Hochträchtigkeit und Fohlengeburt (Teil 2)

Die Hochträchtigkeit und die Fohlengeburt sind Höhepunkte im Zuchtstall. Auf welche Warnsignale Sie achten sollten und was Pferdegeburten auszeichnet, verrät Privatdozent Dr. Claus P. Bartmann im Interview. Er ist der leitende Oberarzt der Pferdeklinik Aschheim und Fachtierarzt für Pferde und für Reproduktionsmedizin. 

Die Stute pflegt das neugeborene Fohlen.
Eine Stute pflegt ihr neugeborenes Fohlen. Im Idealfall ist menschliche Hilfe bei der Geburt überflüssig. Foto: Claus Peter Bartmann

Ersten Teil verpasst? Lesen Sie hier mehr zur Hochträchtigkeit der Stute.

Welche Warnzeichen bei der Fohlengeburt gibt es?

Eine Störung der Trächtigkeit zeigt sich für den Züchter durch äußere Anzeichen einer Erkrankung. Dazu gehören Unwohlsein der Stute mit reduzierter Futteraufnahme, Apathie, Fieber, vaginaler Ausfluss und auch kolikähnliches Verhalten. Zudem sollte man auf die Anbildung des Euters achten, die im Normalfall erst in den letzten Wochen vor der Geburt mit deutlicher Größenzunahme und Schwellung der Euterhaut einhergeht. . Erst zwei bis drei Tage vor der Geburt sollten die sogenannten Harztropfen am Euter zu sehen sein. Diese sehen aus wie eingetrocknete Tropfen Milch und sind Anzeichen der nahenden Geburt. Eine zu frühe Euteranbildung oder gar Abfluss von Milch deutet auf eine Störung der Trächtigkeit hin oder sogar auf den Tod des Fohlens, den sogenannten Fruchttod. Auch wenn die Milch zeitnah zum errechneten Geburtstermin bereits fließt, ist das kritisch zu sehen. So kann sich zudem die Qualität der Biestmilch verschlechtern und damit die Immunversorgung des Fohlens. In beiden Fällen Anlass genug für eine tierärztliche Untersuchung.

 

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Wenn der errechnete Geburtstermin sich nähert und alles normal abläuft, welche Anzeichen deuten dann auf die nahende Geburt hin?

Die Stute wird unruhig, zeigt kolikartige Symptome. Sie schwitzt und scharrt. Auch der bereits genannte Harztropfen ist ein Anzeichen, dass es bald losgeht. Die Geburt selbst ist in drei Stadien unterteilt: In der ersten Phase öffnet sich der Muttermund, die erste Fruchtblase platzt und Fruchtwasser tritt aus. Darauf folgt der zweite Abschnitt, das sogenannte Austreibungsstadium. Im Vergleich zu anderen Tierarten ist dies sehr kurz. Pferde gebären sehr schnell. In maximal 20 Minuten ist das Fohlen im Normalfall da. Die normale Gebärposition bei Pferden ist die Seitenlage der Stute. Das Fohlen kommt in „Vorderendlage“ zur Welt. Das bedeutet, dass die Vorderhufe zuerst erkennbar sind, danach die Nüstern. Das Fohlen ist dann noch umgeben von einer zweiten, weißlichen Fruchtblase, auch Amnion oder Schafhaut genannt. Diese zweite Fruchtblase reißt im Normalfall durch eine spontane Bewegung von Fohlen oder Stute. Geschieht das nicht unmittelbar nach der Austreibung des Fohlens, sollte man sie entsprechend vorsichtig über dem Kopf bzw. an den Nüstern öffnen, damit das Fohlen Luft bekommt und nicht erstickt – allerdings erst, sobald das Fohlen komplett aus dem Mutterleib gekommen ist. Über die Nabelschnur bleiben Mutter und Jungtier einige Minuten nach der Geburt weiterhin verbunden. Diese soll von selbst reißen, sobald sich Fohlen oder Stute bewegen. Die dritte und letzte Phase ist das Nachgeburtsstadium, in dem die Eihäute vollständig ausgetrieben werden. Die komplette Nachgeburt sollte bis zwei Stunden nach der Geburt vom Körper der Stute abgehen. Insgesamt sollte die Geburt bei ungestörtem Ablauf möglichst ohne menschliches Eingreifen ablaufen und die anwesenden Personen sollten sie nur beobachten.

