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  • Nabab de Rève – Ein Franzose von Welt (Teil 1)

    Nabab de Rève – Ein Franzose von Welt (Teil 1)

    Einer der weltweit spektakulärsten Vererber der letzten zehn Jahre ist unbestritten Nabab de Reve. Bedauerlicherweise trat er 2015 von der züchterischen Bühne ab. Mit einem lupenreinen Selle-Français-Pedigree ausgewiesen, hinterlässt er, eingesetzt in Belgien, weltweit erfolgreiche Nachkommen. Besonders der Blick in seine Abstammung ist informativ und beschreibt französische Zuchtgeschichte.

    Bei den Weltreiterspielen
    in Jerez schaffte es Nabab
    unter dem belgischen
    Nationenpreisreiter
    Philippe Le Jeune zu
    Mannschaftsbronze. © Dirk Caremans

    In der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts kam es in Frankreich zur Gründung der „Haras Nationaux“. Ziel und Zweck war es, Pferde fürs Militär selbst zu züchten und nicht im Ausland teuer kaufen zu müssen. Im Laufe der nächsten Jahrzehnte entwickelte sich im zentralistisch geführten Frankreich diese nationale Gestütsverwaltung zum Dreh- und Angelpunkt für alle Pferderassen, vom Araber bis zum Vollblüter, vom schweren Bretonen bis zu den Maultieren. Diese staatlichen Bemühungen trugen lange Zeit reiche Früchte. Im Zweiten Weltkrieg jedoch entstanden landesweit große Lücken im Pferdebestand, da die deutschen Besatzer zahlreiche Zuchttiere für sich beanspruchten. Wieder waren es die nationalen Gestüte, die nach dem Krieg Anschubhilfe leisteten – vor allem musste nach einer neuen Legitimation für das Pferd gesucht werden, denn der „Hafer-Motor“ kämpfte einen ausweglosen Kampf gegen die dieselbetriebenen Traktoren. Zwar hatte man bereits in den 20er- und 30er-Jahren veredelt, unter anderem mit viel Traberblut, doch nun suchte man nach den passenden Veredlern in den Vollblutgestüten, um Reitpferde für die aufkeimende Reiterei zu züchten. Eine Delegation von Gestütsbeamten mit viel Faible für die „neue Richtung“ wurde nach England geschickt, ins Ursprungsland der Blüter. Auf den Rennbahnen wurde man schnell fündig und Furioso xx (Vater des Furioso II, der u.a. Florestan-Großvater wurde), Ultimate xx und Fra Diavolo xx sowie weitere kamen zu den Züchtern, vor allem in die Normandie.

     

     

     

     

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    Nababs Vaterseite

    Ein überaus erfolgreicher
    Nabab-Sohn ist Vigo
    d’Arsouilles, ebenfalls geritten
    von Philippe Le Jeune.
    Das Paar ersprang sich
    den Weltmeistertitel 2010
    in Kentucky © Dirk Caremans

    Beginnt man bei Orange Peel xx, steht ein Vererber im fallenden Mannesstamm, dem viele eine zentrale Bedeutung bei der Erschaffung des modernen normannischen Pferdes zuschreiben. Überschwänglich wurde er häufig als „Le père du cheval normand“ (deutsch: Vater des normannischen Pferdes) bezeichnet. Geboren 1919 wirkte der starke Braune bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges. Der Jus-d’Orange-xx-Sohn, der oft als englischer xx-Hengst bezeichnet wird, ist korrekterweise ein Produkt der französischen Vollblutzucht. Zeitlebens stand er im Nationalgestüt Saint Lo. Der Hippologe Gustav Rau beschreibt ihn in einem Artikel für die Pferdezeitschrift St. Georg als einen „mächtigen Hengst von der größten Anlage, mit viel Knochen, mächtigem Widerrist, prachtvollem Oberkörper, enormer Tiefe und recht guten Beinen“. Dieser Beschäler war also in jeder Beziehung auffällig. Seziert man den Mannesstamm weiter, trifft man an entscheidender Stelle auf Le Sancy xx. Er war nicht nur Großvater des Rittersporn xx, der den für die europäische Zucht so bedeutenden Ramzes AA brachte und damit für Ramiro und Radetzky sorgte. Le Sancy xx ist auch Großvater von Wotan, dem erfolgreichsten deutschen Springpferd der 1920er- und 30er-Jahre.

