Obolensky aus dem Sport verabschiedet – und ist seitdem Vollzeit-Zuchthengst. Geboren wurde der schneeweiße Superstar am 20. April 1999 – und zwar unter dem Namen Windows van’t Costersveld. Van’t Costersveld deswegen, weil sein Züchter Thierry Degraeve seinen Zuchtstall nach der gleichnamigen Straße in seinem Heimatort Loppem in der Flämischen Region Belgiens benannt hatte. Degraeve, von Beruf Projektentwickler, inzierte sich 1976 mit dem Pferdevirus, zunächst allerdings rein auf den Trabrennsport bezogen. So stammt aus seiner Zucht mit Or de Bruges eines der in Frankreich erfolgreichsten Pferde vor dem Sulky. 1985 war es sein Freund Stefaan Delabie, der ihn für die Warmblutzucht begeisterte und so grasen im Stall van’t Costersveld aktuell vier bis fünf Warmblut-Zuchtstuten – alle von feinstem Geblüt, denn für Degraeve steht fest: „80 Prozent der Genetik eines Fohlens werden maßgeblich von der Mutter beeinflusst.“ Dabei schwört er auf die Kombination von Clinton mal Heartbreaker-Mutter, wie im Fall von Cornet Obolensky.

    Clinton mal Heartbreaker

    Erfolgreichster Nachkomme
    weltweit: Cornado NRW mit
    Marcus Ehning. © © Dr. Tanja Becker

    Dessen Urgroßmutter Gudula O entdeckte Degraeve als Fohlen beim niederländischen Züchter-Urgestein Martin Owens, der durch ganz Europa gereist war, um seine Stuten von den besten Springhengsten überhaupt decken zu lassen. Gudula O hatte mit Beaujolais allerdings eher einen Dressurpferde-Macher zum Vater, doch folgte in den hinteren Generationen mit Lucky Boy xx und den Holsteinern Lorenz (v. Ladykiller xx) und Farn feinstes Springblut. Gudula O bekam lediglich zwei Fohlen, bevor sie 1993 im Alter von nur fünf Jahren überraschend einging: Holivea van’t Costersveld und Querido van’t Costersveld. Beide absolute Volltreffer. So ging der braune Querido (v. Feinschnitt I) international unter dem Iren Tom Davin erfolgreich. Und auch für die springgewaltige braune Holivea, abstammend vom Ramiro-Sohn Randel Z, dessen Mutter Alaric Z mit Thies Luther über höchste Abmessungen ging, standen die Käufer Schlange. Doch mit der sehr blutgeprägten und, wie Degraeve es beschreibt, „explosiv springenden“ Holivea hatte er andere Pläne.

     

     

     

    Kampfgeist

    Zusammen mit dem bereits erwähnten Stefaan Delabie entschied er, dass der mit Peter Geerink im Topsport erfolgreiche Heartbreaker (v. Nimmerdor) der erste Partner der Holivea sein sollte – und so wurde 1994 Rabanna van’t Costersveld geboren. Mit Clinton brachte Holivea noch den gekörten und zunächst mit Jessica Kürten und später Roger Yves Bost bis hin zu Weltcup-Finals platzierten Vivaldo van’t Costersveld. Rabanna wurde 2000 nach Großbritannien verkauft­, wo sie sich in S-Springen platzierte. Via Embryotransfer kamen 1999 ihre Tochter Wimette van’t Kluizebois, bei der Stefaan Delabie als Züchter firmiert, und eben Windows van’t Costersveld zur Welt, beide abstammend von Clinton. Clinton seinerseits ist ein Sohn des unter Franke Sloothaak so erfolgreichen Holsteiner Verbandshengstes Corrado I , belegte mit dem Belgier Dirk Demeersman Platz zwei im Aachener Nationenpreis, verpasste 2004 mit Rang vier bei den Olympischen Spielen in Athen knapp den Sprung aufs Medaillentreppchen und wurde 2005 Zweiter im Großen Preis von Aachen, um nur einige wenige Erfolge aufzulisten. Für die Zucht lieferte Clinton in Deutschland 15 registrierte, gekörte Söhne, darunter Upsilon, Utrillo van de Heffinck und President, sowie Camax L und Max Kühners Clintop. 2005 wurde er vom Belgischen Warmblutverband (BWP) in den Adelsstand eines Ambassadeurs (Botscha­ers) gehievt, schließlich sind seine Nachkommen Aushängeschilder – wie Coral Reef via Volo unter Elizabeth Madden, Dame Blance van Arenberg/Penelope Leprevost, Darlon van Groenhove/Andres Rodriguez, Danny Boy mit Beezie Madden und Gut Neuenhofs Cimba unter Ludger Beerbaum bzw. Henrik von Eckermann. Seit Mitte 2007 müssen die Zuschauer auf die meist spektakulären Au­ftritte von Clinton und Dirk Demeersman verzichten. Die Clinton-Besitzer Henk Nijhof und Hubert Hamerlinck entschieden, dass der damals erst 14-jährige Hengst nur noch in der Zucht eingesetzt werden sollte. Und warum fiel Degraeves Wahl ausgerechnet auf Clinton? „Geschwindigkeit, Kra­ft und Kampfgeist sind für den Erfolg eines Springpferdes unerlässlich. Und ich wollte die Grundschnelligkeit und den Ehrgeiz von Rabanna mit der Springveranlagung von Clinton zusammenführen“, sagt er. Womit der Züchter goldrichtig lag, denn der kleine Cornet, der da ganz schwarz, aber schon mit ein paar verräterischen weißen Haaren um die Augen, noch etwas wackelig auf den Beinen vor ihm stand, sei vom ersten Tag an ein sehr auffälliges Fohlen gewesen. „Man konnte seinen Sportsgeist schon sehen. Und er hatte bemerkenswert gute Beine, war sehr beweglich und trabte herrlich locker daher.“

    Auf einer Weide in Belgien entdeckt

    Neuzugang bei Ludger Beerbaum:
    Colestus. © Dr. Tanja Becker

    Entdeckt wurde Cornet Obolensky durch Heinrich Ramsbrock – und zwar eher zufällig bei einer Reise zu einem Fohlenchampionat in Belgien. Der Mann aus Menslage mit dem legendären Hengst(er)kenner-Blick war fasziniert von der Ausstrahlung und den elastischen Bewegungen des damals zweijährigen Jungspunds. Nach einem kurzen Freispringtest gab es kein Halten mehr. Der Kauf wurde sofort besiegelt. 2001 trump­fte der vierbeinige Import dann in Münster-Handorf auf. Die Presse überschlug sich damals. Der Hengst sei wegen seiner Beweglichkeit und Springveranlagung eine absolute Ausnahmeerscheinung und die Freude an der Bewegung und an der Präsentation vor dem Publikum stehe ihm förmlich ins Gesicht geschrieben, stand im Anschluss an die 11. NRW-Hauptkörung zu lesen. Die Körkommissare sahen das ebenso und machten Cornet Obolensky zum zweiten Reservesieger. Seine Beschälerbox bezog Cornet Obolensky dann auf dem westfälischen Gestüt Ligges. Hier lernte der Schimmel das kleine Einmaleins für Pferde. Und wandte es 2002 bei seinem 30-Tage-Test in Münster-Handorf auch gleich mit Bravour an. Im Freispringen gab es eine 10,0. Als bester Springhengst der 33 Teilnehmer erhielt er eine 9,24. Unter Kai Ligges trat er 4-jährig dann in einer Springpferdeprüfung der Klasse A an – und wurde Dritter. Mit der Qualifikation fürs Bundeschampionat machte Cornet sein Hengstexamen über die Sportschiene komplett, konnte aber aufgrund seines ausländischen Pferdepasses in Warendorf selbst nicht an den Start gehen. Das taten dafür später umso häufiger seine jumpenden Nachkommen.

    Vererbt, was er selbst kann

    Nach diesem Motto gelang Cornet Obolensky 2005 auf Deutschlands Körplätzen ein Einstand der besonderen Art: mit 14 gekörten Söhnen. Allein in Westfalen stellte er mit Cornado NRW den Siegerhengst, mit Cristallo I einen Endringhengst, mit Cornet Fever und Cornet’s Stern zwei Prämienhengste sowie fünf weitere gekörte Söhne. Dass es mit der Vererbung des Cornet Obolensky etwas Besonderes auf sich hat, ließ sich schon bei seinen Debüt-Jahrgängen erahnen. Beim Deutschen Fohlenchampionat in Lienen siegte 2004 ein kleiner, damals noch rappfarbener, Vertreter. Der Oldenburger Cornet Obolensky-Lancer III-Sohn aus der Zucht von Hans-Jürgen Witte, Bad Sassendorf, erhielt zwei Jahre später – und inzwischen schon leicht grau – unter dem Namen Champions League die Zuchtzulassung.

     

     

    © Dieser Auszug basiert auf einem Beitrag von Dr. Tanja Becker, der im Sammelwerk „Ausgewählte Hengste Deutschlands 2016/17“ erschienen ist.

  • Cornet Obolensky – Deutschland hat den Superstar (Teil 2)

    Cornet Obolensky – Deutschland hat den Superstar (Teil 2)

    Die Söhne

    Cornet d’Amour gewann mit
    Daniel Deußer das Weltcup-Finale 2014 in Lyon. © Dr. Tanja Becker

    Der NRW-Siegerhengst Cornado bezog seine Box im nordrhein-westfälischen Landgestüt Warendorf, wurde Spring- und zweiter Reservesieger seiner Hengstleistungsprüfung und machte unter Marcus Ehning Karriere bis hin zu Rang vier in der Team- und Platz zehn in der Einzelwertung der Weltreiterspiele 2014 in der Normandie, nachdem sie im Weltcup-Finale von Lyon Rang vier belegt hatten. Aktuell wird der Schimmel, den Antonius Schulze-Averdiek aus seiner Mutterstute von Acobat I-Cantus gezogen hat, auf Platz vier der FEI-Weltrangliste geführt. Aus der Schar der Nachkommen des Cornado NRW ragen der Springpferde-Weltmeister Hui Buh, der OS-Reservesiegerhengst Corydon, die Reservesiegerin beim Deutschen Elite-Stutenchampionat und Westfälische Spring-Siegerstute Canzlerin, der Westfälische Springchampion Cooper One B und der Vize Cordynox sowie die Auktions-Springspitze Cornedo heraus. Den jüngeren, ebenfalls gekörten Vollbruder Cornado II pilotierte Christian Ahlmann zu Platz fünf bei der DM in Balve sowie zu vorderen Platzierungen im Nationenpreis von Calgary, im Großen Preis von Cannes und in den Weltcup-Qualifikationen von Mechelen und Helsinki. Ebenfalls internationale Meriten sammelte der von Ivo Auer gezogene, von Dr. Axel und Sandra G. Schürner entdeckte und bei Ludger Beerbaum in Riesenbeck stationierte Cristallo I. Der zweifache Bundeschampionatsfinalist schaffte 7-jährig mühelos den Sprung in die internationale Klasse, konnte verletzungsbedingt seinen Höhenflug aber nicht fortsetzen.

    Auf dem Weg zum Doppelvererber

    Zuletzt im Weltcup-Springen von
    London nicht zu schlagen: Cornet’s
    Cristallo mit Marco Kutscher. © Dr. Tanja Becker

    Cristallo I, dank seiner herausragenden Grundgangarten selbst in jungen Jahren in Reitpferdeprüfungen erfolgreich, ist als angehender Doppelvererber auch für so manche Dressurstute interessant. Die ersten Nachkommen sind international erfolgreich, wie Castello, Charmeur, Chelsea und Corbusier sowie die Westfalenchampioness und Springpferde-WM-Finalistin Casablanca und die Bundeschampionatsfinalisten Chancy K, Cristobar, FBW Cristallos Lady und Cleine Cera. Der Prämienhengst Cristofin, einer von insgesamt acht gekörten Söhnen des Cristallo I, gewann 2014 mit 8,8 die Final-Qualifikation in Warendorf, nachdem er sich bereits mit 8,9 für das Bundeschampionat qualifiziert hatte. Im Viereck glänzen der Dressurpferde-Bundeschampionats-Vierte Codiak, der Württemberger Reitpferde-Vize-Champion Coeur und die in der internationalen Junioren-Dressur-Tour erfolgreichen Christobalito und Carlotta B. Unter Cristallos zwölf Prämienstuten finden sich die SLP- und Springsiegerinnen Cristalies, Carmina Burana W, Cristallos Cleo und Cerubina W. Cristallos Vollbruder und Riesenbecker Boxennachbar Cristallo II, mütterlicherseits ebenfalls über Cassini I-Polydor-Festivo hochinteressant gezogen, verließ 2009 den Westfälischen Körplatz als bester Springhengst, gewann 2011 Bronze beim Westfalenchampionat und qualifizierte sich 2012 für das Finale beim Bundeschampionat, zu dem er aber wegen anderweitiger Verpflichtungen seines Reiters Henrik von Eckermann nicht antreten konnte. [ihc-hide-content ihc_mb_type=“show“ ihc_mb_who=“4,3″ ihc_mb_template=“3″ ]2014 folgte der Wechsel nach Italien und unter den Sattel von Jerry Smits, mit dem er 7-jährig in der internationalen Youngster-Tour brillierte. 2014 machte auch der erste Reitpferde-Jahrgang des Cristallo II von sich reden. Im Rheinland gewann Cristella den Freispringwettbewerb in Goch und das Finale in Uedem und wurde im Westfälischen Freispringfinale mit 8,4 Achte. Ebenfalls in Münster-Handorf platziert: Carlotta. Coco Chanel war zweite Reservesiegerin der Westfälischen Elitestutenschau und des Deutschen Elite-Stuten Championats.

    Ein Prinz!

    Der Erfolgszucht des Willi Ottmann entspringt Cornet’s Prinz, der zuletzt mit seinem Sieg unter Guido Klatte jun. bei der Deutschen Meisterscha­ der Jungen Springreiter in Zeiskam und Platz zwei im Finale des EY-Cups in Salzburg für Schlagzeilen sorgte. Zu dem prall gefüllten Erfolgskonto kommen noch Silber bei der DM der Springreiter-Junioren, Siege und Platzierungen in den internationalen Konkurrenzen von Oldenburg, Hannover, Hagen a.T.W. und im „Sires of the World“-Springen von Lanaken sowie beim Salut-Festival in Aachen und beim Preis der Besten in Warendorf hinzu. Für seinen ersten Fohlen-Jahrgang wurde der auf dem Zuchthof Klatte in Klein Roscharden beheimatete Cornet’s Prinz mit der 1aHauptprämie ausgezeichnet. Und da aus Fohlen bekanntlich Reitpferde werden, finden sich die ersten Cornet’s-Prinz-Nachkommen in den Platzierungslisten etwa des Bundeschampionats wieder, wie der Bronzegewinner des Oldenburger Landeschampionats, Corisanto, und die Westfälische Freispringchampioness Cornet’s Prinzess. Aus dem Stamm von Ludger Beerbaums Europameisterin Gladdys S gezogen, bescherte der gekörte Cornet’s Stern, der übrigens 2012 in Vechta den OS-Siegerhengst Cornettino Ask und in Münster-Handorf die Spring-Siegerstute Cloe stellte, seinem Vater 2008 den ersten Bundeschampionatstitel. Mit Silber musste sich damals Conte Bellini begnügen, seines Zeichens Halbbruder zum zweifachen Bundeschampion und Weltcup-Platzierten Monte Bellini. 2011 kam der gekörte Cornet’s Balou, Halbbruder zu Balou du Rouet, und 2012 Crespo PKZ hinzu.

    Vorliebe für Erfolge

    Die Vorliebe der Cornets für Championatserfolge ist nicht zu leugnen. So sicherte sich der gekörte Westfale Comme il faut, von Ludger Beerbaum aus der Olympiasiegerin Ratina Z gezogen, 2010 unter Franz-Josef Dahlmann Silber bei der WM der 5-jährigen Springpferde im belgischen Lanaken, nachdem er zuvor im Westfalenchampionat siegreich war. 2011 gab es erneut Silber in Münster-Handorf und Warendorf – und 2014 unter Marcus Ehning gar Rang zwei im Großen Preis von Dortmund. Comme il faut ist Vater der Westfälischen Spring-Siegerstute und Siegerin im Deutschen Elite-Stuten Championat, Chiara, des Süddeutschen Reservesiegers Coronet d’Honneur und des Westfälischen Springchampions Commissaire S. Auktions-Preisbrecher waren u. a. Cosinhus und Colestus – beide aus der Aufzucht von Heinrich Ramsbrock stammend. Cosinhus, brauner Sohn des Cornet Obolensky aus der Zucht von Albrecht Middelkampf, ging 2007 als Spring-Siegerhengst für 600.000 Euro über den Hannoveraner Hengstmarkt in Verden. Colestus, von Hartwig Rellensmann gezogener Cornet-Obolensky-Sohn, wechselte bei der Süddeutschen Körung 2009 für 250.000 Euro den Besitzer – und wurde 2012 Westfalenchampion der 6-jährigen Springpferde und Achter beim Bundeschampionat. Der Schimmelhengst wurde Anfang 2015 an Madeleine Winter-Schulze verkau­, die Sponsorin von Ludger Beerbaum, der 2014 den Beritt des Colestus übernahm und mit ihm in Stuttgart, Madrid, Paris, Basel, Zürich und Hongkong auf die Ehrenrunde ging. Der väterliche Halbbruder zu Cosinhus und Colestus, Con Spirit, erhielt seinerzeit in München-Riem die 10,0 für sein Freispringen, was ihm den Titel Spring-Siegerhengst einbrachte. Ebenfalls mit der Siegerschärpe vom Platz trabte Coronas und zwar 2007 bei der Westfälischen Körung in Münster-Handorf. Selbst in S-Springen platziert, stand seine Tochter Corona 2014 im Finale der Springpferde-WM und des Bundeschampionats.

    Top-Jumper im Sport

    Nun stehen für Cornet Obolensky nicht nur über 70 gekörte Söhne zu Buche, seine Nachkommen sprangen, zumindest nach deutscher Zählung, bereits über 3,7 Millionen Euro zusammen. Nicht weniger als 17 von ihnen stehen unter den Top 500 der FEI-Weltrangliste Springen. Dies sicherte ihrem Vater einen Platz unter der Phalanx der weltbesten Springvererber laut Ranking des Weltzuchtverbandes WBFSH (World Breeding Federation for Sport Horses) – und zwar Rang zwei und als Jüngster unter den Besten der Besten. Erfolgreichster Sportler ist der im FEI-Ranking an dritter Stelle und damit einen Platz vor Cornado NRW stehende Cornet D’Amour. Alfred Niehoff hat den Schimmelwallach 2003 aus seiner Daquiri von Damiani-Pluspunkt gezogen, der unter Daniel Deußer von Erfolg zu Erfolg springt: 2012 Gewinn des Nationenpreises von Calgary, Sieg im Großen Preis von Wien, Platz zwei im Großen Preis von Hachenburg, 2013 Gold bei der DM in Balve, Teamsilber und Fün­fter in der Einzelwertung bei der EM in Herning, Sieg im Weltcup-Springen von Wellington, Platz zwei im Großen Preis von Hamburg und im Nationenpreis von Rom, Rang vier im Großen Preis von Aachen, 2014 Sieg im Weltcup-Finale von Lyon, Rang zwei in der Global-Champions-Tour-Etappe von Doha und Platz vier bei den Weltreiterspielen von Caen. Nächster Top-Jumper ist der von Christine Kärcher gezogene Cornet’s Cristallo, den sein Reiter Marco Kutscher gerade erst zum Sieg im Weltcup-Springen von London sowie zu Rang zwei und fünf in den WeltcupQualis von Oslo und Madrid und zu Platz acht im Großen Preis von Hongkong ritt. Cornet’s Cristallos Mutter Paleika, abstammend von Pilot-Romadour I, brachte noch den Vollbruder Caesario, den Emanuele Gaudiano in Aachen und Hannover erfolgreich an den Start brachte. Der Italiener hat noch Cocoshynsky (Züchter: Dieter Meier) unter dem Sattel, mit dem er unter anderem an den Weltreiterspielen in Caen teilnahm.

    Die Töchter

    Bundeschampion Nummer drei,
    Crespo PKZ mit Toni Haßmann. © Dr. Tanja Becker

    Die Liste der erfolgreichen Cornet Obolenskys lässt sich beliebig verlängern, so etwa mit Classic Man V unter Toni Haßmann, Cornetta unter Max Kühner, Cornet’s Dream mit Jana Wargers, Confident of Victory mit Shane Breen und dem Westfalen-Champion, zweifachen Bundeschampionatsfinalisten und inzwischen S-erfolgreichen Celektrik mit Toni Haßmann. Und auch seine Töchter geben wertvollste Eigenschaft­en an ihre Nachkommen weiter. Beispiele? Die Westfälischen Springsiegerhengste Coupie (v. Coupe de Coeur), Bellini Royal (v. Balous Bellini) und Cavtat PKZ (v. Castelan II) sowie der Reservesieger All Music (v. Arpeggio). Dessen Vollschwester Abby war 2014 Siegerin im Deutschen Elite-Stuten Championat und Westfälische Siegerstute der springbetonten Stuten. Cross Country sind die Cornets ebenfalls mit von der Partie. So etwa Nachwuchsstar Kayzer, den sein Ausbilder Andrey Mitin, nach Siegen in CCI1*- und vorderen Platzierungen in CCI2*-Prüfungen, 2014 bei der WM der jungen Vielseitigkeitspferde in Lion d’Angers an den Start brachte. Cornet Obolensky hat sich längst den Titel eines Stempelhengstes verdient – und damit die euphorischen Presseberichte anlässlich seiner Körung bestätigt, was in der Zucht nicht so häufig vorkommt. Nahezu kein Zuchtgebiet, welches sich nicht seine Genetik gesichert hat. Der Belgische Verband erhob ihn gar, wie schon seinen Vater, zum Ambassadeur der Rasse. Das Gestüt Ligges, welches auch heute noch den inzwischen bei seinem ukrainischen Besitzer befindlichen Hengst weiterhin im Tiefgefriersperma anbietet, textete denn auch treffend: DHDS – Deutschland hat den Superstar!

     

     

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    © Dieser Auszug basiert auf einem Beitrag von Dr. Tanja Becker, der im Sammelwerk „Ausgewählte Hengste Deutschlands 2016/17“ erschienen ist.

  • Vererbung – Die Weiberherrschaft (Teil 1)

    Vererbung – Die Weiberherrschaft (Teil 1)

    Nach außen hin ist der Hengst das dominierende Element in der Pferdezucht. Er soll Exterieur und Interieur des Fohlens bestimmen und die Schwächen der Mutter ausgleichen. Dabei sind sich Züchter längst einig: Stuten prägen das Fohlen mehr. Das hat nicht nur soziale, sondern auch biologische Gründe.

    Der „echte“ ET hat eine unverwechselbare Blesse. © dpa

    Seltsam. Der Hannoveraner-Fuchswallach E.T., der unter seinem Reiter Hugo Simon 3,2 Millionen Euro Preisgeld im Springen gewann, hatte eine unverkennbare Blesse. Sie war breit und kreiste in der Nähe des rechten Auges ein Stück Fuchsfarbe wie ein rotes Ei ein. Da E.T. als Wallach keine Nachkommen zeugen konnte, ließ sein Besitzer ihm Gewebezellen entnehmen und davon in den USA einen Klon herstellen. 2006 kam „E.T. Cryozootech-Stallion“ zur Welt, eine 100-prozentige genetische Kopie. Und dennoch trägt der „neue“ E.T. eine normale dünne Blesse. Äußerst seltsam. Gehen wir davon aus, dass Vater und Mutter, Hengst und Stute, dem Nachwuchs je 50 Prozent an Erbgut liefern. Und gehen wir weiter davon aus, dass das Erbgut allein die Ausprägung zumindest der körperlichen Eigenscha­ften des Fohlens ausmacht. Dann dür­fte dieser Klon keine veränderte Blesse haben. Dass er sie doch hat, hat mit der Stute zu tun, die das Klonpferd austrug. Denn die embryonale Entwicklung der Zellen läuft­ nicht immer gleich – sie ist nicht nur vom genetischen Material, sondern auch von den Bedingungen abhängig, die im Uterus herrschen. Doch dazu später mehr.

    Die Stute liefert mehr Erbgut

    Der Klon von ET trägt ein anderes Abzeichen © Cryozootech

    Grundsätzlich bekommt ein Fohlen je einen haploiden Chromosomensatz (siehe Kasten) von Hengst und Stute geliefert. Die Chromosomen sind aber nicht die einzigen Träger der Erbmasse DNA. Die Mitochondrien enthalten ebenfalls kleine Mengen DNA. Sie sind die Hauptenergielieferanten für den Zellstoffwechsel. Auch die große Eizelle der Stute besitzt Mitochondrien, während die kleine Spermazelle des Hengstes praktisch keine liefert. Daher erhält das Fohlen nur die mütterliche mitochondriale DNA – immerhin zwei Prozent der gesamten zellulären DNA. In Wahrheit liefern also Hengst und Stute nur je 49 Prozent der Erbanlagen über die Chromosomen. Dazu kommen zwei Prozent über die mütterlichen Mitochondrien. Heißt im Klartext: Genetisch betrachtet liefert die Stute 51 Prozent des Erbguts und der Hengst nur 49 Prozent. Der Niederländer Jac Remijnse vom Stutbuch Zangersheide sagte einmal in einem Vortrag über die Bedeutung von Hengstlinien, Stutenstämmen und Vererberkombinationen: „Die Stuten geben die entscheidenden Merkmale zur Leistung weiter“ – und erntete Zustimmung von sämtlichen anwesenden Züchtern. Auch dieser Erfahrungswert könnte mit der mitochondrialen DNA zu tun haben. Denn dort könnte der genetische Knotenpunkt für die Leistung verankert sein. Prof. Dr. Christine Aurich von der Veterinärmedizinischen Universität Wien hat zumindest eine Theorie dazu: „Mitochondrien sind die Kraft­werke der Zellen. Das könnte einen Einfluss auf Schnelligkeit, Leistung und Energie haben, der dann gezielt über die Stute vererbt wird.“ Wissenschaft­lich bewiesen ist das aber nicht. Sicher ist jedoch, dass zahlreiche Eigenschaft­en eines Individuums über sehr komplizierte genetische Vorgänge und mehrere Gene bestimmt werden. Bei diesem Vorgang werden nicht immer beide Erbanlagen von Mutter und Vater gleich „abgelesen“. [ihc-hide-content ihc_mb_type=“show“ ihc_mb_who=“4,3″ ihc_mb_template=“3″ ]„Theoretisch können bei einem solchen Vorgang im Embryo die Gene an- oder abgestellt werden“, sagt Prof. Dr. Aurich. „Die Umgebung im Uterus hat einen Einfluss auf diesen Prozess.“ Die Umweltbedingungen in der Gebärmutter werden bestimmt durch Haltungs- und Fütterungsfragen sowie durch psychische Aspekte. Hat die trächtige Stute genügend Platz und Zeit zum Ausruhen? Bekommt sie einwandfreies Futter? Atmet sie frische Lu­ft? Ist sie körperlich gesund? Gerade bei Zuchtstuten ist eine häufige Bewegung in den unterschiedlichen Gangarten für eine gute Durchblutung des Uterus vonnöten. Darüber hinaus muss genügend Platz für den Wälzvorgang vorhanden sein, da dieser für die Entwicklung des Fötus im Mutterleib von besonderer Bedeutung ist.

