[vc_row][vc_column][vc_column_text]„Den sticht der Hafer“ oder „ohne Hafer geht es nicht“ – „mit Hafer und Heu haben schon die Großväter Pferde gefüttert“ Wer nachfragt, trifft auf viele gänzlich unterschiedliche Aussagen zur Getreide- und insbesondere Haferfütterung. Doch wie sieht eine sinnvolle Rationsplanung aus? Und spielt es eine Rolle, ob Getreide eingesetzt wird oder nicht?
Mit den Grundlagen der Pferdefütterung sollten sich alle Pferdehalter, wie aktive Turnierreiter, passionierte Breitensportler, Züchter oder einfach nur Pferdefreunde auseinandersetzen, um eine tierartgerechte Fütterung zu gewährleisten und diese Fragen beantworten zu können.
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Die Fütterung ist eine wesentliche Grundlage für die Gesundheit, Leistungsfähigkeit und Langlebigkeit der Pferde. Trotz der deutlich veränderten Haltungsformen basiert die moderne Pferdefütterung auch heute noch auf den rohfaserreichen, strukturierten Futtermitteln wie Gras, deren Konservate (Heu, Silage) oder Stroh. Ergänzt wird das Basisraufutter vielfach durch nährstoffreiche Getreide- oder Ergänzungsfutter. Die aufgenommenen Nährstoffe und funktionsunterstützenden, strukturierten Ballaststoffe (Rohfaser) müssen vom Pferd so verändert werden, dass für den Körper nutzbare Stoffe entstehen. Die nicht nutzbaren Futterreste werden zumeist über Kot und Harn wieder ausgeschieden. Die Veränderung erfolgt durch Kautätigkeit, enzymatische und mikrobielle Aufspaltung und biochemische Umsetzungsprozesse. Für die Fütterung gilt also stets der Grundsatz: die anatomischen, physiologischen und ethologischen Bedürfnisse der Pferde sind als Basis der tierartgerechten Ernährung zu berücksichtigen.
Anforderungen an die Ernährung
Somit ist die Frage nach der Sinnhaftigkeit von Getreide als Krippenfutter oder getreidehaltigen Ergänzungsfuttermitteln eher zweitrangig zu betrachten.
Doch was sind anatomische, physiologische und ethologische Anforderungen und welchen Bezug haben sie zur Komponentenauswahl in der Rationsplanung? Dem differenziert aufgebauten Verdauungskanal verdankt das Pferd die Fähigkeit sehr unterschiedliche Futtermittel verdauen zu können. So ist es in der Lage konzentrierte Nährstoffe wie Stärke, Eiweiß und Fett enzymatisch zu verdauen. Daher ist das Pferd auch in der Lage Getreide wie Hafer verdauen zu können. Kohlenhydrate aus Gerüstsubstanzen können mit Hilfe mikrobiell hergestellten Enzymen im Dickdarm aufgespalten werden. Somit ist das Pferd in der Lage verschiedene Futtermittel, von jungem, nährstoffreichem Gras über stärkereiche oder fettreiche Samen bis hin zu verholztem, rohfaserreichen Gras, aufzunehmen und zu verdauen. Diese Variabilität in der Verwertung verschiedener Futtermittel geht aber zu Lasten der Ausnutzung. So können Pferde im Vergleich zu Wiederkäuern rohfaserreiche und nährstoffarme Komponenten weniger effektiv nutzen. Durch selektives Grasen und eine hohe Futteraufnahmekapazität werden diese Nachteile teilweise kompensiert. Außerdem zermahlen Pferden die Nahrungsbestandteile intensiv vor dem Abschlucken und legen dadurch lösliche Nährstoffe für die Dünndarmverdauung frei.
Stärkehaltiges Futter nur begrenzt
Im Vergleich zu Monogastrieren ist das Pferd zwar besser in der Lage, rohfaserreiche Futtermittel verdauungsphysiologisch zu nutzen, die Verdauungseffizienz bei nährstoffreichen Futtermitteln wie Getreide ist aufgrund der geringeren Konzentration von Verdauungsenzymen hingegen deutlich schlechter. So sind Pferde aufgrund des nur mit geringer Aktivität vorkommenden Pankreasenzyms Amylase eingeschränkt in der Lage Stärke zu verdauen. Stärkehaltige Futtermittel wie Hafer, Gerste, Mais oder auch stärkereiche Ergänzungsfutter in Pellet- oder Müsliform sind somit nur mengenbegrenzt einsetzbar. Maximal 1 g Stärke pro kg Körpergewicht und Mahlzeit wird empfohlen. Auch ist die Struktur und Größe der Stärkekörner maßgeblich für die Verdaulichkeit. Ist die feinkörnige Haferstärke zu 80 Prozent dünndarmverdaulich, sind grobkörnige Stärken aus Mais oder Gerste nur zu circa 30 Prozent verdaulich. Ein hydrothermischer Aufschluss dieser Stärkegranula bringt deutliche Verbesserung. Eine übermäßige Stärkezufuhr beziehungsweise schwer verdauliche Stärketräger in der Ration können dazu führen, dass die Stärke in den Dickdarm einströmt und dort zu Fehlgärungen führen kann. Koliken können die Folge sein.
