Lordanos – Einer für alle Fälle (Teil 1)
Als Familienhengst ist Lordanos weit über die Landesgrenzen bekannt. Ihn und seine Nachkommen zeichnen Einsatz- und Leistungsbereitschaft, Anpassungsvermögen, Rittigkeit, Ehrlichkeit, Charakterstärke, Herz, Vermögen und Übersicht aus. Ganz zu schweigen von seiner überdurchschnittlichen Vererberqualität, die dem Pferdesport schon etliche Spitzensportler, Deckhengste und Staatsprämienstuten geschenkt hat.
Ein Hauch von Wehmut schwingt in seiner Stimme, wenn Gerd Sosath über seinen Lordanos redet. Wehmut, weil der gute, alte Lordanos so langsam in die Jahre kommt. Klar, dass das aufregende Leben eines Hochleistungssportlers und gefragten Deckhengstes nicht spurlos an ihm vorüber gegangen ist. Inzwischen ist der braune Landos/Ahorn Z/Calypso I-Sohn 20 Jahre alt und genießt im Stedinger Land auf der wunderschönen Anlage der Familie Sosath in Lemwerder seinen Ruhestand. Zumindest aus sportlicher Sicht. Vor zwei Jahren wurde er während der Hengstvorführung in Vechta in einer stimmungsvollen Zeremonie aus dem Sport verabschiedet. Dort, wo seine unglaubliche Karriere als Springpferd begann, da sollte sie auch enden. Im Laufe des Gesprächs mit Gerd Sosath wechselt die wehmütige Stimmung in Freude und unendlichen Stolz: Darüber, dass er diesen Ausnahmehengst sein Eigen nennen darf, dass er und seine Familie so viel Glück mit ihm hatten und haben, und darauf, was Lordanos alles geleistet hat.
Lordanos - Das Familienpferd
Kaum ein Hengst vor ihm bewies während seiner aktiven, sportlichen Laufbahn so viel Einsatzbereitschaft und Anpassungsvermögen wie Lordanos. Vielfach als „Familienpferd“ beschrieben, ist seine Geschichte doch immer wieder erwähnenswert: Während Vater Sosath am Sonntagnachmittag mit Lordanos seine großen Preise ritt, hatte der Hengst mit den Kindern Janne und Hendrik bereits am Freitagnachmittag die Stilspringen absolviert. Später trug er die Sosath‘schen Sprößlinge hocherfolgreich durch eine Vielzahl schwerer Springen – beide konnten mit dem Hengst ihr erstes S-Springen gewinnen. Wie ein Uhrwerk meisterte er seine Parcours – vielleicht nicht mit der letzten Vorsicht ausgestattet, jedoch mit grenzenlosem Herz, Vermögen und Übersicht. So war er den Kindern ein perfektes Lehrpferd, und dem „Chef “ ein toller Sportpartner für die nationale und internationale Bühne.
Zum Decken nach Föhr
Einer gewissen Trotzreaktion des Züchters Heiko Büttner aus dem holsteinischen Schaafstedt ist es zu verdanken, dass Lordanos’ Mutter Ashley (Ahorn Z/ Calypso I) mit dem Lord/Calypso I-Sohn Landos angepaart wurde, und Lordanos somit im Jahr 1993 das Licht der Welt erblicken konnte. Denn sein Vater Landos, ebenfalls ein Produkt aus dem Züchterhaus Büttner, war seinerzeit im Besitz des Holsteiner Verbandes. Zum Deckeinsatz war Landos auf die Insel Föhr, sozusagen auf das züchterische Abstellgleis, ‚versetzt‘ worden. „Darüber war ich als Züchter natürlich nicht sehr glücklich“, erklärt Büttner, „denn normalerweise kamen die Föhrer zum Decken zu uns aufs Festland, und nicht umgekehrt.“ Also zog er mit seiner Stute Ashley, die leider zwei Jahre später nach einer schweren Kolik-OP verstarb, zum Decken nach Föhr. Der Holsteiner Hengstaufzüchter Reimer Hennings aus Bendorf konnte den peppigen Braunen dann als Fohlen erwerben. Als Zweijähriger wurde der junge Hengst beim Holsteiner Verband zur Körung zugelassen. Doch so Mancher muss wundersame Wege gehen, um ein ganz Großer zu werden. Beim letzten Springtest kurz vor der Körung sprangen Lordanos und die anderen Junghengste von Hennings wohl so gewaltig, dass er von der Holsteiner Körkommission ermahnt wurde. Enttäuscht über diese Unterstellung, zog Hennings seine Hengste von der Körung zurück und ging mit Lordanos nach Oldenburg, wo dieser dann 1995 in der Weser-Ems-Halle gekört wurde.