    Stress wirkt sich bereits auf den Embryo aus

    Haltung und Fütterung beeinflussen
    die Umgebung im Uterus der
    Stute. Das hat Auswirkungen
    auf das Fohlen. © Nadine Haase/Fotolia.com

    Artur Landes, der auf dem Eulerhof in Ingolstadt mehrere Zuchtstuten mit Hannoveraner und Holsteiner Abstammung aufgestallt hat, achtet während der Zeit der Trächtigkeit ganz instinktiv darauf, dass die Stuten optimal versorgt werden. Eine eher vollwertige als üppige Fütterung und tägliche ausreichende Bewegung seien für die Stuten essenziell, sagt der Züchter, ebenso wie die Haltung zusammen mit anderen trächtigen Stuten in der Herde. „Die Fütterung wird ständig dem Trächtigkeitsfortschritt angepasst. Dazu sehen wir eine ruhige, stressfreie Umgebung als sehr wichtig an.“ Züchter-Koryphäe Hans-Eberhard Schneider, aus dessen Zucht unter anderem der erfolgreiche Trakehner Elitehengst Van Deyk stammt, achtet vor allem darauf, dass trächtige Stuten nicht zu viel und zu reichhaltiges Futter bekommen. „Eine ausgewogene Ernährung nach Gehalt und Vitalstoffen ist zu dieser Zeit für die Entwicklung eines gesunden Fohlens im Mutterleib und danach wichtig“, so der Vater von Dressur-Queen Dorothee Schneider. Hengsthalter Tobias Galmbacher, der im bayerischen Umpfenbach das Gestüt „Galmbacher Sport Pferde Zucht“ betreibt, sagt ganz klar: „Man kann sich noch so viele Gedanken bei der Anpaarung machen – wenn es dann bei Fütterung und Haltung hapert, sind die Folgen o­ gravierend und später kaum oder nur sehr aufwendig zu korrigieren.“ Die Mutterstute müsse sich dauerha­ft wohlfühlen. „Dazu gehören ein gutes Stallklima, gründliches Misten, sorgfältige Futterzusammenstellung, die richtige Bewegung, tierärztliche Betreuung – und Ruhe.“ Ähnlich wie beim Menschen überträgt nämlich auch die Stute Stress über Hormone auf ihr ungeborenes Fohlen. Die Psychotherapeutin Inge Krens schreibt: „Wenn die Mutter sich zum Beispiel ängstlich fühlt, werden vermehrt Stresshormone wie Adrenalin und Kortisol ausgeschüttet. Ihr Herz beginnt schneller zu schlagen und möglicherweise wird die Sauerstoffzufuhr beeinträchtigt, weil Adrenalin die Blutgefäße der inneren Organe verengt. Alle Stoffe überschreiten ohne Probleme die Plazentaschranke und stimulieren im Fötus biochemisch die physiologische Reaktion auf genau dieses Gefühl von Angst und Furcht.“ Eine Studie des Imperial College in London wies sogar nach, dass Stresshormone in der Schwangerscha­ft die Intelligenz von Kindern senken und die Chance auf spätere Aufmerksamkeitsstörungen oder Depressionen erhöhen können. Das alles sind Schlussfolgerungen aus dem Humanbereich, eine Übertragbarkeit auf den Veterinärbereich liegt jedoch nahe. All diese Faktoren – und wahrscheinlich noch viele mehr – tragen zur Veränderung und Prägung des Embryos bereits in der Gebärmutter bei. Das betrifft nicht nur psychische, sondern auch körperliche Bereiche. Wie zum Beispiel die Blesse von „E.T. Cryozootech-Stallion“. Die Anlage dafür hatten er und sein Erbgutlieferant hundertprozentig identisch. Doch die genannten Uterusbedingungen waren bei E.T.s Mutter anders als bei der Leihmutter seines Klons. Und eine veränderte Blesse wird nicht die einzige körperliche Auswirkung dieses Phänomens bleiben.

    Das dominante X-Chromosom

    Mikroskopische Ansicht eines
    Chromosoms. Im Inneren windet
    sich spiralförmig die DNA,
    die das Erbgut trägt. © Giovanni Cancemi/Fotolia.com

    Ein weiteres Indiz für die Dominanz der mütterlichen Vererbung findet sich direkt in den Geschlechtschromosomen. Stuten besitzen zwei X-Chromosomen – eines von ihrer Mutter und eines von ihrem Vater. Hengste und Wallache dagegen haben ein X-Chromosom und ein Y-Chromosom – Ersteres von ihrer Mutter und Letzteres von ihrem Vater. Während das weibliche X-Chromosom sehr groß ist und damit auch viele genetische Informationen beherbergt, ist das männliche Y-Chromsom vergleichsweise klein. Die Vererbungsexpertin Dr. agr. Dr. agr. habil. Ines von Butler-Wemken schreibt in einer Abhandlung über den Einfluss von Stuten in der Zucht: „Auf dem X-Chromosom können nun Erbanlagen liegen, welche dann beim Hengstfohlen, auch bei rezessivem Erbgang, schon in einfacher Kopie direkt wirksam werden. So wird zum Beispiel die Erbinformation zur Bluterkrankheit (…) mit nur einem X-Chromosom von der Stute an das dann kranke Hengstfohlen übertragen. Stuten sollten dagegen zwei solche X-Chromosomen mit dem Erbdefekt besitzen, sie also von der Mutter und von dem Vater erhalten haben, um nicht nur Krankheitsträger, sondern auch selbst von der Krankheit betroffen zu sein. Hinweise auf eine weitere solche X-Chromosom gebundene Erbkrankheit liegen beim Pferd für das Wobbler-Syndrom, eine Gleichgewichtsstörung, vor.“ Das bedeutet: Stuten geben das Auft­reten gewisser Krankheiten rein maternal über ihr X-Chromosom weiter. Doch nur beim Hengstfohlen bricht die Krankheit auch tatsächlich aus. Stutfohlen kompensieren das Problem durch ihr dominantes zweites X-Chromosom.

     

     

     

     

     

     

     

     

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    © Dieser Auszug basiert auf einem Beitrag von Regina Käsmayr, der im Sammelwerk „Ausgewählte Hengste Deutschlands 2016/17“ erschienen ist.

  • Vererbung – Die Weiberherrschaft (Teil 2)

    Vererbung – Die Weiberherrschaft (Teil 2)

    Verhalten wird kopiert

    Das ist noch nicht alles. Bereits im Jahr 1938 fanden die Tierzuchtwissenschaft­ler Arthur Walton und John Hammond heraus, dass Stuten auch die Größe des Fohlens bestimmen, indem sie entsprechende Stoffwechselprodukte produzieren, welche die Größe des Fötus begrenzen können. Für ihre Studie kreuzten sie Shire-Horses und Shetlandponys miteinander. Die Fohlen aus den großen Stuten und den kleinen Hengsten hatten bereits bei der Geburt ein deutlich höheres Körpergewicht und wurden auch später größer als die Fohlen aus den kleinen Stuten und den großen Hengsten. Ähnlich verhält es sich seit jeher bei Hybriden aus Pferd und Esel. Das Maultier ist von der Größe und vom Exterieur seiner Pferdemutter ähnlicher, der Maulesel hingegen seiner Eselsmutter. Bei Genetik und pränatalen Einflüssen hört die Weiberherrschaft­ aber noch lange nicht auf. Auch nach der Geburt geht es weiter. „Die Erziehungszeit nach der Geburt ist von großem Einfluss auf die Verhaltensmuster des Fohlens im späteren Leben“, sagt Hans-Eberhard Schneider. Artur Landes sieht das ähnlich, verweist dabei jedoch gleich wieder auf die Genetik: „Fohlen werden durch ihre Mutter im Verhalten sehr geprägt. Oft­ haben ranghohe Mütter auch ranghohe Fohlen – was natürlich auch dem genetischen Pool der Mutter zuzurechnen ist. Wir stellen immer wieder fest, dass soziale Faktoren zwar einen bedeutenden Einfluss haben. Den genetischen Anteil sehen wir jedoch als bedeutender an.“ Diesen Einwand hat auch Prof. Dr. Aurich. Die genetischen Faktoren solle man bei aller Liebe zur Verhaltenslehre nicht unterschätzen. Neuere Untersuchungen an Leihmüttern und deren über Embryonentransfer entstandenen Fohlen haben gezeigt, dass selbst Charakter und Persönlichkeit eines Pferdes stark von der Genetik geprägt werden. „Die Leihmutter hat zunächst eine gewisse Vorbildfunktion“, erklärt die Veterinärwissenschaft­lerin. „Langfristig sieht man aber, dass die genetischen Einflüsse immer wieder durchkommen.“ Am Ende dominiert die Genetik Im Schweizer Nationalgestüt in Avenches grast eine eigene Herde von Freiberger-, Warmblut- und Traberstuten, um fremde Embryonen auszutragen – und zu Forschungszwecken. Die Besitzer der Transfer-Nachkommen werden regelmäßig nach den Eigenschaft­en ihrer Pferde gefragt. Sie sollen Nervosität, Sozialverhalten und Bewegungsdrang der Tiere bewerten. Dabei kam heraus, dass emotionale Qualitäten und Herdentrieb kaum von der Leihmutter beeinflusst werden. Die für ein Sportpferd entscheidende Bewegungsfreude ist zu zwei Dritteln genetisch festgelegt, also von der Mutter vererbt. [ihc-hide-content ihc_mb_type=“show“ ihc_mb_who=“4,3″ ihc_mb_template=“3″ ]„Der Einfluss der Empfängerstute scheint minimal zu sein“, sagt der Veterinärmediziner Dominique Burger, zuständig für die züchterischen Belange in Avenches. Ähnliche Ergebnisse hätten auch die Arbeiten des britischen Forschers William Allen erbracht. Er hatte einer Pferdestute einen Zebra-Embryo eingepflanzt. Das kleine Zebra ließ sich von seiner braven Pferdeleihmutter nicht beeindrucken und war vom Tag seiner Geburt an ein unzähmbares Wildtier. Auch Artur Landes glaubt, dass Leihmütter zwar vorübergehend Einfluss auf ein hibbeliges Fohlen haben können. Ob dieser Einfluss nach dem Absetzen jedoch bestehen bleibt, bezweifelt er. Tobias Galmbacher erlebt regelmäßig, dass Jungpferde nach dem Absetzen ein Verhalten entwickeln, bei dem die genetischen Anlagen deutlich zum Tragen kommen. „Das habe ich gerade bei einer zweijährigen Jungstute erlebt, die wahrlich typische Verhaltensweisen ihres Vaters an den Tag legt – den sie nie gesehen hat und von dem sie etliche Hunderte Kilometer entfernt aufgewachsen ist. Als mir ihre Züchter das schilderten, freute mich das natürlich. Es hieß: Es hat mit der Anpaarung gepasst, denn es waren die guten Eigenscha­ften unseres Hengstes gewesen.“

    Die Auswahl einer guten Zuchtstute

    Tobias Galmbacher mit seiner Frau
    Dr. Katja Galmbacher und Sohn Tom © Jan Reumann

    Aus all diesen Gründen ist es so wichtig, bei der Pferdezucht auf die Auswahl der Stute zu achten. Die internationale Männergesellschaft­ hat vor allem unter Amateurzüchtern für die sehr verbreitete Auffassung gesorgt, dass in erster Linie der Hengst für eine gute Nachzucht sorgt. Tatsächlich kommt es aber mehr auf die Stute an – Galmbacher schreibt ihr inklusive aller genetischen und sozialen Faktoren 60 Prozent des Vererberpotentials zu, Landes erhöht auf 65 Prozent und Schneider gar auf 70. Dabei weist Artur Landes darauf hin, dass auch das beste Fohlen ohne fachgerechte Aufzucht und guten Reiter nur die Häl­fte seiner Leistung bringen kann und andersherum ein guter Reiter auch schlechtere Jungpferde unheimlich pushen kann. Auch diese Faktoren tragen dazu bei, dass es nirgends so viele Ausnahmen von den gesagten Einschätzungen gibt wie im Pferdezucht- und Sportbereich. Neben ihrem Gebäude, ihren Leistungen und ihrem Verhalten sollte eine Zuchtstute auch nach ihren weiteren mütterlichen Eigenschaft­en ausgewählt werden. Dazu gehören zum Beispiel die nachgewiesene Fruchtbarkeit und eine hohe Laktationsleistung. Auch das Volumen der Gebärmutter spielt eine Rolle. Wie bereits erwähnt, bekommen kleine Stuten auch kleine Fohlen. Außerdem ist das erste Fohlen einer Stute meist kleiner als die nächsten. Auch ein hohes Alter der Stute bedinge häufig „mickerige Fohlen“, so Prof. Dr. Aurich. Womöglich sorgen auch in diesem Fall biochemische Vorgänge in der Stute dafür, dass das Fohlen nicht mehr zu groß gerät. Wichtig ist außerdem, dass eine Stute gezielt als Zuchttier ausgesucht wird und nicht wegen Krankheit oder einer geplatzten Karriere als Sportpferd in die Mutterrolle gedrängt wird. Zahlreiche Krankheiten wie die Neigung zu Gelenkchips, Hufrolle, Spat, Dämpfigkeit, Kehlkopfpfeifen und Sommerekzem schließen Stuten eigentlich von der Zucht aus, da sie zumindest als Veranlagung an die Fohlen weitergegeben werden können. Absolut ungeeignet für die Zucht sind Stuten mit Erbdefekten (siehe Seite 490). Abschließend ist zu sagen, dass eine erfolgreiche Anpaarung letztendlich immer von beiden Elternteilen abhängt. Auch die beste Stute wird mit einem mittelmäßigen oder schlechten Hengst kaum eine überzeugende Nachzucht liefern. Stutenbesitzer tun deshalb gut daran, beim Betrachten ihres zukün­ftigen Muttertiers die rosa Brille abzunehmen und sich über Zuchtkriterien, Vererbung und Hengstauswahl schlau zu fragen. Ist einmal der perfekte Mann zum Superweib gefunden – dann macht Züchten erst richtig Spaß.

     

     

     

     

     

     

    Darstellung einer tierischen Zelle. Im Zellkern (Mitte) benden
    sich die Chromosomen. Die Mitochondrien (blaue Ovale) haben
    im Inneren eine zweite Membran und tragen ebenfalls DNA. © iStackphotons / istockphoto.com

    Chromosomen sind Strukturen im Zellkern aller Lebewesen, die das Erbgut enthalten. Sie bestehen aus DNA und – als Grundbaustein – aus Proteinen. Pferde haben 64 Chromosomen in einer normalen Körperzelle. Dabei handelt es sich um 32 paarweise vorhandene Chromosomentypen. Teilt sich eine solche Zelle während einer Wachstumsphase, so verdoppeln sich zuvor sämtliche Chromosomen. Die beiden Tochterzellen erhalten wieder je einen gesamten Satz. Das nennt sich Mitose. Anders verhält es sich bei der Meiose, der Reifeteilung. Hier wird der Chromosomensatz halbiert. Eizelle und Spermazelle tragen beim Pferd also jeweils einen haploiden (einfachen) Chromosomensatz. Verschmelzen die Zellen bei der Befruchtung miteinander, so entsteht wieder ein diploider (doppelter) Satz.

    DNA ist die Kurzbezeichnung für Desoxyribonukleinsäure. Sie ist die Trägerin der Gene, also der Erbinformationen. Bei allen Menschen, Tieren und Pflanzen befindet sich der Hauptteil der DNA in den Chromosomen. Ein kleiner Teil davon sitzt jedoch in den Mitochondrien und – bei Pflanzen – in den Chloroplasten.

    Mitochondrien kommen in den Zellen aller Lebewesen vor. Sie fungieren als Energiekra­ftwerke, da sie der Zelle energiereiche Moleküle zur Verfügung stellen. Besonders viele Mitochondrien befinden sich deshalb in Muskel- und Nervenzellen mit hohem Energieverbrauch. Da sie im Plasma schwimmen, werden sie bei der Befruchtung fast ausschließlich von der großen, plasmareichen Eizelle weitergegeben. Die wenigen aus der Spermazelle importierten Mitochondrien werden zum Großteil von der befruchteten Eizelle eliminiert.

    Gene sind jeweils bestimmte Abschnitte der DNA. Labortests können herausfinden, ob ein Pferd ein bestimmtes Gen trägt oder nicht. Die Zustands- oder Ausprägungsform eines Gens wiederum wird als Allel bezeichnet. So kann ein Allel zum Beispiel „normal/gesund“ oder „mutiert“ sein. Ist ein Organismus also homozygot, so liegen zwei gleiche Allele vor. Ist er heterozygot, gibt es zwei verschiedene Allele.

    Rezessive und dominante Erbgänge treten bei der Vererbung einer bestimmten Eigenscha­ft auf. Eine dominante Eigenschaft­ setzt sich gegenüber der rezessiven durch. Damit eine Krankheit rezessiv vererbt wird, muss die Anlage dafür (das Allel) sowohl von der Stute als auch vom Hengst weitergegeben werden. Nur dann bricht die Krankheit beim Fohlen aus. Die Chance dafür liegt bei 25 Prozent. Gibt nur ein Elternteil die Anlage weiter und das andere liefert ein „gesundes“ Nicht-Träger-Chromosom, so trägt das Fohlen die Krankheit zwar weiter, doch sie bricht bei ihm selbst nicht aus. Das passiert in 50 Prozent der Fälle. Ebenso kann es geschehen, dass das Fohlen von beiden Eltern ein Nicht-Träger-Chromosom erhält und damit gänzlich gesund ist. Die Chance dafür liegt wieder bei 25 Prozent. Bei einem dominanten Erbgang sieht die Sache etwas anders aus. Wird eine Krankheit dominant vererbt, so ist bereits ein einfacher Anlageträger von ihr betroffen. In einem solchen Fall bringt das betroffene Tier selbst in Verbindung mit einem gesunden Partner zu 50 Prozent Mutationsträger, also ebenfalls kranke Tiere, hervor.

    Gentests können klären, wie hoch die Wahrscheinlichkeit ist, aus einer bestimmten Stute und einem bestimmten Hengst ein gesundes oder krankes Fohlen zu erhalten. Wie bereits erwähnt steigt bei kranken Eltern und dominanten Erbgängen die Wahrscheinlichkeit auf eine Mutationsvererbung signifikant an.

     

     

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    © Dieser Auszug basiert auf einem Beitrag von Regina Käsmayr, der im Sammelwerk „Ausgewählte Hengste Deutschlands 2016/17“ erschienen ist.

  • Nabab de Rève – Ein Franzose von Welt (Teil 1)

    Nabab de Rève – Ein Franzose von Welt (Teil 1)

    Einer der weltweit spektakulärsten Vererber der letzten zehn Jahre ist unbestritten Nabab de Reve. Bedauerlicherweise trat er 2015 von der züchterischen Bühne ab. Mit einem lupenreinen Selle-Français-Pedigree ausgewiesen, hinterlässt er, eingesetzt in Belgien, weltweit erfolgreiche Nachkommen. Besonders der Blick in seine Abstammung ist informativ und beschreibt französische Zuchtgeschichte.

    Bei den Weltreiterspielen
    in Jerez schaffte es Nabab
    unter dem belgischen
    Nationenpreisreiter
    Philippe Le Jeune zu
    Mannschaftsbronze. © Dirk Caremans

    In der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts kam es in Frankreich zur Gründung der „Haras Nationaux“. Ziel und Zweck war es, Pferde fürs Militär selbst zu züchten und nicht im Ausland teuer kaufen zu müssen. Im Laufe der nächsten Jahrzehnte entwickelte sich im zentralistisch geführten Frankreich diese nationale Gestütsverwaltung zum Dreh- und Angelpunkt für alle Pferderassen, vom Araber bis zum Vollblüter, vom schweren Bretonen bis zu den Maultieren. Diese staatlichen Bemühungen trugen lange Zeit reiche Früchte. Im Zweiten Weltkrieg jedoch entstanden landesweit große Lücken im Pferdebestand, da die deutschen Besatzer zahlreiche Zuchttiere für sich beanspruchten. Wieder waren es die nationalen Gestüte, die nach dem Krieg Anschubhilfe leisteten – vor allem musste nach einer neuen Legitimation für das Pferd gesucht werden, denn der „Hafer-Motor“ kämpfte einen ausweglosen Kampf gegen die dieselbetriebenen Traktoren. Zwar hatte man bereits in den 20er- und 30er-Jahren veredelt, unter anderem mit viel Traberblut, doch nun suchte man nach den passenden Veredlern in den Vollblutgestüten, um Reitpferde für die aufkeimende Reiterei zu züchten. Eine Delegation von Gestütsbeamten mit viel Faible für die „neue Richtung“ wurde nach England geschickt, ins Ursprungsland der Blüter. Auf den Rennbahnen wurde man schnell fündig und Furioso xx (Vater des Furioso II, der u.a. Florestan-Großvater wurde), Ultimate xx und Fra Diavolo xx sowie weitere kamen zu den Züchtern, vor allem in die Normandie.

     

     

     

     

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    Nababs Vaterseite

    Ein überaus erfolgreicher
    Nabab-Sohn ist Vigo
    d’Arsouilles, ebenfalls geritten
    von Philippe Le Jeune.
    Das Paar ersprang sich
    den Weltmeistertitel 2010
    in Kentucky © Dirk Caremans

    Beginnt man bei Orange Peel xx, steht ein Vererber im fallenden Mannesstamm, dem viele eine zentrale Bedeutung bei der Erschaffung des modernen normannischen Pferdes zuschreiben. Überschwänglich wurde er häufig als „Le père du cheval normand“ (deutsch: Vater des normannischen Pferdes) bezeichnet. Geboren 1919 wirkte der starke Braune bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges. Der Jus-d’Orange-xx-Sohn, der oft als englischer xx-Hengst bezeichnet wird, ist korrekterweise ein Produkt der französischen Vollblutzucht. Zeitlebens stand er im Nationalgestüt Saint Lo. Der Hippologe Gustav Rau beschreibt ihn in einem Artikel für die Pferdezeitschrift St. Georg als einen „mächtigen Hengst von der größten Anlage, mit viel Knochen, mächtigem Widerrist, prachtvollem Oberkörper, enormer Tiefe und recht guten Beinen“. Dieser Beschäler war also in jeder Beziehung auffällig. Seziert man den Mannesstamm weiter, trifft man an entscheidender Stelle auf Le Sancy xx. Er war nicht nur Großvater des Rittersporn xx, der den für die europäische Zucht so bedeutenden Ramzes AA brachte und damit für Ramiro und Radetzky sorgte. Le Sancy xx ist auch Großvater von Wotan, dem erfolgreichsten deutschen Springpferd der 1920er- und 30er-Jahre.

    The Last Orange öffnet die Turnierplätze

    1940, der Zweite Weltkrieg war in vollem Gange, wurde die braune Tochter des Horloger (Traber mal Vollblut) namens Velleda mit Orange Peel xx angepaart, ein Jahr später erblickte ein schlaksiger Brauner den Himmel über der Normandie: The Last Orange, mit einem Edelblut-Anteil von fast 70 Prozent ausgestattet, wurde Staatshengst in Saint Lo und nach seiner Körung nahe Saint-Marie-du-Mont stationiert. 1944 waren hier die Amerikaner auf dem „Utah-Beach“ gelandet. Die ortsansässigen Pferdezüchter rebellierten offen gegen den blütigen Junghengst – man wollte kein Reitpferd, sondern Zugkraft! Doch The Last Orange hatte mit seinem Gestütsdirektor Monsieur De Laurens de Saint Martin (die Z-Magazine nannten ihn „ein verflixter Neumodischer“) Glück, denn er war ein Befürworter der aufkeimenden französischen Reitpferdezucht. Seine Idee war es, Sportprüfungen für junge Zuchttiere zu installieren, um früh ihre Qualität messbar zu machen. Er war es, der mit der Gründung der Sociétés Hippique Rurale (Ländliche Reitervereinigungen) die Grundlage schaffte, um regionale Turniere zu organisieren. Pferde wie The Last Orange und seine Nachkommen konnten sich hier messen und halfen dabei, die Vorbehalte gegen den Hengst innerhalb der Züchterschaft abzubauen. Eine seiner Partnerinnen war die Fuchsstute Vaillante von Porte Bonheur, nur einmal, 1951, wurde sie ihm zugeführt.