    The Last Orange öffnet die Turnierplätze

    1940, der Zweite Weltkrieg war in vollem Gange, wurde die braune Tochter des Horloger (Traber mal Vollblut) namens Velleda mit Orange Peel xx angepaart, ein Jahr später erblickte ein schlaksiger Brauner den Himmel über der Normandie: The Last Orange, mit einem Edelblut-Anteil von fast 70 Prozent ausgestattet, wurde Staatshengst in Saint Lo und nach seiner Körung nahe Saint-Marie-du-Mont stationiert. 1944 waren hier die Amerikaner auf dem „Utah-Beach“ gelandet. Die ortsansässigen Pferdezüchter rebellierten offen gegen den blütigen Junghengst – man wollte kein Reitpferd, sondern Zugkraft! Doch The Last Orange hatte mit seinem Gestütsdirektor Monsieur De Laurens de Saint Martin (die Z-Magazine nannten ihn „ein verflixter Neumodischer“) Glück, denn er war ein Befürworter der aufkeimenden französischen Reitpferdezucht. Seine Idee war es, Sportprüfungen für junge Zuchttiere zu installieren, um früh ihre Qualität messbar zu machen. Er war es, der mit der Gründung der Sociétés Hippique Rurale (Ländliche Reitervereinigungen) die Grundlage schaffte, um regionale Turniere zu organisieren. Pferde wie The Last Orange und seine Nachkommen konnten sich hier messen und halfen dabei, die Vorbehalte gegen den Hengst innerhalb der Züchterschaft abzubauen. Eine seiner Partnerinnen war die Fuchsstute Vaillante von Porte Bonheur, nur einmal, 1951, wurde sie ihm zugeführt.

    Ibrahim, Schönling und Leistungshengst

    Im Jahr darauf wurde Ibrahim geboren. In dieser Zeit hatte das Interesse an seinem Vater deutlich zugenommen, die ersten Kinder des The Last Orange waren über den Stangen nicht ungeschickt. Der legendäre Pferdehändler Alfred Lefèvre schätzte Ibrahim zwar nicht sonderlich, kaufte den Braunen aber trotzdem von seinem Züchter René Haize für 500 Francs. Seine Mutter brachte später einen weiteren gekörten Sohn, Mersebourg, der ebenfalls in die staatliche Gestütsverwaltung verkauft wurde. Ibrahims Halbschwester Ossuna wurde dreifache Hengstmutter. Leistung ist in dieser Stutenfamilie offensichtlich kein Zufall. Die damals an zentralen Orten der Normandie durchgeführten sogenannten Ankaufskörungen sahen Ibrahim dreimal auf Platz eins. Dies brachte ihm den Titel Hengstchampion 1956 und Lefèvre einen Verkaufspreis von 8.000 Francs ein. Sein Kopf war wohlgeformt, die Augen stets wach, der vornehm gebogene Hals führte gut verbunden in den Widerrist, zudem war sein Rücken stark ausgeprägt, er hatte insgesamt genügend Breite und Tiefe, Schulter und Röhren waren passend, die Fundamente ausreichend stark und sein Rasseausdruck prägnant. Dennoch: Die normannischen Züchter blieben zunächst zurückhaltend, einige ließen sogar Cob-Stuten von Ibrahim decken, ein deutlicher Fingerzeig für ihr Desinteresse. Ohnehin zeugte er mit seinen Partnerinnen deutlich mehr Stuten als Hengste. Erst als eine dieser Stuten namens Norvale (Reiter: Jean-Michel Gaud) im internationalen Topsport landete, schmolz das Eis. Wenig später erschienen Topjumper wie Tango-C, die 1973 beim Grand Prix von Berlin fast durchs Hallendach flog – nun wollte jeder einen „Ibrahim“ haben! Doch bereits am 4. Oktober 1974 ging dieser grandiose Stempelhengst ein. Die Züchter blieben über seine Söhne wie beispielsweise Double Espoir (er wirkte in der Vendèe, für viele Normannen bereits Ausland) bei seinem Blut. Oft war Ibrahim mit Stuten, die Ultimatexx-Blut führten, besonders erfolgreich. Zum Beispiel mit Girondine, der Tochter des Ultimate xx, eines Iren, der mit Furioso xx im gleichen Fährschiff von England in die Normandie gekommen war. Der Schwarzbraune war an der Basis hochangesehen. Als Saint-Lo-Hengst fand er viel Zuspruch. In seinem Mannesstamm findet man den Hengst Isinglass xx, der in der Warmblutzucht, beispielsweise in Holstein, über seine Nachkommen Anblick xx und Manometer xx wirkt. In der vierten Generation auf der Mutterseite stößt man auf Hurry On xx, den man auch bei Furioso xx vorfindet. Auf dieser Seite des Pedigrees ist auch Gallinule xx verzeichnet; er ist ein Vorfahre des Blauen Vogels xx, dessen Enkelin die Olympiasiegerin von 1936, Tora, ist. Die oben genannte Girondine wurde Mutter des IbrahimSohnes Almé Z (geb. 1966). Almé Z sorgte für den Erhalt der Hengstlinie auf hohem Stand.

