Weltwunder Weltmeyer (Teil 2)
Wittinger, der Mustergültige
[caption id="attachment_206003" align="alignleft" width="293"]von Weltmeyer ist Wansuela
Suerte/Hubertus Schmidt.
World Cup I war ihr
Großvater. © Kiki Beelitz[/caption] Aus Weltmeyers erstem Jahrgang stammt Wittinger. Der Hengst hatte nicht nur die markante Fuchsfarbe vom Vater geerbt, sondern auch seine Ausstrahlung. Er war selbst in Dressurprüfungen bis St. Georg unter der bekannten Ausbilderin Susanne Lebek unterwegs. Doch zunächst beeindruckte er das Publikum bei seiner Hengstleistungsprüfung, die er mit dem sensationellen Dressurergebnis von 152,73 Punkten abschloss und mit 149,46 sogar eine höhere Gesamtpunktzahl als sein Vater erhielt. Wittinger sollte etliche gekörte Söhne sowie im Sport erfolgreiche Nachkommen haben. Die Stute What’s up ebnete dem jungen Stephan Köberle den Weg in den internationalen Dressursport. Aufgrund einer zu niedrigen Befruchtungsrate ging die züchterische Karriere von Wittinger jedoch schneller als vermutet zu Ende. Andere Nachkommen traten auf den Plan.
Wolkenstein II und Wolkentanz
[caption id="attachment_206005" align="alignleft" width="450"]100 Töchter mit Staatsprämie
vorweisen: Wolkentanz I. © Bernd Eylers[/caption] Ein wenig über den Wolken schwebten Wolkenstein II und Wolkentanz wohl von Anfang an. Die Meriten ihres Vaters machten es möglich. Wolkenstein II war 1992 Reservesieger seiner Körung und gewann 1993 das Bundeschampionat des Deutschen Reitpferdes in Mannheim. Auch bei seiner Hengstleistungsprüfung siegte er im gleichen Jahr. Der 1990 geborene Hengst war bis zum Schluss wie sein Vater in Celle stationiert. Er schien mit ihm noch weiter verbunden zu sein, denn nur drei Tage nach Weltmeyers Tod starb der Fuchs an einem Aortenabriss. Der von Dr. Max Schulz-Stellenfleth gezogene Spitzenvererber Wolkenstein II lieferte 47 gekörte Nachkommen und 156 Staatsprämienstuten. Seine Nachkommen im Sport gewannen etwa 800.000 Euro an Preisgeld. Am berühmtesten dürfte die Stute Wolke Sieben sein, die mit Sanneke Rothenberger erfolgreich aus dem Junge-Reiter-Lager in die U25-Dressur hineinwuchs. Wolkentanz I war ebenfalls Siegerhengst seiner Körung und holte 1994 den Titel des Bundeschampions. Der 1991 geborene Hengst weist 26 gekörte Söhne und 100 Töchter mit Staatsprämie auf. Seine Nachkommen gewannen um die 550.000 Euro. Herausragend ist der 1999 geborene Wito Corleone 2, der zunächst unter Alexandra Bimschas und später unter dem Luxemburger Sascha Schulz große Erfolge bis zum Grand Prix feiern konnte. [ihc-hide-content ihc_mb_type="show" ihc_mb_who="4,3" ihc_mb_template="3" ]
Auf dem Höhepunkt
Weltmeyer selbst wurde bis S-Niveau in der Dressur ausgebildet. Bedeutende Prüfungen ging er jedoch nicht mehr. Der Fokus lag bei ihm auf der Zucht. Während seiner gesamten züchterischen Karriere, die von 1988 bis 2011 dauern sollte, wurde Weltmeyer niemals im Natursprung eingesetzt. Nachdem er seine ersten beiden Jahre in Celle verbracht hatte, ging er in die Besamungsstation Ankum. Zeitweise deckte er pro Jahr mehr als 600 Stuten. Weltmeyer war in den 90er-Jahren längst zur Marke geworden, die ihren Kindern zuverlässig herausragende Bewegungen und eine großartige aktive Hinterhand mitgab. Außerdem ist die Charakterstärke und Intelligenz der meisten Nachkommen deutlich erkennbar. Kein Wunder also, dass Weltmeyer 1998 vom Zuchtausschuss des Verbandes zum Hannoveraner Hengst des Jahres ernannt wurde. Nur zwei Jahre nach seinem Vater wurde damit auch ihm diese höchste Ehre zuteil. Hermann Meyer erinnert sich an den Auftritt von Weltmeyer 2006 in Aachen im Rahmen der Weltreiterspiele, wo er an der Hand vorgeführt wurde. „Dieser Auftritt vor dem gigantischen Publikum in der Soers wird mir in Erinnerung bleiben. Er war bereits 22 Jahre alt und trabte dort wie ein Junger. Weltmeyer war einfach ein gewaltiger Hengst.