WFFS: Ursprung identifiziert

Wege zum angemessenen Umgang mit WFFS und anderen "genetischen Eigenschaften" Bis vor Kurzem waren für den Züchter von Warmblutpferden Abstammungsüberprüfungen und Tests auf bestimmte Fellfarben die wesentlichen Berührungspunkte mit Molekulargenetik-Laboren. Mit der Diskussion um den Erbdefekt WFFS (Warmblood Fragile Foal Syndrome) hat sich dies im letzten Jahr schlagartig geändert. Die erbliche Bindegewebsschwäche, die bereits 2011 durch eine US-amerikanische Forschergruppe aufgeklärt wurde, wird durch eine Punktmutation verursacht und folgt einem autosomal rezessiven Erbgang. Ein Pferd erkrankt somit nur, wenn es je ein entsprechend verändertes Gen sowohl vom Vater als auch von der Mutter erhalten hat, beide Eltern also sogenannte Anlageträger sind. Die Anlageträger selbst zeigen keinerlei Krankheitssymptomatik. Ohne Gentest kann also nicht erkannt werden, dass sie die Veranlagung für den Defekt tragen und an ihre Nachkommen weitergeben können. WFFS ist damit ein typisches Beispiel für eine rezessiv (verdeckt) vererbte genetische Eigenschaft. So werden verschiedene positive und negative Erbeigenschaften zusammenfassend bezeichnet, auf die bei verschiedenen Tierarten routinemäßig untersucht wird. Auch die Fellfarben zählen hierzu. Da von mehreren Zuchtverbänden wiederholt Fragen zur WFFS-Thematik an ihr Dienstleistungsrechenzentrum vit herangetragen wurden, starteten dort auf Initiative einzelner Verbandsvertreter Anfang 2019 Untersuchungen zu WFFS. Dabei ging es um die Frage des Ursprungs und die Überprüfung der Annahme, dass die meisten Merkmalsträger (betroffene Tiere) bereits während der Trächtigkeit abgestoßen und gar nicht geboren werden (wir berichteten). Zudem wurde untersucht, ob Anlageträger vielleicht sogar einen Selektionsvorteil besitzen. Hierzu liegen nun erste Ergebnisse vor. Der Erbfehler WFFS ist in vielen Rassen und Zuchtpopulationen bekannt und nachgewiesen. Fälle wurden u.a. in den USA, der Schweiz, Schweden, Dänemark und Deutschland dokumentiert. Dies lässt den Schluss zu, dass die Mutation schon vor langer Zeit und bei einem Vorfahren entstanden sein muss, dessen Genetik sich in allen Populationen verbreitet hat. Den Ursprung von WFFS beim englischen Vollblut zu vermuten, liegt daher nahe. Als Veredler kamen und kommen englische Vollblüter in den meisten Warmblutzuchten seit Anfang des letzten Jahrhunderts immer wieder zum Einsatz. Bislang gab es nur Spekulationen, welcher Vollblüter nun konkret der Ausgangspunkt der WFFS-Verbreitung gewesen sein könnte. Die im Rechenzentrum durchgeführten Pedigreeanalysen brachten hier nun Licht ins Dunkel: Die gemeinsame Stammdatenbank der Zuchtverbände ermöglichte, die Abstammungen von rund 2000 auf WFFS getesteten Pferden sehr weit zurück zu verfolgen. Der Vergleich von Ahnen-Häufigkeiten zwischen positiv (WFFS-Träger) und negativ (WFFS-frei) getesteten Pferden lieferte dann den entscheidenden Hinweis: Der 1905 geborene englische Vollblüter Dark Ronald xx und sein Vater Bay Ronald xx (1893) waren unter rund 15.000 Pferden, die insgesamt in den Pedigrees auftauchten, die einzigen, die als Ahnen aller bekannten Anlageträger vorkamen. Die Mutation kann also bei diesen Hengsten oder noch früher erstmals aufgetreten sein. Erwartungsgemäß kamen diese prägenden Hengste zwar auch im Pedigree von fast allen freien Pferden vor, im Durchschnitt aber über deutlich weniger Linien als bei den Anlageträgern. Der Eintrag der Mutation in die Reitpferde-Populationen erfolgte dann über die Söhne des Dark Ronald xx, hauptsächlich Herold xx (1917) und Son-in-Law xx (1911). Als Ausgangspunkt für die