WEG 2018: Eine Vorschau auf die Weltreiterspiele
In acht Disziplinen messen sich die besten Pferdesportler weltweit vom 11. bis zum 23. September im US-amerikanischen Tryon. Die deutschen Teams blicken optimistisch auf die Weltreiterspiele. Dr. Dennis Peiler, Geschäftsführer des Deutschen Olympiade-Komitees für Reiterei (DOKR) erklärte: „Wir haben uns zwei Ziele gesetzt: Erstens wollen wir uns in Tryon Quotenplätze für die Olympischen Spiele in Tokio reservieren und zweitens im Medaillenspiegel unter den ersten drei landen.“
Auf der Jahrespressekonferenz in Warendorf bezeichnet Dr. Peiler die Weltreiterspiele als wichtiges Barometer zur Standortbestimmung: „Wo stehen wir in der Welt in unseren Disziplinen (Dressur und Para-Dressur, Springen, Vielseitigkeit, Fahren, Voltigieren, Distanzreiten und Reining), aber auch in der Pferdezucht?“. Zudem betont er die große Herausforderung, die die Weltreiterspiele darstellen: „Sie sind eine Mammutaufgabe für jeden Veranstalter, und das nicht nur finanziell, sondern auch für uns als Verband.“ 51 Pferde und 135 Menschen, darunter 47 Aktive sowie Pferdepfleger, Trainer, Betreuerstab und Pferdebesitzer, stehen aktuell auf der Reiseliste in die USA. Insgesamt haben sie 20.100 Kilogramm Gepäck dabei und rund 5.500 Kilogramm Futter. Die Kosten für das Unternehmen betragen rund 1,5 Millionen Euro, die zum größeren Teil (800.000 Euro aus Eigenmitteln) vom Verband bewältigt werden müssen. Der Rest stammt aus Sportfördermitteln des Bundes, allerdings nur für die olympischen und paralympischen Disziplinen.
Neben Sportchef Peiler waren auch Bundestrainer und Aktive der acht Disziplinen auf der Pressekonferenz im Gespräch mit rund 50 Medienvertretern. Es begannen die Springreiter. Sie starten am kommenden Wochenende in Samorin in der Slowakei in die Nationenpreis-Saison. Bundestrainer Otto Becker (Sendenhorst) hält fest: „Die Nationenpreise sind eine Sichtungsmöglichkeit. Im Team zu reiten ist eine besondere Situation und bringt anderen Druck mit sich. Trotzdem zählt natürlich der Gesamteindruck eines Paares und eine individuelle Saisonplanung wird einbezogen.“ Er gab zu bedenken, dass die Saison in diesem Jahr besonders lang dauert und erklärt: „Wir wollen die Pferde so einsetzen, dass sie im September frisch nach Tryon fahren können“, sagte Becker.
Eine echte Auswahl bei den Pferden hat die Weltcup-Siegerin in der Kür, Isabell Werth (Rheinberg). Mit gleich drei Pferden rangiert sie momentan in den Top-Ten weltweit. Weihegold OLD, mit der sie gerade beim Weltcup Finale in Paris triumphierte, habe gerade eine kleine Pause, während der Wallach Emilio schon am kommenden Wochenende beim Turnier ‚Horses&Dreams‘ in Hagen an den Start gehen wird.
