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  • Arpeggio – Westfalens Überflieger (Teil 1)

    Arpeggio – Westfalens Überflieger (Teil 1)

    Nach dem Abgang der westfälischen Stempelhengste Pilot und Polydor war es um Westfalens Springpferdezucht ruhiger geworden. Die „Durststrecke“ hielt nicht lange an, einer der „neuen Helden“ ist Arpeggio. Nicht verwunderlich: Auch in seinem Pedigree findet sich Pilot.

    Arpeggio und sein Züchter bei der Verleihung des Ramzes-Preis 2008 vor dem Münsterischen Schloss.

    Ludger Beerbaum hat einen – und der hat es in sich: All Inclusive NRW – Siebter im Olympischen Einzelfinale von Hongkong, Zweiter im Großen Preis von Aachen, Dritter im Finale der Global Champions Tour in Sao Paulo, Gesamtdritter der Riders Tour. Debby Winkler, Ehefrau von Deutschlands Springsport-Legende Hans Günter Winkler, hat mit dem Wallach Allerdings auch einen und Imke Schellekens-Bartels hat mit dem „Best Future Stallion Dressage“ Aachen einen Besonderen: Einen Arpeggio-Nachkommen. Der Warendorfer Landbeschäler hat sich zu einem herausragenden Vererber entwickelt – 23 Kinder sind in Klasse S erfolgreich, 450.000 € beträgt seine Nachkommen-Lebensgewinnsumme, sechs Söhne wurden gekört. Arpeggio entstammt der Zucht eines Mannes, der viele Verdienste um die westfälische, besser die deutsche Pferdezucht und den Reitsport geschaffen hat: Heinz Dieckhoff-Holsen. Aktiver ländlicher Reiter bis in die schwere Klasse (zw. 1957 und 1960 neun schwere Military-Prüfungen einschl. drei Olympia-Ausscheidungen), selbst international erfolgreich, Ausbilder, Richter auf Grand Prix-Niveau sowie bei den Bundeschampionaten, Hengstleistungsprüfungen, Stuten-Stationsprüfungen, lange Jahre Vorstandsmitglied und stellvertretender Vorsitzender des Westfälischen Pferdestammbuches, Mitglied des geschäftsführenden Vorstandes der Westfälischen Reit- und Fahrschule. Vor allem aber ist Dieckhoff-Holsen Züchter von etlichen Staatsprämienstuten und gekörten Hengsten wie Funke, Ramiro`s Match, Picado, Alvaretto und Weltino, dazu Aufzüchter von Hengsten wie Graziano und Respekt. Auf seinem Hof in der Telgter Bauernschaft Vechtrup ist dazu noch ein ganz besonderer Hengst geboren: Arpeggio. Von „seinem“ Arpeggio spricht Dieckhoff-Holsen mit ein wenig berechtigtem Stolz. Aber für den Westfalen ist dieser Erfolg auch erklärbar: „Was wir züchterisch miteinander verbunden haben, war ein Mutterstamm mit sicherem Leistungshintergrund sowie auf der Vaterseite bestes Blut mit Leistungsgarantie! Und trotzdem kann man den Erfolg nicht erzwingen!“

    Arpeggios Karriere-Start

    Arpeggios Züchter mit Arpeggio als Fohlen und seiner Mutter Perle.

    1995 wurde Arpeggio geboren. Seine Aufzucht gelang ohne besondere Probleme, bereits während der Vorbereitung für den Vorbesichtigungstermin fanden sich zahlreiche Interessenten für den noblen Dunkelbraunen auf dem Dieckhoffschen Hof ein. Darunter ein seit vielen Jahren in Westfalen renommierter Hengsthalter, ein Pferdezüchter aus Brasilien und die Gestütsleiterin des NRW-Landgestüts in Warendorf, Susanne Schmitt-Rimkus. Doch zunächst musste die dreitägige Körung in Münster-Handorf absolviert werden. Sie begann am Montag, den 13. Oktober 1997, mit der ersten Besichtigung der Pflastermusterung. Bereits am ersten Tag war für viele Besucher klar: An diesem Dunkelbraunen kann man nicht vorbeischauen, das ist ein ganz sicherer Kandidat! Spätestens nach der dritten Besichtigung mit Freilaufen, Schrittrunde und vor allem dem Freispringen wurde der Accord-Sohn hoch gehandelt. Er präsentierte sich ausgesprochen nobel, souverän und locker, schnell gewann er die Sympathien des Publikums, Trab und Schritt waren über jeden Zweifel erhaben. Und das Springen, erzählt noch mancher Zuschauer, gehörte sicherlich zum Besten was man je in Münster-Handorf gesehen hat: Talentiert, mit ganz viel Übersicht und mit dem unbändigen Willen, auf die andere Seite zu kommen. Die Zulassung zur vierten Besichtigung war reine Formsache. Hier wurde er an die Spitze gestellt, im Endring gab es am Ende nur einen, der an ihm vorbeizog: Der spätere Privatbeschäler Friedenstraum, ein Sohn des Ferragamo, der züchterisch nur wenig hinterlassen hat. Ganz im Gegensatz zum ersten Reservesieger, dem dunkelbraunen Accord-Pilot-Sohn aus der Zucht von Heinz Dieckhoff-Holsen. Das Rennen beim Kauf machte letztendlich die Warendorfer Gestütsleiterin, die ihm den musikalischen Namen Arpeggio gab – ein zerlegter Akkord, bei dem die einzelnen Töne nicht gemeinsam, sondern einzeln angeschlagen werden. Das Anreiten gelang ohne Probleme, schnell war Arpeggio auch unter dem Reiter locker und sicher in der Balance. Die Gestütsleiterin beschreibt ihn anlässlich der Vorstellung der Junghengste 1998: „Typmäßig ist dieser hoch moderne Junghengst stark durch das im Mutterstamm verankerte Blut des Anglo-Arabers Burnus geprägt. Burnus AA gilt bundesweit als Garant für Typ und Ausdruck.“ Ausgestattet mit dem Titel „1. Reservesieger“ gelang ihm der Einstand als Landbeschäler, aufgestellt in Warendorf, glänzend. Der erste Fohlenjahrgang sorgte Anfang Juli für einen selten erlebten Zuschauerandrang auf dem Warendorfer Lohwall, so dass der westfälische Zuchtleiter Dr. Marahrens ins Schwärmen geriet: „Nur wenigen Hengsten ist es vergönnt, eigene Vorzüge auch bei unterschiedlichen Paarungspartnern durchschlagend weiterzugeben. Schöne Gesichter, gut proportionierte Körper sowie ein flüssiger und energisch vorgetragener Bewegungsablauf im Trab waren allen Fohlen gemeinsam. So könnte es mit Arpeggio gelingen, schöne Springpferde zu züchten, die auch schon als Fohlen ihre Abnehmer finden. Aber auch das ein oder andere Dressurpferd wird bei diesen Vorzügen in einigen Jahren für den Vater Werbung machen!“ Das züchterische Interesse hielt mit den üblichen Schwankungen an, in den letzten drei Jahren konnte eine deutliche Zunahme bei den von ihm besamten Stuten verbucht werden. Doch eines nach dem anderen: Seine im Herbst 1998 geplante Teilnahme an der Hengstleistungsprüfung der Landbeschäler wurde wegen einer Verletzung auf 1999 verschoben. Nach Alterskorrektur legte Arpeggio dann als vierjähriger eine ausgeglichene Prüfung ab, sein Dressurindex lag bei 111.14 und sein Springindex bei 116.75 Punkten. Das brachte ihm am Ende einen Gesamtindex von 115.97 Punkten und den fünften Platz von 15 Teilnehmern ein. Hervorzuheben waren neben der herausragenden Springanlage seine hoch benoteten Interieur-Werte. Für seine Leistungsbereitschaft gab es die Traumnote 10,0. Im Rahmen öffentlicher Schauveranstaltungen wie Hengstparaden ist das Interesse an Arpeggio sehr groß, hier wird er bereits seit einigen Jahren bei dem anspruchsvollen Schlusspunkt der Großen Dressurquadrille präsentiert, bekannter unter dem Namen „Jacobowsky-Quadrille“. Damit beweist Arpeggio seine Vielseitigkeit einmal mehr.