    Almé Z, Zangersheides und Frankreichs Aufstieg

    Auch als Muttervater
    vererbte Nabab de Reve
    sein Springvermögen –
    zum Beispiel an Hello
    Sanctos, das Ausnahmepferd
    von Scott Brash. © Dirk Caremans

    Geboren bei Alphonse Chauvin im Department Manche, aufgezogen bei Alfred Lefèvre, sorgte er für Aufsehen, als er die Hengstwettbewerbe von Saint Lo gewann. Unter seinem Reiter und Besitzer, dem amerikanischen Amateur Fred Graham, heimste er reihenweise goldene Schleifen in Aufbauwettbewerben ein. Der belgische Olympiareiter François Mathy hatte von einem Insider aus der Normandie Informationen über ein Pferd erhalten, das als „Weltwunder und Selbstfahrer“ beschrieben wurde. Binnen kurzer Zeit fuhr der niederländische Nationenpreisreiter Eric Wauters mit einem „Investor“, dem Eigentümer des Gestüts Zangersheide, Leon Melchior, in die Normandie zu einem dieser Jungpferde-Turniere. Almé Z wurde dort vorgeritten von Michel Parot. Wauters notierte später: „Als der imposante Braune auf dem Abreiteplatz erschien, waren wir perplex! Jeder Sprung wie aus dem Lehrbuch!“ Melchior machte noch am gleichen Tag den Deal perfekt, auch wenn es hierzu noch ein gerichtliches Nachspiel gab, denn Graham wollte den Verkauf noch einmal rückgängig machen. Almé erhielt also das Z als Namenszusatz und ging nach Zangersheide. Bereits aus seiner frühen Zeit kamen schnell die ersten Topspringer (und Deckhengste) in die Gewinnstatistiken: Galoubet A – Mannschaftsweltmeister 1982, I love you – Sieger im Weltcup-Finale. Bei Melchior wurde Almé Z mit den erstklassigen hannoverschen Stuten des Gestütes Zangersheide verbunden. Aus diesen Anpaarungen entstanden zuhauf herausragende Sportler. Bei seinen durchschlagenden Söhnen wirkten besonders Alexis Z, Athlet Z und Ahorn Z, um nur einige zu nennen. Almé Z selbst wurde Benelux-Meister und war neben der Zucht sportlich hocherfolgreich. 1984 kaufte ein französisches Syndikat (Anteil je 22.000 Francs) unter der Führung des Bernard le Courtois Almé Z, um ihn in Frankreich einzusetzen. 1991 trat der Hengst ab.

    Jalisco B, der beste Almé Z

    1975 wurde Jalisco B geboren, ein Sohn von Almé Z und Tanagra (auch Mutter der internationalen Springpferde Danoso und Escurial). Tanagra war eine Tochter des großen Furioso xx, den die „französische Expedition“ 1946 bereits 7-jährig aus England holte, nicht ohne ihn vorher reiterlich auszuprobieren. „Immer im Gleichgewicht“ und „annähernd ideale Sattellage“ sowie „geringe Abstriche in der Hinterhand“ stehen im Ankaufsprotokoll. Man war sich schnell einig: 800 Pfund. Im Pedigree von Furioso xx vereinigen sich die Hurry-on- und die Dark-Ronald-Linie, beide in der Warmblutzucht hochanerkannt. Vater Precipitation xx brachte für das Selle Français noch einen Enkelsohn, Espoir d’Escla, der bedeutend wurde für die Reitpferdezucht. Wer bei Furioso xx mit einer überzeugenden Rennleistung gerechnet hätte, wurde enttäuscht: 21 Starts, vier Platzierungen. Dass diese Sorte Vollbluthengste trotzdem oder gerade deshalb bei der Veredelung gut funktionierten, dafür gibt es eine Reihe Beispiele: Cottage Son xx, Pik As xx und beispielsweise Ladykiller xx. Die Zuchtbilanz von Furioso xx ist überragend: Unter den 304 Nachkommen findet man Olympiasieger (Lutteur B), Weltmeister (Pomone B) und Spitzenvererber wie Mexico. Furioso II und Futuro in Oldenburg und Urenkel wie Florestan in Westfalen halten das Blut erfolgreich in der europäischen Warmblutzucht. Der Florestan-Enkel Fürstenball sorgt zurzeit für einen wahren Hype auf diese Genetik. Furioso-xx-Sohn Jalisco B, großrahmig, 1,75 Meter Stockmaß, war sportlich (1983 Sieger im Grand Prix von Paris) wie züchterisch bedeutend: 16 gekörte Söhne, weltmeisterliche Nachkommen (Quito de Baussy) und Olympia-Teilnehmer (u.a. Rochet M, Verte e Rouge). Jalisco B nahm selbst 1988 für Portugal an den Olympischen Spielen in Seoul teil. Bei den Söhnen mit Lizenz zum Decken ist einer der herausragendsten Quidam de Revel.