Beim Weltcup-Finale in Göteborg überholte die US-Amerikanerin Laura Graves, Werth und Weihegold im Grand Prix, bei der EM in Göteborg waren Sönke Rothenberger und Cosmo knapp hinter ihr. Auf Fragen bezüglich der aktuellen Konkurrenzsituation, antwortete die sechsfache Olympiasiegerin: „Es ist ganz klar so, dass niemand auf dem Baum schläft und alle anderen heiß darauf sind, mir das Leben schwer zu machen. Es ist wichtig, sich auf sich selbst zu fokussieren, an den eigenen Stellschrauben zu drehen und so Gutes zu erhalten und weiterzuentwickeln.“ Ähnlich betrachtet Dressur-Bundestrainerin Monica Theodorecu (Warendorf) die Konkurrenz: „Meine Augenmerk liegt bei unseren Reitern und ich setze all meine Energie da rein, mit dem bestmöglichen Team nach Tryon zu fahren. Ich schaue nicht rechts oder links.“
Sönke Rothenberger (Bad Homburg) wird mit seinem Top-Pferd Cosmo am kommenden Wochenende in Hagen bei Horses&Dreams starten. Für die Beiden ist es das erste Turnier des Jahres. „Wir halten es seit einigen Jahren so, dass Cosmo über den Winter eine Pause bekommt und wir ihn für die Außensaison aufbauen.“ Der 23-Jährige beschreibt seine Zielsetzung für die anstehenden Turniere: „Wir wollen natürlich gern in Tryon dabei sein. Aber es gibt genügend tolle Paare in Deutschland, mit Desperados und Showtime sind zwei starke Pferde wieder dabei, es gibt viele gute Reiter. Ich beginne meine Saison in Hagen und die Deutsche Meisterschaft in Balve ist ein weiterer wichtiger Punkt meiner Planung, alles Weitere werden wir sehen.“
Vielseitigkeit: „Konditionell anspruchsvoll"
Frische Eindrücke aus Tryon brachte Bundestrainer Hans Melzer (Salzhausen) mit in die Pressekonferenz. Er hatte gemeinsam mit einer DOKR-Delegation ein Testevent besucht und schilderte seine Eindrücke von der Geländestrecke: „Der Hauptteil spielt sich auf einem ehemaligen Golfplatz um einen See ab, das Geläuf ist toll. Allerdings ist das sehr wellig, so dass man hier eher ‚praktische‘ Pferde mit einem nicht so großen Galopp braucht, weil die ständig aus dem Rhythmus kommen“, sagte er. Melzer ist sich sicher: „Das wird konditionell sehr anspruchsvoll, noch mehr als vor vier Jahren in der Normandie. Die letzten drei Minuten der Strecke geht es nur bergauf.“
Ingrid Klimke (Münster) zeigt sich gelassen. Die mehrfache Mannschaftsolympiasiegerin, -weltmeisterin und -europameisterin wurde im vergangenen Jahr in Strzegom Europameisterin in der Einzelwertung. „Mein Ziel war es immer, einmal alleine oben auf dem Treppchen zu stehen. Damit stehe ich nicht mehr so unter Druck, denn diese Medaille habe ich ja jetzt“, sagt sie. Trotzdem werde sie bei der WM „natürlich nicht einfach nur so mitreiten“. Ob sie die deutschen Farben in Tryon vertreten wird und mit welchen Teamkollegen, entscheidet sich nach der letzten Sichtung in Strzegom Anfang August. Zuvor setzt der Bundestrainer auf eine individuelle Vorbereitung aller WM-Kandidaten, einige über Kurzprüfungen. Wichtige Meilensteine sind wie immer die Deutsche Meisterschaften Luhmühlen sowie der CHIO Aachen.
Para-Dressur: Ziel Teammedaille
Britta Bando (Hamburg) sprach von maßloser Enttäuschung. Die Equipechefin der Para-Dressurreiter 2017 war seit Jahren erstmals ohne Teammedaille vom Championat zurückgekehrt. Aber das sei der Ansporn, erst recht weiterzuarbeiten: „Wir wollen wieder eine Medaille und wir wollen nach Tokio, denn wir essen alle gerne Sushi“, erklärt Bando lachend. Die Konkurrenz macht das nicht einfach. Vor allem das dänische Team habe tolle neue Pferde. „Es ist toll, dass der Para-Sport so wächst, aber es geht manchmal schneller als wir denken. Gerade bezüglich des Pferdematerials gibt es einen Riesenwechsel“, bestätigte auch EM-Silbermedaillengewinner (Grade III) Steffen Zeibig aus Arnsdorf, der 2017 Kür-Gold mit seiner Stute Feel Good verpasste.
Ein besonderes Ass zur WM-Saison: In Mannheim, beim ersten von drei Sichtungsturnieren in diesem Jahr, soll die rheinische Grand-Prix-Reiterin Regine Mispelkamp aus Geldern das Team deutscher Para-Dressurreiter verstärken. „Sie muss allerdings erst noch klassifiziert werden“, so Bando. Fünf Grades gibt es im Para-Sport, von I bis V, je nach Stärke der Behinderung. „Auch wenn wir nur noch vier statt fünf Reiter entsenden dürfen, bleiben wir bei unserem Motto, dabei möglichst viele Grade beim Championat zu besetzen“, sagte Bando.