    Arpeggios Sportkinder

    All Inclusive NRW – erfolgreich unter Ludger Beerbaum.

    Von Anfang an, erstmalig nach dem Turnierjahr 2002, war Arpeggio Tabellenführer der Gewinnsummenstatistik seiner Nachkommen. Dieses Ergebnis setzte ihn deutlich vor seine „Verfolger“– häufig Hengste, deren Nachkommen vor allem dressurveranlagt sind. Nach den Reitpferden im Vorjahr kamen 2003 Sieger und Platzierte in Dressur- und Springpferdeprüfungen hinzu: In allen drei Teilbereichen sorgten Arpeggio-Kinder für die Platzziffer 1. Das hat sich bis heute nicht geändert, über all die Jahre lagen die durch seine Nachkommen zusammengetragenen Gewinngelder doppelt so hoch wie beim Zweitplatzierten – und das nicht nur dank Ludger Beerbaums All Inclusive NRW, obwohl sich dieser inzwischen als unbestrittenes Aushängeschild seines Vaters etabliert hat. Der aus einer Phantom-Lord Liberty-Mutter stammende Sohn des Arpeggio-Premieren-Jahrgangs weist aufgrund seiner internationalen Erfolge inzwischen eine Gewinnsumme von 300.000 € auf. Allein seine Erfolge im Olympiajahr 2008 machen ihn zu einem der ganz Großen des Springzirkus: All Inclusive NRW wurde Gesamtdritter der Riders-Tour, erzielte den vierten Platz im Weltcup-Finale in Göteborg, gewann im Nationenpreis von Aachen und wurde Zweiter im Großen Preis beim CHIO. Sein Jahreshöhepunkt war ohne Zweifel die Berufung in die Olympia-Mannschaft und der siebte Platz in der Einzelwertung in Hongkong. Das Jahr endete für All Inclusive NRW mit dem dritten Platz im Finale der Global Champions Tour in Sao Paulo. Wenn auch All Inclusive alles überstrahlt, so ist es gerade die Menge an im Sport erfolgreichen Nachkommen, die Arpeggio zu einem Vererber der Extra-Klasse machen. Der international bis zur Klasse S erfolgreiche Amos aus einer Paulaner-Stute kann inzwischen mit Niklas Engemann eine Lebensgewinnsumme von über 12.000 € nachweisen. Abby Joseph aus einer Pilot-Mutter startet erfolgreich unter Gerrit Schepers. Neben dem gekörten Ailton (siehe unten) reitet Markus Brinkmann eine Arpeggio-Stute namens Agenda erfolgreich in der schweren Klasse; ihre Mutter stammt von Polydor. Die vom westfälischen Körkommissar Theo Lohmann gezogene Arpeggia erhielt als Dreijährige die Staatsprämie und geht heute auf Schleifenjagd im S-Parcours; ihre Mutter ist die Dinard L-Tochter Ohlala, die selbst S-erfolgreich war. Die Arpeggio-Tochter Agrippa ist S-erfolgreiche Stangenspezialistin. Sie ist Mitglied der renommierten westfälischen Stutenfamilie der Abendfee von Herringserhöfe; aus ihr gingen Hengste wie Romadour I und II, sowie DLG Siegerhengst Pazifik hervor. Auf ausländischen Turnierplätzen agierte im letzten Jahr der Arpeggio-Pilot-Sohn Ali; der aus der Zuchtstätte Schulte in Ahlen gezogene Sportler wird vom Franzosen Kevin Staut pilotiert. Auch die US-Amerikanerin Debby Winkler reitet einen Arpeggio-Sohn: Allerdings, aus einer Mutter von Diamantino. Er ist inzwischen S-erfolgreich. Insgesamt sind von gut 600 gefallenen Arpeggio-Fohlen rund 230 als Turnierpferde eingetragen, davon gehen bis heute 33 Nachkommen Springpferde L bzw. M-Springen. Darüber hinaus sind 23 Kinder (ohne den Nachwuchs, der ins Ausland verkauft ist und nicht erfasst wurde) in der S-Klasse erfolgreich. Eine ungewöhnlich hohe Zahl, die unzweifelhaft noch weiter ansteigen wird. Die hohe Leistungsdichte in der Nachkommenschaft ist sicher ein unstrittiges Indiz für seine Vererbungskraft vor allem in puncto Springen, Leistungsbereitschaft und Rittigkeit. Die Lebensgewinnsumme seiner Nachkommen liegt inzwischen bei mehr als 450.000 €. Die FN schätzt seinen Zuchtwert in der Dressur mit 124 Indexpunkten, in der Kategorie Springen mit 135. Im Ergebnis: Arpeggio ist einer der vielseitigsten Vererber in Deutschland!