    Ibrahim, Schönling und Leistungshengst

    Im Jahr darauf wurde Ibrahim geboren. In dieser Zeit hatte das Interesse an seinem Vater deutlich zugenommen, die ersten Kinder des The Last Orange waren über den Stangen nicht ungeschickt. Der legendäre Pferdehändler Alfred Lefèvre schätzte Ibrahim zwar nicht sonderlich, kaufte den Braunen aber trotzdem von seinem Züchter René Haize für 500 Francs. Seine Mutter brachte später einen weiteren gekörten Sohn, Mersebourg, der ebenfalls in die staatliche Gestütsverwaltung verkauft wurde. Ibrahims Halbschwester Ossuna wurde dreifache Hengstmutter. Leistung ist in dieser Stutenfamilie offensichtlich kein Zufall. Die damals an zentralen Orten der Normandie durchgeführten sogenannten Ankaufskörungen sahen Ibrahim dreimal auf Platz eins. Dies brachte ihm den Titel Hengstchampion 1956 und Lefèvre einen Verkaufspreis von 8.000 Francs ein. Sein Kopf war wohlgeformt, die Augen stets wach, der vornehm gebogene Hals führte gut verbunden in den Widerrist, zudem war sein Rücken stark ausgeprägt, er hatte insgesamt genügend Breite und Tiefe, Schulter und Röhren waren passend, die Fundamente ausreichend stark und sein Rasseausdruck prägnant. Dennoch: Die normannischen Züchter blieben zunächst zurückhaltend, einige ließen sogar Cob-Stuten von Ibrahim decken, ein deutlicher Fingerzeig für ihr Desinteresse. Ohnehin zeugte er mit seinen Partnerinnen deutlich mehr Stuten als Hengste. Erst als eine dieser Stuten namens Norvale (Reiter: Jean-Michel Gaud) im internationalen Topsport landete, schmolz das Eis. Wenig später erschienen Topjumper wie Tango-C, die 1973 beim Grand Prix von Berlin fast durchs Hallendach flog – nun wollte jeder einen „Ibrahim“ haben! Doch bereits am 4. Oktober 1974 ging dieser grandiose Stempelhengst ein. Die Züchter blieben über seine Söhne wie beispielsweise Double Espoir (er wirkte in der Vendèe, für viele Normannen bereits Ausland) bei seinem Blut. Oft war Ibrahim mit Stuten, die Ultimatexx-Blut führten, besonders erfolgreich. Zum Beispiel mit Girondine, der Tochter des Ultimate xx, eines Iren, der mit Furioso xx im gleichen Fährschiff von England in die Normandie gekommen war. Der Schwarzbraune war an der Basis hochangesehen. Als Saint-Lo-Hengst fand er viel Zuspruch. In seinem Mannesstamm findet man den Hengst Isinglass xx, der in der Warmblutzucht, beispielsweise in Holstein, über seine Nachkommen Anblick xx und Manometer xx wirkt. In der vierten Generation auf der Mutterseite stößt man auf Hurry On xx, den man auch bei Furioso xx vorfindet. Auf dieser Seite des Pedigrees ist auch Gallinule xx verzeichnet; er ist ein Vorfahre des Blauen Vogels xx, dessen Enkelin die Olympiasiegerin von 1936, Tora, ist. Die oben genannte Girondine wurde Mutter des IbrahimSohnes Almé Z (geb. 1966). Almé Z sorgte für den Erhalt der Hengstlinie auf hohem Stand.

    Almé Z, Zangersheides und Frankreichs Aufstieg

    Auch als Muttervater
    vererbte Nabab de Reve
    sein Springvermögen –
    zum Beispiel an Hello
    Sanctos, das Ausnahmepferd
    von Scott Brash. © Dirk Caremans

    Geboren bei Alphonse Chauvin im Department Manche, aufgezogen bei Alfred Lefèvre, sorgte er für Aufsehen, als er die Hengstwettbewerbe von Saint Lo gewann. Unter seinem Reiter und Besitzer, dem amerikanischen Amateur Fred Graham, heimste er reihenweise goldene Schleifen in Aufbauwettbewerben ein. Der belgische Olympiareiter François Mathy hatte von einem Insider aus der Normandie Informationen über ein Pferd erhalten, das als „Weltwunder und Selbstfahrer“ beschrieben wurde. Binnen kurzer Zeit fuhr der niederländische Nationenpreisreiter Eric Wauters mit einem „Investor“, dem Eigentümer des Gestüts Zangersheide, Leon Melchior, in die Normandie zu einem dieser Jungpferde-Turniere. Almé Z wurde dort vorgeritten von Michel Parot. Wauters notierte später: „Als der imposante Braune auf dem Abreiteplatz erschien, waren wir perplex! Jeder Sprung wie aus dem Lehrbuch!“ Melchior machte noch am gleichen Tag den Deal perfekt, auch wenn es hierzu noch ein gerichtliches Nachspiel gab, denn Graham wollte den Verkauf noch einmal rückgängig machen. Almé erhielt also das Z als Namenszusatz und ging nach Zangersheide. Bereits aus seiner frühen Zeit kamen schnell die ersten Topspringer (und Deckhengste) in die Gewinnstatistiken: Galoubet A – Mannschaftsweltmeister 1982, I love you – Sieger im Weltcup-Finale. Bei Melchior wurde Almé Z mit den erstklassigen hannoverschen Stuten des Gestütes Zangersheide verbunden. Aus diesen Anpaarungen entstanden zuhauf herausragende Sportler. Bei seinen durchschlagenden Söhnen wirkten besonders Alexis Z, Athlet Z und Ahorn Z, um nur einige zu nennen. Almé Z selbst wurde Benelux-Meister und war neben der Zucht sportlich hocherfolgreich. 1984 kaufte ein französisches Syndikat (Anteil je 22.000 Francs) unter der Führung des Bernard le Courtois Almé Z, um ihn in Frankreich einzusetzen. 1991 trat der Hengst ab.

    Jalisco B, der beste Almé Z

    1975 wurde Jalisco B geboren, ein Sohn von Almé Z und Tanagra (auch Mutter der internationalen Springpferde Danoso und Escurial). Tanagra war eine Tochter des großen Furioso xx, den die „französische Expedition“ 1946 bereits 7-jährig aus England holte, nicht ohne ihn vorher reiterlich auszuprobieren. „Immer im Gleichgewicht“ und „annähernd ideale Sattellage“ sowie „geringe Abstriche in der Hinterhand“ stehen im Ankaufsprotokoll. Man war sich schnell einig: 800 Pfund. Im Pedigree von Furioso xx vereinigen sich die Hurry-on- und die Dark-Ronald-Linie, beide in der Warmblutzucht hochanerkannt. Vater Precipitation xx brachte für das Selle Français noch einen Enkelsohn, Espoir d’Escla, der bedeutend wurde für die Reitpferdezucht. Wer bei Furioso xx mit einer überzeugenden Rennleistung gerechnet hätte, wurde enttäuscht: 21 Starts, vier Platzierungen. Dass diese Sorte Vollbluthengste trotzdem oder gerade deshalb bei der Veredelung gut funktionierten, dafür gibt es eine Reihe Beispiele: Cottage Son xx, Pik As xx und beispielsweise Ladykiller xx. Die Zuchtbilanz von Furioso xx ist überragend: Unter den 304 Nachkommen findet man Olympiasieger (Lutteur B), Weltmeister (Pomone B) und Spitzenvererber wie Mexico. Furioso II und Futuro in Oldenburg und Urenkel wie Florestan in Westfalen halten das Blut erfolgreich in der europäischen Warmblutzucht. Der Florestan-Enkel Fürstenball sorgt zurzeit für einen wahren Hype auf diese Genetik. Furioso-xx-Sohn Jalisco B, großrahmig, 1,75 Meter Stockmaß, war sportlich (1983 Sieger im Grand Prix von Paris) wie züchterisch bedeutend: 16 gekörte Söhne, weltmeisterliche Nachkommen (Quito de Baussy) und Olympia-Teilnehmer (u.a. Rochet M, Verte e Rouge). Jalisco B nahm selbst 1988 für Portugal an den Olympischen Spielen in Seoul teil. Bei den Söhnen mit Lizenz zum Decken ist einer der herausragendsten Quidam de Revel.

    Quidam de Revel, ein Weltveränderer

    Aus der Anpaarung Jalisco B mit der wesentlich weniger vollblütigen Elitestute Dirka (1,63 Meter) von Nankin (Sohn des o.g. Fra Diavolo xx) stammt Quidam de Revel. Fra Diavolo xx, braun, nur 1,61 Meter Stockmaß, passte hervorragend zu den wuchtigen anglonormannischen Stuten, die im Bezirk des Haras Saint Lo vorherrschend waren. Sohn Nankin hat sich besondere Verdienste erworben, vor allem wegen seines Sohnes Uriel. Dieser mittelgroße Fuchs brachte mit unterschiedlichsten Partnerinnen mehr als 40 gekörte Söhne, er ist auch Vater der Großmutter von Quattro B, der viele Jahre segensreich bei Böckmann in Oldenburg deckte. Erst im Herbst 2016 machten Q-Nachkommen die Verdener Körung zu einem Q-Festival und verhalfen diesem im Ursprung Selle-Français-Blut zu einer wahren Renaissance, diesmal nicht über den Stangen, sondern auf dem Viereck! Die oben erwähnte Dirka glänzte mit viel Eigenleistung: Unter Rodrigo Pessoa und Xavier Leredde war sie einige Jahre erfolgreich in Großen Preisen unterwegs. Züchterisch ist ihre Bilanz enorm: vier gekörte Söhne (Vallon Rouge, Aiglon Rouge, Texas Z, Quidam de Revel) sowie die international erfolgreichen Töchter Orka de Revel und Paprika de Revel. Quidam de Revel wurde 1982 geboren, jedoch erstmals 1987 züchterisch eingesetzt. Erst durch seine spektakulären Erfolge als Sportpferd wuchs die Nachfrage nach seinen väterlichen Qualitäten. Zu dieser Zeit holte man in Deutschland die Zuchthengste nur zum Decken aus dem Stall. Doch die Franzosen- und Benelux-Hengste bewiesen sich neben dem Deckeinsatz bereits als Sportpferde. Quidam de Revels unvergessene Erfolge waren der vierte Platz (Einzelwertung) bei der Olympiade 1992 in Barcelona (die Almé-Z-Enkelin Ratina Z landete auf Platz zwei) sowie die Bronze-Medaille mit Team Frankreich. 1993 wurde der Jalisco-B-Sohn nach Dänemark verkauft, wo er unter den Geschwistern Charlotte und Thomas Velin bis 2001 international hocherfolgreich im internationalen Parcours lief. Erst 19-jährig wurde er in den sportlichen Ruhestand verabschiedet. Seine züchterische Bilanz ist immens: 190 gekörte Söhne, darunter der Silbermedaillen-Gewinner 2012 Verdi (ein viel beschäftigter Deck- und Sporthengst aus einer reinblütig holsteinischen Mutter von Landgraf), der Mannschaftsweltmeister 2002 im spanischen Jerez, Dollar dela Pierre (Inzucht auf Nankin), oder Guidam und Quel Homme (Deutscher Meister mit René Tebbel). Diese Nachkommen belegen auch die unbestrittene Veranlagung für springsportliche Höchstleistungen. In Holstein zunächst nur im Zuchtversuch für 30 Stuten zugelassen, etablierte sich Quidam de Revel schnell. Heute beeindrucken seine Söhne und Enkel alle Jahre auf den Körungen die Züchter, so die Holsteiner Quite Capitol und Quidam’s Rubin sowie der hannoversch gebrannte Quaid. Im „Hannoverschen Hengstbuch 2016“ sind 437 Nachkommen des Quidam de Revel erfasst – davon gehen 149 auf S-Niveau und besser.

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    © Dieser Auszug basiert auf einem Beitrag von Franz-Josef Neuhaus, der im Sammelwerk „Ausgewählte Hengste Deutschlands 2018/19“ erschienen ist.

  • Nabab de Rève – Ein Franzose von Welt (Teil 2)

    Nabab de Rève – Ein Franzose von Welt (Teil 2)

    Nababs Mutterseite

    Holte auf den Olympischen
    Spielen 2012 in London
    mit Gerco Schröder die
    Silbermedaille im Einzel:
    Nabab-Sohn Glock’s London. © Stefan Lafrentz

    Beim Auswerten und Suchen in Abstammungsnachweisen und Zuchtbüchern erlebt man im Falle von Nabab so manchen Aha-Effekt. So findet sich hier beispielsweise der Beleg, dass die erste bekannte Stute in seinem Mutterstamm Oreille (geb. 1914) ist. Sie ist eine Enkelin des Fuchsia – was hier wie ein Stutenname klingt, ist die bedeutendste Traberlegende seiner Zeit. Dabei war Fuchsia (er gilt als Vater des französischen Trabers) ein Kreuzungsprodukt aus englischem Vollblut, Norfolker und der bereits damals erfolgreichen französischen Traber-Linie des Young Sattler, einem englischen Halbblüter. Dass auch die Selle-Français-Züchter ihn als Erfolgsmotor für ihre Springpferde reklamieren, liegt in der Tatsache begründet, dass viele SF-Springer viel Genetik des französischen Trabers besitzen, so zum Beispiel Jappeloup und Galoubet A. Im weiteren folgen Stuten, die sich oft durch Härte und Leistungsbereitschaft in der Landwirtschaft auszeichneten, so etwa Duchesse, die von ihrem Züchter, einem „Cultivateur“, also Landwirt, so beschrieben wird: „Sie wollte alles ziehen und gab nie auf!“ Eine gute Voraussetzung.

    Univers, Tochter von Rantzau xx und Imperatrice

    Die Duchesse-Tochter Imperatrice (von Atour) wurde Partnerin des Rantzau xx, der in den ersten Jahren seines Wirkens von den Züchtern oft als unkalkulierbares Risiko eingestuft wurde. Scheinbar fehlte den Nachkommen von Rantzau xx die richtige Einstellung für die Zusammenarbeit mit dem Menschen. Seine beiden ersten Söhne, Nez de Cuir und Prince, wurden zwar von Saint Lo und Le Pin angekauft, aber nach drei Jahren Aufzucht ohne große Zuwendung nie eingesetzt. Beide hätten von Anfang an mehr menschlichen Kontakt gebraucht. Als dann die ersten Nachkommen des Rantzau xx zu leistungsstarken Reitern kamen, wurde die Zeit für den Fuchshengst zu kurz, um noch möglichst viele Kinder zu zeugen. Unvergessen bleiben aber internationale Spitzensportler wie Fier de Lui und Prince Charmant (später als Deckhengst für die Sennerzucht in Deutschland zugelassen) – und vor allem Cor de la Bryère, ohne den es einen Holsteiner heutiger Prägung nicht geben würde. Bei Rantzau xx ist, dies belegen Beispiele, der Mehrwert oft erst zwei oder drei Generationen später aufgetreten, siehe Baloubet du Rouet, dessen Mutter Tochter des Rantzau-xx-Sohnes Starter ist. Und immer wieder die Kombination Rantzau xx – Furioso xx, sie schien ein Erfolgsrezept zu sein. Die im aufsteigenden Mutterstamm verzeichnete Rantzau-xx-Imperatrice-Tochter Univers setzt auf schmalem Grad die Stutendynastie des Nabab fort.

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    Auf Univers folgt Caravelle

    Quidam’s Rubin,
    ein Halbbruder von
    Nabab, beeindruckte
    bereits auf seiner
    Hengstleistungsprüfung
    mit Idealnoten von 10,0 © Eylers
    für seine Springmanier.

    Caravelle wuchs als Waise auf, da Mutter Univers bei ihrer Geburt starb. Caravelles Vater war der angesehene Bel Avenir, dessen Tochter Abeille B die Großmutter des in Hannover lange Jahre erfolgreich eingesetzten SF-Hengstes Quasi Roi (von Hadja x). Auch die zweite Mutter des Baloubet du Rouet ist eine Bel-AvenirTochter. Kein Zufall! Caravelle brachte sechs Nachkommen, Tochter Gracieuse K (v. Artichaut) gewann zweimal mit Patrice Delaveau die französische Meisterschaft der Jungen Reiter. Gracieuse brachte die internationalen Springpferde Caladin II und Ut du Tot. Für die enorme Leistungsdichte im Mutterstamm ließen sich weitere Leistungspferde aufzählen. Doch Caravelles Nachwuchs mit der größten Nachhaltigkeit wurde eine weitere Artichaut-Tochter mit dem fantasievollen Namen Melodie en Fa (deutsch: Melodie auf F), geboren im Jahr 1978. Zunächst für eine Sportkarriere vorgesehen – immerhin brachte sie es unter Jan Vleugels bis auf den dritten Platz beim belgischen Championat – und inzwischen im Beritt bei Nelson Pessoa, beendete sie überraschend mit einem Sehnenschaden ihre sportliche Laufbahn. Sie kam zu Stephan de Bruyn ins Haras de Reve, wo sie 1988 ihr erstes Fohlen bekam. 1990 wurde Nabab de Reve vom oben beschriebenen Quidam de Revel geboren; weitere drei Kinder gehen über 1,40, 1,50 und 1,60 Meter Höhe, neben Nabab sind das Pin-up de Reve, Rush de Reve und Une Melodie de Reve. Gekört wurden neben Nabab auch Rush de Reve und Illico de Reve (ging in die Schweiz). Die Väter der Erfolgspferde sind neben Quidam weitere sechs Vererber, was die enorme züchterische Durchsetzungskraft der Mutter belegt.

     

     

    Nababs Karriere und sein Nachlass

    Nabab sprang als Youngster in den Aufbauprüfungen für junge Springpferde unter dem in diesem Metier erfahrenen Stephan van de Walle. Als Nabab 9-jährig war, übernahm der renommierte belgische Nationenpreisreiter Philippe Le Jeune die Verantwortung für den braunen Sportsmann, die Zusammenarbeit war von Anfang an erfolgsorientiert. Sie standen ganz oben auf dem Treppchen bei den Sires of the World in Malines und beim Grand Prix im nordfranzösischen Compiegne. Beide gewannen 2001 mit dem belgischen Team den Nationenpreis von Aachen. Nach der etwas glücklosen Teilnahme an der Europameisterschaft in Arnheim 2001, kamen die Weltreiterspiele in Jerez de la Frontera im Jahr darauf zum richtigen Zeitpunkt: Bronze für die belgische Mannschaft mit Nabab unter Le Jeune.

    Nababs Kinder in Zucht und Sport

    Der Jahrhunderthengst
    Quidam de Revel, Nababs
    Vater, hat 190 gekörte Söhne
    hervorgebracht. © Ridehesten.com

    Ein Springhengst auf Weltklasseniveau ist der Nabab-Sohn Glock’s London (Mutter von Chin Chin). Er war vorher unter dem Namen Eurocommerce London bekannt und holte in der Stadt, deren Namen er trägt, anlässlich der Olympischen Spiele 2012 mit Gerco Schröder die Silbermedaille im Einzel. Neben Siegen und Platzierungen in Großen Preisen gewann er unter anderem die elfte Etappe der Global Champions Tour in Wien. In Deutschland wird sein Samen von der Hengststation Schockemöhle vertrieben. Le Jeune war es auch, der den Nabab-Sohn Vigo d’Arsouilles (ingezogen auf Ibrahim) zum Weltmeistertitel 2010 in Kentucky führte. Sein Sohn, Vagabond de la Pomme, wurde 2015 unter Pénélope Leprovest Zweiter beim Weltcup-Finale in Las Vegas. Aus der Nabab-Tochter Walnut de Muze (Topjumperin und Mutter von allein sechs über internationale Abmessungen springenden Kindern) stammt der rappfarbene und in der Zucht inzwischen hoch gehandelte Hengst I’m Special de Muze, der neben WeltcupSiegen wie in Washington eine Reihe Großer Preise und Nationenpreise (Aachen, Falsterbo, Gijon) gewann. Von London und Walnut de Muze ist der belgische Hengsthalter Joris de Brabander der Züchter, Vigo d’Arsouilles steht auf seiner Station. Ebenfalls aus einer Nabab-Tochter stammt Hello Sanctos, der unter Scott Brash 2015 den Großen Preis von Aachen gewann. Viel Aufsehen erregte er auch mit dem Gewinn der Mannschafts-Goldmedaille bei den Olympischen Spielen in London 2012. Bereits 2014 war er von der WBFSH zum „besten Springpferd der Welt“ proklamiert worden. Hello Sanctos gewann außerdem den Rolex Grand Slam, ausgestattet mit einem der höchsten Gewinnprämien, die jemals im Reitsport ausgeschüttet wurden: 1,3 Millionen Euro. Die Liste der Topjumper, die Nabab zum Vater haben, lässt sich noch um einige Namen fortsetzen. Allein bei den Weltreiterspielen in Kentucky war Nabab mit vier Kindern (Vigo d’Arsouilles, Valentina van’t Heike, Va et Viens des Zelm und Walnut de Muze) Spitzenvererber bei den teilnehmenden Pferden, die hier auf höchstem Niveau im Parcours um den Sieg kämpften.

    Nababs Einsatz in der Zucht

    Zeitgenossen, die Nabab in seiner aktiven züchterischen wie sportlichen Zeit gekannt haben, beschreiben ihn als ruhig und ausgeglichen. Er verfügte über einen starken Rücken, war mit gewaltiger Galoppade ausgestattet, hatte ein unbegrenztes mutiges Springen, was ihn förmlich fliegen ließ, im Bewegungsablauf vermisste man die letzte Elastizität, im Typ wurde er als schwer, als kalibrig beschrieben – obwohl er einen xx/ox-Anteil von über 60 Prozent im Pedigree aufweist. Seine Partnerinnen, mit denen er gute Nachkommen gezeugt hat, standen oft höher im Blut, waren willensstark, mit wendigem und flinkem Bewegungsablauf. Fingerzeige auf die passenden Partnerinnen geben unter anderem die Chin-Chin-Töchter, wie beispielsweise die Mütter von Glocks London, Walnut de Muze und Equador van’t Roosakker. Nabab-Kinder, die auch eine Mutter des Pachat II haben, sind ebenfalls sehr geeignet für Anpaarungen. Pachat II, ein Hengst mit viel Leistungsbereitschaft und Go, ging international, sein Vater ist ein Anglo-Araber, seine Mutter Hautesse stammt von Quastor ab (v. Ibrahim und viel Inzucht auf Orange Peel xx). Die Mutter von Hautesse ist eine Tochter des bereits in Nababs Pedigree auffälligen Bel Avenir. Nabab mal Pachat II – das ist eine Kombination, die viele gute Springer bis über 1,60 Meter verspricht. Übrigens: Pachat II stand bei Joris de Brabander, ebenso wie Nabab. Auch die Verbindung Nabab x Lys de Darmen scheint vielversprechend zu sein, denn dabei wird Nababs Vorfahre Ibrahim mit Lys de Darmens Mutter „Darmen“ (einer Enkelin des Ibrahim) zusammengeführt. Einleuchtende Beispiele sind die Olympiapferde Valentina van’t Heike, Hello Sanctos sowie Wido. Eine weitere Variation für gelungene Linienzucht ist Nabab de Reve mit Furioso II: Erfolgreiche Beispiele hierfür sind Derly Chin de Muze, Epleaser van’t Heike (Mutter ist die bereits erwähnte Valentina), Vagabond de la Pomme (Vigo d’Arsouilles x For Pleasure) und Barron (For Pleasure x Nabab).

    Bestes Springpferdeblut

    Nabab de Reve ist in der Summe einer der erfolgreichsten Sportpferdevererber der Neuzeit. Der 25 Jahre alt gewordene, mächtige Braune gehört zu der Generation Hengste, die auf höchstem Niveau ihre sportlichen Qualitäten bewiesen haben und gleichzeitig in ihrer Vererbung beste Genetik für Springen im modernen, technisch anspruchsvollen Parcours weitergegeben haben. Ein Franzose für Springpferdezucht von Welt.

     

     

     

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    © Dieser Auszug basiert auf einem Beitrag von Franz-Josef Neuhaus, der im Sammelwerk „Ausgewählte Hengste Deutschlands 2018/19“ erschienen ist.

  • Weltwunder Weltmeyer (Teil 1)

    Weltwunder Weltmeyer (Teil 1)

    Weltmeyer ist bis heute einer der erfolgreichsten Vererber in der hannoverschen Reitpferdezucht mit unzähligen Töchtern und Söhnen, die in Zucht und Sport große Erfolge feiern. Die Geschichte eines Zuchtheros, der schon bei seiner Geburt ein Star war. Ein echtes (Pferde-)Weltwunder eben.

    Die stolze Familie Meyer
    mit Weltmeyer-Nachzucht
    (von links): Hermann Meyer,
    Jochen Meyer, Stefanie Meyer © privat

    Gleich nach der Geburt dieses Fohlens 1984 hätte er es gewusst, erinnert sich Hermann Meyer, der Züchter des Phänomens Weltmeyer: „Ich habe ihn gesehen und sofort gespürt, dass dieses Fohlen einmal ein ganz Besonderer wird.“ Nicht nur besonders, sondern sogar noch mehr: „Mir war klar, dass dies ein Pferd ist, wie man es nur einmal im Leben bekommt. Und ich hatte Recht. Einen derartigen Erfolg erleben wohl nur die wenigsten Züchter mehr als einmal. Unserem Zuchtstall ist es nicht mehr gelungen, obwohl sowohl ich als auch mein Sohn Jochen immer wieder tolle Pferde gezogen haben. Aber ein Weltmeyer war nicht mehr dabei.“ Auch wenn Hermann Meyer als hocherfolgreicher Züchter von Hannoveraner Pferden wahrlich nicht nur für einen Weltmeyer verantwortlich zeichnet, war dieses Pferd doch jenes, das man für immer mit seinem Namen in Verbindung bringen wird. Auch heute wird im Stall Meyer-Allwörden erfolgreich gezüchtet. 2007 übernahm Sohn Jochen den Betrieb vom Vater. Für die ganze Familie ist Weltmeyer, der bereits 2011 verstarb und zuvor lange Jahre im Landgestüt Celle stationiert war, nach wie vor präsent. „Wir sprechen oft von ihm, schon allein, weil wir einige seiner Nachkommen im Stall haben“, erklärt Hermann Meyer. Seinen ersten Namen „Weltwunder“ gab Meyer dem Hengstfohlen nicht von ungefähr, sondern weil er von Anfang an solch große Stücke auf ihn hielt. Es war Liebe auf den ersten Blick, als der Züchter das hübsche Fuchsfohlen mit der Keilblesse erstmals sah. „Er hatte von Anfang an eine großartige Ausstrahlung. Man konnte sich dem nicht entziehen, wie er auftrat“, erinnert sich Meyer. Gezogen hatte er Weltmeyer aus seiner Erfolgsstute Anka, die er dem Celler Spitzenbeschäler World Cup I zugeführt hatte.