Ein kleiner Kater für 65.000 DM
Interessierter Beobachter während der Oldenburger Körtage war der Hengsthalter Gerd Sosath, auf der Suche nach einem neuen Pferd für seine noch kleine Hengststation. „Der Braune interessierte mich nicht wegen seines Pedigrees, darüber hatte ich gar nicht nachgedacht, sondern ich mochte einfach gerne Holsteiner Pferde, und dieses war mir von Anfang an sympathisch“, weiß Sosath zu berichten. „Er war zwar etwas klein, aber er machte einen tollen Sprung. Ich mochte ihn und ich wollte ihn gerne haben!“ Doch sein Portemonnaie war nicht groß genug – für 75.000 DM erhielt ein anderer Bieter den Zuschlag. Enttäuscht wollte Sosath schon nach Hause fahren, doch sein Sitznachbar „Hinnerk“ Klatte aus Klein-Roscharden hatte aufgepasst, denn Hennings hatte den Hengst zurückgekauft. Auf der Stallgasse wurde gehandelt, an der Theke wurde das Geschäft dann später perfekt gemacht – Lordanos wechselte für 65.000 DM den Besitzer. „Am nächsten Morgen habe ich ihn gleich abgeholt“, so Sosath. „Der arme Kerl war so erschöpft, dass ich ihn hinter mir herziehen musste. Da hatte ich den Kauf schon fast bereut: 65.000 DM – so viel Geld für diesen kleinen Kater!“
Lordanos läuft wie ein Uhrwerk
Doch die Reue war schnell verflogen, denn Lordanos entpuppte sich bereits als Youngster als Seriensieger in Springpferdeprüfungen. „Ich konnte mit Lordanos 25 Springpferdeprüfungen in Folge gewinnen", erinnert sich Sosath. „Lordanos hat mich nie im Stich gelassen, er hat einfach einen Spitzencharakter und war leicht zu reiten. Daher war er auch so wertvoll als Lehrpferd für die Kinder, was den Züchtern übrigens besonders imponierte.“ Lordanos Weg verlief klassisch und ohne Umwege. Nach dem Bundeschampionat absolvierte er als 7-Jähriger die ersten S-Springen, und bis zum Alter von 17 Jahren war er voll im Sporteinsatz. Wenn Sosath über die sportlichen Erfolge seiner Kinder redet, kommt er geradezu ins Schwärmen. „Er lief wie ein Uhrwerk und musste für alles herhalten. Ich weiß noch, als es auf dem großen Turnier in Rastede nicht genügend Teilnehmer für das SB-Springen gab. Wir hatten uns überlegt, dass er mit Janne ein bis zwei Runden mitgehen sollte – am Ende sprangen die beiden dann über die Zwei-Meter-Mauer. Das war gewaltig. Oder der Hans Günter Winkler-Cup in Dortmund, den Hendrik, damals 17-jährig, mit Lordanos gewinnen konnte.“ Einfach ein Ausnahmepferd, das es in seiner aktiven Laufbahn immerhin auf eine Lebensgewinnsumme von 27.170 Euro brachte. Nicht schlecht für einen Sportler. Doch als Vererber gehört Lordanos, der auf den Holsteiner „Ramiro-Stamm“ 776 ingezogen ist, allerdings zu den Millionären. Knapp 1,2 Millionen Euro lautet die Lebensgewinnsumme seiner Kinder bis heute.