    Arpeggios gekörte Söhne

    Quipeggio, der Warendorfer Landbeschäler, wurde im Rahmen seiner HLP 2008 Springsieger.

    Den Reigen der gekörten Söhne führt aus dem Premierejahrgang Astral an; der aus einer Pascal-Lucifer-Stute gezogene Schwarzbraune entstammt einer erfolgreichen westfälischen Stutenfamilie, aus der u.a. die Landbeschäler Parcours und Regen I hervorgingen. Es folgte der nachgekörte Askaban, Jahrgang 1999, aus der Pinocchio-Tochter Piconda, die auch den Ldb. Paulaner brachte; Großmutter ist die Frühlingstraum II-Tochter First Lady, sie brachte den vielbeachteten Privatbeschäler Polytraum. Der in Thüringen gekörte Acomet (geb. 2000) startet unter anderem mit Holger Wulschner siegreich in der internationalen schweren Klasse. Wen wundert es: Seine Mutter ist eine Pilot-Furioso II-Tochter. Acomet hat bereits sechs S-Springen gewonnen. Der aus Bayern stammende Arpeggio-Sohn Aachen, geb. 2001, ist ein Sohn der Coriograf B-Tochter Araconda und sorgte vor allem mit seinem Sieg beim internationalen HengstTurnier in Zwolle für Aufsehen, wo er als „Best Future Stallion Dressage“ (bester Dressur-Nachwuchshengst in den Niederlanden) das Viereck verließ. Seine Reiterin war die niederländische Weltmeisterschafts-Reiterin Imke Schellekens-Bartels. Aus der Stutenfamilie der Addi von Abgott (daraus auch Frühlingstraum I und II, Estobar NRW, Prinz Segelhorst und viele Sportpferde) stammt Ailton, geb. 2001. Er geht mit Markus Brinkmann erfolgreich S-Springen, wobei er sich aufgrund seiner Schnelligkeit besonders im Stechparcours hervorgetan hat. Weitere gekörte „Arpeggios“ sind: Der 2002 geborene Alesio aus einer Landino-Mutter sowie der 2004 geborene Almelo, der aus einer Florestan I-Stute stammt.

    Arpeggio als Stutenmacher

    Gleich aus dem ersten Arpeggio-Jahrgang erschienen fünf Töchter auf der 37. Westfälischen Eliteschau im Jahr 2002 in Münster Handorf. Aus bewährten Stämmen gezogen überzeugten sie alle mit Eleganz und Sportlichkeit. Eine von ihnen landete auf dem Endring: Alina aus der Familie der gekörten Hengste Frühlingsbote, Felano und Pius. Ihre Feldprüfung hatte sie mit der herausragenden Wertnote von 8,16 beendet und im Westfalenwappen den sechsten Platz belegt. In den nachfolgenden Jahren hat sich die Zahl der staatsprämierten Töchter auf 17 erhöht, insgesamt wurden 110 Stuten zur Zucht eingetragen. Auch als Hengstmütter etablieren sich Arpeggio-Töchter. Drei aktuelle Beispiele: Der Warendorfer Landbeschäler Quipeggio, ein Sohn des Quidam`s Rubin aus der VerbPrSt. Against All, geb. 2005, hat sein erstes Deckeinsatzjahr hinter sich und wurde im Rahmen seiner HLP 2008 Springsieger. Auf der Oldenburger Körung in Vechta wurde 2005 ein Cornet Obolensky-Sohn gekört, seine Mutter ist die westfälische Stute A`pershing von Arpeggio-Polydor. Der Schimmelhengst mit dem Namen Corlensky G ging nach Schweden und deckt dort im Gestüt Waldhof. Bei den Bundeschampionaten in Warendorf war er Finalteilnehmer. Auf der 2008er-NRW-Hauptkörung sah man einen sportlichen Sohn des Chico`s Boy aus einer Arpeggio-Pit I-Mutter, der ein positives Körurteil erhielt; mit dem Namen Chicos Son geht er ab 2009 als Leihhengst des NRW-Landgestütes auf Stutenfang.