    Berühmte Ahnen

    Weltmeyer entstammt dem hannoverschen Flavius-Zweig und wurde zu dessen bedeutendstem Vertreter. Dieser Zweig geht zurück auf den 1918 geborenen Hengst Flavius, der wiederum der ältesten hannoverschen Linie, der des Flick, angehört. Wöhler, der Ur-Ur-Großvater von Weltmeyer, wurde 1950 geboren und brachte 1971 den Hengst Woermann, welcher dem Flavius-Zweig zur Blüte verhalf. Bereits bei seiner Eigenleistungsprüfung fiel der Hengst aus der Zucht von Werner Thalmann durch seine sehr guten Gangarten sowie das Springvermögen und ein „energisches Temperament sowie seine sehr gute Rittigkeit“ auf, wie der damalige Celler Landstallmeister Dr. Christian Freiherr von Stenglin betonte. In seiner Wirkungszeit brachte Woermann über 1.100 Nachkommen, unter ihnen Weltmeyers Vater World Cup I aus der Zucht von Hans-Eduard Börger. World Cup I hatte noch drei Vollbrüder. Alle vier Pferde wurden von Hans-Eduard Börger in Loxstedt aus einer Sender-Lugano-Mutter namens Sendernixe gezogen. Drei der Hengste blieben in Deutschland und wurden in Celle „verbeamtet“, World Cup IV ging nach Kanada. Woermann in Kombination mit Sender wurde schnell zu einer Passer-Anpaarung. Sender war Vater von 24 gekörten Hengsten, von denen der bekannteste der DLG-Sieger Söldner ist. Außerdem brachte er 27 Staatsprämienstuten hervor. Der 1977 geborene Dunkelfuchs World Cup I war Woermanns bedeutendster Nachkomme. Neben ihm zeugt Wenzel I, ebenfalls aus dem ersten Jahrgang von Woermann, von der beeindruckenden Vererberleistung des Hengstes.

    World Cup I – der große Wurf

    World Cup I zeigte von Anfang an seine hohe Qualität. Bereits bei seiner Körung wurde er zum Siegerhengst ausgerufen. Er gewann seine Leistungsprüfung mit 137 Punkten und war sowohl 1984 in Frankfurt am Main als auch 1986 in Hannover Reservesieger bei der DLG–Ausstellung. Das Interesse der Züchter für den Hengst war geweckt. Insgesamt war World Cup I Vater von 24 gekörten Söhnen und 27 Staatsprämienstuten. Herausragend waren Warkant, der nur kurz nach Weltmeyer 2011 verstarb, Walt Disney, Wogenspieler und Woodstock. All diese Hengste waren wie ihr Vater für das Celler Landgestüt tätig. Warkant war neben Weltmeyer eine echte Größe der hannoverschen Zucht und kann heute laut FN 19 gekörte Nachkommen sowie 56 Staatsprämienstuten vorweisen. Insgesamt etwa 50 seiner Kinder waren in Dressurprüfungen der schweren Klasse am Start. Herausragend zeigten sich vor allem Wansuela Suerte unter Hubertus Schmidt, Olympiasiegerin 2004 und Weltmeisterin 2006 mit der deutschen Mannschaft, sowie Wahajama UNICEF, die unter Ann-Kathrin Linsenhoff große Erfolge feierte und mittlerweile als Zuchtstute eine zweite Karriere absolviert. Mit Thiago kann sie einen beeindruckenden Prämienhengst von Totilas vorweisen. Auch als Vater von Sportpferden war World Cup I erfolgreich. Das meiste Preisgeld verdiente der 1987 geborene Fuchshengst Welcome, der unter Isabell Werth in den 90er-Jahren große Erfolge feierte, jedoch stets im Schatten der Stars Gigolo und Fabienne stand. Die Gewinnsumme der Nachkommen des World Cup I beläuft sich auf rund 600.000 Euro. 1996 erhielt World Cup I für seine züchterische Leistung den Titel Hannoveraner Hengst des Jahres zuerkannt. Ein Titel, den auch seine zwei berühmtesten Söhne, eben Weltmeyer und Warkant, wenig später tragen sollten.

    Anka – ein Hochzeitsgeschenk fürs Leben

    Weltmeyers Züchter besaß mit der Staatsprämienstute Anka ein herausragendes Pferd. In den Stall mitgebracht hatte Anka seine Ehefrau Edith. „Sie hatte sie als Hochzeitsgeschenk – oder man könnte auch sagen als eine Art Mitgift – dabei“, schmunzelt Hermann Meyer. „Damals ahnte noch keiner von uns, welche Art von Hochzeitsgeschenk Anka war. Wo bei anderen das Teeservice ein Jahr später schon in der Ecke steht und selbst lieb gewonnene Gegenstände sich irgendwann abnutzen, ist Anka bei uns bis heute präsent. Sie ist das langlebigste Hochzeitsgeschenk, das man sich vorstellen kann. Immer noch haben wir ihre Kinder und Enkel auf unserem Hof.“ Die braune Tochter des Spitzenhengstes Absatz wurde 1976 geboren und zunächst ausnahmslos mit Grande belegt. Bereits in diesen jungen Jahren von 1980 bis 1983 zeigte sich die Qualität der Anka als Zuchtstute. Ihr erstes Fohlen Graziano war bis zur Klasse M erfolgreich. 1981 kam mit Giaccomo ein echter Schleifensammler auf die Welt. Der Wallach wurde von Dr. Andrea Baumgart, der Besitzerin des Pferdes, sowie von Kathrin Stemmler und teilweise auch vom viel zu früh verstorbenen Dressur-Bundestrainer späterer Jahre, Holger Schmezer, im Dressursport vorgestellt. Er war bis Grand-Prix-Niveau erfolgreich. 1983 beschloss Hermann Meyer schließlich, seine Stute mit einem neuen Hengst anzupaaren, „nachdem es in Kombination mit Bolero nicht hatte mit der Qualität klappen wollen.“ Die Wahl fiel auf World Cup I. Die beste Entscheidung seiner züchterischen Karriere, betont Meyer heute. Für den Züchter war World Cup I in Kombination mit Anka nicht nur einmal ein Erfolg: „Am herausragendsten war natürlich Weltmeyer, aber ich habe meine Anka noch mehrfach von diesem Hengst decken lassen. Ausgewählt hatte ich World Cup I, weil ich ihn bei der DLG-Ausstellung gesehen hatte und er mir dort gefiel. Wir haben später noch einen Vollbruder von Weltmeyer gezüchtet. Dieser ging nach Bayern und dort in die Zucht. Er ist jedoch ein ganz anderer Typ. Es ist wie bei menschlichen Geschwistern. Diese ähneln sich ja auch nicht zwangsläufig. Vollschwestern von Weltmeyer hatten wir ebenfalls einige, eine davon ging nach Österreich, eine nach Amerika und zwei behielten wir hier auf dem Hof.“ Weltmeyers Vollschwester Wenezia ist bis heute im Stall der Meyers geblieben und erinnert an ihren berühmten Bruder. Der 1988 geborene Wallach World Play war bis Klasse S im Sport erfolgreich. Auch World-Cup I-Sohn Warkant deckte Hermann Meyers Spitzenstute. Das Resultat war die 1996 geborene und bis Klasse L im Sport gehende Stute Warianka 2. Weltmeyers Muttervater Absatz galt ebenfalls als einer der besten Vererber seiner Zeit. Mit Fug und Recht kann behauptet werden, dass Weltmeyers Vorfahren keine Unbekannten waren. Neben mehreren gekörten Söhnen brachte der 1960 bei Willi Brunkhorst geborene Hengst vor allem einige international bekannte Sportpferde, etwa Alwin’s Ass, aktiv unter Franke Sloothaak, sowie Admiral II, der von Fritz Fricke bis Grand Prix geritten wurde. Absatz lieferte demnach sowohl Dressur- als auch Springpferde.

    Mustergültiger Junghengst

    Einer von Weltmeyers letzten
    Auftritten vor großem
    Publikum: 22-jährig trabte er
    bei den Weltreiterspielen in
    Aachen 2006 „wie ein Junger“,
    so sein Züchter. © Kiki Beelitz

    Doch zurück ins Jahr 1984, zurück zu Weltmeyer und seinen ersten Schritten als Weltwunder. Diesen Namen sollte der junge Hengst über seine ersten Jahre hinweg behalten. Für Züchter Hermann Meyer erschien er jeden Tag mehr wie selbiges und er ließ es sich nicht nehmen, das Jungpferd in seinem eigenen Zuchtstall heranwachsen zu sehen. Kaufangebote gab es reichlich schon im Fohlenalter, aber Meyer schlug sie allesamt aus. „Ich dachte mir: Diesen einen will ich mal länger behalten“, erklärt er sein Vorgehen. „Sogar ein guter Kunde aus Kanada, der viele Pferde bei mir gekauft hat, durfte in dieser Zeit einen ganzen Schwung mitnehmen, aber Weltmeyer bekam er nicht. Ich war mir sicher, dass er ein Großer wird, darum habe ich den Verkauf entsprechend hinausgezögert.“ Deshalb konnte der Züchter 1986 selbst auf dem Körplatz in Verden einen herausragenden jungen Hengst vorstellen, der bereits auf den ersten Blick das Publikum mit seiner Athletik und dem stattlichen Aussehen begeistern konnte. Merkmale, die er später fast immer an seine Nachkommen vererben sollte. Man war einhellig der Meinung, dass dieser Junghengst etwas Besonderes sei. Sein Anblick entzückte die fachkundigen Züchter vom ersten Moment an, ebenso wie das reitsportbegeisterte Restpublikum. Die Richter ließen sich ebenfalls anstecken und die Körkommission proklamierte das „Weltwunder“ zum Siegerhengst. Hermann Meyer weiß, dass er „vor allem mit seinem gewaltigen Trab punktete. Er war ein richtiger Beschälertyp vom Gebäude und Bewegungsablauf her. Er faszinierte die Menschen. Es konnte bei ihm eigentlich nichts schiefgehen. Wir hatten nur dafür zu sorgen, dass er gesund blieb, und das ist uns gelungen.“ Nach der Körung ging der Junghengst in den Besitz des Landgestüts Celle über. Dr. Burchard Bade, damals Landstallmeister, war vom ersten Moment an begeistert und ließ ihn in der Heimat der hannoverschen Zucht aufstellen. Von diesem Tag an trug er den Namen Weltmeyer, der ihm von Bade selbst gegeben wurde. Er sollte den Namen des Züchters beinhalten und ebenfalls den „Welt“-Aspekt hervorheben. Denn schließlich sollte der Junghengst ab jetzt nicht nur deutschen Boden, sondern mit seinen Nachkommen die ganze Welt hannoversch erobern. Neben der Körung in Verden wurde Weltmeyer im gleichen Jahr auch für die rheinische Zucht in Wickrath anerkannt. Außer diesen beiden Zuchtverbänden ist er auch in Bayern, Brandenburg-Anhalt sowie Sachsen-Thüringen eingetragen. „Mich hat es schon gefreut, dass Weltmeyer praktisch meinen Namen tragen durfte“, erinnert sich sein Züchter an den Moment, als das Weltwunder verschwand und ein Weltmeyer geboren war.

    Erste Meriten

    Unter den bedeutendsten
    Nachkommen Weltmeyers
    ist Weltall/Martin Schaudt.
    Er sorgte nicht nur durch
    Spitzenleistungen in der
    Dressur für Furore,
    sondern auch durch einen
    schlimmen Autounfall. © Kiki Beelitz

    Dass Weltmeyer eine der besten Investitionen des Landgestüts gewesen sein sollte, erkannte man bereits ein Jahr später. 1987 absolvierte der Hengst seine HLP in Adelheidsdorf und zeigte sich herausragender denn je. Denn er rief nicht nur solide seine Leistung ab, sondern zeigte Außergewöhnliches. Bis heute ist es vergleichsweise wenigen Hengsten gelungen, sowohl im Springen als auch in der Dressur einen Index in den beiden Disziplinen und in der Gesamtnote über 140 Punkten zu erlangen. Weltmeyer ist einer derjenigen, die dieses Kunststück vollbrachten. Dass sich der Junghengst damit die Spitze des 40 Pferde starken Feldes sicherte, muss nur der Form halber erwähnt werden. 143,96 Punkte lautete das Endresultat in der Gesamtwertung. 143,94 in der Dressur, 141,44 im Springen, was ihm in der Disziplin, für die er im Grunde überhaupt nicht gezüchtet worden war, den dritten Rang einbrachte. Weltmeyer begeisterte und zeigte sich als Talent auf allen Hochzeiten. Im gleichen Jahr nahm Weltmeyer unter dem Obersattelmeister des Landgestüts Celle, Hans-Peter Klaus, an den Bundeschampionaten in Vechta teil – wiederum ein durchschlagender Erfolg. Denn als erster Hengst des Landgestüts Celle überhaupt sicherte sich der dreijährige Jungspund dort die Goldmedaille. 1988 wurde er zum besten Hengst des Jahres gekürt, 1989 folgte die Auszeichnung bei der DLG-Ausstellung in Frankfurt am Main, wo er wiederum als Sieger vom Platze ging. Die Serie der Erfolge hatte auch züchterische Folgen. Denn bereits in seinen ersten Jahren war der Junghengst überaus gefragt.

    Top-Vererber

    Nachdem seine ersten Auftritte auf der großen Bühne und vor allem sämtliche Leistungsabfragen derart sensationell verlaufen waren, ließen es sich die Züchter nicht nehmen, Weltmeyer sofort in ihr Herz zu schließen. Jeder wollte ein Fohlen von ihm. Doch Dr. Burchard Bade schob den Begehrlichkeiten aus allen Ecken des Zuchtgebiets zunächst einen Riegel vor. Für Weltmeyer sollten nur die Besten gut genug sein. So wurden zunächst ausschließlich Staatsprämienstuten für die Bedeckung zugelassen. Später wurde diese Restriktion zurückgenommen. Gespannt wartete man auf den ersten Zuchtjahrgang und wie sich dieser vor der hannoverschen Körkommission wohl präsentieren würde. 1991 war der große Moment gekommen und die ersten Nachkommen stellten sich dem Urteil der Kommission. Das Resultat des Weltmeyer war mehr als überzeugend. Sein Sohn Wittinger wurde zum Sieger ernannt und war der große Star der Körung. Doch damit nicht genug: Der Hengst Wonderful belegte den „Silberrang“ des Reservesiegers. Alles Weltmeyer, möchte man da meinen und das völlig zu Recht! Denn auch drei weitere Hengste von ihm wurden gekört.

     

    © Dieser Auszug basiert auf einem Beitrag von Alexandra Koch, der im Sammelwerk „Ausgewählte Hengste Deutschlands 2018/19“ erschienen ist.

  • Weltwunder Weltmeyer (Teil 2)

    Weltwunder Weltmeyer (Teil 2)

    Wittinger, der Mustergültige

    Eine berühmte Verwandte
    von Weltmeyer ist Wansuela
    Suerte/Hubertus Schmidt.
    World Cup I war ihr
    Großvater. © Kiki Beelitz

    Aus Weltmeyers erstem Jahrgang stammt Wittinger. Der Hengst hatte nicht nur die markante Fuchsfarbe vom Vater geerbt, sondern auch seine Ausstrahlung. Er war selbst in Dressurprüfungen bis St. Georg unter der bekannten Ausbilderin Susanne Lebek unterwegs. Doch zunächst beeindruckte er das Publikum bei seiner Hengstleistungsprüfung, die er mit dem sensationellen Dressurergebnis von 152,73 Punkten abschloss und mit 149,46 sogar eine höhere Gesamtpunktzahl als sein Vater erhielt. Wittinger sollte etliche gekörte Söhne sowie im Sport erfolgreiche Nachkommen haben. Die Stute What’s up ebnete dem jungen Stephan Köberle den Weg in den internationalen Dressursport. Aufgrund einer zu niedrigen Befruchtungsrate ging die züchterische Karriere von Wittinger jedoch schneller als vermutet zu Ende. Andere Nachkommen traten auf den Plan.

     

     

     

     

     

    Wolkenstein II und Wolkentanz

    Kann 26 gekörte Söhne und
    100 Töchter mit Staatsprämie
    vorweisen: Wolkentanz I. © Bernd Eylers

    Ein wenig über den Wolken schwebten Wolkenstein II und Wolkentanz wohl von Anfang an. Die Meriten ihres Vaters machten es möglich. Wolkenstein II war 1992 Reservesieger seiner Körung und gewann 1993 das Bundeschampionat des Deutschen Reitpferdes in Mannheim. Auch bei seiner Hengstleistungsprüfung siegte er im gleichen Jahr. Der 1990 geborene Hengst war bis zum Schluss wie sein Vater in Celle stationiert. Er schien mit ihm noch weiter verbunden zu sein, denn nur drei Tage nach Weltmeyers Tod starb der Fuchs an einem Aortenabriss. Der von Dr. Max Schulz-Stellenfleth gezogene Spitzenvererber Wolkenstein II lieferte 47 gekörte Nachkommen und 156 Staatsprämienstuten. Seine Nachkommen im Sport gewannen etwa 800.000 Euro an Preisgeld. Am berühmtesten dürfte die Stute Wolke Sieben sein, die mit Sanneke Rothenberger erfolgreich aus dem Junge-Reiter-Lager in die U25-Dressur hineinwuchs. Wolkentanz I war ebenfalls Siegerhengst seiner Körung und holte 1994 den Titel des Bundeschampions. Der 1991 geborene Hengst weist 26 gekörte Söhne und 100 Töchter mit Staatsprämie auf. Seine Nachkommen gewannen um die 550.000 Euro. Herausragend ist der 1999 geborene Wito Corleone 2, der zunächst unter Alexandra Bimschas und später unter dem Luxemburger Sascha Schulz große Erfolge bis zum Grand Prix feiern konnte. [ihc-hide-content ihc_mb_type=“show“ ihc_mb_who=“4,3″ ihc_mb_template=“3″ ]

    Auf dem Höhepunkt

    Weltmeyer selbst wurde bis S-Niveau in der Dressur ausgebildet. Bedeutende Prüfungen ging er jedoch nicht mehr. Der Fokus lag bei ihm auf der Zucht. Während seiner gesamten züchterischen Karriere, die von 1988 bis 2011 dauern sollte, wurde Weltmeyer niemals im Natursprung eingesetzt. Nachdem er seine ersten beiden Jahre in Celle verbracht hatte, ging er in die Besamungsstation Ankum. Zeitweise deckte er pro Jahr mehr als 600 Stuten. Weltmeyer war in den 90er-Jahren längst zur Marke geworden, die ihren Kindern zuverlässig herausragende Bewegungen und eine großartige aktive Hinterhand mitgab. Außerdem ist die Charakterstärke und Intelligenz der meisten Nachkommen deutlich erkennbar. Kein Wunder also, dass Weltmeyer 1998 vom Zuchtausschuss des Verbandes zum Hannoveraner Hengst des Jahres ernannt wurde. Nur zwei Jahre nach seinem Vater wurde damit auch ihm diese höchste Ehre zuteil. Hermann Meyer erinnert sich an den Auftritt von Weltmeyer 2006 in Aachen im Rahmen der Weltreiterspiele, wo er an der Hand vorgeführt wurde. „Dieser Auftritt vor dem gigantischen Publikum in der Soers wird mir in Erinnerung bleiben. Er war bereits 22 Jahre alt und trabte dort wie ein Junger. Weltmeyer war einfach ein gewaltiger Hengst.“ 2011 verstarb Weltmeyer, für viele unerwartet, da er sich kurz zuvor noch bester Gesundheit erfreut und vor Kraft nur so gestrotzt hatte. Doch eine Kolik setzte seinem Leben ein plötzliches Ende. Was bleibt, ist eine züchterische Legende, ein Linienbegründer, ein Pferd, dessen Charakter und Bewegungsvermögen man nicht vergisst. Bis zum Jahr 2011 wurden über 4.000 Nachkommen in Hannover registriert. Auch nach seinem Tod folgten noch etliche nach. 470 Töchter von Weltmeyer wurden zu Staatsprämienstuten ernannt. Insgesamt wurden 111 seiner Söhne laut FN gekört. Die Liste der herausragenden Nachkommen, die ab 1989 das Licht der Welt erblickten, ist lang und kann nur auszugsweise wiedergegeben werden, anhand einiger leuchtender Beispiele, deren Leistung man bis heute nicht vergessen hat.

    Warum Nicht FRH

    Weltmeyer-Sohn Warum
    Nicht FRH, genannt
    „Hannes“, tanzte unter
    Dressurkönigin Isabell Werth
    bis ganz nach oben. © Kiki Beelitz

    Große Karriere im Dressurviereck machte der Weltmeyer-Sohn Warum Nicht FRH. Der Wallach beeindruckte von Beginn seiner Karriere an durch seine Größe, war aber keine explizite Schönheit und wirkte stets etwas schlaksig. Es war die geniale Reitkunst der Isabell Werth, die diesen Fuchs derart zur Geltung brachte. Die deutsche Dressurkönigin hatte es mit dem 1996 geborenen, 1,83 Meter großen Pferd nicht immer leicht, glaubte jedoch fest an sein Talent. „Er war ein Pferd mit großen Partien und verfügte über super Grundgangarten. Dazu kam, dass er bei keinerlei Lektionen irgendeine Schwäche zeigte. Er war sehr selbstbewusst, aber auch ziemlich bodenscheu. Das machte es nicht immer einfach mit ihm. Dennoch gehörte Hannes zu meinen besten Pferden.“ Den Spitznamen „Hannes“ hatte Warum Nicht FRH zu Ehren seines ehemaligen Reiters Hannes Baumgart bekommen. Bereits mit neun Jahren war Warum Nicht FRH in Aachen beim CHIO am Start und weit vorne platziert. Ein Jahr später war der Wallach Werths erste Wahl für die Weltreiterspiele in Aachen 2006. Doch eine Verletzung machte die Pläne zunichte und rief Satchmo auf den Plan, der durch eine hochklassige Leistungssteigerung zwei Gold- sowie eine Bronzemedaille sichern konnte und seinen Stallkollegen vorerst in den Schatten stellte. 2010 kam jedoch noch einmal ein großes Jahr für Hannes mit der Teilnahme an den Weltreiterspielen in Kentucky und der dort gewonnenen Mannschafts-Bronzemedaille. Außerdem war der Fuchswallach im Weltcup-Geschehen stets aktiv und gewann 2007 das Finale. 2008 reichte es zum zweiten Platz. Die Lebensgewinnsumme von Warum Nicht FRH belief sich auf circa 700.000 Euro, als Werth ihn 2012 nach einem Hüftbruch auf die Weide verabschiedete. Mit dieser Summe steht Warum nicht FRH bis heute an der Spitze der Nachkommen des Weltmeyer als absoluter Top-Verdiener. 19-jährig verstarb „Hannes“ während einer Kolikoperation. Er zeigte in seinem Sport, was für ein Pferd mit nicht optimalem Aussehen, aber viel Athletik möglich ist.

    Auf dem Weg zu den Sternen

    Der anhand seiner Erfolge wohl bedeutendste Nachkomme des Weltmeyer im Sport hatte einen Namen, der ihn sogleich der Erde entschweben ließ: Weltall. Der braune, 1994 geborene Wallach, geritten von Martin Schaudt, war kein einfaches Pferd, jedoch eines mit einem herausragenden Talent für Piaffe und Passage sowie die Verstärkungen. Im Bewegungsablauf und der Durchlässigkeit zeigte der stets recht heiße Wallach Schwächen. Jedoch war es ein Autounfall 2004, der Weltalls gerade im Aufstieg befindlichen Stern empfindlich abzubremsen schien. Durch den Crash mit einem Lkw wurde der Wallach aus dem Transporter geschleudert. Dabei erlitt er Verbrennungen und Abschürfungen, vor allem jedoch eine Nervenquetschung, aufgrund derer er seinen Schweif nicht mehr vollständig heben konnte. In der Folgezeit gab es Diskussionen im Dressurlager, ob man ein derartig gehandicaptes Pferd denn zu den Olympischen Spielen schicken könne. Man konnte und entschied sich richtig, denn das Paar trug zur Goldmedaille bei den Spielen 2004 in Athen bei. Im Herbst 2004 holte Weltall den Sieg beim German Masters in Stuttgart sogar mit einer Weltrekord-Leistung. Damals zeigte sich sein Reiter Martin Schaudt schwer beeindruckt: „Wir waren ja zu Beginn des Jahres nach dem Unfall ganz unten. Es ist unglaublich, mit welcher Kämpfernatur er es geschafft hat, zurückzukommen.“ 2007 wurde Weltall an die Familie Meggle verkauft. Unter deren Reiter Dieter Laugks war der Wallach noch bis 2012 im Grand-Prix-Sport hocherfolgreich. Neben Warum nicht FRH ist Weltall ein weiterer Nachkomme des Weltmeyer, der auf eine Gewinnsumme von über 100.000 Euro blicken kann. Genauer gesagt, waren es rund 213.000 Euro, die der Wallach für sich verbuchte. 2004 ging Weltall übrigens bei den Olympischen Spielen im selben Team wie Wansuela Suerte (Reiter: Hubertus Schmidt), der wohl berühmtesten Tochter von Warkant, einem Sohn des World Cup I – Verwandte unter sich.