    Quidam de Revel, ein Weltveränderer

    Aus der Anpaarung Jalisco B mit der wesentlich weniger vollblütigen Elitestute Dirka (1,63 Meter) von Nankin (Sohn des o.g. Fra Diavolo xx) stammt Quidam de Revel. Fra Diavolo xx, braun, nur 1,61 Meter Stockmaß, passte hervorragend zu den wuchtigen anglonormannischen Stuten, die im Bezirk des Haras Saint Lo vorherrschend waren. Sohn Nankin hat sich besondere Verdienste erworben, vor allem wegen seines Sohnes Uriel. Dieser mittelgroße Fuchs brachte mit unterschiedlichsten Partnerinnen mehr als 40 gekörte Söhne, er ist auch Vater der Großmutter von Quattro B, der viele Jahre segensreich bei Böckmann in Oldenburg deckte. Erst im Herbst 2016 machten Q-Nachkommen die Verdener Körung zu einem Q-Festival und verhalfen diesem im Ursprung Selle-Français-Blut zu einer wahren Renaissance, diesmal nicht über den Stangen, sondern auf dem Viereck! Die oben erwähnte Dirka glänzte mit viel Eigenleistung: Unter Rodrigo Pessoa und Xavier Leredde war sie einige Jahre erfolgreich in Großen Preisen unterwegs. Züchterisch ist ihre Bilanz enorm: vier gekörte Söhne (Vallon Rouge, Aiglon Rouge, Texas Z, Quidam de Revel) sowie die international erfolgreichen Töchter Orka de Revel und Paprika de Revel. Quidam de Revel wurde 1982 geboren, jedoch erstmals 1987 züchterisch eingesetzt. Erst durch seine spektakulären Erfolge als Sportpferd wuchs die Nachfrage nach seinen väterlichen Qualitäten. Zu dieser Zeit holte man in Deutschland die Zuchthengste nur zum Decken aus dem Stall. Doch die Franzosen- und Benelux-Hengste bewiesen sich neben dem Deckeinsatz bereits als Sportpferde. Quidam de Revels unvergessene Erfolge waren der vierte Platz (Einzelwertung) bei der Olympiade 1992 in Barcelona (die Almé-Z-Enkelin Ratina Z landete auf Platz zwei) sowie die Bronze-Medaille mit Team Frankreich. 1993 wurde der Jalisco-B-Sohn nach Dänemark verkauft, wo er unter den Geschwistern Charlotte und Thomas Velin bis 2001 international hocherfolgreich im internationalen Parcours lief. Erst 19-jährig wurde er in den sportlichen Ruhestand verabschiedet. Seine züchterische Bilanz ist immens: 190 gekörte Söhne, darunter der Silbermedaillen-Gewinner 2012 Verdi (ein viel beschäftigter Deck- und Sporthengst aus einer reinblütig holsteinischen Mutter von Landgraf), der Mannschaftsweltmeister 2002 im spanischen Jerez, Dollar dela Pierre (Inzucht auf Nankin), oder Guidam und Quel Homme (Deutscher Meister mit René Tebbel). Diese Nachkommen belegen auch die unbestrittene Veranlagung für springsportliche Höchstleistungen. In Holstein zunächst nur im Zuchtversuch für 30 Stuten zugelassen, etablierte sich Quidam de Revel schnell. Heute beeindrucken seine Söhne und Enkel alle Jahre auf den Körungen die Züchter, so die Holsteiner Quite Capitol und Quidam’s Rubin sowie der hannoversch gebrannte Quaid. Im „Hannoverschen Hengstbuch 2016“ sind 437 Nachkommen des Quidam de Revel erfasst – davon gehen 149 auf S-Niveau und besser.