Voltigierer wollen den Titel
Mit zwei EM-Titeln im Vorjahr haben sich die Voltigierer auch für Tryon viel vorgenommen. „Wir wollen deutsche Weltmeister haben, aber in welcher Disziplin ist noch nicht absehbar“, sagte Disziplintrainer Kai Vorberg. Dafür gibt es in Tryon eine zusätzliche Chance. Neben den bekannten Medaillen im Gruppen-, Einzel- und Doppelvoltigieren ist erstmals auch eine WM-Länderwertung ausgeschrieben. Wie beim Nationenpreis nach dem Aachener Muster bilden dafür die Gruppe und zwei Einzelvoltigierer ein Länderteam. „Das ist eine tolle Chance für die Nationen, sich zu positionieren“, erklärte Vorberg, der sich dadurch eine noch größere Beteiligung an den Voltigier-Weltmeisterschaften erhofft.
Anders als die Dressurreiter treten die Voltigierer jedes Jahr mit einer neuen Kür an. Mit einem Sieg verabschiedete sich Jannis Drewell (Steinhagen) beim Weltcup-Finale in Dortmund von seiner letztjährigen Kür. Für die WM-Saison greift er auf ein neues „altes“ Thema zurück: „Der mit dem Wolf tanzt“. Darauf hatte er zuletzt vor zehn Jahren bei seiner ersten DM gesetzt.
Rekordverdächtig
Mit maximal 16 Aktiven stellen die Voltigierer das größte Sportler-Kontingent unter den Disziplinen. Die Vierspännerfahrer stellen den Pferderekord auf. Drei Vierspännerfahrer reisen mit je fünf Pferden in die USA. Und noch einen Rekord können die Fahrer für sich in Anspruch – beim Gepäck. Zwei Schiffscontainer werden vier bis sechs Wochen vor den Weltreiterspielen mit den Kutschen, Geschirren, Futter und Sattelschränken bepackt und losgeschickt. „Wann wir die drei Fahrer für Tryon benennen, hängt tatsächlich auch davon ab, wann diese Container losgeschickt werden“, erklärte Karl-Heinz Geiger, Bundestrainer der Vierspänner. Denn die Deutschen Meisterschaften der Vierspänner sind erst vom 16. bis 19. August in Donaueschingen. „Es kann also sein, dass wir schon vor der DM entscheiden müssen, wer nach Tryon fährt, weil wir vorher schon packen müssen“, so Geiger. Einer der Kandidaten ist Georg von Stein (Modautal), der im vergangenen Jahr mit der Vierspänner-Mannschaft die Silbermedaille bei der Europameisterschaft in Göteborg gewonnen hat. „Aber in erster Linie müssen meine fünf Top-Pferde fit bleiben“, sagte von Stein zu seinen Chancen. „Unser Ziel ist eine Mannschaftsmedaille und möglichst auch noch eine Einzel-Medaille“.
Reining: "Den Fluch besiegen"
Eine Medaille gab auch Nico Hörmann, Bundestrainer der Disziplin Reining, als Ziel für seine Mannschaft bei den Weltreiterspielen aus. „Seit 2002 haben wir Reiner immer den vierten Platz bei Weltreiterspielen belegt und hatten mit allen erdenklichen Schwierigkeiten zu kämpfen, obwohl wir ansonsten bei Europa- und Weltmeisterschaften in den letzten Jahren immer eine Rolle gespielt und eine Medaille geholt haben. Wir treten in Tryon an, um diesen Fluch zu besiegen“, so Nico Hörmann. Als Favorit auf den Titel gilt jedoch Gastgeber und Mutterland des Westernreitens, die USA. Eine der deutschen Kandidaten ist Julia Schumacher (Bitz), die Team-Silber und Einzel-Bronze bei ihrem Championatsdebüt bei der EM 2017 in Givrins/SUI gewann. In drei Wochen reitet sie die erste Sichtung mit ihrem Pferd „Little“.
In der Disziplin Distanzreiten sieht Nico Hörmann (Bundestrainer der Reiner, FN-Koordinator für Reining und Distanzreiten) die amtierende Europameisterin Sabrina Arnold als Kandidatin für die Weltreiterspiele. „Sabrina ist im vergangenen Jahr überdurchschnittlich gut geritten und unsere stärkste Reiterin“, erklärte er bei der Pressekonferenz. Trotzdem muss sie sich wie alle anderen durch gute Leistungen in diesem Jahr in Frankreich empfehlen. „Wir haben nur eine kleine Distanzreiter-Szene und der Sichtungsweg ist anspruchsvoll, aber wenn alles gut läuft, haben wir eine realistische Chance auf die Top Fünf – mit viel Glück vielleicht sogar eine Medaille“, so Hörmann.
Quelle: FN – Pferd aktuell