Untersuchung von WFFS als Ursache für frühe und größtenteils vorgeburtliche (embryonale) Fohlenverluste dienten die Deckdaten einiger Verbände, die eine Pilotstudie angeregt hatten. Aus den letzten 10 Jahren standen damit rund 80.000 Bedeckungen von Stuten mit 882 WFFS getesteten Hengsten für die Analysen zur Verfügung. Für WFFS-Anlageträger ließ sich eine Verringerung der Abfohlraten (bzw. des Anteils überlebensfähiger Fohlen) um etwa 3% gegenüber WFFS-freien Hengsten statistisch absichern. Um die eigenen Ergebnisse einordnen zu können, wurde ein mathematisches Modell der Populationsgenetik, das Hardy-Weinberg-Gesetz, angewendet. Für Reitpferdepopulationen ist von einer Trägerfrequenz von 10 bis 15 % auszugehen. Die Anpaarung eines Hengstes, der Anlageträger ist, an die durchschnittliche Stutenpopulation ergibt dann einen Erwartungswert von ca. 3 % Merkmalsträgern. Die aktuellen Ergebnisse entsprechen damit genau den Erwartungen und bestätigen, dass WFFS überwiegend im Verborgenen wirkt. Die Kenntnis des WFFS-Status der eigenen Stute und die Vermeidung der Verpaarung von Anlageträgern erhöht in jedem Fall die Aussicht auf ein gesundes Fohlen. Die Meldung der WFFS-Untersuchungsergebnisse, zu der verschiedene Verbände wiederholt aufgerufen haben, erweitert die Möglichkeiten, das WFFS-Geschehen durch statistische Analysen solide aufzuarbeiten. Wenn Mutationen ausschließlich negativ wirken, halten sie sich selten dauerhaft in einer Population. Im Umkehrschluss begründet die Tatsache, dass WFFS seit langem vorkommt und weit verbreitet ist, die Hypothese, dass Anlageträger einen Selektionsvorteil besitzen könnten. Überprüft wurde diese Annahme im Rahmen des Pilotprojektes anhand von Zuchtwerten der Hengste für die Reitsportleistung. Zwar wurden keine signifikanten Ergebnisse gefunden, aber es zeigte sich eine leichte Tendenz v. a. in der Dressur und der Rittigkeit: Die Zuchtwerte der Anlageträger lagen hier im Mittel ca. 2 - 4 Punkte höher. Das Wichtigste im Umgang mit WFFS bleibt das Testen der Hengste und Zuchtstuten, um Anpaarungen von zwei Anlageträgern zu vermeiden. Denn nur aus solchen Anpaarungen können Merkmalsträger hervorgehen (auf WFFS zurückzuführende embryonale Verluste, Verfohlungen und nicht lebensfähige Fohlen). Die aktuellen Analysen können weiter ausgebaut und über das Rechenzentrum vit als Hilfestellung für den einzelnen Züchter angeboten werden: Für jedes Pferd lässt sich die Wahrscheinlichkeit berechnen, mit der es den WFFS-Defekt trägt. Allerdings müssten für eine möglichst sichere Berechnung noch weitere, insbesondere wichtige ältere Hengste nachtypisiert werden. Dann wäre es denkbar, nur noch solche Stuten zu testen, die mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit Träger der Mutation sind. Durch diese reduzierten Labortests könnten Kosten eingespart werden. Aufgabe der Pferdezucht ist es nun, zum angemessenen Umgang mit WFFS zu finden. Mit einer WFFS-freien Population könnte man nach aktuellem Kenntnisstand die Abfohlraten um ca. 3 % steigern. Dies stünde jedoch in keiner Relation zu dem Verlust an genetischer Vielfalt, der mit dem Zuchtausschluss aller aktuell bekannten Anlageträger verbunden wäre. Denn denselben Effekt erzielt man auch durch die konsequente Berücksichtigung des WFFS-Status bei Anpaarungsentscheidungen. WFFS ist - wie andere Erbfehler, die wir bis dato nur noch nicht identifiziert haben - durch gezieltes Testen und Anpaaren in den Griff zu bekommen, so dass kein Grund zur Panik besteht - weder in den Verbänden noch in der Züchterschaft. Quelle: vit Verden; M. Wobbe, F. Reinhardt, K.F. Stock, R. Reents vit Verden, 27. März 2019