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Foto: Kolibri - erfolgreich, schön und potent bis ins hohe Alter © Schroeder

Kolibri – Erfolgsgeschichte eines Schimmels (Teil 1)

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„Er war der Hugh Hefner unter den Hengsten. Ein Playboy. Medienwirksam und weithin prominent, wirtschaftlich erfolgreich, potent bis ins hohe Alter. Und eitel.“ Es gibt nicht viele Pferde, denen der Tagesspiegel einen solchen Nachruf schreiben würde. Der legendäre Schimmel Kolibri jedoch war schon zu Lebzeiten Ruhm gewohnt: Im Innenhof des Haupt- und Landgestüts Neustadt an der Dosse setzte man ihm 2001 ein lebensgroßes Denkmal in Bronze. Dabei hätte es den „Gotthard des Ostens“ nach den Zuchtverantwortlichen der ehemaligen DDR überhaupt nicht geben dürfen.

King

Glück kann man einmal haben. Hat man es zweimal, ist es Schicksal. In Kolibris Stammbaum gab es zwei Momente, in denen die K-Linie hätte aussterben müssen. Doch beide Male überlebte das Blut wie durch ein Wunder. Seine väterliche Abstammung geht zurück auf den Hannoveraner King, dessen Vater Kingdom xx Ende des 19. Jahrhunderts als Celler Landbeschäler in Otersen deckte. Über Khedive, insbesondere aber über Kirkland I, in Kolibris Pedigree in der 8. Generation auftretend, war King ein bedeutender Linienbegründer der hannoverschen Zucht. Der 1941 geborene Schimmel Kosak von Körting, Vater des unter Hermann Schridde international erfolgreichen Springpferdes Kamerad, war der letzte männliche Spross im Ursprungszuchtgebiet. Dann, 1955, wäre die ehemals blühende Hengstlinie beinahe erloschen. 70 Prozent aller Zuchtpferde gingen nach Kriegsende in Deutschland verloren. Doch ein letzter Vertreter der K-Linie überlebte quasi inkognito – der in den Kriegswirren nach Mecklenburg versprengte Hengst Körling. Seine Geschichte klingt wie das Drehbuch zu einem sentimentalen Pferdefilm: Fast alle Redefiner Landbeschäler waren nach dem Krieg von den russischen Besatzern in Beschlag genommen und gen Osten verladen worden. Bis auf 13 Hengste waren die Stallungen leer. Der Wiederaufbau des Gestütswesens in Mecklenburg gestaltete sich deshalb als schwierig. Der Staat musste auf Hengste aus privatem Besitz zurückgreifen, um einen neuen Beschälerbestand aufzubauen. Jürgen Hellerung, der damalige Mecklenburger Zuchtleiter, betätigte sich in der Phase des Wiederaufbaus gewissermaßen als Jäger und Sammler. Bei einem so genannten Neubauern entdeckte er einen Schimmelhengst mit hannoverschem Fohlenbrand, dessen Abstammung zunächst unbekannt blieb. Sein Besitzer hatte ihn „Tropfen“ getauft und nutzte ihn als verlässliches Arbeits- und Reitpferd.

Eines Tages kam es zu einem zufälligen Zusammentreffen zwischen Hellerung und dem Domänenpächter Eggers, der von einem Schimmelhengst schwärmte, den die Russen zunächst requiriert hatten. Eggers erinnerte sich an eine deutlich fühlbare Narbe am Hals, die zur Identifizierung führte: Bei „Tropfen“ handelte es sich um einen 1943 gekörten Sohn des Körting (Körner-Fling-Amurath I) aus einer Mutter von Schwabenonkel I-Alcinus. Der als Ackergaul genutzte Hengst wurde also feierlich in Körling umgetauft und in den Redefiner Bestand eingereiht.

Knapp der Zwangskastration entkommen

Kobold

Von 1955 bis 1966 als Landbeschäler eingesetzt, hinterließ Körling fünf gekörte Söhne, von denen sich Komet aus der Fabuhild von Fabulist-Schwang-Schwabe durchsetzen konnte – allerdings über einen Umweg. Als der Züchter Walter Schacht aus Kisserow den deutlich arabisierten Schimmel 1961 auf dem Hengstmarkt in Güstrow vorstellte, lautete das Urteil „nicht gekört“. Nach dem damaligen Gesetz war das gleichbedeutend mit Zwangskastration. Doch auch diesmal verhinderte das Schicksal das Aussterben der K-Linie: Komet blieb Hengst, ein eindeutiger Verstoß gegen das geltende Tierzuchtgesetz der ehemaligen DDR, und bewährte sich als springbegabtes Reitpferd im Modernen Fünfkampf. Später unter Dr. Klötzer im Springsport bis zur Kl. S siegreich, fiel der Schimmel dem damaligen Leiter des Hauptgestüts Neustadt, Heinz Hoppe, auf, der allerdings nicht alleine über einen Ankauf entscheiden konnte. Schließlich gelang es dem Direktor der Pferdezuchtdirektion Mitte, Herbert Neuschulz, den Hengst für die beachtliche Summe von 14.000 DDR-Mark zu kaufen. 1971 wurde er als 12-jähriger in einer „Sonderkörung“ doch noch gekört und in den Bestand des Hauptgestüts Neustadt eingereiht. Hier hinterließ er in Anpaarung mit blutgeprägten Stuten 42 zuchtbewährte Töchter, hervorragende Sportpferde und sechs gekörte Söhne, von denen Kolibris Vater, der Schimmel Kobold I, den größten Einfluss nahm. Aus dem Stamm der Peilung (Brdbg. Stamm 535) gezogen, führte er auf der Mutterseite über den Trakehner Drusus (Moskit-Polarstern) und den Hannoveraner Senatus (Senator-Almjäger I) gehäuft ostpreußisches Edelblut, das notwendig war, um geschmackvolle, mit genügend Adel ausgestattete, gängige Sportpferde zu züchten. Springen konnten sie alle! Hengste dieser Machart benötigte man, um Pferde für den Export zu züchten, was dringend notwendige Devisen brachte. Abgewickelt wurden die Auslandsgeschäfte über den 1971 gegründeten Verkaufsstall der Pferdezuchtdirektion Mitte in Neustadt an der Dosse. 1951 holte man zum Rundumschlag aus: Die Landgestüte Redefin, Neustadt, Ferdinandshof, Kreuz bei Halle und Moritzburg verloren ihre Autonomie, die Hengstverteilung wurde fortan von Ostberlin aus gelenkt und Kobold I musste nach Redefin abgegeben werden. Vier gekörte Söhne stammen aus dieser Ära: Kogani I und II aus der Mahagoni xx-Tochter Maharani I, Kobar aus der Blauzura II von Blaubart xx-Azur und Kolibri, 1979 in der LPG „Rotes Banner“ in Trinwillershagen geboren und Siegerfohlen seines Jahrgangs.