Spitzenverdiener
In dem 20 Köpfe umfassenden Hengstlot der Station Sosath gehört Lordanos nach wie vor zu den Spitzenverdienern. Die Bedeckungszahlen sind konstant gut – Lordanos ist der unumstrittene Deckkönig in Lemwerder. Über 80 erfolgreiche Nachkommen sind in Deutschland im großen Springsport registriert, weltweit mögen es deutlich mehr sein. Die Zahl seiner gekörten Söhne ist inzwischen auf 43 Hengste angewachsen. Doch nicht nur im großen Sport oder im internationalen Zuchtgeschäft ist Lordanos eine Hausnummer der ersten Wahl. Auch im Amateursport sind seine Nachkommen sehr gefragt. „Er vererbt sich sehr konstant. Viele seiner Nachkommen sehen so aus wie er und bekommen seinen tollen Charakter und seine Rittigkeit mit“, und schmunzelnd fügt Sosath hinzu: „In ganz jungen Jahren sind sie oftmals ziemlich frech, unter dem Sattel allerdings total brav und toll zu reiten.“
Lordanos - Kein Glück
Die Liste derer, die mit Lordanos-Kindern das große Los gezogen haben, ist lang. Nur einer hat bisher mit seiner Nachzucht noch nicht viel Glück gehabt: Der Besitzer selbst. Seinen ersten gekörten Hengst Lissabon verkaufte Sosath mit dem Hintergedanken, noch viele andere Lordanos-Söhne züchten zu können. Doch wie das Leben so spielt, die richtig Guten hatten oftmals die Anderen. Im Herbst 2012 bekam Sosath auf der Oldenburger Körung endlich seinen Spitzenhengst Livestream von Lordanos/Landadel/Godehard gekört. Und auch das wäre fast noch ins Auge gegangen, denn während der Körung zeigte sich der Sohn aus der Heideblüte, einer Vollschwester von Landor S, von der Atmosphäre plötzlich so beeindruckt, dass er zunächst nicht gekört wurde. Oder die Geschichte mit Lumos, den Sosath als Fohlen mit einhandelte. Als freches, hässliches Entlein verließ der Sohn von Lordanos/Noble Roi xx den Hof Sosath aber bald wieder. Später war Lumos unter Ewald Güss erfolgreich auf dem Bundeschampionat und unter dem Amateur Andreas Brünz Sieger im Großen Preis von Mannheim. Doch der aktuelle Jahrgang der Zweijährigen lässt Großes hoffen: Der Beste der 40 zweijährigen Junghengste ist natürlich ein Lordanos-Sohn aus der Carthago/Zeus/Kronprinz-Stute Capriati, gezogen von Janne und Hendrik Sosath. Capriati war übrigens das erste Lehrpferd der beiden Sosath-Kinder, bevor sie auf Lordanos umsatteln durften.
Lordanos - Aus bestem Hause
Der Vater von Lordanos ist der Holsteiner Verbandshengst Landos, der 2011 im Alter von 22 Jahren eingegangen ist. In Landos sind die Gene von Ladykiller xx durch den Jahrhunderthengst Lord und Cor de la Bryère über seinen Muttervater Calypso I vereint. Der erfolgreichste Nachkomme des Landos ist der zweifache Olympiateilnehmer Magic Bengtsson. In Athen 2004 wurde er Vierter in der Einzelwertung unter Peter Fredericson, und 2008 war er Björn Nagels Olympiapferd. Unendlich viele S-Platzierungen holte auch die springgewaltige Indira. Diese Stute aus einer Rinaldo/ Anklang-Mutter wurde von Gerhard Schmidt insgesamt fünf Jahre lang in schweren Springen vorgestellt. Landos unterstreicht seine vielseitige Vererbung mit den Leistungen seines Sohnes The Lion King B (MV. Rando) im internationalen Grand Prix-Dressursport. Ein weiterer bekannter Sohn des Landos ist Lyjanero. 2010 feierten ihn die Holsteiner Züchter in den Holstenhallen als Reservesiegerhengst. Lyjanero ist auf dem Gestüt Sprehe stationiert und wird dort sportlich auf seine große Karriere vorbereitet. Diese Ergebnisse seiner Nachkommen und die Vererbungsqualitäten von Lordanos haben dazu geführt, dass Landos die letzten Jahre seines Lebens, nachdem er viele Jahre in der Tschechoslowakei und Polen gedeckt hatte, in Elmshorn verbrachte.
© Dieser Auszug basiert auf einem Beitrag von Inge Workel & Kiki Beelitz, der im Sammelwerk „Ausgewählte Hengste Deutschlands 2014/15“ erschienen ist.