    Der Ursprung der Arpeggio-Familie

    Über den Mutterstamm gibt es viel zu berichten: Die Familie, die im Raum Sudweyhe südlich von Bremen ihren Ursprung nahm, wird bei Claus Schridde angesprochen als Familie der Axtsilber/Astklinge von Axtmann I. Axtsilber stammt aus der Zuchtstätte von Dr. Wilhelm Bode (Brinkum, Kreis Hoya), wo sie 1950 geboren wurde. Mutter dieser gangstarken Dunkelbraunen mit der noblen Blesse war die staatsprämierte Selma von Spee II, einem ausgesprochenen Stutenmacher. In den weiteren Generationen finden sich klangvolle wie solide Namen des hannoverschen Zuchtgebietes: Allwetter I, Alciatus, Schwabenland I, Junicus, Alnok, Fiesco II, Nabob I, Fingal I. Axtmann I (Landgestüt Osnabrück) stand noch ganz im Wirtschaftspferdetyp der 40er und 50er Jahre, kurzbeinig, zugfest und ausgesprochen gangstark. Aus der Anpaarung mit dem arabisch anmutenden Typvererber Ernö von Astflug, dessen Nachkommen mitunter schwierig waren, fiel Elfi, geb. 1958. Elfi kam auf den Vogelsangshof ins Rheinland; dort betrieb der engagierte Gottfried Hoogen mit seiner Frau eine qualitätvolle Warmblutzucht. Hoogen, selbst Hengsthalter, hatte zu der Zeit einen außerordentlich aparten Anglo-Araber in seinem Hengstbestand, der 1962 Elfis Partner wurde: Burnus AA.

     

    © Dieser Auszug basiert auf einem Beitrag von Franz-Josef Neuhaus, der im Sammelwerk „Ausgewählte Hengste Deutschlands 2010/11“ erschienen ist.

  • Arpeggio – Westfalens Überflieger (Teil 2)

    Arpeggio – Westfalens Überflieger (Teil 2)

    Burnus AA – liebenswürdiger und leichtrittiger Edelmann

    Der charmante, leichte, nur 1,61 Meter messende Hengst mit hübschem Kopf und klugem, lebhaftem Auge besaß viel Aufsatz, wenig Widerrist, war ausreichend tief, mit breiter runder Kruppe und verfügte über gerade und dabei genügend schwungvolle Gänge mit etwas übertriebener Aktion. Menschen, die mit ihm umgingen, bescheinigten ihm Liebenswürdigkeit und Leichtrittigkeit sowie große Intelligenz bei allerbestem Charakter. Sieht man Fotos von Burnus, kann man sich seinem Charme nicht entziehen. Was ihn zudem auszeichnete, war seine hohe Leistungsbereitschaft, die er mit Dr. Reiner Klimke 1953 beeindruckend unter Beweis stellte: Viermal Platz 1 und 4 hohe Platzierungen in Jagd-, Dressur- und Springprüfungen der Klasse M. Bedauerlicherweise musste er seine hoffnungsvolle Karriere bereits fünfjährig verletzungsbedingt beenden. Der bekannteste Sohn dieses Anglo-Arabers war der Trakehner Stempelhengst Habicht, der unter dem ehemaligen Bundestrainer Martin Plewa internationale Militarys gewann.

    Stammstute Beatrix – die Fruchtbare

    Acomet hat bereits sechs S-Springen gewonnen.