Kolibris Mutter war eine kleine, dominante Diva

Lorelei mit Dakapo

Seine nur 161 cm Stockmaß messende Mutter, StPrSt. Lorelei (*1974), war eine Tochter des Trakehners Lapis (*1969) von Labirynt (Belizar-Pyrrhus) aus der Mecklenburger Stute Flijuna von Flimmerstahl-Jungdeutsch. In Anpaarung mit Flügel, einem Urenkel des mehrfach erwähnten Fling, hinterließ Flijuna mit Fluß I und II zwei gekörte Söhne. Kolibris Großmutter Tugend (*1963) hatte den Hannoveraner Doboj (Dömitz IAbendsport-Feiner Kerl) aus der Mailuft von Barenthin von Schwalm zum Vater und brachte lediglich zwei Fohlen zur Welt, darunter Lorelei. Über Urgroßmutter Alwine von Barenthin von Maimond aus der Nora von Grandezzo-Ganghofer mündet die mütterliche Linie in einen Brandenburger Stamm. Barenthin ist übrigens ein kleines Dorf im Kreis Kyritz, Heimat des Züchters Otto Schläfke, aus dessen Zucht Alwine hervorging. Lorelei hinterließ in neun Zuchtjahren sieben Fohlen, darunter 1979 Kolibri und später seine Vollschwestern Kolibra I und II und Jordana v. Jordan, die mit der Staatsprämie ausgezeichnet wurden. Kolibra I erwies sich als erstklassige Zuchtstute: In Anpaarung mit dem Holsteiner Lonely Boy lieferte sie das unter Martin Schäufler international erfolgreiche Springpferd Latina W, Halbbruder Mako von Matador xx ist unter Maximilian Ritter ebenfalls S-Sieger. Nach dem Mauerfall und der Auflösung der LPG „Rotes Banner“ wurde Lorelei 1990 an Sabine Ilchmann in Winsen/Luhe verkauft, die zu diesem Zeitpunkt nicht wusste, dass es sich bei der kleinen Fuchsstute um die Mutter von Kolibri handelte. Aus der Anpaarung mit Aarking xx und Don Primero fielen zwei Hengstfohlen. 1994 starb Lorelei. Sabine Ilchmann beschreibt sie als Stute „mit einem ehrlichen, aber dominantem Charakter, die wusste, was sie wollte, und Leitstute unserer kleinen Herde wurde“. Als sie erfuhr, dass Lorelei Mutter des damals schon recht bekannten Kolibri ist, reiste sie nach Neustadt an der Dosse, um den Schimmel in Augenschein zu nehmen: „Kolibri war ein beeindruckender Hengst, edler als seine Mutter, die in ihm jedoch deutlich zu erkennen war“, sagt Ilchmann.

Karriere in Neustadt

Kolibri

Christel Kranz, zuständig für die Pferdezucht in der LPG, wollte den potenziellen Hengstanwärter natürlich nicht gehen lassen, doch Uwe Witt, heute Zuchtleiter in Mecklenburg-Vorpommern, schaffte es nach zähen Verhandlungen, dass der kleine Schimmel zur Aufzucht ins Gestüt Ganschow kam. 1982 absolvierte Kolibri in Neustadt nach elf Monaten mit 94,85 von 100 möglichen Punkten unter 32 Hengsten die Prüfung und wurde Reservesieger der anschließenden Körung. Gelobt wurden sein ausgeglichenes Temperament, taktreine Bewegungen und überragendes Springen, bemängelt seine horizontale Kruppe, die er mitunter vererbte. Um seine künftige Stationierung gab es zunächst Diskussionen zwischen Redefin und Neustadt. Kolibri blieb jedoch in Neustadt und deckte, mit einer kurzen Unterbrechung, auf der Station Krumke in der Altmark (Sachsen-Anhalt), wo er vornehmlich mit Halbblut- oder Trakehnerstuten Spitzenpferde in Serie lieferte und sich zum Starvererber entwickelte.

 

© Dieser Auszug basiert auf einem Beitrag von Hans Kirchner, der im Sammelwerk „Ausgewählte Hengste Deutschlands 2010/11“ erschienen ist.

Foto: © Schroeder

Foto: © Wego

Foto: © Ilchmann

Foto: © Schroeder

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