“ 2011 verstarb Weltmeyer, für viele unerwartet, da er sich kurz zuvor noch bester Gesundheit erfreut und vor Kraft nur so gestrotzt hatte. Doch eine Kolik setzte seinem Leben ein plötzliches Ende. Was bleibt, ist eine züchterische Legende, ein Linienbegründer, ein Pferd, dessen Charakter und Bewegungsvermögen man nicht vergisst. Bis zum Jahr 2011 wurden über 4.000 Nachkommen in Hannover registriert. Auch nach seinem Tod folgten noch etliche nach. 470 Töchter von Weltmeyer wurden zu Staatsprämienstuten ernannt. Insgesamt wurden 111 seiner Söhne laut FN gekört. Die Liste der herausragenden Nachkommen, die ab 1989 das Licht der Welt erblickten, ist lang und kann nur auszugsweise wiedergegeben werden, anhand einiger leuchtender Beispiele, deren Leistung man bis heute nicht vergessen hat.Warum Nicht FRH
[caption id="attachment_206007" align="alignleft" width="299"]Nicht FRH, genannt
„Hannes“, tanzte unter
Dressurkönigin Isabell Werth
bis ganz nach oben. © Kiki Beelitz[/caption] Große Karriere im Dressurviereck machte der Weltmeyer-Sohn Warum Nicht FRH. Der Wallach beeindruckte von Beginn seiner Karriere an durch seine Größe, war aber keine explizite Schönheit und wirkte stets etwas schlaksig. Es war die geniale Reitkunst der Isabell Werth, die diesen Fuchs derart zur Geltung brachte. Die deutsche Dressurkönigin hatte es mit dem 1996 geborenen, 1,83 Meter großen Pferd nicht immer leicht, glaubte jedoch fest an sein Talent. „Er war ein Pferd mit großen Partien und verfügte über super Grundgangarten. Dazu kam, dass er bei keinerlei Lektionen irgendeine Schwäche zeigte. Er war sehr selbstbewusst, aber auch ziemlich bodenscheu. Das machte es nicht immer einfach mit ihm. Dennoch gehörte Hannes zu meinen besten Pferden.“ Den Spitznamen „Hannes“ hatte Warum Nicht FRH zu Ehren seines ehemaligen Reiters Hannes Baumgart bekommen. Bereits mit neun Jahren war Warum Nicht FRH in Aachen beim CHIO am Start und weit vorne platziert. Ein Jahr später war der Wallach Werths erste Wahl für die Weltreiterspiele in Aachen 2006. Doch eine Verletzung machte die Pläne zunichte und rief Satchmo auf den Plan, der durch eine hochklassige Leistungssteigerung zwei Gold- sowie eine Bronzemedaille sichern konnte und seinen Stallkollegen vorerst in den Schatten stellte. 2010 kam jedoch noch einmal ein großes Jahr für Hannes mit der Teilnahme an den Weltreiterspielen in Kentucky und der dort gewonnenen Mannschafts-Bronzemedaille. Außerdem war der Fuchswallach im Weltcup-Geschehen stets aktiv und gewann 2007 das Finale. 2008 reichte es zum zweiten Platz. Die Lebensgewinnsumme von Warum Nicht FRH belief sich auf circa 700.000 Euro, als Werth ihn 2012 nach einem Hüftbruch auf die Weide verabschiedete. Mit dieser Summe steht Warum nicht FRH bis heute an der Spitze der Nachkommen des Weltmeyer als absoluter Top-Verdiener. 19-jährig verstarb „Hannes“ während einer Kolikoperation. Er zeigte in seinem Sport, was für ein Pferd mit nicht optimalem Aussehen, aber viel Athletik möglich ist.