    Elfi wurde zwei Jahre nacheinander von Burnus gedeckt. In beiden Folgejahren fielen Stutfohlen: 1963 wurde Beatrix geboren, 1964 Burgfee. 1965 hieß der Partner von Elfi Landbeschäler Frühwein, ein Frühbote-Sohn, der kurze Zeit in Wesel stand. Aus dieser Anpaarung fiel Fianetta. Beatrix kam als tragende Stute dreijährig zu Familie Tölle nach Münster, wo sie zur Stammstute einer bis heute erfolgreichen Zucht wurde. Hildegard Tölle, eine ambitionierte Züchterin, deren erfolgreiche Tochter Ulrike zweimal Westfalenmeisterin wurde: „Beatrix war ein absoluter Glücksfall für unsere Zucht. Sie hatte für die damalige Zeit viel Adel und Typ. Aber was uns am meisten begeisterte, war ihre Fruchtbarkeit: In 20 Zuchtjahren brachte sie 19 Fohlen. Ein Aspekt, der heute nicht hoch genug eingeschätzt werden kann!“ Und weiter: „Alle Kinder waren spätreif. Sie brauchten in der Regel ein Jahr länger, um für den Reitsport genutzt zu werden.“ Das erste Fohlen von Beatrix war ein Stutfohlen des Warendorfer Landbeschälers Borusse. Dieser Hengst kam 1965 als dreijähriger ins Landgestüt; ausschließlich auf Deckstellen im Rheinland eingesetzt, konnte er sich trotz einer wenig ausgeglichenen Stutengrundlage häufig durchsetzen. Seine Nachkommen werden häufig als ansprechende Modelle, im mittleren Rahmen und zumeist sehr korrekt beschrieben. Interessant ist der Hinweis auf die überdurchschnittliche Springveranlagung der „Borussen“. Die Tochter der Beatrix erhielt den Namen Baronesse und blieb bei Familie Tölle. Beatrix’ zweites Fohlen war ein Hengst aus der Verbindung mit dem Privathengst Filter von Firn. Der dunkelbraune, mehrfache Siegerhengst bei Hauptkörungen stand in der Nachbarschaft der Tölles auf der Privatstation Hesker-Lengermann. Tölles zogen den Filter-Sohn auf, um ihn auf der Hauptkörung 1970 vorzustellen. Im gleichen Jahr als der westfälische Stempelhengst Frühlingstraum II Siegerhengst wurde, erhielt auch der braune Fidux aus der Beatrix den begehrten Stempel „gekört“ und ging anschließend auf die kleine sauerländische Privatstation von G. Winkelhorst. Nach fast 20-jähriger Tätigkeit hinterließ er trotz geringer Zuchtbenutzung in einer züchterischen Diaspora eine Reihe gut brauchbarer Pferde für den ländlichen Turniersport. Er selbst ging erfolgreich Springen bis Klasse M – zu einer Zeit als es die große Ausnahme war, Deckhengste gleichzeitig im Sport einzusetzen. Beatrix brachte weitere Filter-Kinder: Tochter Fidelitas, geb. 1969, Stockmaß knapp über 1,60 m, braun, erhielt mit 7er-Noten (damals gab es eine Zucht- und eine Material-Note) die Staatsprämie. Auch die ein Jahr später geborene Fidelia (geb. 1970) wurde dreijährig mit der Staatsprämie ausgezeichnet; gleiches gilt auch für Vollschwester Filia, Jahrgang 1971. Familie Tölle war 1974 auf der westfälischen Eliteschau besonders erfolgreich: Die Frühlingstraum I-Tochter aus der oben beschriebenen Baronesse namens Frühlingssonne war wie Filia eine der Spitzenstuten in der Halle Münsterland und erhielt den Titel „Staatsprämienstute“. Nach diesen beeindruckenden Schaumodellen mit Zucht-Ambitionen aus der Beatrix folgten Nachkommen, die die Sportlichkeit des Stutenstammes des Arpeggio unterstreichen: Nach Fee, die mit Cyrian die 1972 geborene Staatsprämienstute Cynthia brachte, folgt 1973 eine weitere Filter-Tochter. Unter dem Namen Finesse ging sie erfolgreich M-Prüfungen im Springen und wurde ebenfalls mit der Staatsprämie ausgezeichnet. Als 1972 der Privathengst Filter nach Ungarn verkauft wurde, wechselte die Züchterfamilie Tölle zum Landgestüt und paarte erstmals Beatrix mit Frühlingstraum I, der damals auf Burg Hülshoff im benachbarten Roxel postiert war. Frühlingstraum I stand immer im Schatten seines jüngeren Bruders Frühlingstraum II. Der erstgeborene Beschäler aus dem Stutenstamm der Addi von Abgott (Züchter Wilhelm Spreen-Segelhorst, Rahden-Varl) machte sich vor allem als Stutenmacher und Vater einiger herausragender Sportkinder einen guten Ruf. Beides verwirklichte er auch in der Arpeggio-Familie. Der erste Nachkomme aus der Verbindung von Beatrix und Frühlingstraum I war Flamenco, der im Viereck Erfolge bis zur schweren Klasse nachweisen konnte. [ihc-hide-content ihc_mb_type=“show“ ihc_mb_who=“4,3″ ihc_mb_template=“3″ ]Feuerzauber sammelte Schleifen im Parcours bis Klasse S. Die Vollschwestern Fliegette und Fabienne waren auf ländlichen Turnieren in A-Prüfungen über den Stangen erfolgreich. Forrester überzeugte in L-Dressuren. Aus den Anpaarungen mit dem Sohn des Halbblüters Bariton, Bartok, stammten die A-Pferde Bel Ami und Bandit. 1986 schied Beatrix 23-jährig aus der Zucht aus. Familie Tölle, deren Zuchterfolge sich in Westfalen herumgesprochen hatten, verkaufte Fidelitas an den ambitionierten Westfalenzüchter und langjährigen Deckstellenhalter des NRW-Landgestüts in Gevelsberg, Hans Joachim Wehberg. Dieser gelernte Landwirt und Tierzüchter nutzte mit der Filter-Tochter den bei ihm aufgestellten Staatshengst Frühlingsball, der gerade als Remontehengst sein Debüt an der Nahtstelle zwischen Rheinland und Westfalen gab. Der aus der klassischen westfälischen F x R-Verbindung stammende Fuchs entpuppte sich schnell als Stempelhengst mit Vererbungsstärken für Parcours- und Viereck-Nachwuchs. Fidelita hinterließ zwei L-Pferde und zwei Staatsprämienstuten, davon wurde Fidelia Mutter von sechs Nachkommen, die sich im ländlichen Turniersport Schleifen im Springen und in der Dressur holten.

    Die Baronesse-Kinder

    Alina erhielt in ihrer Feldprüfung die herausragende Wertnote 8,16.

    Baronesse wurde zwischen 1970 und 1977 in vier Jahren für die Zucht genutzt. Ihr Partner war ausschließlich der oben beschriebene Frühlingstraum I. Ihr erstes Fohlen, eine Stute, geb. 1971, war die obige Staatsprämienstute Frühlingssonne. Zwei weitere Nachkommen gingen ländliche A- und L-Springen. Frühlingssonne, eine formschöne Braune, wurde „Dauerpartnerin“ vom Ducker-Sohn Dacapo, dem Vollbruder des Johannsmannschen Springpferdes Dolan. Mit Ducker verbindet Heinz Dieckhoff-Holsen eine besondere Erinnerung: Mit dessen Sohn Dulant nahm er 1965 erfolgreich an der Europameisterschaft der ländlichen Vielseitigkeitsreiter im französischen Compiegne teil. Der Landbeschäler Dacapo brachte insgesamt neun Staatsprämienstuten, drei davon mit nur einer Partnerin: Frühlingssonne. 1976 brachte sie Dawina, 1977 Desiree und 1980 die Rappstute Dany. Die sportlichste von den drei staatsprämierten Töchtern war Dawina, sie ging erfolgreich L-Dressuren. Aber nicht nur das: Auf der 14. westfälischen Zentralschau 1979 in der Halle Münsterland wurde sie zur zweiten Reservesiegerstute gekürt und nahm für das westfälische Zuchtgebiet an der ersten Bundesschau in Münster-Handorf teil. Dort qualifizierte sie sich bis ins Jahrgangs-Championat. Dawinas Tochter Danny (v. Dialekt) erhielt ebenfalls das Prädikat „Staatsprämienstute“ und war Endring-Teilnehmerin der 31. Eliteschau in Münster-Handorf. „Neben der reiterlichen Eignung und vor allem einer entsprechenden Arbeitsbereitschaft habe ich immer viel Wert auf Korrektheit von Körper und Bewegung gelegt. Nicht anders kann man erklären, dass aus diesem Mutterstamm viele Staatsprämienstuten, aber auch eine Reihe von Sportpferden mit Erfolgen bis in die S-Klasse gekommen sind“, erklärt Hildegard Tölle.