    Top-Athleten überall

    Bei weitem nicht nur in Deutschland, sondern rund um den Globus verteilt, trafen sich die Nachkommen des Weltmeyer schon bald in den Dressurvierecken der Welt. Bekannt wurde unter anderem Emma Hindles Wie Weltmeyer. 1990 geboren war er einer der ersten Nachkommen von Weltmeyer, die im Sport groß auftrumpften. Der Hengst wurde nach Großbritannien verkauft und nahm unter deren Flagge an den Olympischen Spielen in Sydney 2000 und Athen 2004 teil. Der zunächst von Holga Finken ausgebildete Wie Weltmeyer gewann mit seiner Reiterin 2003 sogar die Bronzemedaille bei den Europameisterschaften mit dem Team des Union Jack. Wie Weltmeyer brachte selbst erfolgreiche Nachkommen hervor. Herausragend war der von Fiona Bigwood, einer weiteren Britin, gerittene Wie Atlantico de Ymas, der zur Silbermannschaft der Weltreiterspiele in Kentucky gehörte. Außerdem ist Wie Weltmeyer Vater des 1996 geborenen, gekörten Hengstes Weltdieb. Die 1989 geborene Stute Weserperle ist die herausragende Tochter des Weltmeyer auf dem großen Viereck. Sie war Ellen Schulten-Baumers erstes Erfolgspferd und arbeitete sich mit ihrer jungen Reiterin bis zu Starts beim CHIO in Aachen hoch. 1996 und 1997 wurden sie zunächst Mannschafts- und Einzel-Vizeeuropameister bei den Junioren, 1998 Mannschafts- und Einzel-Europameister bei den Jungen Reitern. Bis in den B-Kader schaffte es das Paar auf dem Höhepunkt der Karriere. Weserperle verstarb jedoch sehr jung mit nur 14 Jahren, was leider ihrer Geschichte ein trauriges Ende setzte. „Bis heute ist mir Weserperle unvergessen“, erinnert sich Ellen Schulten-Baumer. „Wir sind damals zu einem Dreamteam zusammengewachsen, auch wenn das am Anfang für mich gar nicht so aussah. Wir gingen durch dick und dünn zusammen. Woran ich mich bis heute erinnere, ist ihre unglaubliche Charakterstärke.“ Weltrang war unter Christine Eglinski und HansJörg Kaltenböck bis zum Grand Prix Special erfolgreich. Er ist der erfolgreichste „nicht-hannoversche“ Nachkomme des Weltmeyer im Sportgeschehen und stammte aus der bayerischen Zucht. Der 1990 geborene Hengst brachte sowohl sportlich erfolgreiche wie auch gekörte Nachkommen hervor. Ebenfalls aus der bayerischen Zucht stammte Wanesco, der unter Holga Finken, Frank Freund und Ute Belitz bis zur Klasse S im Viereck brillierte. Der 1994 geborene Wallach Welttender nahm unter Andrea Timpe erfolgreich bis Intermediaire I an Dressurprüfungen teil und ebnete der damals noch blutjungen Reiterin den Weg vom Junge-Reiter-Lager in den Seniorensport.

    Springen können sie auch

    Auch wenn es eine Tatsache ist, dass die meisten Nachkommen des Weltmeyer auf den Dressurvierecken dieser Welt zu Hause sind, entdeckt man auch im Springparcours immer wieder Nachkommen des Spitzenvererbers. Nach Gewinnsumme ganz vorne steht Win Again 6, der im Parcours bis Klasse S unter Philipp Schober unterwegs war. Der 1996 geborene Hengst wurde selbst Vater einiger eingetragener Zuchtstuten und Sportpferde. Zugegebenermaßen sind es wenige Springpferde, die den Namen Weltmeyer als Vater in ihrem Pedigree aufweisen können. Doch diese wenigen zeugen davon, dass der Hengst auch hier über Vererbertalent verfügte, wie er es einst bei seiner Hengstleistungsprüfung selbst gezeigt hat. Insgesamt elf Bundeschampions unterschiedlicher Disziplinen gehen auf Weltmeyers Konto. Zu ihnen gehören Wolkenstein II, Wolkentanz, White Star oder Welt Hit I, aber auch das Fahrpferd Westminster. Wanecso gelang das Kunststück, seinen Titel des Bundeschampions gleich zwei Mal zu holen.

    Karriere auch als Muttervater

    Nicht nur seine direkten Nachkommen leisteten Herausragendes. Weltmeyer war zudem ein überragender Muttervater. Besondere Beachtung verdient Florencio, der 1999 geboren wurde. Er trumpfte unter Hans-Peter Minderhoud bei den Weltmeisterschaften der Jungen Dressurpferde in Verden 2004 auf und holte den Sieg in die Niederlande. Dabei erhielt er die höchste Wertnote, die jemals bei diesem Wettkampf vergeben worden war. Ein Jahr später wiederholte der Hengst den Triumph, bevor er sich hauptsächlich der Zucht widmen sollte. Auch der Bundeschampion FS Lord Loxley sowie die Bundeschampioness La Perla tragen Weltmeyer-Blut in sich. Bis heute sind Nachkommen des Hengstes im Sport unterwegs. Insgesamt gewannen die Söhne und Töchter des Weltmeyer bislang laut FN über 2,7 Millionen Euro.

     

    Eines der letzten Fotos von
    Weltmeyer, bevor er im Jahr
    2011 unerwartet an einer
    Kolik verstarb. © Niedersächsisches Landgestüt Celle

    Hermann Meyer ließ es sich übrigens ebenfalls nicht nehmen, Weltmeyer als Zuchthengst einzusetzen. „Er ist nach wie vor bei uns“, verrät der Züchter. „Auch in diesem Jahr hatten wir ein Weltmeyer-Fohlen aus TG-Sperma. Einige junge Weltmeyer sind zudem bei uns auf dem Hof geblieben. Er vererbt sich wirklich gut und irgendwie haben die Pferde alle etwas von ihm, wenn sie auch ganz eigene Persönlichkeiten zeigen. Doch seine besonders aktive Hinterhand vererbt Weltmeyer wirklich bestens. Wir nutzen ihn gerne in Kombination mit Stuten, die ihren Fohlen wohl eine wenig aktive Hinterhand mitgeben würden.“ So blieb Weltmeyer für seinen Züchter eine Familienangelegenheit. „Wir sprechen oft über ihn, weil er eben so etwas Besonderes war. Oft erinnere ich mich wie gestern daran, dass das Fohlen vor mir stand, und denke mir, so etwas erlebt man nur einmal.“ Aus einem Stall in Freiburg, am höchsten Punkt Niedersachsens an der Mündung der Elbe gelegen, machte sich ein Fuchshengst daran, die Welt zu erobern. Und diese vereint er in seinem Namen mit seinem Züchter: Hermann Meyer, dem mit diesem Pferd der eine große Wurf gelang, von dem jeder träumt.

     

     

     

     

     

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    © Dieser Auszug basiert auf einem Beitrag von Alexandra Koch, der im Sammelwerk „Ausgewählte Hengste Deutschlands 2018/19“ erschienen ist.

  • Hengste des Haupt- und Landesgestüts Neustadt (Dosse)

    Hengste des Haupt- und Landesgestüts Neustadt (Dosse)

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    Haupt- und Landesgestüt Neustadt (Dosse)

    Das Brandenburgische Haupt- und Landgestüt Neustadt (Dosse) gehört seit seiner Gründung im Jahre 1788 zu den ältesten staatlichen Gestüten in der Bundesrepublik Deutschland. Es wird seit dem Jahre 2001 als eine Stiftung des öffentlichen Rechts geführt. Das Hengstlot umfasst bewährte Deckhengste mit international erfolgreicher Nachzucht und vielsprechende Junghengste für die Sportpferdezucht sowie ausgewählte Kaltblut- und Sportponyhengste.[/vc_column_text][/vc_column][vc_column width=“1/3″][vc_column_text]Kontakt:

    Stiftung „Brandenburgisches Haupt- und Landgestüt Neustadt (Dosse)“
    Hauptgestüt 10
    16845 Neustadt (Dosse)

    Tel.: +49 33970 5029-0
    Fax: +49 33970 5029-622
    E-Mail: info@neustaedter-gestuete.de[/vc_column_text][/vc_column][/vc_row][vc_row][vc_column width=“1/2″][vc_video link=“https://youtu.be/mRyLL0fLD54″][vc_single_image image=“206615″][/vc_column][vc_column width=“1/2″][vc_column_text]

    Quaterback

    Quaterback, entstammt wie Poetin I, Samba Hit und Belantis der berühmten Neustädter P-Familie. Der Bundeschampion 2006 ist Vater von über 70 gekörten Söhnen. Nachkommen qualifizierten sich zu den Bundeschampionaten, den Weltmeisterschaften der jungen Dressurpferde und nationalen Championaten.

    Im Grand Prix-Sport sind u.a. Pathetique unter D.Schneider, Bartlgut´s Quebec mit U. Prunthaller (Österreich), Torveslettens Quattro mit A. Blomgren (Schweden) und Quicksilver mit G. Chelius (Luxemburg) hoch erfolgreich. Aktuell nimmt Quaterback Platz 5 im WBFSH-Ranking der weltbesten Dressurververber ein.[/vc_column_text][/vc_column][/vc_row][vc_row][vc_column width=“1/2″][vc_video link=“https://youtu.be/cCGL1GqLDcE“][vc_single_image image=“206617″][/vc_column][vc_column width=“1/2″][vc_column_text]

    DSP Don Royal

    Körungssieger Don Royal stellt als zweifacher Verbandschampion und als zweifacher Süddeutscher Champion  seine großartigen Voraussetzungen für eine Karriere im Sport unter Beweis.

    Den 14-Tage-Test gewann Don Royal mit 8,79, seine Sportprüfung beendete er mit einer dressurbetonten Endnote von 8,61. 2019 qualifizierte er sich zum Deutschen Bundeschampionat. Die Mutter Prime Time ist eine Schwester der großartigen Poesie. Großmutter Primadonna verweist auf 5 erfolgreiche Nachkommen in Klasse S und die gekörten Frühtau und Caprigold.[/vc_column_text][/vc_column][/vc_row][vc_row][vc_column width=“1/2″][vc_video link=“https://youtu.be/Bi9OPSODSmk“][vc_single_image image=“206619″][/vc_column][vc_column width=“1/2″][vc_column_text]

    Belantis II

    Vollbruder zum Bundeschampion, Vize-Weltmeisters und  DSP-Prämienhengste Belantis . Mit bedeutendem Aufriss, groß angelegten Reitpferdepartien verbunden mit mechanischen Bergaufbewegungen im Trab und Galopp sowie raumgreifendem und gelassenem Schritt ausgestattet.

    Der Vater Benetton Dream war Bundeschampion und kann auf zahlreiche Grand Prix-Platzierungen und züchterische Erfolge verweisen.

    Die Mutter Philharmonie brachte vier Staatsprämienstuten darunter die Siegerin des DSP-Stutenchampionats in München und mehrfach zum Bundeschampionat qualifizierte DSP Phantastica.[/vc_column_text][/vc_column][/vc_row][vc_row][vc_column width=“1/2″][vc_video link=“https://youtu.be/uAb8-y5wmao“][vc_single_image image=“206621″][/vc_column][vc_column width=“1/2″][vc_column_text]

    Le President

    Der Siegerhengst der Körung  in Neustadt 2019 begeistert mit toller Ausstrahlung. Er bewegt sich mit leichtfüßigem, taktsicherem und schwungvollen Trab und einer mit viel Federkraft vorgetragenen Bergauf-Galoppade. Sein Schritt ist von einem unerschütterlichen Takt geprägt.

    Vater Lord Loxley war Bundeschampion, Vize-Weltmeister der jungen Dressurpferde und siegreich bis Inter I. Die Mutter Sympathie stellte zudem den gekörten Vasco da Gama. Über Sir Donnerhall I, den Trakehner Uckermärker und den bis Intermediaire I erfolgreichen Paradiesvogel ist die Dressurveranlagung bestens abgesichert.[/vc_column_text][/vc_column][/vc_row][vc_row][vc_column width=“1/2″][vc_video link=“https://youtu.be/FB-0S4B0r-Y“][vc_single_image image=“206623″][/vc_column][vc_column width=“1/2″][vc_column_text]

    Casskeni II

    Der Holsteiner Prämienhengst Casskeni II steht für Leistungsbereitschaft, Rittigkeit, Vermögen und Sportlichkeit. Aus seinen ersten Fohlenjahrgang sind mehrere Nachkommen bereits siebenjährig schon in der schweren Klasse hocherfolgreich.

    Casskeni II ist sowohl über den Vater als auch über die Mutter auf Caletto II und Cor de la Bryère reingezogen und führt zudem mehrfach das Blut des Ladykiller xx. Seine Schwester Oda weist internationale S-Erfolge auf und ist die Großmutter der auf der WM in Tryon hocherfolgreichen Zeremonie (Laura Kraut). Eine weitere Vollschwester brachte den gekörten Canturat.[/vc_column_text][/vc_column][/vc_row][vc_row][vc_column width=“1/2″][vc_video link=“https://youtu.be/KjTQ3jEye7o“][vc_single_image image=“206627″][/vc_column][vc_column width=“1/2″][vc_column_text]

    Ben Benicio

    BEN BENICIO war Prämienhengst der Westfälischen Hauptkörung 2015. Seinen Veranlagungstest in Adelheidsdorf gewann er mit der Dressur- Endnote 8,85. Er gewann dreijährig das Westfalenchampionat in Münster-Handorf und qualifizierte  sich fünf- und sechsjährig zum Bundeschampionat der Dressurpferde. Mittlerweile ist er siegreich in M-Dressuren.

    Sein Vater Callaho´s Benicio war Bundeschampion, Rekord – HLP Sieger und aktuell erfolgreich auf St. Georg- und Intermediare-Niveau. Die über Hochadel-Fidermark-Brentano II leistungsmäßig abgerundete Mutterlinie bestens kann zahlreiche Erfolgspferde vorweisen.

    [/vc_column_text][/vc_column][/vc_row][vc_row][vc_column width=“1/2″][vc_video link=“https://youtu.be/evyVsjfo8wM“][vc_single_image image=“206631″][/vc_column][vc_column width=“1/2″][vc_column_text]

    Dante´s Stern

    Siegerhengst des Deutschen Sportpferdes in München, im gemeinschaftlichen Besitz mit Madeleine Winter-Schulze. In seiner  ersten Turniersaisons war er unter anderem in Nördlingen im Reitpferdechampionat erfolgreich. Ein großer Teil seines ersten Fohlenjahrganges wurde mit Prämien- und Championatsnominierungen bedacht.

    Sein Grand Prix-erfolgreicher Vater Dante Weltino war Teil der schwedischen Dressurequipe bei der EM in Göteburg. Mit Fidertanz und Rohdiamant sind Rittigkeit und Dressurveranlagung im Pedigree von Dante´s Stern bestens abgesichert sind.[/vc_column_text][/vc_column][/vc_row][vc_row][vc_column width=“1/2″][vc_video link=“https://youtu.be/x80K1Mi2kOI“][vc_single_image image=“206635″][/vc_column][vc_column width=“1/2″][vc_column_text]

    Caskarico

    Patenter  Holsteiner, der mit seiner Springveranlagung und abgesichertem Leistungspedigree überzeugt. Im Turniersport ist Caskarico siegreich in Springpferdeprüfungen der Klasse A ** und L.

    Der Vater Casskeni II, genießt mit seiner überzeugenden Vererbung vollstes Vertrauen. Mit Askari und Contender folgen Springvererber allerhöchster Bonität.

    Die Mutter Rayleen von Askari, brachte mit Calato bereits die in internationalen S** Prüfungen erfolgreiche Waitaki Rose und die M-siegreiche Zaileen. Die zweite Mutter Lepona ist die Vollschwester zum S-siegreichen Cansas.[/vc_column_text][/vc_column][/vc_row][vc_row][vc_column width=“1/2″][vc_video link=“https://youtu.be/F3YejLa0l48″][vc_single_image image=“206637″][/vc_column][vc_column width=“1/2″][vc_column_text]

    Benedetto Ragazzo

    Für seine Sporterfolge wurde Benedetto Ragazzo im Januar der Titel „DSP Prämienhengst“ verliehen. So war er  u.a. Süddeutscher  Vizechampion der dreijährigen Reitpferdehengste in Nördlingen.

    Der Vater Bombastic war 2017 Verbandschampion und süddeutscher Champion der sechsjährigen Dressurpferde.

    Aus der Großmutter Prime Time stammt der Körungssieger und zweifache Süddeutsche Champion Don Royal. Benedetto Ragazzo vertritt die berühmte Neustädter P-Familie, daraus stammen u.a. die gekörten Hengste Quaterback, Belantis, Samba Hit I-V, sowie zahlreiche Sportpferde wie die Bundeschampioness und Weltmeisterin Poetin I.[/vc_column_text][/vc_column][/vc_row][vc_row][vc_column width=“1/2″][vc_video link=“https://youtu.be/C2el7BPK9d4″][vc_single_image image=“206639″][/vc_column][vc_column width=“1/2″][vc_column_text]

    Cornetino

    Dieser großrahmige Hengst fällt als nobler Leistungstyp besonders auf. Zahlreiche Erfolge in nationalen und internationalen Springprüfungen der schweren Klasse komplettieren seinen Leistungsnachweiß. Seine Fohlen wurden vielfach prämiert und gefielen besonders durch ihre sehr gute Typausprägung.

    Seine sehr gezielt zusammengeführte Abstammung weist mit Cornet Obolensky, C-Indoctro und Landgraf absolute Spitzenvererber auf. Der Stamm 104A ist seit Generationen einer der sowohl in der Zucht als auch im Sport erfolgreichsten Stutenstämme Holsteins.[/vc_column_text][/vc_column][/vc_row][vc_row][vc_column width=“1/2″][vc_video link=“https://youtu.be/g-oOHfajXEo“][vc_single_image image=“206641″][/vc_column][vc_column width=“1/2″][vc_column_text]

    Andy Pur VDM Z

    Andy Pur VDM Z wurde 2017 für das belgische Studbook SBS gekört. In der Saison 2019 war er vielfach in Springpferdeprüfungen erfolgreich.

    Sein Vater Aktion Pur Z sammelte unter Judy Ann Melchior internationale Meriten, und die Mutter Handy van HD ist in internationalen Springen bis 1,60m platziert.

    Muttervater Tinka’s Boy erreichte 26 internationale Grand Prix Siege. Die Großmutter Candy gewann 2013 den Großen Preis von Calgary und ist zudem Mutter von 8 S-erfolgreichen Nachkommen. Nabab de Reve war in internationalen Springen hoch erfolgreich und brachte zahlreiche internationale Spitzenpferde.[/vc_column_text][/vc_column][/vc_row][vc_row][vc_column width=“1/2″][vc_video link=“https://youtu.be/RxCSzQLZ6jU“][vc_single_image image=“206643″][/vc_column][vc_column width=“1/2″][vc_column_text]

    Dantango

    Großaufgemachter und bewegungsstarker Dressurhengst, der nicht nur mit seinen Reitpferdepoints überzeugt sondern auch über ein sehr gutes Interieur verfügt.

    Die Väter Destano und Florenciano sind im Grand Prix-Sport erfolgreich, die Mutter Florenciana F war westfälische Siegerstute 2011.

    Die Großmutter Nora brachte eine Vielzahl an sporterfolgreichen Nachkommen darunter die in S-Dressuren erfolgreichen Ferdinand F und Ryenna F sowie das bis 1,40m erfolgreiche Springpferd Babalou F.[/vc_column_text][/vc_column][/vc_row][vc_row][vc_column width=“1/2″][vc_video link=“https://youtu.be/96_AAHYwZfc“][vc_single_image image=“206753″][/vc_column][vc_column width=“1/2″][vc_column_text]

    Lirano

    Lirano ist der Erbe seines Vaters Levisto, der vor seiner internationalen Sportkarriere unter Judy Ann Melchior sehr erfolgreich als Pachthengst im brandenburgischen Haupt- und Landgestüt Neustadt gewirkt hat.

    Über den ebenfalls in der schweren Klasse erfolgreichen Coriano und den Vollblüter Sir Shostakovich xx begründet sich Lirano´s Mutterlinie auf dem Holsteiner Stamm 162, aus dem u.a. die gekörten Hengste Carthago, Cancara, Canturo, Cascavelle, Lord Calando und Leonce sowie die internationalen Sportpferde Cöster/ Christian Ahlmann, Lacros/Dirk Schröder und Charleston/Markus Beerbaum stammen.[/vc_column_text][/vc_column][/vc_row][vc_row][vc_column width=“1/2″][vc_video link=“https://youtu.be/PuptOmcZnME“][vc_single_image image=“206751″][/vc_column][vc_column width=“1/2″][vc_column_text]

    Vulkato

    Der aus einem Vollblutstamm stammende Vulkato war bisher  22-mal in der Klasse S platziert u.a. in der internationalen Youngster-Tour beim CSI Neustadt (Dosse).

    Der Vater Vulkano ist höchst erfolgreich in internationalen 5-Sterne Springprüfungen gewesen.

    Die Mutter, Carisma P brachte zudem den gekörten Karl von Linde (v. Kannan) sowie Quintana P, die internationale Erfolge in Vielseitigkeitsprüfungen bis CIC*** aufweist. Aus dem Mutterstamm auch Chiara P, Quintano P und Lady Sunshine P sowie die gekörten Ludwig von Linde v. Ludwig von Bayern, Quanikos v. Quaterback und Wanderlust v. Wanderbursch.[/vc_column_text][/vc_column][/vc_row][vc_row][vc_column width=“1/2″][vc_video link=“https://youtu.be/DR6Hk8oLWuk“][vc_single_image image=“206755″][/vc_column][vc_column width=“1/2″][vc_column_text]

    Vasco da Gama

    Vasco da Gama präsentiert sich als lackschwarzer Edelmann mit viel Typ und Adel. Er war dreijährig siegreich in Reitpferdeprüfungen und legte seine 50-tägige Leistungsprüfung mit der dressurbetonten Endnote von 8,46 ab.

    Der Vater  Van Vivaldi war 2015 Finalist bei der WM der jungen Dressurpferde und konnte im Jahr 2018 erste Siege im St. Georges erzielen. Der Muttervater Sir Donnerhall I ist Vater von Bundeschampions, Weltmeistern und Grand Prix-erfolgreichen Pferde. Über Uckermärker und den bis Intermediaire I erfolgreichen Paradiesvogel ist die Dressurveranlagung bestens abgesichert.[/vc_column_text][/vc_column][/vc_row]

  • Clemens von Nagel – Pferdemann und Visionär (Teil 1)

    Clemens von Nagel – Pferdemann und Visionär (Teil 1)

    [vc_row][vc_column][vc_column_text]Der westfälische Adlige Clemens von Nagel gehört zu den Menschen, die in der Pferdezucht und im Pferdesport unauslöschbare Spuren hinterlassen haben. Im Folgenden soll der Versuch unternommen werden, seinen Lebensweg darzustellen und die Stationen zu beschreiben, die auf ihn einen nachhaltigen Eindruck machten und sein Leben beeinflussten.  

    Mit Clemens Freiherr von Nagel verbinden sich Begriffe wie Gestüt Vornholz und Ramzes AA, die Stutenfamilie der Kebandina und Ramiro. Doch da gab es noch mehr, vor allem seine Lebensgeschichte mit den Stationen wie Wickrath, Beberbeck, Warendorf und Racot oder die Zeit als Kavallerist. All dies prägte den jungen von Nagel und schärfte seinen Blick für das Pferd, das ihm vorschwebte: ein Leistungspferd für den Sport.

    Geboren im Landgestüt Wickrath

    Man schrieb das Jahr 1908, es war der 1. April: Der junge Paul von Nagel, bisher Mitglied einer sogenannten Remontekommission (Auswahl von Pferden für militärische Zwecke), erhielt seine Ernennungsurkunde als Gestütsdirektor für das preußische Landgestüt Wickrath (im ehemaligen Schloss der Reichsgrafen Quadt-Wyckradt-Hüchtenbruch). Seine „Besoldung erfolgt in vierteljährlichen Raten, zusätzlich wird Entschädigung für bare Auslagen gewährt und eine Dienstwohnung“, die sich im Schloss der Gestütsanlage befand. Im gleichen Jahr, einen Tag vor Heiligabend, wurden Paul von Nagel und seine Gattin Elisabeth Gräfin von Merveldt Eltern eines Jungen, der den Namen Clemens erhielt. Er war der Erstgeborene.

    In den 1880er-Jahren noch als „Ablagerungsstätte für züchterischen Bauschutt aus den Hauptgestüten“ bezeichnet, übernahm Paul von Nagel das auf höchstem Niveau stehende und fast ausschließlich auf Kaltblut-Hengsthaltung  spezialisierte Landgestüt Wickrath, das von Nagels Vorgänger zu außerordentlicher Qualität entwickelt hatten. Der Hengstbestand lag bei über 200 Vatertieren, der Bezirk des Landgestütes reichte vom Niederrhein bis nach Koblenz und in den Bereich des heutigen Saarlandes. Die Familie von Nagel wuchs, die Kinder Marie Luise, Josef, Georg und Franz wurden in Wickrath geboren. Der Gestütsdirigent war mit seiner Familie im Schloss untergebracht, das Gestütspersonal wohnte im Bereich der sogenannten Ewigkeit. Für den jungen Clemens wie für die Gestütskinder war der gesamte Gestütsbereich ein herrlicher Spielplatz. Besondere Attraktionen waren die alljährlichen Hengstparaden, die tausende von Besuchern aus der gesamten Provinz anzogen. Wie viel Gefallen der noch junge Clemens von Nagel an diesen „Kraftpaketen“ gefunden hatte, zeigt die Tatsache, dass er später (dies ist nur wenigen bekannt) auf dem geerbten Schloss Vornholz auch Kaltblüter züchtete, darunter gekörte Hengste wie Liktor sowie die Brüder Mentor I, II und III.

    Neue Heimat: Hauptgestüt Beberbeck

    Clemens von Nagel (rechts) während der Zeit in Beberbeck.
    © Archiv Schloss Vornholz

    Mitten im 1. Weltkrieg, im März des Jahres 1916, verstarb der Landstallmeister des Preußischen Hauptgestütes Beberbeck Eugen von der Marwitz. Nach kurzer Rücksprache mit dem Dirigenten von Wickrath versetzte die Preußische Gestütsverwaltung Paul von Nagel nach Beberbeck (Hessen).

    Beberbeck war 1876 aus einer bestehenden Gestütsanlage des hessischen Kurfürsten Wilhelm II. hervorgegangen. Einem Hauptgestüt wie Beberbeck (so auch u. a. Trakehnen) fiel die Aufgabe zu, für die Landgestüte qualitätsvolle und systematisch durchgezüchtete „Halbblut“-Hengste zu liefern, die als Garanten der jeweiligen gewünschten Blutführung und Rassenspezialisierung Kern und Grundstock für die Landespferdezuchten in den zu versorgenden Landgestüten eingesetzt wurden. Von 1905 bis 1922 lieferte Beberbeck 163 Land- und sechs Hauptbeschäler (pro Jahr 9,4 Beschäler), viele davon in die ost- und westpreußischen Landgestüte.