Die Basisversorgung der Fütterung erfolgt über das Raufutter. Um eine pferdgerechte Rationsberechnung durchführen zu können, müssen unbedingt die Nährwerte der Raufutterversorgung miteinberechnet werden. Deshalb ist eine Analyse des Raufutters in jedem Fall notwendig. Auch die Qualität verschiedener Heuschnitte der gleichen Weide können sich voneinander unterscheiden. In manchen Fällen kann der Betrieb dank einer Heuanalyse Futter einsparen, zum Beispiel da Zusatzfutter nicht mehr nötig ist.
Neben den Nährstoffen liefert die Raufutterversorgung auch Beschäftigung und Kautätigkeit. Denn ein Pferd verbringt in der Natur einen Großteil des Tages mit der Suche und Aufnahme von Futter. Obwohl das Pferd ein Dauerfresser ist, müssen die Mengen begrenzt sein, um Übergewicht und andere Krankheiten vorzubeugen. Unterstützen können beispielsweise Heunetze oder spezielle Raufen. Die Pausen zwischen den Mahlzeiten sollten – um eine pferdgerechte Fütterung zu gewährleisten – möglichst nicht länger als vier Stunden sein. Je nach Betriebsstruktur kann dies gerade nachts zu Problemen führen. Helfen können hier beispielsweise automatische Fütterungssysteme, die kleinere Mengen an Raufutter zu einstellbaren Zeiten auswerfen.
Vor- und Nachteile von Getreide
Doch stellt sich die Frage, ob Pferde überhaupt auf die energiereiche Getreidefütterung angewiesen sind und welche Vor- beziehungsweise Nachteile Getreide in der Rationsgestaltung mit sich bringen kann. Dazu sind Kenntnisse über den Nährstoffbedarf zwingend erforderlich, die in die Rationsgestaltung einfließen müssen. So sind die physiologischen Anforderungen, die unter anderem auch durch den Leistungsbedarf der Pferde bedingt werden, maßgeblich. Neben der Sport- und Bewegungsleistung zählen auch Wachstum, Trächtigkeit, Laktation und Deckbeanspruchung dazu. Je höher der Leistungsanspruch desto höher der Nährstoff- und Energiebedarf. Dazu ist es essentiell den Bedarf der Pferde in den Leistungsphasen zu kennen und auch die Nährstoffausstattung in den Futtermitteln.
Pferde ohne besondere Leistungsanforderungen beziehungsweise bei leichter Arbeitsbelastung können durchaus mit einer raufutterbasierten Ration bei entsprechender Mineralstoffsupplementierung bedarfsgerecht versorgt werden. Bei einer empfohlenen Raufuttermenge von mindestens 1,5-2 kg/100 kg Körpergewicht und Tag kann der Energiebedarf abgedeckt werden. Darüber hinaus wird dem Kaubedürfnis und der Beschäftigung durch die Raufuttermenge Rechnung getragen. Für die Futtersuche und –aufnahme werden pro Tag 12-16 Stunden veranschlagt. Untersuchungen zeigen, dass die Heuaufnahme bei Großpferden 40 Minuten Zeitbudget beansprucht. Bei angenommenen 12 kg Heu werden somit 8 Stunden Futteraufnahme angesetzt. Die Verlangsamung der Futteraufnahme durch Heuraufen beziehungsweise das zusätzliche Angebot von Stroh sind empfehlenswert. Energiereiche Getreide- oder Mischfutterergänzung ist nicht notwendig und sollte beim Einsatz gegebenenfalls zu einer Reduzierung der Raufuttermenge führen, um einer Verfettung (Adipositas) vorzubeugen. Während der Weideperiode werden Pferde mit nur geringer Arbeitsbelastung je nach Grasbestand und Weidezeit ausreichend mit Energie versorgt.