    Desirèe geht nach Telgte

    Agenda mit Markus Brinkmann ist erfolgreich in der schweren Klasse.

    Heinz Dieckhoff-Holsen hatte als interessierter Züchter über all die Jahre die Zucht der Familie Tölle mit Interesse verfolgt: „Mich sprach neben der Sportlichkeit und dem Gangwerk auch immer die Typschönheit der Töchter aus diesem Stamm an. Im Übrigen kannte ich die Qualität von Burnus AA und seinem Sohn Habicht. Das alles zusammengenommen hat mich am Ende gedrängt, Desirèe als Fohlen zu kaufen.“ Als Desirèe dreijährig die Zulassung zur Eliteschau erhielt, war er nur wenig überrascht; zu sehr war er von der Qualität der Stute überzeugt. Am Ende war es ein Platz auf dem Endring, und Desirèe, die schwarzbraune, mittelrahmige Edeldame, gehörte damit zu den 15 besten Stuten ihres Jahrgangs. Ein toller Erfolg für den Aufzüchter, dessen Hofanlage an der Adresse mit dem bedeutungsvollen Namen „Alte Rennbahn 30“ liegt. Der Straßenname ist leicht erklärt: Sein Vater Heinrich, ein weitblickender Westfalen-Züchter, der bereits in den 30er Jahren Fohlen aus Hannover nach Telgte holte, hatte hier auf der am Hof gelegenen Galopp-Rennbahn Rennen geritten. Wie sehr die Dieckhoffs mit Edelpferden verbunden waren, zeigt die Tatsache, dass auf dem Hof für den sich ausbreitenden Rennbetrieb über viele Jahre ein ganzer Stalltrakt für Galopper an einen Rennstallbesitzer verpachtet war. Das erste Fohlen, eine Stute namens Dorina, war gleich ein Volltreffer: Die Tochter des Dialekt, eines über viele Jahre erfolgreichen Landbeschälers aus der Familie der Alme von Grothe, die auch die Landbeschäler Ehrensold und Pakt brachte, gehörte zu den Jahrgangsbesten in Westfalen. Dorina wurde Staatsprämienstute. Die in Reitpferdeprüfungen erfolgreiche Desirèe brachte zwei solide Sportkinder: Graditz, Sohn des Landbeschälers Graziano, war in M-Dressuren hochplatziert; das gleiche gilt für den Barbados-Sohn Black Bear. Im Hause Dieckhoff-Holsen lagen alle Hoffnungen auf Dorina, der schlichten Schwarzbraunen. „Die Eintragungsnoten lagen durchweg im 8er-Bereich. Für Schritt, der mir immer sehr wichtig gewesen ist, gab es sogar eine 9“, weiß Heinz Dieckhoff-Holsen zu berichten. Zwischen 1985 und 1992 fohlte sie sechsmal. Das erste, ein Stutfohlen, stammte aus der Anpaarung mit einem der letzten Hengste aus der für Westfalen so bedeutsamen Schlütter-Linie, dem Landbeschäler Schöning. „Der Hengst sprach mich besonders wegen seiner Leistungen in der abgelegten 100-Tage-Stationsprüfung an, die er gewann. Zudem überzeugten mich die Leistungen seines Mutterstammes, immerhin hatte die Vollschwester der Mutter den westfälischen Beschäler Pirol von Pilot gebracht“, berichtet Dieckhoff-Holsen. Das erste Fohlen erhielt den Namen Schalmei und wurde in die Zucht eingereiht. Drei Dorina-Söhne gingen den Weg in den Sport: Asti von Alme Star, geb. 1986, ging L-Springen, Leon von Latus, geb. 1987, ging A-Springen. Die Krönung war Dynamik vom Landbeschäler Diamantino, geb. 1991: Er sammelte im Laufe seiner sportlichen Laufbahn annähernd hundert Platzierungen, am Ende seiner Laufbahn agierte er in der S-Klasse. Dieckhoff-Holsen hakt an dieser Stelle kurz ein: „Der Einsatz von Latus war meine erste Erfahrung mit Holsteiner Genen zu einer Zeit, in der dies in Westfalen sicher noch nicht salonfähig war. Meine Erfahrungen zusammengefasst: Da wo es passt und wo es eine Ergänzung darstellt, kann man sie mit Bedacht nutzen.“ Heinz Dieckhoff-Holsen setzte seine Schalmei von Anfang an züchterisch ein. Dreijährig ging die braune Stute zu einem Hengst in die Nachbarschaft, genauer gesagt nach Angelmodde auf die Station von Hubert Vornholt, einem westfälischen „Urgestein“ mit internationalen Erfolgen im Springsport. Neben dem Gletscher-Sohn Glacier, dem Garibaldi II-Sohn Gloucester und Gran Canon von Großadmiral hatte Vornholt 1988 einen Remonte-Hengst aufgestellt, der auf der Körung im Jahr zuvor wegen seiner atemberaubenden Springakrobatik für Aufsehen gesorgt hatte: Power. Dieser Pilot-Sohn aus der Perlit-Tochter Perle – damit ingezogen auf Perseus – entsprang einem Stutenstamm mit über hundertjähriger westfälischer Geschichte. Ausgehend vom Hochzuchtgebiet um Wadersloh kam er zu seiner größten Blüte in der Zuchtstätte des Günter Schilling in Bielefeld. Das Herzstück bildete dort die Stute Finett von Firn-Fernando; die in zweiter und dritter Ahnenreihe auf den Feiner Kerl-Sohn Fesch ingezogene Stute brachte zwischen 1967 und 1983 insgesamt 17 Fohlen. Darunter die gekörten Hengste Lucullus, Papillion und Experte, das Grand-Prix-Pferd Pirol mit dem Leslie Mc Naught-Mändli Zweite beim Weltcup-Finale 1992 in Del Mar wurde sowie die Power-Mutter Perle.