     

    Ferner musste Paul von Nagel als Leiter des Hauptgestüts Beberbeck seine Mutterstutenherde (in Beberbeck waren dies rund 120 Stuten) laufend optimieren, d. h. durch junge Stuten ergänzen und für sogenannte Hauptbeschäler sorgen. Gerade die letzten beiden Aspekte waren eine sichtbare Demonstration des durch die Gestütsleitung im Einvernehmen mit der zentralen Gestütsverwaltung gesteckten Zuchtzieles.

    Im Mai 1917 wurde Ida von Nagel, die jüngste Schwester von Clemens, geboren; zu ihr hatte Clemens zeitlebens ein besonderes Verhältnis. Die beiden verband die Liebe zu den Pferden, zur Zucht wie zum Sport.

    Der Aktionstraber Nepal, einer der beliebtesten Hengste des Landgestüts Warendorf, in den 1930er-Jahren.
    © Archiv Schloss Vornholz

    In Beberbeck, circa 8,5 Kilometer vom kleinen Garnisonsstädtchen Hofgeismar mitten im Reinhardswald gelegen, bildete das Hauptgestüt gewissermaßen eine fast autarke Arbeits- und Wohnstätte. Denn neben der Pferdezucht betrieb man in Beberbeck Landwirtschaft; nicht nur, um die Pferde versorgen zu können, sondern auch, um die dort arbeitenden und lebenden Familien zu ernähren. Sämtliche Mitarbeiter besaßen Deputatvieh, Acker- und Gartenland für den Anbau von benötigten Futtermitteln und Gemüse für den eigenen Verzehr. Man lebte in gestütseigenen Häusern, hatte eine Schule auf dem Gelände des Gestüts (ein Klassenraum für alle Jahrgänge) und sogar einen eigenen Friedhof, man war eine große Gemeinschaft, vom Landstallmeister bis zum Ackerknecht.

    Waren die Kaltblüter in Wickrath ausschließlich Zugpferde vornehmlich für die Landwirtschaft, so zeichneten sich die Beberbecker als hoch im Blut stehende Reitpferde aus. Aufgezogen unter harten Bedingungen (die jungen Jahrgänge wurden im sogenannten Mauerpark der nahegelegenen Sababurg, einem Vorwerk von Beberbeck, gehalten) wuchsen hier Pferde heran, die im Ruf standen, besondere Leistungspferde zu sein. So besaßen die mit der Goldmedaille ausgezeichneten Olympiapferde von 1936, Kronos, Absinth und Nurmi, Beberbecker Ahnen. Clemens, der hier mit seinen Geschwistern einen großen Teil seiner Jugendjahre verbrachte, wurde schnell von seinem Vater in vielerlei alltägliche Dinge des Gestütsbetriebs einbezogen. Ob es die Auswahl der Partner für die gestütseigenen Stuten war, die Begutachtung der geborenen Fohlen, das Ausrangieren von Zuchtpferden oder die Feldbestellung auf den landwirtschaftlichen Flächen, an vielen Stellen ging er mit und genoss die Vorzüge, dass die Familie dort wohnte, wo der Vater arbeitete. Um die reiterliche Ausbildung von Clemens von Nagel kümmerte sich persönlich der langjährige Sattelmeister und ehemalige Manteuffel-Dragoner Wilhelm Großberndt. Nachdem bei Clemens die reiterlichen Grundlagen gelegt waren, wurde er schnell mit in den allgemeinen Ausbildungsbetrieb einbezogen. Dies schaffte viele Kontakte zu den Gestütswärtern und deren Kindern, die zu einem großen Teil sein Leben lang hielten und von Clemens gepflegt wurden.

    Caletto I stand lange in Zuchtwertschätzungen weit oben.
    © Caletto I stand lange in Zuchtwertschätzungen weit oben.
    © Bernd Eylers

    Ein bedeutendes und ernstes Thema für Landstallmeister von Nagel war das Anfang der 20er-Jahre zeitweilige Auftreten von ansteckender Blutarmut im Bestand der Zuchtpferde von Beberbeck, ein Thema, welches auch seinen Sohn Clemens später bei seiner eigenen Zuchtarbeit in Vornholz beschäftigte.

    Das Ende von Beberbeck zeichnete sich bereits in der ersten Hälfte der 20er-Jahre ab, als die Anzahl der Halbblutstuten halbiert und um die gleiche Menge mit Kaltblutstuten aufgefüllt wurde. Grund war der Versailler Vertrag, der dem Kriegsverlierer Deutschland vorschrieb, seine Kavallerie-Regimenter drastisch zu reduzieren. Folge war der starke Rückgang der Nachfrage nach Militärremonten. Gleichzeitig verlangte die Landwirtschaft  aufgrund geänderter Wirtschaftsweisen nach mehr „Zugkraft “. Als dann die auftretende Wirtschaftskrise die Staatsfinanzen in eine immer stärkere Bedrängnis brachte, zog die Berliner Reichsregierung die Notbremse und verkaufte den Bestand an Halbblut-Zuchtstuten mit Nachzucht (rund 160 Tiere) für eine halbe Million Goldmark an den polnischen Staat, die Kaltblüter wurden auf andere Staatsgestüte verteilt.

    Als am 3. Dezember 1929 die letzten Gebrauchspferde in einer Hofauktion verkauft  und aus der Bahn geführt worden waren, erklang ein letztes Halali vom Uhrturm hinunter in den Hof des Hauptgestütes: Paul von Nagel, begleitet von seinem Sohn Clemens, zog den Hut und faltete seine Hände zu einem kurzen Gebet. Eine traurige Situation, die viele der Umstehenden sehr bewegte. Der Bläser auf dem Turm war der junge Emil Bremer, der später Hauptsattelmeister im Landgestüt Warendorf wurde.

    Zurück nach Westfalen

    Die Familie von Nagel ging nach Warendorf, zurück ins heimatliche Westfalen. Dort war die Stelle des Landstallmeisters freigeworden. Das staatliche Gestüt an der Ems war ein Landgestüt mit Warm- und Kaltblütern. Vor allem die Warmblutzucht hatte seit der Umstellung der Zucht auf hannoversche Grundlage eine rasante Entwicklung gemacht. Die Familie wohnte im Landstallmeisterhaus an der Sassenberger Straße. Von Warendorf bis zum Schloss des Onkels August von Nagel in Ostenfelde sind es gerade mal 15 Kilometer. Einige der Beberbecker Gestüter folgten ihrem Chef nach Warendorf, sehr zur Freude des Landstallmeisters und seiner Familie. So fiel allen der Neuanfang leichter. Der Reitunterricht für Clemens und seine Geschwister fand unter fast idealen Bedingungen statt: gedeckte Reitbahn, bestes Reitmaterial durch die vorhandenen Zuchthengste und ein Ausbilder mit bestem Renommee: Leopold Jacobowski. Zu den beliebtesten Pferden der Nagel-Kinder gehörten das Bewegungswunder, der Aktionstraber Nepal, und der Beberbecker Hengst Meleager, der für die Stutenfamilie der Dodona (Herbert de Baey) und seine Olympiapferde wie Ahlerich, Rembrandt und Amon in der Gegenwart Bedeutung erlangte. Hippologisch war das Landgestüt Warendorf aus dem Schatten seines großen Bruders Celle herausgetreten. 230 Hengste standen hier, darunter viele westfälische Eigengewächse, rund 80 Deckstellen wurden betrieben und eine gut ausgebildete Stammbelegschaft  war mit der Züchterschaft  in der Provinz fest vernetzt. Die Hengstparade in den 30er-Jahren, vor allem der römische Kampfwagen mit dem Gestüter Bernhard Nienaber an den Leinen von Schatzherr, Burgschwan, Amoroso und Amorso war reichsweit ein legendäres Spektakel.

    Reiter 4 Potsdam

    Clemens von Nagel © Archiv Schloss Vornholz

    Clemens von Nagel, der seine Gymnasialbildung zeitweilig bei den Benediktinern im Kloster Ettal erhalten hatte, verpflichtete sich im Frühjahr 1929 (er war 21 Jahre), beim Reichsheer für 12 Jahre Dienst zu tun. Wie sein Vater, der u. a. beim Reiterregiment 4 gedient hatte, zog es auch den jungen Clemens zur Kavallerie nach Potsdam.

    Die „Reiter-4“ war eine Eliteeinheit und bestand aus vier Eskadronen, dem Stab und der Ausbildungseskadron; die Offiziere, Unteroffiziere und Mannschaften waren hochqualifiziert und sehr angesehen. Die schmucken Uniformen, der intensive Umgang mit den Pferden, ob beim Schwadron-Exerzieren, im Gelände oder in der Reitbahn, das Fluidum des alten geliebten Potsdam, die soldatenfreundlichen Bürger und die besondere Atmosphäre einer alten Residenz – das war wohl das Besondere, das auch Clemens anzog. Auch als das Regiment auf zwei Standorte (Potsdam und Perleberg) verteilt wurde, tat dies Clemens von Nagels Eifer keinen Abbruch. Seine Karriere war zielgerichtet: Fähnrich, Leutnant, Oberleutnant. Fragt man sich nach der Triebfeder für diesen Berufsweg, so waren es bestimmt nicht monarchistische Sehnsüchte oder eine Annäherung an den republikanischen Staat, sondern vielmehr die Möglichkeit, einen traditionellen Lebensstil (die Leidenschaft  für Pferde, den Reitsport und die Jagd als Elemente einer adligen Lebenswelt) und militärische Arbeit sinnvoll miteinander verknüpfen zu können. Dass am Ende besonders die Kavallerie (das Reiterregiment 4 wurde 1935 aufgelöst) unter einem enormen Veränderungsdruck stand, war sicher tragisch. Doch Clemens gehörte noch zu den jungen Offizieren, die u. a. zur legendären Kavallerieschule Hannover abgeordnet wurden, um Ausbildungsabschnitte zu absolvieren (wie Offiziersausbildung im Reiterregiment mit hochqualifizierter Reitausbildung). Seinen Urlaub und seine freie Zeit verbrachte er in Warendorf, er hielt intensiven Kontakt zu seinem geschätzten Vater, vor allem nachdem dieser erkrankt war, und zu seinem auf dem Familienschloss in Ostenfelde lebenden Onkel August.

     

    © Dieser Auszug basiert auf einem Beitrag von Franz-Josef Neuhaus, der im Sammelwerk „Ausgewählte Hengste Deutschlands 2014/15“ erschienen ist.[/vc_column_text][/vc_column][/vc_row]

  • Clemens von Nagel – Pferdemann und Visionär (Teil 2)

    Clemens von Nagel – Pferdemann und Visionär (Teil 2)

    Reiterregiment 15 Paderborn

    Clemens von Nagel beim Reiterregiment 4 in Potsdam.
    © Archiv Schloss Vornholz

    Im Rahmen der Motorisierung und Technisierung des Heeres wurde 1935 das Reiterregiment 4 aufgelöst. Große Teile wurden zur Auffüllung in das Panzerregiment 6  in Neuruppin eingebracht. Clemens von Nagel wurde auf Umwegen über das Kavalleriekommando Bamberg in das Reiterregiment 15 nach Paderborn versetzt. In der dortigen Leitungsriege war er von damals bekannten Reiterpersönlichkeiten von internationalem Format umgeben. Unter anderem waren da der ehemals langjährige Leiter der westfälischen Reit- und Fahrschule Paul Stecken (lebt heute in der Nähe von Münster), der Coppa d´Oro-Gewinner Hermann von Nagel, der Olympiagold-Gewinner in der Vielseitigkeit Rudolf Lippert und der ehemalige Leiter des Springstalls in der Kavallerieschule Hannover Edwin Graf zu Rothkirch und Trach sowie Georg und Philipp von Boeselager, Kavalleristen und Widerständler gegen das Naziregime. Die ansonsten vor allem mit westfälischen Mannschaft en und Offizieren des hiesigen Adels besetzte Einheit hatte als ideales Übungsgelände die Senne, ein über 200 Quadratkilometer großes Heidegebiet zwischen Paderborn und Gütersloh. Kilometerlange Galoppstrecken, Naturhindernisse, Wassergräben und eine regimentseigene Hundemeute, und das alles rund 50 Kilometer entfernt von Warendorf, waren für Clemens von Nagel glückliche Bedingungen, um seine Kenntnisse und Fähigkeiten rund ums Pferd zu festigen.

    Zwei Schicksalsschläge zwangen Clemens von Nagel, seine langfristigen Pläne für seine militärische Laufbahn aufzugeben: Bereits am 13. März 1935 verstarb sein Onkel August von Nagel, ein Pferdemann im Wortsinn (er hatte u. a. einige Jahre in Irland hinter den besten Hundemeuten auf der grünen Insel gejagt), und im gleichen Jahr, am 3. Oktober, sein Vater Paul. Zunächst versuchte er, mit Freistellungen und Beurlaubungen den Spagat zwischen Militärkarriere und Führung eines großen land- und forstwirtschaftlichen Betriebes hinzubekommen. Dieser Doppelbelastung konnte Clemens nicht lange standhalten. Ende 1936 gab man seinem Antrag auf Entlassung aus dem Heer und Übernahme in das Reserve-Offizierskorps des Regiments statt und er wurde Schlossherr auf Vornholz.

    Vollblüter für den Sport

    Fritz Ligges, stets von Baron Nagel gefördert, in traditioneller Uniform bei den Vornholzer Husarentagen.
    © Archiv Schloss Vornholz

    Schnell ging von Nagel daran, im Herzen des Münsterlandes ein Gestüt aufzubauen; zunächst war es seine Absicht, Vollblüter für den Hindernissport und gleichzeitig für den Springsport zu züchten. Auf Empfehlung des damaligen Leiters des Rennstalls an der Kavallerieschule Hannover, Oberst Hans Jay, kaufte von Nagel den rennbewährten Vollbluthengst Marcellus xx, der über seinen Vorfahren Le Sancy xx eine ordentliche Portion Springveranlagung mitbekommen hatte. Zu seinen ersten Partnerinnen auf Vornholz gehörte die ausgesprochen schicke und harmonische Perlenreihe xx von Anakreon xx. Aus der erstmaligen Anpaarung fiel 1938 Perpetua xx, die trotz der Kriegsumstände auf der Rennbahn 80.000 Reichsmark gewann. Vollbruder Pernod xx, ein Jahr später geboren, galoppierte immerhin 40.000 Reichsmark zusammen und war in den ersten Jahren nach dem 2. Weltkrieg unter dem Reiter des Stalles Vornholz, Willi Schultheis, in mehr als 70 Dressurprüfungen der mittleren und schweren Kategorie siegreich. Pernod xx kam 15-jährig in die Zucht, auch dort verdiente er beachtliche Meriten: seine Kinder Puschkin, Piccolo und Prunus gingen wie der vielseitige Puschkyn bis zur Klasse S, Macbeth sogar bis Grand Prix. [ihc-hide-content ihc_mb_type=“show“ ihc_mb_who=“4,3″ ihc_mb_template=“3″ ]

    Wiederaufbau in Polen

    Heideblume mit Fohlen unter uralten Vornholzer Eichen.
    © Archiv Schloss Vornholz

    Als Deutschland im Herbst 1939 Polenangriff  und damit den 2. Weltkrieg initiierte, war von Nagel zunächst als Offizier in einer berittenen Aufklärungsabteilung an der Westfront. Anfang November erhielt er die Order, sich unverzüglich auf den Weg nach Lodz in Polen zu machen. Alles Weitere würde er dort vom „Beauftragten für Pferdezucht und Gestütswesen beim Oberbefehlshaber Ost“ Gustav Rau erfahren. Die deutsche Reichswehr verfolgte das Ziel, in den sogenannten zurückgegliederten Ostgebieten und für das Generalgouvernement eine eigene Gestütsverwaltung aufzubauen, um damit die Pferdeproduktion anzukurbeln. Für von Nagel lautete der konkrete Einsatzbefehl vor Ort: Kommandeur des Hauptgestüts Racot. Kommandeure in 13 weiteren Heeresgestüten waren u. a. der Vater von Inge Theodorescu, Oberstleutnant Hans Fellgiebel, der das häufig als polnisches Trakehnen bezeichnete Janow Podlaski übernahm. Die durch die Kriegseinwirkungen gebeutelten, vornehmlich polnischen Gestüte, die fast 80 Prozent ihrer Hengste verloren hatten, wurden durch gezielte Maßnahmen in relativ kurzer Zeit wieder aufgebaut, die Bestände an Zuchttieren aufgefüllt und größtenteils verbessert. Die Benutzung der Hengste stieg umgehend rasant an.

    Wie kam es zur Berufung von Nagels? Rau hatte den jungen Oberleutnant von Nagel anlässlich verschiedener Termine mit seinem Vater, Landstallmeister von Nagel, in Beberbeck und Warendorf kennen und schätzen gelernt. Der wesentlichste Aspekt war, dass die Beberbecker Stuten, als sie nach Polen transportiert worden waren, größtenteils in Racot gelandet waren. All diese original Beberbecker Zuchtpferde kannte von Nagel im Detail. Durch die Kriegseinwirkungen waren sie zwar in alle Winde zerstreut worden, doch eine intensive Suche führte dazu, dass die meisten von ihnen wieder aufgefunden wurden. Nach etwa zwei Jahren Einsatz in Polen wurde von Nagel von Rau als militärischer Leiter ins Heeresremontegestüt nach Grabau bei Lübeck geschickt. Mit ihm gingen Teile der Beberbeck-Racoter Stuten sowie die sogenannten Leistungsstuten, also Stuten, die als erfolgreiche Sportpferde ihre erste Karriere hinter sich hatten und nun entsprechend den Vorstellungen Raus und von Nagels als Zuchtstuten mit Spitzenhengsten, teilweise mit Sporterfolgen, angepaart wurden, um daraus besondere Leistungspferde zu züchten. Zu den Leistungsstuten gehörten u. a. Tora, die 1936 Gold gewonnen hatte, und die Rittersporn  xx-Tochter Warszawianka, die ebenfalls bei der Olympiade in Berlin vorne mit dabei war. Ziel war es, Spitzensportler zu züchten. Daneben war es Raus Vision, in diesem Versuchsgestüt ein vielseitig einsatzbares Militärpferd zu züchten: beides Ideen, die aufgrund der Ereignisse nicht realisiert wurden. Spätestens hier reifte die Idee, bei sich auf dem heimatlichen Gestüt (seine Schwester Ida hatte während der Kriegsjahre den Familienbetrieb geleitet) eine Leistungszucht mit Halbblütern für den Turniersport aufzubauen und die ohnehin bei Kriegsende danieder liegende Vollblutzucht aufzugeben.

    Kriegsende und Turnier der Sieger

    Landstallmeister Paul von Nagel, Vater von Clemens.
    © Archiv Schloss Vornholz

    Der verlorene Krieg brachte Deutschland und den anderen kriegsbeteiligten Ländern entbehrungsreiche Jahre. Clemens von Nagel fand schnell Kontakt zur englischen Besatzungsmacht und über den Pferdesport auch manchen privaten Kontakt. Den Engländern waren die Aktivitäten des westfälischen Landadligen nicht verborgen geblieben, und als von Nagel den Engländern anbot, bei sich auf seinem Gestüt ein „Showjumping“ zu veranstalten, griffen diese gerne zu. Deutsche waren als Kriegsverlierer nicht zugelassen, aber sie durften ihre Pferde und ihr reiterliches Vermögen den Anwesenden in einer „Dressage Exhibition“ zeigen, und Willi Schultheis zog auf dem bewährten Dorffrieden alle Register. Die britischen Zuschauer waren begeistert. Eine Wiederholung wurde vereinbart und fand im Jahr darauf statt. Bald waren deutsche Teilnehmer zugelassen und spätestens 1948 war dieses Turnier in Deutschland ein, wie man heute sagen würde, Top-Event, welches von seinem Initiator den Namen „Turnier der Sieger“ erhielt und in Münster bis heute seine Fortsetzung fand.

    Zuchtziel Leistungspferd

    Innenhof des Gestüts Racot.
    © Archiv Schloss Vornholz

    Bereits kurz nach der Übernahme des Familienbesitzes hatte von Nagel hannoversche Stuten im Raum Verden und an der Unterelbe gekauft, die teilweise Beberbecker Blut führten. Die bekannteste ist ohne Zweifel die Finnländerin von Flirt aus der Kebandina von Kirkland-Julius Caesar. Die züchterischen Anstöße, die  durch diese Stute bis heute weltweit gegeben wurden, sind enorm. Die Verbreitung ihres Blutes resultierte in Nachkommen wie Radetzky, Don Primero und Don Schufro. Eine ausführliche Beschreibung der Kebandina-Familie (von Nagel hatte auch die Halbschwester der Finnländerin mit Namen Trendelburg gekauft ) ist im Buch „Ausgewählte Hengste Deutschlands 2012/2013“ unter „Das Vermächtnis des Clemens von Nagel“ nachzulesen.

    Weniger bekannt ist die Vornholzer Stutenfamilie der Altdeutsche von Alsterpreis a. d. Sabobilla von Schumann-Colonel, die ihren Ursprung an der Unterelbe hat. Die Vorfahren sind auf den Deckstationen Hechthausen, Großenwörden und Hollern entstanden. Interessant ist, dass die Väter der in der beigefügten Stammtafel aufgeführten Stuten häufig Beberbecker Blut führen. So ist bei Alsterpreis, dem Vater der Altdeutschen, auf der Mutterseite der original Beberbecker Comet vertreten. Ebenso stammt die Großmutter der Altdeutschen, die Anhang-Stute 790, von einem Enkel des Beberbeckers Colorado mit Namen Colonel. Dies waren Gründe für von Nagel, die Stute Altdeutsche 1936 von Johann von Borstel in Krautsand zu kaufen; Züchter war Rudolf Büther in Hollern.

    Die Eintragung der Altdeutschen war in Westfalen kein Problem, da sich bereits 1920 das Westfälische Pferdestammbuch entschieden hatte, auf hannoverscher Basis zu züchten. Welche Qualität diese Stute hatte, belegt die vorgenommene Punktierung: Für alle Kriterien von Gebäude, Fundament und Gang gab es die Punktzahl 8 (auf einer Skala von 1 bis 10). Ihre herausragenden Kinder stammen allesamt vom harten Beberbecker Beschäler Oxyd von Irrlehrer. Der harte, großrahmige Hunter hatte außer in Beberbeck einige Jahre in Ostpreußen als Landbeschäler gewirkt, besaß nach von Nagels Meinung eine exzellente Blutführung und hatte seine Rittigkeit als Reit- und Jagdpferd unter Beweis gestellt. Der Rappe Oxyd wird als ausdrucksstark und tief beschrieben, seine Gänge beeindruckten. Vor allem seine Töchter waren edle und harmonische Modelle. Durch die Verbindung der ausgesuchten Hannoverschen Stuten mit dem Beberbecker Hengst Oxyd, der zudem einen Schuss Vollblut besaß, entstand das in der Literatur viel gerühmte Vornholzer Pferd.

    Clemens von Nagel als Kavallerist.
    © Archiv Schloss Vornholz

    Zu Altdeutsches Nachkommen zählen die drei Onyx-Brüder sowie ihre Tochter Admiralität. Onyx I wurde Landbeschäler im damaligen Landgestüt Lack, welches unter militärischer Leitung stand und Hengste für den Warthegau zur Verfügung stellte. Onyx II wurde ebenfalls gekört und an den westfälischen Privathengsthalter Cosack, einen ausgesprochenen Edelpferde-Mann, verkauft . Onyx III erhielt ebenfalls das Prädikat gekört und sorgte mit seinen Stallnachbarn Afrika und Chronist xx als Adular für eine handfeste olympische Überraschung.

    Admiralität erhielt dreijährig die Staatsprämie und wurde in den Vornholzer Stutenbestand eingereiht.

    Sie brachte mehrere Töchter, zu nennen sind besonders vier. Arie, Admira, Adria und Sieglinde.

    ■  Arie (v. Ramzes AA) brachte sieben Stutfohlen: Arosa wurde Mutter des M-Springpferdes Ribana von Ramiro und Großmutter von Wolke (v. Weltmeister), ebenfalls im M-Parcours erfolgreich, sowie Magic Mouse (v. Aristokrat), auf dem Viereck M-siegreich.

    ■  Arosas Tochter Adeline war Großmutter des SSpringpferdes Calida von Calido sowie der Sportpferde Acorada von Acorado, Cherubin von Calido, und der Vollgeschwister Co-Jack und Celebration, beide von Cassandro; Arosas Tochter Ramona brachte den Privatbeschäler Gran Rio von Graditz. Aries Tochter Ariane von Herold wurde durch ihren Sohn Uhland bekannt, der Usurpator xx-Sohn ging unter Peter Weinberg Nationenpreise u. a. in La Baule sowie Große Preise wie den von Dortmund 1977. Aries Tochter Elke von Herold wurde die Staatsprämie zugesprochen.

    ■  Admiras (von Ramzes AA) Enkel und Urenkel zeichnen sich durch besondere sportliche Leistungsfähigkeit im Parcours und auf dem Viereck aus, so zum Beispiel die S-Springpferde Ikhor von Ingbert, Wicking von Wikinger und Paradiso 9 von Paradiso sowie das S-Dressurpferd Mario von Martinez.

    ■ Nachkommen der Adria von Ramzes AA sind der Ldb. Fröhlich, Ldb. Plinius, Pb. Lord Loh und Pb. Pablo Picasso. Sie selber wurde Mutter eines Leistungshengstes, der eine Hengstlinie von internationaler Bedeutung auf den Weg brachte, denn ihr arabisch aufgemachter Sohn Perseus wurde Vater des Pilatus, der bekanntermaßen die Halbbrüder Pilot und Polydor brachte, die durch ihre springgewaltigen Kinder jahrelang die Gewinnsummen-Hitlisten in Deutschland anführten. In Adrias Nachkommenschaft  fallen die große Anzahl von S-Pferden in der Dressur (u. a. Faustus von Fontanus xx, Babou von Bormio xx) und im Springen (u. a. Snop von Schwangau, Diamant von Draufgänger) auf.