Die Rationsgestaltung für stärker leistende Pferde sollte durchaus auch energiereiche Krippenfutter beinhalten, wobei die Rationsbasis ein Mindestangebot von 1,5 kg Raufutter/100 kg Körpergewicht und Tag aufweisen muss. Ob der Pferdehalter sich für eine Krippenfutterration aus Getreide (z.B. Hafer, Hafer-Gerste; Hafer-Gerste-Mais) und Mineralfutter oder für ein Ergänzungsfutter für Pferde in Müsli- oder Pelletform entscheidet, richtet sich in erster Linie auch nach den betrieblichen Prioritäten. Zu berücksichtigen bleibt die Begrenzung der Stärkemenge und auch der Fettmenge (1g Fett/kg Körpergewicht und Tag), um gesundheitlichen Problemen vorzubeugen. So sollte bei einem 600 kg Pferd nicht mehr als 1,5 kg Hafer als alleiniges Krippenfutter pro Mahlzeit gefüttert werden. Pferde mit einem erhöhten Energiebedarf müssen entsprechend mindestens 3 oder mehr Mahlzeiten pro Tag angeboten bekommen. Auf ein Quetschen des Hafers kann bei Pferden mit intakten Backenzähnen verzichtet werden.
Dürfen Ergänzungsfutter für Pferde Hafer enthalten?
Diese Frage kann mit „ja“ beantwortet werden, denn der Hafer bietet ernährungsphysiologische Vorteile. Infolge des hohen Spelzanteils und der Größe wird er gut gekaut. Der relativ hohe Anteil an ungesättigten Fettsäuren und Schleimstoffen wirken sich günstig aus. Die Akzeptanz des Hafers bei Pferden ist gut. Somit eignet sich Hafer durchaus als Komponente im Ergänzungsfutter. Er kann jedoch auch durch andere Getreidearten ersetzt werden wie Gerste und Mais. Zu beachten bleibt aufgrund der unzureichenden präcäcalen (vor dem Blinddarm stattfindenden) Stärkeverdaulichkeit von Gerste und Mais die vorherige Behandlung (Wärmebehandlung u.ä.). Besondere Inhaltsstoffe des Hafers, die auf Temperament und Leistungsfähigkeit Einfluss haben, wurden bisher nicht nachgewiesen.
Wann sollte auf eine Getreidefütterung verzichtet werden?
Zahlreiche Fütterungsfehler, häufig in Kombination mit Haltungs- oder Nutzungsfehlern, können zu ernährungsbedingten Erkrankungen führen. So ist Magenulzera (Magengeschwür) eine häufig diagnostizierte Erkrankung. Aber auch Adipositas oder endokrine Störungen wie Equines metabolisches Syndrom (EMS) oder Equines Cushing-Syndrom (ECS) treten vermehrt auf. Die Begrenzung der Zucker- beziehungsweise Stärkezufuhr sollte bei diesen Pferden besonders berücksichtigt werden. So sollte der Fokus der Energiezufuhr auf Raufutter gelegt werden. Die Krippenfuttermenge sollte deutlich limitiert werden. Stärkereiche Futtermittel sollten deutlich begrenzt beziehungsweise darauf verzichtet werden. Getreidefreie und stärkearme Ergänzungsfutter in Pellet- oder Müsliform bieten sich als Alternative an. Energetische Aufwertung der Rationen durch Fett- beziehungsweise Ölergänzung sind in Maßen sinnvoll.
Fazit
So bleibt festzuhalten, dass das Pferd von Natur aus ein Raufutterfresser ist. Die Rationsplanung darf also immer nur auf Basis einer ausreichenden Menge an kaufähigem Raufutter (mindestens 4-7 cm Halmlänge) ausgerichtet sein. Bei einem entsprechenden Energiebedarf ist eine Getreide- oder Ergänzungsfuttergabe sinnvoll. Das Marktangebot an getreidefreien Futtermitteln ist umfangreich. So kann es für kranke Pferde notwendig sein, auf eine Stärke- oder auch Zuckersupplementierung zu verzichten (dazu können auch Zucker wie Fruktane aus Gras gehören). Pferde mit intaktem Verdauungssystem sind durch den differenziert aufgebauten Verdauungskanal aber durchaus in der Lage Getreide und getreidehaltige Ergänzungsfutter zu verwerten.
Experte und Autor dieses Fachartikels ist Prof. Dr. Dirk Winter – Hochschule für Wirtschaft und Umwelt Nürtingen-Geißlingen
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