    Übrigens: Firn taucht immer wieder in den Pedigrees von Leistungsvererbern wie Pascal, Parcours und Rasso auf. „Der Mutterstamm ist einer der besten des westfälischen Zuchtgebietes, viel Körpersubstanz, solide, leistungsstark und erbsicher. Nicht nur weit über zehn gekörte Söhne, eine Vielzahl bedeutender Schaustuten, ob auf DLG-, Westfalen und Eliteschauen sowie Sportpferde von der ländlichen Reiterei bis hin zu Großen Preisen kommen daraus. Ich selbst habe vor Jahren eine Vollschwester zu Power gekauft, Paola. Sie brachte mir von Accord II den späteren Privatbeschäler Alvaretto, der S-Springen unter Ulrich Kirchhoff und Hendrik Sosath ging und anschließend in die USA verkauft wurde. Diese Erfahrung hat mich sehr beeindruckt. Im Fall von Power ist sicher das konzentrierte und segensreich wirkende F-Blut kombiniert mit dem P-Blut ein züchterischer Glücksgriff gewesen. Das hat mich schon sehr überzeugt bei der Auswahl des Partners für Schalmei.“ Dass Schalmei, die Partnerin des Power, selbst viel Potenzial mitbrachte, zeigt ihre züchterische Bilanz. Ihr erstes Fohlen erhielt anlässlich der Eliteschau 1992 den Namen Perle und die Staatsprämie. Ihre Geschwister in Kürze: 1990 wurde Dascha geboren, Vater war der niederländische Beschäler und vielseitige Vererber Democraat (von Pion-Silvano); im Sport ging sie als Diandra erfolgreich Jungpferdeprüfungen. 1990 und 1991 war Schalmeis Partner der Jahrhunderthengst Polydor, die zweitgeborene Parodie wurde staatsprämiert und ging als „Pasadena“ Springen bis Klasse L. Es folgten zwei Power-Nachkommen: Petrol ging L-Springen. Der 1995 geborene Casaretto-Sohn Carlo Colucci war bis Klasse S im Viereck erfolgreich, der im Jahr darauf geborene Alvaretto–Sohn Aristo ging L-Springen. Aus der Anpaarung mit Lamoureux II ging das Springpferd Laura hervor, Schalmeis Tochter Calotta von Coronino ging erfolgreich L-Springen.

    Perle – ein westfälischer Zuchtschatz

    Accord II, Arpeggios Vater, erhielt in seiner HLP fünfmal die Traumnote 10,0.

    „Perle war bereits bei ihrem ersten öffentlichen Auftritt auf der Stutenschau in Münster-Angelmodde vielbeachtet. Die Eintragungsnoten waren bis auf den Schritt alle wenigstens 8. Mit ihrer Stutenprüfung im Feld konnte sie sich ebenfalls sehen lassen: Endnote 7,58. Herausragend war das Freispringen, hier zeigte sie es allen: 9,00!“, gerät Heinz Dieckhoff-Holsen ins Schwärmen. Bereits vor der Stutenschau und Stutenprüfung war sie erstmalig belegt worden. Heinz Dieckhoff-Holsen hatte einen Hengst genutzt, der von seinem langjährigen Freund Fritz Ligges aufgestellt worden war: Dinard L, ein Sohn aus der Anpaarung Damokles-Pilot, ein hoffnungsvoller Junghengst aus einem der leistungsstärksten Stutenstämme der Westfalenzucht, der Flocke von Felsen I. Daraus kamen auch die Landbeschäler Pit I und II sowie das international erfolgreiche Springpferd Prinzregent I/Norbert Koof. Leider ging das erste Fohlen an Kolik ein. 1993 wurde Perle zu einem Hengst geführt, der die westfälische Züchterschaft spätestens nach seinem Auftritt anlässlich seiner Hengstleistungsprüfung mächtig beeindruckt hatte: Accord II. Der braune Holsteiner, Jahrgang 1987, ein Sohn des Ahorn Z aus einer Calypso I-Mutter, erhielt im Rahmen der HLP in Münster-Handorf fünfmal die Traumnote 10,00: für Charakter, Temperament, Leistungsbereitschaft, Parcoursspringen und Springanlage. Mit einem Gesamtergebnis von 146.06 wurde er Prüfungssieger. 1992 wurde er Vize-Bundeschampion, unter dem Reiter Thomas Mohr sammelte er später reihenweise goldene Schleifen bis in die S-Klasse. In der Zucht hinterließ er bis jetzt annähernd 50 gekörte Söhne. Heinz Dieckhoff-Holsen dazu: „Das war schon phänomenal, wie der Hengst während der HLP auftrat: bewegungsdynamisch, rittig, muskulös, immer bei der Sache, dabei ein ausdrucksvolles Gesicht, das vergisst man nicht! Der passte zu meiner Perle, davon war ich fest überzeugt!“ Gesagt, getan. Im Jahr darauf, bereits im Januar 1994 wurde Aventino geboren; er ging ins Rheinland und war bis M-Springen erfolgreich. Weil es so gut gepasst hatte, wurde die Anpaarung noch einmal gewählt. Am 2. Februar 1995 wurde ein Hengst geboren, der das Zeug zu mehr hatte: Arpeggio. Es folgte eine Zuchtpause für Perle, sie erhielt im Sport den Namen Padua und ging unter dem Sohn des Züchters, Martin Dieckhoff-Holsen, in den Sport. Das, was man von ihren Kindern erwartete, zeigte auch die Mutter: Leistungsbereitschaft, Vermögen und Technik. Ihre sportliche Bilanz kann sich sehen lassen: 48 Platzierungen in M- und L-Springen, allein fünf Siege in M, davon mehrere im Stechen gewonnen. Diese Meriten brachten ihr zudem den Titel „Leistungs-Stute Springen“. Zurück in der Zucht folgte 1999 ein Fohlen aus der Verbindung mit dem Holsteiner Coronino; die Stute, getauft auf den Namen Colina, wurde tragend nach Argentinien verkauft. 2000 brachte sie einen Sohn von Charisma, dem Calido-Sohn, der einige Zeit als Leihhengst des NRW-Landgestütes wirkte. Als Cooper war er erfolgreich in Springpferde-Prüfungen Klasse A, er wurde in die USA verkauft. Der 2001 geborene Comedy von Collin L, ein bewährter Contender-Sohn der Station Ligges, ist erfolgreich in Springpferde-Prüfungen der Klasse M gegangen. Ein Jahr später brachte Perle ein Hengstfohlen aus der Verbindung mit Contendro; als Chester ist er bisher bis Springpferde M platziert. 2004, 2005 und 2006 war Perles Partner der Heartbreaker-Sohn und Ausnahmehengst Cornet Obolensky. Die aus diesen Anpaarungen gefallenen Fohlen wurden aufgezogen, teilweise verkauft oder werden auf den sportlichen Einsatz vorbereitet. Das bislang letzte Fohlen stammt von Linton, in 2009 erwartet Perle, dann 20-jährig, ein Fohlen vom Bundeschampion Captain Fire.