    ■ Sieglinde vom harten Ebbesloher Sünder xx belegt mit ihren Kindern und Enkeln wie bei den o. g. Schwestern einmal mehr die vielseitige Eignung und das entsprechende Leistungsvermögen im Reitsport; M- und S-Pferde vornehmlich über den Stangen sind in diesem Zweig der Altdeutsche-Familie keine Seltenheit, zum Beispiel Pan Am von Polydor, First Faisal von Faisal, Penny Lane von Dunhill H, Pageno von Pilot und Aragorn von Anmarsch. Der letztgenannte Wallach entstammt einer Nebenlinie, die von der Frühlingsduft  I-Tochter Freisonne initiiert wurde und in Bayern reihenweise Springpferde gebracht hat.

    Schloss Beberbeck, Haus des Landstallmeisters.
    © Archiv Schloss Vornholz

    Oxyd wurde zu einem bedeutenden Stützpfeiler der Vornholzer Sportpferdeschmiede, denn durch seine Nachkommen begann nun für die Zuchtstätte Vornholz eine Ära des sportlichen Erfolgs: Vornholzer Pferde zogen ausgebildet und vorgestellt durch Otto Lörke, Willi Schultheis, Alfons Przybylski und Ida von Nagel von Turnier zu Turnier, von Sieg zu Sieg. Die komplette bundesdeutsche Dressurequipe bei den Olympischen Spielen 1952 in Helsinki, die Bronze gewann, stammte aus der Vornholzer Zucht, Adular (a. d. Altdeutschen) v. Oxyd, Afrika (aus einer weiteren hannoverschen Stute namens Anlage vom Beberbecker Anlauf) v. Oxyd und der Marcellus xx-Sohn Chronist xx – ein nie dagewesener und so leicht nicht wiederholbarer Triumph durch eine einzige Zuchtstätte. Nur durch eine plötzlich aufgetretene Lahmheit wiederholte sich dieser spektakuläre Erfolg der Vornholzschen Zucht vier Jahre später in Stockholm nicht – Chronist xx, vorgesehen für Hannelore Weygand, musste durch den Trakehner Perkunos ersetzt werden. Doch die beiden Oxyd-

    Der Hengst Oxyd wurde in Vornholz Vater ausgezeichneter Mutterstuten und nachhaltiger Söhne.
    © Archiv Schloss Vornholz

    Nachkommen Adular (jetzt unter Liselott Linsenhoff) und Afrika (jetzt mit Anneliese Küppers) halfen, Mannschaftssilber zu sichern, Adular schaffte mit seiner Reiterin sogar Einzelbronze.

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    © Dieser Auszug basiert auf einem Beitrag von Franz-Josef Neuhaus, der im Sammelwerk „Ausgewählte Hengste Deutschlands 2014/15“ erschienen ist.

  • Clemens von Nagel – Pferdemann und Visionär (Teil 3)

    Clemens von Nagel – Pferdemann und Visionär (Teil 3)

    Ramzes AA wegweisend

    Pernod xx prägte entscheidend die Zucht im Gestüt Vornholz, sportlich war er ein Multitalent.
    © Archiv Schloss Vornholz

    Infolge des altersbedingten Ausscheidens der Vornholzer Hengste Marcellus xx, Oxyd xx und Pernod xx sowie durch den Weggang des Ausbildergespanns Lörke/ Schultheis richtete Baron von Nagel sein Augenmerk stärker auf den zum damaligen Zeitpunkt noch recht kleinen Springstall. Mit dem Ankauf der polnischen Schimmelhengste Ramzes AA und Krol Walca steckte der Baron ein neues Ziel für seine Zucht. Vornehmlich die Töchter des Oxyd bildeten den Grundstock für den Erfolg des Ramzes AA, der aus heutiger Sicht einer der bedeutendsten Leistungsvererber der deutschen, wenn nicht europäischen Warmblutzucht nach dem 2. Weltkrieg ist.

    Ramzes AA war während des 2. Weltkrieges zunächst als Remontehengst im polnischen Janow Podlaski eingesetzt, später aufgrund der Kriegsentwicklung nach Grabau verlegt und bei Kriegsende an den polnischen Offizier Witalis Bielecki gekommen, der ihn auf den ersten Turnieren der Alliierten nach dem Krieg ritt. Von Nagel kaufte ihn, nicht zuletzt weil er seine Qualitäten kannte.

    Ramzes AA bestritt unter Micky Brinkmann erfolgreich eine Reihe von M-Springen, bis er sich das Fesselbein brach. Mit unglaublicher Geduld ertrug er seine Verletzung und trug so zu seiner Genesung bei, erholte sich und blieb der Zucht erhalten. Bereits in seinem Deckeinsatz in Polen hatte er sehr gute Jagd- und Springpferde gemacht, mehr im Huntertyp seines Vaters Rittersporn xx als im arabischen Typ seiner Mutter Jordi. Genau dies kam dem Vornholzer Zuchtziel mit seinen vornehmlich Beberbecker, Holsteiner und hannoverschen Stuten sehr entgegen.

    Polnische Gestütswärter üben unter der Anleitung von Clemens von Nagel eine Quadrille
    © Archiv Schloss Vornholz

    Bei den Westfalen wurde Ramzes AA zunächst in die Zuchtwertklasse IV eingestuft, die Holsteiner zeigten weniger Zurückhaltung und sicherten sich den Hengst für zwei Decksaisons (1951 und 1952, später nochmal 1959/1960). Der beispiellose Siegeszug des Anglo-Arabers nahm seinen Anfang: Während er (der ausnahmslos seine Schimmelfarbe vererbte) in Holstein Spitzenspringpferde wie Ramona (Alwin Schockemöhle), Retina (Fritz Thiedemann), Romanus (Hans Günter Winkler) und Ramzes XIII (Kurt Jarasinski) sowie hochklassige Töchter und gekörte Söhne lieferte, brachte er in Westfalen Talente fürs Viereck, zum Beispiel Mariano (Silber und Gold 1968 in Mexiko unter Josef Neckermann), Tiga (Grand Prix-Pferd unter Heinz Lammers) und den aus einer Abdel Krim-Hersdorf gezogenen Remus (Silber und Gold in Tokio 1964 unter Harry Boldt), um nur einige zu nennen. In der westfälischen Zucht war es der Ramzes AA-Sohn Ldb. Radetzky, ein Vollbruder des Mariano, der als Kronerbe des Ramzes-Blutes galt. Dieser Schimmel, gezogen in Vornholz, aus der hochedlen Malta von Oxyd (a. d. Meerfahrt von Meleager, den von Nagel aus seiner Zeit in Beberbeck, Warendorf und Racot kannte), wurde Warendorfer Landbeschäler und war das beste Beispiel der hervorragenden Reitpferdeeigenschaft en, die Ramzes AA vererbte. Radetzky war bis Grand Prix ausgebildet und wird mit Blick auf seine Vererbungsleistung mit Hengsten wie Duellant und Abglanz gleichgesetzt.

    Als Ramzes AA mit fast dreißig Jahren nach 18-jähriger Decktätigkeit 1966 eingeschläfert wurde, wurden die Freunde dieses Hengstes mit einer eigens gedruckten Karte benachrichtigt; seine Geschichte war noch nicht zu Ende, sie begann gerade erst – und hält bis heute an.

    Der andere Polen-Import, der o. g. Krol Walca, ein etwas derber Dunkelschimmel, stammte vom Vollblüter Jantos xx, der in Racot gewirkt hatte. Krol Walcas Mutter Warszawianka (siehe oben) war ohne Zweifel das erfolgreichste Springpferd Polens in den 20er- und 30er-Jahren und nahm an den Olympischen Spielen 1936 in Berlin teil. Krol Walca stand immer im Schatten von Ramzes AA und wurde vornehmlich für die eigenen Vornholzer Stuten benutzt; unter anderem brachte er das Springpferd Feuerdorn (H.G. Winkler).

    Holsteiner Stuten geadelt

    Ramiro, eine Hengstlegende mit Weltformat.
    © Bernd Eylers

    Die Erfolge der „Ramzes-Expedition“ im Land zwischen den Meeren ließen Clemens von Nagel, diesen von der Norm abweichenden, genialen Horseman, dem das Brandzeichen nie zur Ersatzreligion geworden war, schnell umdenken. In den 50er-Jahren, als durch die unaufhaltsame Motorisierung in der Landwirtschaft  die schweren Holsteiner alten Schlages verschwanden, kaufte Clemens von Nagel gezielt einige dieser Stuten aus bewährten Springstämmen. Er war überzeugt, dass eine edle Sportpferdezucht an gewisses Maß an Substanz und Kaliber benötigt. Das schien ihm durch die kalibrigen Stuten „mit den gemeißelten Köpfen auf Wikingerhälsen“ (Gustav Rau) gewährleistet. Gleichzeitig mit diesen Stuten kauft e er den Landbeschäler Herold v. Herder-Makler I vom damals kurz vor der Schließung stehenden Landgestüt Traventhal. Herold war ein Erhalterhengst alten Typs, der in Holstein „unmodern“ geworden war und gehäuft  das Springblut der holsteinischen Favorit-Tobias-Linie führte.

    Clemens von Nagels neues Konzept lautete nun: Verankerung des natürlichen Springvermögens, der Springfreudigkeit, Leistungsbereitschaft  und Unverdrossenheit des Holsteiners in der Vornholzer Zucht auf drei Wegen: einmal durch holsteinische „Reinzucht“, durch die Kombination der angekauft en Holsteiner Stuten mit Herold, zweitens durch Anpaarung dieser Stuten mit Veredler-Hengsten wie Ramzes AA und Vollblütern wie Usurpator xx und drittens, umgekehrt, Anpaarung der Altvornholzer Stuten mit Herold. Aus diesen Kombinationen entstanden im Laufe der nächsten Jahre Pferde, die dem Gestüt neue sportliche und züchterische Impulse und Erfolge brachten. [ihc-hide-content ihc_mb_type=“show“ ihc_mb_who=“4,3″ ihc_mb_template=“3″ ]Besonders hervorgetan haben sich als Mutterstuten die sporterfolgreiche Heideblume von Heidebauer-Loretto-Heinitz, Mutter des Goldmedaillenpferdes Robin v. Ramzes und weiterer S-erfolgreicher Nachkommen, Nachtrose von Fangball-Loretto-Lorenz, Mutter des in Westfalen erfolgreichen Deckhengstes Roderich v. Ramzes, Laute von Fanatiker-Nubier-Neptun, Mutter des Vornholzer Vererbers Romanow v. Ramiro, und Pomeranze v. Löwenjäger, Mutter des international erfolgreichen Springpferdes Fatinitza v. Ramiro.

    Ein besonderer Glücksgriff  gelang Baron von Nagel mit dem Kauf der Stute Valine von Cottage Son xx-Logenschließer-Favorit, die tragend nach Westfalen kam und hier im Mai 1964 ein Hengstfohlen von Raimond (v. Ramzes) bekam: Ramiro, eine Hengstlegende mit Weltformat und ein gewaltiges Sportpferd mit Ausnahmequalitäten, aber auch ein Streitpunkt zwischen dem westfälischen Zuchtverband und von Nagel, der sich über viele Jahre hinzog. Der kapitale Braune, oft  als erster Euro-Hengst bezeichnet, hinterließ unvergessliche Sportkinder wie Ramzes (Mannschaftsbronze Olympiade Los Angeles), Rodney, Rosella G (zweifache Bundeschampionesse Springen) und die Spring-Ikone Ratina, vererbungsstarke Töchter, die bis heute wirken, zum Beispiel Ramira, die Mutter des zweifachen Bundeschampions Springen Monte Bellini, oder Ramiros Söhne bzw. Enkelsöhne wie Ramirado bzw. Rockwell, Rock for Ever und Revolverheld. Dies alles war möglich, obwohl man ihn anfangs nur in Zuchtwertklasse IV (nur für Stuten des Hengsthalters) einstuft e. Wie sportlich talentiert Ramiro war, belegt seine erste Sportsaison 1971 als 6-Jähriger unter Fritz Ligges: anfangs noch in L- und M-Prüfungen ging es Ende 1971 bereits über ländliche S-Parcours – und 1973 bei der EM in Hickstead landete er auf Platz 8.

    Leistungsschub  „à la France“

    Das internationale Sportpferd Retina, eine Tochter des Ramzes AA © Archiv Schloss Vornholz

    In den 70er-Jahren stand der Vornholzer Gestütsherr vor der Aufgabe, die zu enge Blutbasis seiner Zucht zu erweitern, denn die eingesetzten Stuten führten ein- oder mehrfach Ramzes-Blut. Um sich nicht der Gefahr der Inzucht auszusetzen, durfte nur beschränkt weiteres R-Blut über seinen Enkel Ramiro und dessen Sohn Romanow eingebracht werden. Von Nagel erinnerte sich an die gute Wirkung anglo-arabischen Blutes in seiner Zucht und in Leistungszuchten überhaupt. Er erwarb den großrahmigen anglo-arabischen Vollblüter Kallistos, geboren 1970, der als Sohn des Arabers Djerba Qua ox und der Keseybiss, eine springgeprüfte Hauptgestütsstute in Pompadour, Nachfahre einer im Renn- und Hindernissport renommierten Familie ist. Die Entscheidung war erwartungsgemäß richtig: Kinder (aus Vornholzer Zeit wie auch aus dem späteren Einsatz bei Familie Lackner in Borgholzhausen) dieses Schwarzbraunen machten vom Fleck weg im Sport auf sich aufmerksam, Mütter dieser Sportler waren häufig Töchter des Ramiro. Erfolgspferde wie Korsar (Fritz Ligges) und Kaktus sowie Kalypso (Ulrich Meyer zu Bexten) belegten die Richtigkeit dieses züchterischen Konzeptes.

    Das letzte Kapitel der Vornholzer Zucht schließlich schrieb noch einmal ein Holsteiner. Vierzehn Tage vor seinem Tod einigte sich Clemens von Nagel mit dem damaligen Geschäftsführer des Holsteiner Verbandes, Johann Maas Hell, über die Anpachtung eines Junghengstes. Es handelte sich um keinen anderen als Caletto I v. Cor de la Bryère, der seinen ersten Deckeinsatz als junger, unbekannter und nicht unumstrittener Hengst in Vornholz begann. Das westfälische Pferdestammbuch verweigerte ihm die Anerkennung, aber die fünf Stutfohlen, die er in dieser halben Saison produzierte, gingen ihren Weg: als Siegerstute der Dreijährigen, als Sportpferd oder als Stammmutter von Erfolgspferden. Caletto I, selbst unter Michael Rüping erfolgreich in Championaten, stand jahrelang in jeder Zuchtwertschätzung ganz oben.

    Tradition und Verbundenheit

    Der Schimmel Radetzky (geb. 1951) revolutionierte die westfälische Zucht.
    © Landgestüt Warendorf

    Von Nagel, kein Ewig-Gestriger, hat sich an die Lebensstationen, die ihn besonders berührt haben, stets aktiv erinnert und die Freundschaft  mit den damit verbundenen Personen gepflegt. Besonders die Zeit in Beberbeck und in den Kavallerieregimentern lag ihm am Herzen. Bis zu seinem Tod fanden jährlich sogenannte „Beberbecker Treffen“ statt. Hierzu wurden die ehemaligen Mitarbeiter, die teilweise im Landgestüt Warendorf untergekommen waren, sowie Mitglieder der eigenen Familien nach Vornholz eingeladen. Das gedruckte Programm sah eine Besichtigung der Hengste und Stuten sowie der jungen Jahrgänge und einer Reitabteilung vor, anschließend saß man an einer Kaffeetafel beziehungsweise beim Abendessen gemütlich beisammen.

    In größeren Abständen wurden Regiments- und Husarentage auf dem Schloss abgehalten. Vor großer Zuschauerkulisse erschallte Marschmusik von englischen und deutschen Kapellen, vorgetragen über die Wiese vor dem Schloss. ReiterInnen (darunter Olympiasieger Fritz Ligges, der ehemalige Vorsitzende des Westfälischen Pferdestammbuches, Gustav Meyer zu Hartum, und die langjährige Vornholzer Gestütsleiterin und ehemalige Chefredakteurin des St. Georg, Gabriele Pochhammer) in traditionellen Uniformen beziehungsweise im Damensattel marschierten auf und zeigten reiterliches Können, Husarenkommers und Manöverball bildeten den Abschluss dieser Traditionstage.

    Viele Spuren bleiben

    Ramzes AA, eine Vererber-Legende © Archiv Schloss Vornholz

    Clemens Freiherr von Nagel-Doornick blieb keine Zeit mitzuerleben, wie richtig auch diese von ihm eingeleitete fünfte Phase für das züchterische Gesamtkonzept seines in Westfalen, ja in Deutschland einmaligen Privatgestüts der Leistungspferdezucht war. Er starb nach einem Leben, welches durch Pferde von Anfang bis Ende geprägt war, im September des Jahres 1977. Der Gestütsbetrieb wurde eingestellt, der Pferdebestand fast gänzlich verkauft. Geblieben sind vor allem die vielen Spuren der Hengste Ramzes AA, Radetzky und Ramiro, oder der Stuten, wie Adria, die über ihren Pluchino xx-Sohn Perseus und dessen Sohn Pilatus Urgroßmutter der Welthengste Pilot und Polydor wurde, alles Pferde, die Westfalens Zucht Weltgeltung verschafft haben und den Pferdesport weitergebracht haben.

     

     

     

     

     

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    © Dieser Auszug basiert auf einem Beitrag von Franz-Josef Neuhaus, der im Sammelwerk „Ausgewählte Hengste Deutschlands 2014/15“ erschienen ist.

  • Rusty-Klone in der Zucht (Teil 1)

    Rusty-Klone in der Zucht (Teil 1)

    Ulla Salzgebers Rusty gibt´s jetzt dreimal. Einmal in Ungarn auf der Rentnerkoppel, ein zweites Mal als Jährling in Frankreich und ein drittes Mal, ebenfalls als Jährling, in Texas. Die Nachricht, dass Ulla Salzgebers legendäres Olympiapferd Rusty zwei Klone hat, kam nur wenige Tage nach dem Aufreger aus Oregon, USA: Dort war es Genforschern erstmals gelungen, embryonale Stammzellen zu klonen. In der Pferdewelt nichts Neues. Aktuell leben rund 150 geklonte Pferde weltweit, sechs Klon-Hengste stehen bereits im Deckeinsatz. Auf dem letzten FEI Sport-Forum ließ der Weltreiterverband offiziell Klone und ihre Nachzucht für FEI-Veranstaltungen zu. Wird bald wieder ein junger Rusty durchs Viereck schweben?

    Dollys Erbe

    Mit Dolly, dem Schaf, das schottische Wissenschaftler 1996 klonten, fing alles an. Das erste geklonte Pferd kam 2003 zur Welt, in Cremona in Italien: das Haflingerfohlen Prometea. Die Stute, die das Fohlen austrug, war auch Lieferant für das Erbmaterial – sie trug also ihre eigene Zwillingsschwester aus. Prometeas Schöpfer waren Wissenschaftler aus dem Team um Dr. Cesare Galli vom Laboratorio di Tecnologia della Riproduzione (LTR). Sie entnahmen Tierkadavern in einem Schlachthaus Hunderte Eizellen, kultivierten sie und ersetzten das Erbgut durch die DNA aus Hautzellen erwachsener Pferde. Die Ausbeute war mager: Aus 841 rekonstruierten Eizellen entstanden innerhalb einer Woche lediglich 22 Embryonen. Nur ein Fötus entwickelte sich schließlich zu einem Fohlen. Prometea war eine x-beliebige Schöpfung. Doch zwei Jahre später gelang es den italienischen Forschern, in Zusammenarbeit mit dem französischen Gen-Labor Cryozootech, das erste Hochleistungspferd zu klonen: den damals 20-jährigen Vollblut-Araber Pieraz, der in den 90er-Jahren zweimal Distanz-Weltmeister war. Das Retortenfohlen Pieraz-Cryozootech-Stallion gab den Experimenten eine Art züchterische Legitimierung: Pieraz war ein Spitzensportler, von dem die Pferdezucht profitiert hätte – wäre er nicht Wallach gewesen.

    Gen-Shopping

    Dressur-Weltmeisterin Poetin, die mit einem Auktionspreis von 2,5 Millionen Euro zum teuersten Dressurpferd aller Zeiten wurde, stand der Zucht nie persönlich zur Verfügung: Sie wurde im Alter von acht Jahren wegen Hufrehe eingeschläfert. Ihre beiden Klone sollen das wertvolle Erbmaterial jetzt weitergeben © Maximilian Schreiner

    Das erklärte Ziel der Forscher lautete nun, das Erbgut von Ausnahmepferden, die früh starben oder kastriert wurden, an spätere Generationen weiterzugeben. Zu diesem Zweck legte Cryozootech eine Gendatenbank an. Seitdem zieht Dr. Eric Palmer, der das Unternehmen 2001 gegründet hat, von Stall zu Stall, um den Besitzern von Spitzenpferden deren Erbmaterial abzukaufen. Das Prozedere für den Gen-Kauf ist einfach: Ein Tierarzt stanzt den Pferden eine fingernagelgroße Hautprobe aus der Brust. Die darin enthaltenen Zellen werden dann im Labor kultiviert und tiefgefroren. Zum Klonen wird die Konserve wieder aufgetaut, mit einer entkernten Eizelle verschmolzen und einer Leihstute eingesetzt. Das Honorar? Darüber schweigen sich alle Seiten aus.

    Palmer hat mit seiner Shopping-Tour Erfolg: Bei Cryozootech können sich Züchter aus einem 56 Seiten starken Katalog für 200.000 Euro ihren ganz persönlichen Klon aussuchen. Dazu kommen noch etwa 30.000 Euro für die Rechte am Genmaterial, die genaue Summe hängt vom Original ab. Zu haben wären zum Beispiel noch Beauvalais (Heike Kemmer) oder Jolie Coeur (Franke Sloothaak). Auch die Namensliste der Spender, die bereits als Vorlage dienten, ist beeindruckend: Quidam de Revel, E.T., Calvaro, Poetin, Ratina. Und nun auch Rusty. Das Lettische Warmblut, mit dem Ulla Salzgeber unter anderem zweimal olympisches Mannschaftsgold sowie Einzelbronze und Einzelsilber holte, ist ein Wallach. „Wir planen, die beiden Rusty-Klone als Deckhengste einzusetzen“, sagt Palmer.

    Klone im Sport?

    Ratina Z, die als erfolgreichstes Springpferd der Welt gilt, starb 2010 in Riesenbeck bei ihrem langjährigen Reiter Ludger Beerbaum. Ein Jahr vorher kamen auf Gestüt Zangersheide drei in Texas produzierte Klone der Stute an © Maximilian Schreiner

    Nachdem der Weltreiterverband FEI im Juni 2012 den lange umstrittenen Einsatz von Klonen im Sport offiziell erlaubt hat, zieht Palmer die Zusammenarbeit mit einem erstklassigen Dressurreiter in Betracht. „Die Zucht und Ausbildung von Dressurpferden ist neu für uns – wir sind eher Genforscher als Pferdeleute“, sagt er. „Wir suchen gerade nach Partnern aus der Dressurwelt, denn wir werden nun auch darüber nachdenken müssen, Klone in den Sport zu bringen.“ Wäre die natürliche Konkurrenz noch gegeben, wenn man im Parcours gegen drei E.T.s und im Viereck gegen zwei Rustys antreten müsste? Die amerikanische Tierärztin und Genforscherin Dr. Katrin Hinrichs, die 2005 an Quidams Klonprozess beteiligt war, beruhigte damals: „Klonen ist nicht dazu da, Turniercracks hervorzubringen. Dazu sind die Bedingungen, denen ein geklontes Fohlen sowohl im Mutterleib als auch nach der Geburt ausgesetzt ist, zu unterschiedlich. Zwar hat ein Klon das gleiche Erbmaterial wie seine Vorlage, doch seine Wesensmerkmale sind vermutlich ganz anders. Denn Aufzuchtbedingungen, gute oder schlechte Erfahrungen und nicht zuletzt die Qualität der Ausbildung und des Reiters spielen eine entscheidende Rolle für den Charakter und die Qualität eines Sportpferdes.“ Das sieht auch der Chef-Veterinär der FEI, Graeme Cooke, der beim FEI Sport-Forum dabei war, ähnlich. Trotzdem: Die Züchter wollen den E.T.-Klon, der mittlerweile sieben Jahre alt ist, springen sehen – und er springt! Im Moment zwar nur auf der Internetseite von Cryozootech, doch er geht so locker-flockig durch den Parcours, dass man sich ihn durchaus als erfolgreiches Springpferd vorstellen kann.

    Gesundheitliche Probleme

    E.T. sprang unter Hugo Simon 3,2 Millionen Euro zusammen. Er wurde geklont, weil er ein Wallach ist. Seit 2009 steht sein Klon im Deckeinsatz, Tiefgefriersperma wird weltweit verschickt © Maximilian Schreiner

    Der Versuch, Rusty zu klonen, dauerte insgesamt acht Jahre. „Beim Klonen kommen viele Abgänge und Frühgeburten vor“, erklärt Palmer. „Das liegt an einer fehlerhaft en Reprogrammierung des Genoms, auch epigenetische Abnormalitäten genannt. Defekte Embryonen gehen ab.“ Die Entstehung der Rusty-Klone ist schwer in Zahlen zu fassen. „Tausende gesammelter Eizellen, Hunderte Zelltransfers, Dutzende Embryonen, über zehn fehlgeschlagene Trächtigkeiten…“, resümiert der Wissenschaftler. „Die Embryonen, die nach drei Wochen gesund sind, entwickeln sich relativ normal.“

    Prof. Dr. vet. med. Eckhard Wolf vom Genzentrum der LMU München hat allerdings eine gesundheitliche Beeinträchtigung bei Klonen beobachtet: „Tatsächlich treten Defekte an verschiedenen Organen bei Klontieren wesentlich häufiger auf als bei natürlich gezeugten Tieren. Dies kann natürlich mit schweren Leiden für das Tier verbunden sein.“ Auch eine Calvaro-V-Kopie kam erst nach fünf Jahren gesund zur Welt, unter anderem deshalb, weil ein vorheriges Fohlen eine Frühgeburt war und, genau wie Dolly, an Arthritis litt. Das gesunde Fohlen war dann bei seiner Geburt schon zu 25 Prozent an Investoren verkauft. Denn das Geschäft mit den Klonen ist nicht nur einem elitären Kreis vorbehalten.