Auf dem Weg zu den Sternen
Der anhand seiner Erfolge wohl bedeutendste Nachkomme des Weltmeyer im Sport hatte einen Namen, der ihn sogleich der Erde entschweben ließ: Weltall. Der braune, 1994 geborene Wallach, geritten von Martin Schaudt, war kein einfaches Pferd, jedoch eines mit einem herausragenden Talent für Piaffe und Passage sowie die Verstärkungen. Im Bewegungsablauf und der Durchlässigkeit zeigte der stets recht heiße Wallach Schwächen. Jedoch war es ein Autounfall 2004, der Weltalls gerade im Aufstieg befindlichen Stern empfindlich abzubremsen schien. Durch den Crash mit einem Lkw wurde der Wallach aus dem Transporter geschleudert. Dabei erlitt er Verbrennungen und Abschürfungen, vor allem jedoch eine Nervenquetschung, aufgrund derer er seinen Schweif nicht mehr vollständig heben konnte. In der Folgezeit gab es Diskussionen im Dressurlager, ob man ein derartig gehandicaptes Pferd denn zu den Olympischen Spielen schicken könne. Man konnte und entschied sich richtig, denn das Paar trug zur Goldmedaille bei den Spielen 2004 in Athen bei. Im Herbst 2004 holte Weltall den Sieg beim German Masters in Stuttgart sogar mit einer Weltrekord-Leistung. Damals zeigte sich sein Reiter Martin Schaudt schwer beeindruckt: „Wir waren ja zu Beginn des Jahres nach dem Unfall ganz unten. Es ist unglaublich, mit welcher Kämpfernatur er es geschafft hat, zurückzukommen.“ 2007 wurde Weltall an die Familie Meggle verkauft. Unter deren Reiter Dieter Laugks war der Wallach noch bis 2012 im Grand-Prix-Sport hocherfolgreich. Neben Warum nicht FRH ist Weltall ein weiterer Nachkomme des Weltmeyer, der auf eine Gewinnsumme von über 100.000 Euro blicken kann. Genauer gesagt, waren es rund 213.000 Euro, die der Wallach für sich verbuchte. 2004 ging Weltall übrigens bei den Olympischen Spielen im selben Team wie Wansuela Suerte (Reiter: Hubertus Schmidt), der wohl berühmtesten Tochter von Warkant, einem Sohn des World Cup I – Verwandte unter sich.Top-Athleten überall
Bei weitem nicht nur in Deutschland, sondern rund um den Globus verteilt, trafen sich die Nachkommen des Weltmeyer schon bald in den Dressurvierecken der Welt. Bekannt wurde unter anderem Emma Hindles Wie Weltmeyer. 1990 geboren war er einer der ersten Nachkommen von Weltmeyer, die im Sport groß auftrumpften. Der Hengst wurde nach Großbritannien verkauft und nahm unter deren Flagge an den Olympischen Spielen in Sydney 2000 und Athen 2004 teil. Der zunächst von Holga Finken ausgebildete Wie Weltmeyer gewann mit seiner Reiterin 2003 sogar die Bronzemedaille bei den Europameisterschaften mit dem Team des Union Jack. Wie Weltmeyer brachte selbst erfolgreiche Nachkommen hervor. Herausragend war der von Fiona Bigwood, einer weiteren Britin, gerittene Wie Atlantico de Ymas, der zur Silbermannschaft der Weltreiterspiele in Kentucky gehörte. Außerdem ist Wie Weltmeyer Vater des 1996 geborenen, gekörten Hengstes Weltdieb. Die 1989 geborene Stute Weserperle ist die herausragende Tochter des Weltmeyer auf dem großen Viereck. Sie war Ellen Schulten-Baumers erstes Erfolgspferd und arbeitete sich mit ihrer jungen Reiterin bis zu Starts beim CHIO in Aachen hoch. 1996 und 1997 wurden sie zunächst Mannschafts- und Einzel-Vizeeuropameister bei den Junioren, 1998 Mannschafts- und Einzel-Europameister bei den Jungen Reitern. Bis in den B-Kader schaffte es das Paar auf dem Höhepunkt der Karriere. Weserperle verstarb jedoch sehr jung mit nur 14 Jahren, was leider ihrer Geschichte ein trauriges Ende setzte. „Bis heute ist mir Weserperle unvergessen“, erinnert sich Ellen Schulten-Baumer. „Wir sind damals zu einem Dreamteam zusammengewachsen, auch wenn das am Anfang für mich gar nicht so aussah. Wir gingen durch dick und dünn zusammen. Woran ich mich bis heute erinnere, ist ihre unglaubliche Charakterstärke.“ Weltrang war unter Christine Eglinski und HansJörg Kaltenböck bis zum Grand Prix Special erfolgreich. Er ist der erfolgreichste „nicht-hannoversche“ Nachkomme des Weltmeyer im Sportgeschehen und stammte aus der bayerischen Zucht. Der 1990 geborene Hengst brachte sowohl sportlich erfolgreiche wie auch gekörte Nachkommen hervor. Ebenfalls aus der bayerischen Zucht stammte Wanesco, der unter Holga Finken, Frank Freund und Ute Belitz bis zur Klasse S im Viereck brillierte. Der 1994 geborene Wallach Welttender nahm unter Andrea Timpe erfolgreich bis Intermediaire I an Dressurprüfungen teil und ebnete der damals noch blutjungen Reiterin den Weg vom Junge-Reiter-Lager in den Seniorensport.Springen können sie auch