    Zur Vollständigkeit

    Neben dem Hauptzweig, der Arpeggio als herausragenden Vertreter hervorgebracht hat, sind im Laufe der letzten 50 Jahre sieben gekörte Hengste aus der Familie der Axtsilber/Astklinge hervorgegangen:

    ■ Die Vollschwester der Axtsilber, Astklinge, wurde Urgroßmutter des in Baden-Württemberg aufgestellten Romeo (vom Trakehner Rosenberg), geb. 1971.

    ■ Astklinge wurde über ihre Tochter Domänenblatt Großmutter des Privatbeschälers Assuan (Jg. 1965) vom Celler Halbblüter Adlerfarn II; er stand in Ostfriesland.

    ■ Axtsilber stieß mit ihrer Tochter Emsfürstin (v. Ernoe) einen Seitenzweig an, aus dem über eine Arminius-Gazal (ShA)-Tochter der im Rheinland stationierte Ganymed (Jg. 1979) von Grimsel (T.) hervorging.

    ■ Axtsilbers Tochter Elfenwelt wurde Mutter des hannoverschen Privatbeschälers Adjutant, geb. 1960.

    ■ Axtsilbers Halbschwester Feinnervige von Feinschnitt II (er stand lange Jahre als Osnabrücker Landbeschäler in Sudweyhe und war als Stutenmacher bekannt) brachte den Ldb. Axtfeiler von Axtmann I.

    ■ Danton II, schimmelfarbener Privatbeschäler in Belgien, ging über Etretat-Derby-Ceylon auf die Stutenfamilie zurück.

    ■ Axtsilber-Tochter Elfi von Ernoe wurde über ihre Enkelin Myrte (von Master a.d. Fianetta von Frühwein) Urgroßmutter des gekörten Renoir I-Sohnes Rush, der v.a. in Dänemark wirkte.

    ■ Obige Fianetta ist Mutter des internationalen Championatspferdes Pamina (u.a. Deutscher Meister 1990 unter Otto Becker).

    Die obigen gekörten Hengste bewegten züchterisch ausnahmslos wenig.

    Gefragt nach dem Geheimnis des Erfolgs dieser Stutenfamilie, der Zucht von Arpeggio, wird Dieckhoff-Holsen nachdenklich und antwortet mit Bedacht: „Ich habe mir schon oft Gedanken darüber gemacht. Bedeutend ist sicher die solide hannoversche Grundlage mit Hengsten wie Alnok, den großen Lienienbegründer, mit Schwabenland I oder dem Osnabrücker Axtmann I, der unbestritten viel Gang vererbt hat. Entscheidend war die Hereinnahme eines Burnus AA, dessen Bedeutung Gottfried Hoogen schon früh erkannt hat und der bis heute wirkt, schauen Sie sich nur Arpeggio und seine Mutter Perle an! Was nach Burnus AA mit der Pflege der Stutenfamilie geschah, war mehr als schlichte Konservierung:

    ■ die Benutzung von Trakehnern wie dem Rappen Borusse, der zu seiner Zeit gefragte Reitpferde mit auffallend überdurchschnittlicher Springveranlagung machte

    ■ von Leistungsvererbern und Nachkommen vererbungsstarker Stutenfamilien wie Frühlingstraum und Dialekt

    ■ Hengste wie Dacapo und Schöning waren sicher keine Weltveränderer, stehen aber in unserem Stamm für die erforderliche Solidität.

    ■ Auf dieser Basis war sicher die Verbindung von Pilot- und Almè Z-Blut eine gewisse Krönung!“

    Bei der Aufzählung der Verdienste und dem, was der Züchter des Arpeggio geleistet hat, wurde ein Ereignis im Zusammenhang mit dem Accord II-Power-Sohn Arpeggio bewusst nicht genannt und soll erst am Schluss Erwähnung finden. Heinz Dieckhoff-Holsen erhielt 2008 im Rahmen des Turniers der Sieger in Münster den Ramzes-Preis überreicht. Begründet wurde die Ehrung vom Stifter des Preises, dem Westfälischen Reiterverein von 1835, mit der „züchterischen Lebensleistung des Geehrten vor allem mit Arpeggio“. Wenn man Heinz Dieckhoff-Holsen so vor sich sieht und die rasante Entwicklung des erst vierzehn Jahre alten Arpeggio Revue passieren lässt, ist man sicher: Das war noch nicht alles. Wir sind gespannt!

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    © Dieser Auszug basiert auf einem Beitrag von Franz-Josef Neuhaus, der im Sammelwerk „Ausgewählte Hengste Deutschlands 2010/11“ erschienen ist.