     

     

     

     

    Klone für jedermann

    Der erste gesunde Klon von Willi Melligers „weißem Mythos“ Calvaro V war bei seiner Geburt bereits zu 25 Prozent an Investoren verkauft. Für seine „Herstellung“ brauchten die Wissenschaftler fünf Jahre © Maximilian Schreiner

    Es gibt durchaus günstige Möglichkeiten, im großen Reproduktions-Roulette mitzuspielen. Beim sogenannten Cell Banking kann man zum Beispiel das Genmaterial seines eigenen Pferdes einfrieren lassen (ca. 5000 Euro) oder sich beim Clone Sharing für einen ähnlichen Betrag an einem Klon beteiligen. Man kann in Frankreich sogar seinen eigenen Vierbeiner reproduzieren lassen (Kosten: 250.000 Euro). Deutlich preiswerter bekommt man einen Pferde-Klon in den USA. Das Unternehmen ViaGen in Austin/Texas ist die einzige Firma weltweit, die das Klonen von Haustieren und Pferden kommerziell betreibt. 125 gesunde Pferdeklone habe die Firma bereits hervorgebracht und in die ganze Welt geliefert, berichtet ViaGen, und 2000 Leihstuten stünden zur Verfügung. Auch hier muss der Kunde dem Labor lediglich eine Hautprobe zur Verfügung stellen, um den Rest kümmern sich die Wissenschaftler. Für 165.000 Dollar fliegt schließlich das gesunde Fohlen mit seiner Leihmutter zum Auftraggeber, nach dem Absetzen reist die Mutterstute wieder zurück nach Texas. „Die Nachfrage nach geklonten Pferden steigt stetig an“, sagen die amerikanischen Forscher. „Die meisten Auftraggeber kommen aus Europa und Südamerika.“ Aber hat ein Klon überhaupt ähnliche Wesensmerkmale wie das Original? „Bisher gibt es dazu keine systematische Untersuchung“, sagt Wolf. „Meine Vermutung ist, dass sich das geklonte Tier durchaus stark vom Original unterscheiden kann. Ich denke, dass viele der Auftraggeber mit dem Ergebnis unzufrieden sein werden.“

     

    © Dieser Auszug basiert auf einem Beitrag von Anna Castronovo, der im Sammelwerk „Ausgewählte Hengste Deutschlands 2014/15“ erschienen ist.

  • Redefin – 200 Jahre Leistung aus Tradition (Teil 1)

    Redefin – 200 Jahre Leistung aus Tradition (Teil 1)

    Im Lauf seiner 200-jährigen Geschichte war das Landgestüt Redefin in Mecklenburg-Vorpommern wechselnden politischen und wirtschaftlichen Situationen ausgesetzt. Nicht nur einmal war sein Fortbestand gefährdet. Heute ist es das einzige klassizistische Gestütsensemble in Deutschland. Sein Wahrzeichen: das strahlend weiße Portal.

    Legendär: Der Hengst Herodot lieferte Gründerhengste für den nach 1812 beginnenden Wiederaufbau der Mecklenburger Zucht © Archiv Landgestüt Redefin

    Pferdezucht hat in Redefin sowie im Land Mecklenburg-Vorpommern eine lange Tradition. Vermutlich ist sie sogar genauso alt wie die Besiedlung dieser Landstriche selbst. Doch Quellen darüber gibt es keine – zumindest nicht über die tatsächlichen Anfänge. Erstmals schriftlich belegt ist die Pferdezucht in dieser Gegend im Jahr 1715. Auf einem Pachtgut hielt ein Pächter auf privater Basis einige Hengste für die Beschälung der Stuten der Bauern und der Güter der Umgebung. In der „Stutterey“ wurden 37 Stuten und 30 Hengste gehalten. Von einer gezielten Zucht konnte damals aber noch keine Rede sein. Mit der Thronbesteigung von Herzog Friedrich Franz I. im Jahr 1785 erhält die Pferdezucht in Mecklenburg-Vorpommern einen neuen Impuls, denn der Adlige erkannte die Wichtigkeit eines Gestüts und machte aus dem „Gut Redevin“ eine erste Zuchtinstitution, die den herzoglichen Marstall in Ludwigsburg belieferte und einzelne Hengste bereits als Beschäler im Land einsetzte. Friedrich Franz I. ist somit auch so etwas wie der Urvater des Landgestüts Redefin – auch wenn bis zu seiner heutigen Form noch einige Jahre ins Land ziehen, das Gestüt seinen Ort wechseln und die europäische Geschichte einige Unvorhergesehenheiten parat halten sollten.

    Als Stallmeister Rautenkranz 1794 verstarb, ging auch die Stuterei in Redefin ein und der Hof wurde neu meistbietend verpachtet. Bis 1803 kam die Pferdezucht auf dem Gut Redevin weitgehend zum Erliegen. Die Landbeschälung erfolgte nun von einem in Ludwigslust angesiedelten Gestüt aus, der fürstlichen Pferdehaltung des Herzogs von Mecklenburg-Schwerin, Friedrich Franz I. Interessant ist, dass die Mecklenburger verschiedene Wurzeln haben. Das Pferd des Landmanns basierte zu dieser Zeit auf Landstuten, deren Grundlage die zum Teil wild lebenden oder wild aufgewachsenen Populationen bilden. [ihc-hide-content ihc_mb_type=“show“ ihc_mb_who=“4,3″ ihc_mb_template=“3″ ]Ausdrücklich ist fortan daran gelegen, dass der „vormahlige gute Ruf der mecklenburgischen Pferde im Ausland nicht nur erhalten, sondern im vollkommenem Masse wieder hergestellt, dadurch der Werth dieses Handelsartikels erhöhet, der Absatz vermehret und so dem Lande eine ergiebige Einnahme verschafft werde“. Erstmals wird auch ein Brandzeichen eingeführt – ein verschlungenes MG.

    Der legendäre Herodot

    Das Mecklenburger Pferd hat verschiedene Wurzeln und basierte im 19. Jahrhundert auf Landstuten, deren Grundlage zum Teil wild lebende oder wild aufgewachsene Populationen waren © Sammlung Wendt

    Als Napoleons Truppen Mecklenburg besetzten, bedeutete das auch den Untergang des Ludwigsluster Gestüts, denn die Franzosen plünderten den Bestand und auch die Zuchthengste. Von Januar bis Juli 1807 wurden 2.120 Pferde aus Mecklenburg an die französische Armee geliefert. Aber nach einem bestimmten Pferd suchten die Truppen ganz besonders intensiv: Herodot. Dieser Schimmelhengst des Grafen von Plessen auf Ivenack ist ein original gezogener Englischer Vollblüter von Morwick Ball xx aus einer Herod-Mutter. Herodot, schon damals ein sagenhaft es Pferd, wurde in einer jahrhundertealten Ivenacker Eiche vor den napoleonischen Truppen versteckt. Ein gutes Versteck, aber leider nicht gut genug, denn Herodot wieherte, wurde entdeckt und sofort als Trophäe nach Paris gebracht. Unter Napoleon deckte der Hengst zahlreiche Stuten, viele seiner Nachkommen bevölkerten die französischen Ställe. Als Napoleons Heer bei Waterloo vernichtend geschlagen wird, gehen all seine Beutestücke an die ursprünglichen Besitzer zurück. Somit kehrte Herodot 1814 – auf einem Auge blind – zurück nach Ivenack und sorgte fortan wieder für die Beschälung der mecklenburgischen Stuten. Mit großem Erfolg. So lieferte Herodot mit Adrast xx, Boradil und Thucydides Gründerhengste für den nach 1812 beginnenden Wiederaufbau der Mecklenburgischen Warmblutzucht, und mit Tancred II und Young Herodot Hengste, die über Generationen im hannoverschen Landgestüt Celle in züchterischer Erinnerung blieben. Einer seiner Söhne aus der Zeit vor der Verschleppung, der Hengst Thucydides, wird später Hauptbeschäler in Redefin.

    Gestütsgründung auf Befehl

    Die sechsspännige Postkutsche – eines der Highlights der Redefiner Hengstparaden © Anja Haltendorf

    1807 kehrte der Herzog Friedrich Franz I., den Napoleon für einige Monate ins Exil nach Dänemark geschickt hatte, zurück in sein Land und führt seine Geschäft e wieder von Ludwigslust aus. Da das Reiten zu seinen Leidenschaften gehörte, trieb der Landesherr nicht nur die Errichtung einer Pferderennbahn bei Doberan voran, der ersten auf dem europäischen Kontinent. Zusätzlich hatte er erneut die Redevinsche Stutterey im Blick, die er nach herzoglicher Entscheidung vom 3. April 1810 wieder pachtete. Der Ludwigsluster „Vice-Oberstallmeister“ von Bülow übernimmt die Zuständigkeit und erhält den Befehl, die „Errichtung eines für sich bestehenden, vereinten Haupt- und Landgestüts zu Redevin, und die vollständige Organisation desselben, allerhöchst“ umzusetzen. Schmackhaft machte der Landesherr ihm das zusätzlich mit der Beförderung zum Oberstallmeister.

    Redefin wird Landgestüt

    Das Landgestüt Redefin ist das einzige klassizistische Gestütsensemble in Deutschland. Sein Wahrzeichen ist das strahlend weiße Portal der Reithalle, zu dem auch dieses Hengstrelief gehört © Wolf Karge

    Was den Pferdekenner von Bülow reizte, war die Zucht. Nach der „feindlichen Übernahme“ der Ludwigsluster Hengste durch die Franzosen bot sich hier eine neue Chance, die Mecklenburger Pferde wieder aufleben zu lassen. Seine erste Bestandsaufnahme galt deshalb den Beschälern – so ließ er in Redefin zunächst ein Hauptgestüt anlegen. 1812 entstand dann parallel zum Hauptgestüt das Landgestüt Redefin, um die Pferdezucht zu verbessern. 1813 kamen in Redefin bereits 18 Fohlen zur Welt, davon allein 14 von Thucydides, der zum Hauptbeschäler aufgestiegen war und bis 1830 zu einem der Väter der modernen Mecklenburger Rasse wurde. 1828 deckten 71 Beschäler auf 17 Stationen bereits 3.217 Stuten. Die Entwicklung schritt rasch voran: Im Jahre 1840 unterhielt das Landgestüt Redefin bereits 26 Deckstationen, die mit 134 Hengsten besetzt waren.

    Der immer größer werdende Zuchtbetrieb machte auch eine Vergrößerung der Gebäude notwendig. 1819 diktierte der Großherzog: „Wir befehlen nunmehr den Bau des Gestütshofes nach den beiliegenden Plänen und Anschlägen und die damit verbundenen Veränderungen ohne Aufschub beginnen und binnen zwey Jahren ausführen zu lassen.“ Gesagt, getan. Zwischen 1820 und 1824 entstanden die Reithalle mit den Kolonnaden zu den beiden anschließenden Hengstställen, das Mutterstutenhaus, die Pferdeschwemme und die beiden Gebäude für den Inspektor und den Tierarzt. Das ist die noch heute sichtbare Struktur in Gestalt klassizistischer Bauten und der Parkanlage, die nach englischem Muster zusammen mit dem Ludwigsluster Hofgärtner Joachim Schmidt geschaff en wurde. Der Umbau des alten Gutshauses zum Landstallmeisterhaus erfolgte erst zehn Jahre später. Das Portal der Reithalle, das die Stallungen um das Doppelte überragte, war das Glanzstück des Baumeisters. Über allem wurde die Attika mit ihrem flachen Dreiecksgiebel durch einen stolzen Hengst bekrönt. Repräsentation und Zweckmäßigkeit waren aufeinander abgestimmt. Die ursprüngliche Geschlossenheit, die durch die Fortsetzung des Portals in Gestalt von eingeschossigen, überdachten Kolonnaden bis zu den Ställen erreicht wurde, ist heute leider nicht mehr vorhanden.

    Zu viel oder zu wenig Blut

    Auf dem Portal der Reithalle von Redefin thront über der Attika mit ihrem flachen Dreiecksgiebel ein stolzer Hengst © Archiv Landgestüt Redefin

    Bis 1842 bestimmten Englische Vollblüter maßgeblich die Zucht in Redefin, denn sie waren europaweit gefragt – jedoch mit Folgen: Die stark veredelten Pferde verloren ihre Wirtschaftlichkeit und Stärke und waren für die Landwirtschaft, in der sie Größtenteils eingesetzt wurden, nicht mehr so gut geeignet. Um das wieder zu ändern, wurde der Anteil an Vollblut- und edlen Halbbluthengsten im Bestand der Landbeschäler verringert. Gleichzeitig machte man aber der Fehler, verstärkt Kaltbluthengste einzukreuzen. Eine andere Lösung musste her. Mit dem Ankauf hannoverscher Hengste und der Reduzierung des Kaltblutbestands ab 1873 erfolgte die Orientierung auf ein festes Zuchtziel. Dafür wurde der neue Oberlandstallmeister Christian Freiherr von Stenglin aus Celle nach Redefin geholt. Mit dem Titel Oberlandstallmeister und der Dienststellung „Direktor des Landgestüts Redefin“ wurde er offiziell ab dem 1. April 1892 angestellt. Zu seinen Ämtern gehörte auch der Vorsitz in der Körungskommission für Hengste. Von Stenglin, der die Hannoveraner und die Qualität der Celler Hengste kannte, deren Väter in Mecklenburg gezüchtet worden und aufgewachsen waren, ließ zahlreiche Stutfüllen zur Verbesserung des mecklenburgischen Bluts einführen.

     

     

     

    Redefins erste Hengstvorführung

    Die Belegschaft des Landgestüts Redefin 2011 in traditionellen Uniformen © P.A. Kröhnert/Archiv LG Redefin

    1897 wurden in Redefin erstmals öffentliche „Hengstenschauen“ durchgeführt und mit einem kleinen Inserat in den konservativen Mecklenburger Nachrichten angekündigt: „Am Freitag, den 9. Juli des Jahres, vormittags 11 Uhr findet auf dem Gestütshofe hier eine Vorführung der Großherzoglichen Beschäler statt, wozu wir Interessenten ganz ergebenst einladen.“ 1901 folgt am 2. Oktober die zweite Veranstaltung dieser Art. Von Stenglin begründete die „Geldverschwendung“ seinem Ministerium folgendermaßen: „Diese Vorführung hat den Zweck, die Interessen in den Züchterkreisen zu heben und auch teilweise die Züchter durch die Vorführung zu belehren. Es ist anzunehmen, dass etwa 200 Personen, wenn nicht mehr, nach hier […] kommen werden.“ Fortan gab es diese Hengstschauen im dreijährigen Rhythmus. 1912 fand als großes Jubiläum die 100-Jahr-Feier statt. Zu diesem Ereignis organisierte der Oberlandstallmeister eine ganze Festwoche mit verschiedenen Höhepunkten und prominenten Gästen. Aber von Stenglin bewegte etwas anderes viel mehr. Im Jubiläumsjahr sollte es auch eine große öffentliche Hengstvorführung am 22. Oktober 1912 geben. 1921 gab es übrigens die letzte Hengstvorführung für die kommenden Jahre. Erst am 25. Januar 1928 wurde in Redefin nach sechs Jahren Pause wieder eine Vorführung mit 87 Hengsten organisiert.

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    © Dieser Auszug basiert auf einem Beitrag von Dagmar Sauer, der im Sammelwerk „Ausgewählte Hengste Deutschlands 2014/15“ erschienen ist.

  • Redefin – 200 Jahre Leistung aus Tradition (Teil 2)

    Redefin – 200 Jahre Leistung aus Tradition (Teil 2)

    Herbe Einschläge

    Der Erste Weltkrieg und seine Folgen machten sich in Höhen und Tiefen für das Landgestüt Redefin bemerkbar: Während der Erste Weltkrieg einen Anstieg des Beschälerbestandes und dessen Nutzung nach sich zog (1920: 176 Hengste und 10.084 Bedeckungen), führten der sinkende Remonteabsatz, die beginnende Technisierung der Landwirtschaft  und die Weltwirtschaftskrise zu einer starken Einschränkung der Zucht. Der Tiefstand war 1929 mit 2.196 belegten Stuten bei 74 Hengsten auf 27 Deckstationen. Das waren für das Gestüt herbe Rückschläge, denn das Ministerium baute auch den Hengstbestand von 142 auf 117 ab.

    Im Zweiten Weltkrieg

    Die Reithalle des Landgestüts Redefin mit den Kolonnaden zu zwei anschließenden Hengstställen entstand zwischen 1820 und 1824. Das Portal, das die Stallungen um das Doppelte überrage, war das Glanzstück des Baumeisters © Wolf Karge

    Am 30. Januar 1933 kam Hitler an die Macht. Die Vereinigung von Mecklenburg-Schwerin und Mecklenburg-Strelitz per 1. Januar 1934 hatte zur Folge, dass Redefin Hengste, Personal und Inventar aus dem Bestand des 1825 gegründeten und nunmehr aufgelösten Landgestüts Neustrelitz übernahm. 1934 nahm Hans Köhler den Gedanken der Hengstvorführungen wieder auf. Er verkündete die Vorstellung sämtlicher Hengste des Landgestüts und lockte damit die Machthaber des Nationalsozialismus in Mecklenburg nach Redefin. Am 10. Februar 1934 wurden 87 Hengste dem Publikum gezeigt. Die „Hengstparade“ fand damit erstmals öffentlich unter diesem Namen statt – als reine Zuchtschau. Das Pferd wurde zu einem Symbol der „Blutund-Boden-Politik“ des Nationalsozialismus und für repräsentative Zwecke genutzt, die organisatorisch in der Reiter-SA gebündelt waren. Hans Köhler wurde Oberreiterführer und Referent für Reitwesen im Stab der SA-Brigade 111. Besonders im Blick war die Versorgung der Wehrmacht mit Remonten. Damit erlebte das Gestüt eine neue politische Akzeptanz und Blüte.

    Am 1. September 1939 begann Deutschland den Zweiten Weltkrieg. Da Pferde kriegswichtig waren, wurde das Gestüt in seiner Tätigkeit nicht eingeschränkt – der Betrieb ging fast bis zum Ende des Krieges weiter. Bei Kriegsausbruch standen 121 Hengste im Gestüt und deckten auf 41 Stationen 6.666 Stuten. Im letzten Kriegsjahr strömten Flüchtlinge auf den Gestütshof und wurden in den Wirtschaftsgebäuden untergebracht. Unter den Flüchtlingen waren auch Hengste aus den Landgestüten Georgenburg und Braunsberg, weiterer Zuwachs kam aus dem ostpreußischen Privatgestüt Weedern der Besitzerin Anna von Zitzewitz. Nach Kriegsende wurde das Gestüt von den Amerikanern beschlagnahmt und besetzt. [ihc-hide-content ihc_mb_type=“show“ ihc_mb_who=“4,3″ ihc_mb_template=“3″ ]Wenige Monate später, am 1. Juli 1945, besetzte die Rote Armee entsprechend den Beschlüssen der Konferenz von Jalta Mecklenburg bis zur Elbgrenze. Im Mai 1946 wurde die Verordnung zum Deckzwang und im Februar 1947 ein Zwang für die Viehvermehrung erlassen, denn nach dem Krieg wurden Arbeitspferde benötigt. Die Zeit der Remonten für das Militär war vorüber.

    Redefin in der DDR

    Auch auf diesem historischen Gemälde aus dem Jahr 1841 des Schweriner Malers Theodor Schloepke (1812-1878) ist das Wahrzeichen von Redefin, das weiße Portal der Reithalle, gut zu erkennen © Staatliches Museum Schwerin

    In den Jahren 1952/53 wurde ein Zuchtziel für die Warmblutzucht der gesamten DDR fixiert: ein edles, harmonisches, dabei tiefes und genügend starkes Warmblutpferd. „Besonders muß auf gutes Gangvermögen Wert gelegt werden, ferner soll das Warmblutpferd leichtfuttrig sein, fruchtbar und gutartig im Temperament. […] ein Vielseitigkeitspferd […] für die Landwirtschaft  als auch für den Turniersport […].“ Zu diesem Zweck wurde auch das Landgestüt Redefin als sogenanntes „Hengstdepot“ reaktiviert. Ab dem 1. Januar 1956 war das staatliche Hengstdepot Redefin mit circa 300 Beschälern auf 111 Deckstationen und etwa 100 Beschäftigten wieder arbeitsfähig und direkt dem DDR-Landwirtschaftsministerium unterstellt. Herta Steiner wurde im Oktober 1955 als erste Frau Direktor in dieser Männerdomäne. 1956 setzten auch die Hengstparaden wieder ein. In diesen Jahren begann Redefin außerdem mit der Reitpferdevermarktung. 1970 richtete das Gestüt eine Abteilung Touristik ein und gliederte die Zuchtleitungen in Rostock und Schwerin an. Der Hengstbestand war 1970 auf 86 Beschäler gesunken, während 1987 100 Hengste auf 16 Haupt- und 23 Nebenstationen 3.221 Stuten belegten.

    Quo vadis?

    Tradition und Moderne verschmelzen bei den Hengstparaden © Anja Haltenhof

    Nach dem Ende der DDR wanderten alle Volkseigenen Güter in treuhänderische Verwaltung. Seit dem 1. Juli 1990 wurde das Landgestüt Redefin auch wieder als solches tituliert und unterstand zunächst der Güterdirektion in Schwerin, dann einer Treuhandanstalt. Verschiedene Pläne ließen lange nicht erahnen, welchen Weg Redefin letztlich nehmen würde. Zu den letzten Amtshandlungen des Regierungsbevollmächtigten in der Bezirksverwaltungsbehörde Schwerin, Dr. Georg Diederich, gehörte am 9. Oktober 1990 die Empfehlung, das Gestüt in ein Landesgestüt umzuwandeln. Auch der Hippologe Hans-Joachim Köhler sprach sich dringend für die Verstaatlichung aus. Die Entscheidung ließ aber drei ungewisse Jahre auf sich warten. Währenddessen wurden auch andere Pläne geschmiedet: Investoren planten, Hotels, Golfplätze, Wassersport- und Tennisanlagen, Privatflugplätze und auf der freien Fläche hinter dem klassizistischen Portal ein Museum zu errichten. Also stellte sich die Frage: Privatisierung durch Verkauf oder Übernahme durch das Land Mecklenburg-Vorpommern. Die Gemüter waren erhitzt. Ab 1991 liefen Verhandlungen zwischen der Treuhandanstalt und dem Land Mecklenburg-Vorpommern, während die Gestüte Moritzburg (Sachsen) und Neustadt/Dosse (Brandenburg) bereits verstaatlicht worden waren. Nach langen Verhandlungen ging das Landgestüt Redefin am 1. Oktober 1993 an das Land Mecklenburg-Vorpommern über. Hartmut Platzek wurde Landstallmeister. Die Aufgaben für Redefin wurden neu formuliert:

     

     

    •  Hengsthaltung für die private Zucht
    • jährliche Hengstleistungsprüfung im 100-Tage-Test
    • Betrieb einer Landesreit- und -fahrschule
    • Durchführung jährlicher Hengstparaden
    • Erhaltung des Kulturgutes Gestütsanlage Redefin
    • Nutzung der Gebäude und Pferde für touristische Zwecke

    Nun wurden auch Gelder des Landes zur Verfügung gestellt, um das Landgestüt nach vorne zu bringen. 1998 war es endlich soweit: Eine neue Reithalle wurde errichtet und füllte damit den verwaisten Platz hinter dem historischen Reithallenportal.

    Aufbruch und eine Frau

    Seit Februar 2009 steht die Vielseitigkeitsreiterin und Diplom-Agrarökonomin Antje Kerber an der Spitze des Landgestüts Redefin © Maximilian Schreiner

    2002 wurden die ersten Hengste aus gestütseigener Aufzucht gekört, unter ihnen der 1998 geborene Allvar von Altan II und die 1999 geborenen Hengste Diktus von Diskret sowie Saverio von Sandro Hit. Eine Zusammenfassung der Arbeit im Landgestüt für das Jahr 2003 liefert die Antwort des Agrarministers, Till Backhaus: „Im Landgestüt werden ausschließlich Hengste gehalten. Im Gegensatz zu privaten Hengsthaltern ist es Aufgabe des Landgestüts, zur Erhaltung alter Mecklenburger Linien beizutragen, und dies vor allem deshalb, weil der Verband der Pferdezüchter Mecklenburg-Vorpommern das Ursprungszuchtbuch für den Mecklenburger führt. Insgesamt bewertet die Landesregierung die züchterischen Leistungen des Landgestüts Redefin als sehr gut und beispielgebend.“ Hinzu kommt, dass das Landgestüt Redefin in der Gesamtheit der Gebäude als erhaltenswertes Denkmalensemble der Kunst- und Kulturgeschichte Bestandteil der Denkmalliste des Landes Mecklenburg-Vorpommern ist.

    Nach Höhen und Tiefen in den ersten Jahren des neuen Jahrtausends musste sich nochmal einiges ändern. Eine neue Gestütsleitung wurde gesucht – und mit Antje Kerber gefunden. Am 1. Februar 2009 wechselte die begeisterte Vielseitigkeitsreiterin und Diplom-Agrarökonomin von der Westfälischen Reit- und Fahrschule in Münster nach Redefin. Damit ist sie nach Herta Steiner die zweite Frau an der Spitze von Redefin. Ihre Aufgabe: das historische Ensemble weiter zu sanieren und es zu einem profitablen Zentrum für Pferdezucht, -ausbildung und -sport auszubauen – und das Mecklenburger Pferd wieder als „Marke“ zu etablieren. Das ist ihr bereits gelungen. Mit Hengsten wie Juventus, Solar oder D‘ Olympic gibt es wieder viele berühmte Redefiner-Vererber. Im letzten Jahr feierte das Landgestüt Redefin sein 200-jähriges Bestehen. Der derzeitige Hengstbestand umfasst 36 aktive Landbeschäler, darunter zwei Trakehner, 29 Warmblut- und zwei Kaltbluthengste und je einen Reitpony-, Vollblut- und Lewitzerhengst, welche auf elf Haupt- und Nebenstationen zum Einsatz kommen.

     

     

     

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    © Dieser Auszug basiert auf einem Beitrag von Dagmar Sauer, der im Sammelwerk „Ausgewählte Hengste Deutschlands 2014/15“ erschienen ist.