Auch wenn es eine Tatsache ist, dass die meisten Nachkommen des Weltmeyer auf den Dressurvierecken dieser Welt zu Hause sind, entdeckt man auch im Springparcours immer wieder Nachkommen des Spitzenvererbers. Nach Gewinnsumme ganz vorne steht Win Again 6, der im Parcours bis Klasse S unter Philipp Schober unterwegs war. Der 1996 geborene Hengst wurde selbst Vater einiger eingetragener Zuchtstuten und Sportpferde. Zugegebenermaßen sind es wenige Springpferde, die den Namen Weltmeyer als Vater in ihrem Pedigree aufweisen können. Doch diese wenigen zeugen davon, dass der Hengst auch hier über Vererbertalent verfügte, wie er es einst bei seiner Hengstleistungsprüfung selbst gezeigt hat. Insgesamt elf Bundeschampions unterschiedlicher Disziplinen gehen auf Weltmeyers Konto. Zu ihnen gehören Wolkenstein II, Wolkentanz, White Star oder Welt Hit I, aber auch das Fahrpferd Westminster. Wanecso gelang das Kunststück, seinen Titel des Bundeschampions gleich zwei Mal zu holen.Karriere auch als Muttervater
Nicht nur seine direkten Nachkommen leisteten Herausragendes. Weltmeyer war zudem ein überragender Muttervater. Besondere Beachtung verdient Florencio, der 1999 geboren wurde. Er trumpfte unter Hans-Peter Minderhoud bei den Weltmeisterschaften der Jungen Dressurpferde in Verden 2004 auf und holte den Sieg in die Niederlande. Dabei erhielt er die höchste Wertnote, die jemals bei diesem Wettkampf vergeben worden war. Ein Jahr später wiederholte der Hengst den Triumph, bevor er sich hauptsächlich der Zucht widmen sollte. Auch der Bundeschampion FS Lord Loxley sowie die Bundeschampioness La Perla tragen Weltmeyer-Blut in sich. Bis heute sind Nachkommen des Hengstes im Sport unterwegs. Insgesamt gewannen die Söhne und Töchter des Weltmeyer bislang laut FN über 2,7 Millionen Euro. [caption id="attachment_206011" align="alignleft" width="294"]Weltmeyer, bevor er im Jahr
2011 unerwartet an einer
Kolik verstarb. © Niedersächsisches Landgestüt Celle[/caption] Hermann Meyer ließ es sich übrigens ebenfalls nicht nehmen, Weltmeyer als Zuchthengst einzusetzen. „Er ist nach wie vor bei uns“, verrät der Züchter. „Auch in diesem Jahr hatten wir ein Weltmeyer-Fohlen aus TG-Sperma. Einige junge Weltmeyer sind zudem bei uns auf dem Hof geblieben. Er vererbt sich wirklich gut und irgendwie haben die Pferde alle etwas von ihm, wenn sie auch ganz eigene Persönlichkeiten zeigen. Doch seine besonders aktive Hinterhand vererbt Weltmeyer wirklich bestens. Wir nutzen ihn gerne in Kombination mit Stuten, die ihren Fohlen wohl eine wenig aktive Hinterhand mitgeben würden.“ So blieb Weltmeyer für seinen Züchter eine Familienangelegenheit. „Wir sprechen oft über ihn, weil er eben so etwas Besonderes war. Oft erinnere ich mich wie gestern daran, dass das Fohlen vor mir stand, und denke mir, so etwas erlebt man nur einmal.“ Aus einem Stall in Freiburg, am höchsten Punkt Niedersachsens an der Mündung der Elbe gelegen, machte sich ein Fuchshengst daran, die Welt zu erobern. Und diese vereint er in seinem Namen mit seinem Züchter: Hermann Meyer, dem mit diesem Pferd der eine große Wurf gelang, von dem jeder träumt. [/ihc-hide-content] © Dieser Auszug basiert auf einem Beitrag von Alexandra Koch, der im Sammelwerk „Ausgewählte Hengste Deutschlands 2018/19“ erschienen ist.
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