Welche Komplikationen kann es bei der Geburt geben? Wie erkennt man sie und was ist zu tun?

Eine Geburtsstörung kann entweder von der Stute oder vom Fohlen ausgehen. Bei der Stute kann beispielsweise ein Beckenbruch in der Vergangenheit den Geburtsablauf behindern. Beim Fohlen sind typische Ursachen einer Geburtsstörung fehlerhafte Stellungen oder Haltungen, manchmal auch Fehlbildungen. Anzeichen einer Geburtsstörung sind immer als Notfall zu betrachten, gerade weil die zweite Phase der Geburt so schnell abläuft, ist hier jede Minute kostbar. Denn auch ein Fruchttod geschieht leider sehr schnell. Besteht also der Verdacht auf Komplikationen, rufen Sie sofort den Tierarzt. Auch bei deutlichen Verzögerungen ist das wichtig. Wenn beispielsweise die erste Phase abgeschlossen ist, die Fruchtblase geplatzt ist aber dann anhaltend nichts geschieht. Wenn kein Fohlen kommt oder nur ein Bein zu sehen ist. Dann liegt das Fohlen falsch oder der Kopf ist möglicherweise in falscher Haltung. Jegliche Stockung der Geburt ist als Notfall zu sehen. Also: Lieber einmal blinder Alarm als den Tod des Fohlens zu riskieren. Dabei rate ich ganz dringend von einer Laien-Geburtshilfe ab! Bitte nicht einfach selbst ziehen, nur weil ein Bein herausschaut, sondern besser beobachten und im Zweifelsfall zeitnah den Tierarzt hinzuziehen, der die Geburtshilfe übernimmt.

Wie häufig kommt es zu solchen Notfällen?

Insgesamt treten der Fachliteratur zufolge nur bei etwa vier Prozent der Stuten Geburtsstörungen auf. Das deckt sich auch mit meinen eigenen Erfahrungen. Trotzdem ist es auch bei unauffälligen und unproblematischen Geburten empfehlenswert, das neugeborene Fohlen am ersten Lebenstag vom Tierarzt auf seine Reife und allgemeinen Gesundheitszustand hin untersuchen zu lassen.

Und wenn der errechnete Geburtstermin verstreicht und nichts passiert?

Die Dauer der Trächtigkeit kann erheblich schwanken. Durchschnittlich beträgt sie 336 Tage, sie kann sich aber auch auf bis zu 400 Tage verlängern und das ohne negative Konsequenzen für Fohlen oder Stute. Es muss also dringend davon abgeraten werden, eine Geburt einfach aufgrund der Überschreitung einer durchschnittlichen Trächtigkeitsdauer einleiten zu lassen, sofern die Stute keine Anzeichen einer Störung zeigt. Eine spätere Geburt ist meist unproblematisch, eine Frühgeburt dagegen lebensgefährlich für das Fohlen. Als unterste Grenze für eine Überlebenschance des Fohlens gilt eine Trächtigkeitsdauer von 320 Tagen. Fohlt die Stute bereits früher ab, überlebt die Frucht in den seltensten Fällen. Umgekehrt stellt die Überschreitung dieser Zeitgrenze und auch der durchschnittlichen Trächtigkeitsdauer von 336 Tagen keinesfalls die Garantie für ein ausreichend reifes Fohlen dar, das kann wie oben gesagt individuell stark schwanken. Bei einer späteren Geburt sind Fohlen auch sehr selten “überreif“, da das Fohlen die Geburt auslöst, wenn es reif ist.

Das Interview führte Lisa Freudlsperger

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Unser Experte:

Priv.-Doz. Dr. Claus Peter Bartmann ist Leitender Oberarzt der Pferdeklinik Aschheim (bei München) und Privatdozent an der Stiftung Tierärztliche Hochschule Hannover. Seine Arbeitsschwerpunkte als Fachtierarzt für Pferde umfassen Chirurgie, Fortpflanzungsmedizin und Zahnheilkunde. Sein Studium der Tiermedizin, seine Promotion und Habilitation absolvierte er an der Tierärztlichen Hochschule Hannover.

Claus Peter Bartmann ist Fachtierarzt für Pferde und Reproduktionsmedizin sowie leitender Oberarzt der Pferdeklinik Aschheim. Foto: Pferdeklinik Aschheim

 

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