Wie die Stute, so das Fohlen – Die Stute als dominante Vererberin

Wenn es um das Erscheinungsbild und die Qualitäten des Fohlens geht, wird zunächst meist ein Augenmerk auf den Vater geworfen. Erstaunlich, denn: erfahrene Züchter und Experten sind sich darüber einig, dass die Stute den bedeutenden Teil des Erbguts liefert. Sie ist somit für wichtige Merkmale bezüglich Leistung und Aussehen des Fohlens verantwortlich.

Das mütterliche Erbgut dominiert

Die Pferdezucht ist ein Mysterium für sich. Ein herausragender Pedigree von Mutter und Vater spielt eine große Rolle, wenn es um die Vererbung von Top-Leistungen geht. Doch wie lassen sich die Anteile des jeweiligen Elterntiers an der Vererbung verteilen? Die Chromosomen von Hengst und Stute liefern das Erbgut für den Neuankömmling. Weitere zwei Prozent jedoch stammen aus den Mitochondrien der Mutter, die sich in der befruchteten Eizelle befinden. Somit erhält das Fohlen 51 Prozent seines Erbguts mütterlicherseits und 49 Prozent vom Vater. Demnach ist die Stute, die dominante Erbgut-Lieferantin und bestimmt unter anderem einen Großteil der Leistung, des Charakters und des Aussehens vom Fohlen. Übrigens: Mitochondrien werden als Energiekraftwerke unter den Zellen bezeichnet. Dies liegt daran, dass sich dort energiereiche Moleküle befinden. Deshalb siedeln sich besonders viele Mitochondrien in den Muskel- und Nervenzellen an. Dort also, wo der Körper einen besonders hohen Energieverbrauch verzeichnet.

Die Wichtigkeit von X-Chromosomen

[caption id="attachment_127923" align="alignleft" width="300"] X- und Y-Chromosomen sind die wesentlichen Genträger.[/caption] Zurückversetzt in den Biologie-Unterricht aus Schultagen, kommen bestimmt bei jedem vage Erinnerungen an die X und Y-Chromosomen zurück. Die Geschlechtschromosomen beherbergen wichtige genetische Informationen. Weibliche Tiere besitzen zwei X-Chromosomen, männliche Tiere jeweils ein X- und ein Y-Chromosom. Die Stute erhält jeweils ein X-Chromosom mütterlicherseits und das andere Chromosom vom Vater. Das weibliche X-Chromosom ist deutlich größer als das männliche Y-Chromosom und beherbergt demnach mehr genetische Informationen. Somit könnte man auch hier vermuten, dass die Stute mehr Erbgut an das Fohlen weitergeben kann. Dies erklärt auch, warum gewisse Krankheiten nur mütterlicherseits, also über das X-Chromosom weitervererbt werden können. Beispielsweise gilt das sogenannte „Wobbler-Syndrom“ als typische X-Chromosom-gebundene Erbkrankheit, die von der Stute an das Hengstfohlen übertragen wird. Bei Stutfohlen bricht die Gleichgewichtsstörung jedoch nicht aus, da das dominante zweite X-Chromosom gesund ist und das kranke Chromosom unterdrückt. So verhindert es, dass die Krankheit ausbricht.

Die Stute bestimmt die Größe und prägt das Verhalten

Wenn es um das Aussehen des Fohlens geht, so hat die Stute ebenfalls Einfluss auf wichtige [caption id="attachment_127925" align="alignright" width="300"] Die Stute bestimmt meistens die Größe des Fohlens.[/caption] Komponenten, die Größe des Fohlens zum Beispiel. Bereits im Jahr 1938 konnten die englischen Tierzuchtwissenschaftler Arthur Walton und John Hammond nachweisen, dass Stuten die Größe ihrer Fohlen beeinflussen. Für ihre Studie wurden Shire-Horses mit Shetlandponys gekreuzt. Je nach Kreuzung, ließ sich die Größe des Fohlens immer mütterlicherseits zuordnen. Auch bei der Kreuzung von Pferd und Esel setzt sich das äußere Erscheinungsbild der Stute durch. Bei einer Studie des Hannoveraner Zuchtverbandes mit 5.347 Stuten fand Dr. Ludwig Christmann außerdem heraus, dass am häufigsten die Kopfform vererbt wird. So kann der Verwandtschaftsgrad zischen Fohlen und Mutter oft direkt am gleichen Kopf ausgemacht werden. Jedoch ist nicht nur die Genetik ein ausschlaggebender Punkt, in welche Richtung sich das Fohlen später entwickelt. Wie beim Menschen nicht anders, kommt es nach der Geburt besonders auf die jeweilige Bindung zwischen der Stute und ihrem Fohlen an. Die Stute bringt ihrem Nachwuchs Verhaltensregeln bei und prägt somit den zukünftigen Charakter sowie die Verhaltensweise des Fohlens. So ziehen ranghohe Stuten meistens ranghohe Fohlen heran, die sich dominant und selbstbewusst zeigen.  

Auf das Umfeld kommt es an

[caption id="attachment_127927" align="alignleft" width="269"] Eine ruhige Umgebung sorgt für beste Voraussetzungen für die Entwicklung des Fohlens – bereits vor der Geburt.[/caption] Während der Trächtigkeit spielt eine stressfreie Haltung eine besonders wichtige Rolle. Viel Bewegungsfreiheit, eine ausgewogene Fütterung und frische Luft sind nur einige Faktoren, die die Entwicklung des Fohlens positiv beeinflussen. Der Embryo wird durch eine ruhige Umgebung positiv geprägt. Warum? Weil unerwünschte Stresshormone wie Adrenalin oder Kortisol, die bei Unwohlsein von der Mutterstute produziert werden problemlos die Plazentaschranke überschreiten und somit die Entwicklung des Fohlens deutlich beeinflussen können. Die dadurch entstehende negative Prägung des Embryos kann später nur schwer oder gar nicht mehr korrigiert werden.  

Ausgezeichnete Stutenstämme für talentierten Nachwuchs

Nicht die Stute allein beeinflusst Talent und Charakterstärke des Fohlens. Es kommt vor allem auf den dahinterstehenden Stutenstamm an, der mit herausragenden Pedigrees und Talenten eine starke Vererbe-Linie schafft. Ein wichtiger Aspekt sind also gut durchgezüchtete und vererbungssichere Mutterlinien, die aus langjähriger züchterischer Erfahrung hervorgehen. Ein allgemeines Geheimrezept gibt es für einen solchen erfolgreichen und bewährten Stutenstamm nicht. Jedoch kann ein Augenmerk auf Schaustuten, gekörte Hengste und erfolgreiche Sportpferde gelegt werden, die einen leistungsstarken Stamm hervorbringen können. Besonders die Sport- und Zuchtleistung aus den ersten drei Generationen sind von großer Bedeutung für eine Prognose bezüglich des Nachwuchses. Aber Achtung: Auch gute Leistungen und Talente können gesundheitliche Mängel nicht ausgleichen, die einen ganzen Stamm betreffen. Falls es überhaupt möglich ist, dauert es mehrere Generationen, um Erbkrankheiten in einem erfolgreichen Stamm zu eliminieren. Mit einer gut gewählten Stute, legt man den Grundstein für eine erfolgreiche Pferdezucht. Der restliche Teil liegt in der Macht und zugleich der Unvorhersehbarkeit der Genetik, die immer wieder für Überraschungen sorgt. Autorin: Sophia Tigges (Horse-Gate)