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    © Dieser Auszug basiert auf einem Beitrag von Franz-Josef Neuhaus, der im Sammelwerk „Ausgewählte Hengste Deutschlands 2018/19“ erschienen ist.

  • Nabab de Rève – Ein Franzose von Welt (Teil 2)

    Nabab de Rève – Ein Franzose von Welt (Teil 2)

    Nababs Mutterseite

    Holte auf den Olympischen
    Spielen 2012 in London
    mit Gerco Schröder die
    Silbermedaille im Einzel:
    Nabab-Sohn Glock’s London. © Stefan Lafrentz

    Beim Auswerten und Suchen in Abstammungsnachweisen und Zuchtbüchern erlebt man im Falle von Nabab so manchen Aha-Effekt. So findet sich hier beispielsweise der Beleg, dass die erste bekannte Stute in seinem Mutterstamm Oreille (geb. 1914) ist. Sie ist eine Enkelin des Fuchsia – was hier wie ein Stutenname klingt, ist die bedeutendste Traberlegende seiner Zeit. Dabei war Fuchsia (er gilt als Vater des französischen Trabers) ein Kreuzungsprodukt aus englischem Vollblut, Norfolker und der bereits damals erfolgreichen französischen Traber-Linie des Young Sattler, einem englischen Halbblüter. Dass auch die Selle-Français-Züchter ihn als Erfolgsmotor für ihre Springpferde reklamieren, liegt in der Tatsache begründet, dass viele SF-Springer viel Genetik des französischen Trabers besitzen, so zum Beispiel Jappeloup und Galoubet A. Im weiteren folgen Stuten, die sich oft durch Härte und Leistungsbereitschaft in der Landwirtschaft auszeichneten, so etwa Duchesse, die von ihrem Züchter, einem „Cultivateur“, also Landwirt, so beschrieben wird: „Sie wollte alles ziehen und gab nie auf!“ Eine gute Voraussetzung.

    Univers, Tochter von Rantzau xx und Imperatrice

    Die Duchesse-Tochter Imperatrice (von Atour) wurde Partnerin des Rantzau xx, der in den ersten Jahren seines Wirkens von den Züchtern oft als unkalkulierbares Risiko eingestuft wurde. Scheinbar fehlte den Nachkommen von Rantzau xx die richtige Einstellung für die Zusammenarbeit mit dem Menschen. Seine beiden ersten Söhne, Nez de Cuir und Prince, wurden zwar von Saint Lo und Le Pin angekauft, aber nach drei Jahren Aufzucht ohne große Zuwendung nie eingesetzt. Beide hätten von Anfang an mehr menschlichen Kontakt gebraucht. Als dann die ersten Nachkommen des Rantzau xx zu leistungsstarken Reitern kamen, wurde die Zeit für den Fuchshengst zu kurz, um noch möglichst viele Kinder zu zeugen. Unvergessen bleiben aber internationale Spitzensportler wie Fier de Lui und Prince Charmant (später als Deckhengst für die Sennerzucht in Deutschland zugelassen) – und vor allem Cor de la Bryère, ohne den es einen Holsteiner heutiger Prägung nicht geben würde. Bei Rantzau xx ist, dies belegen Beispiele, der Mehrwert oft erst zwei oder drei Generationen später aufgetreten, siehe Baloubet du Rouet, dessen Mutter Tochter des Rantzau-xx-Sohnes Starter ist. Und immer wieder die Kombination Rantzau xx – Furioso xx, sie schien ein Erfolgsrezept zu sein. Die im aufsteigenden Mutterstamm verzeichnete Rantzau-xx-Imperatrice-Tochter Univers setzt auf schmalem Grad die Stutendynastie des Nabab fort.

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    Auf Univers folgt Caravelle

    Quidam’s Rubin,
    ein Halbbruder von
    Nabab, beeindruckte
    bereits auf seiner
    Hengstleistungsprüfung
    mit Idealnoten von 10,0 © Eylers
    für seine Springmanier.

    Caravelle wuchs als Waise auf, da Mutter Univers bei ihrer Geburt starb. Caravelles Vater war der angesehene Bel Avenir, dessen Tochter Abeille B die Großmutter des in Hannover lange Jahre erfolgreich eingesetzten SF-Hengstes Quasi Roi (von Hadja x). Auch die zweite Mutter des Baloubet du Rouet ist eine Bel-AvenirTochter. Kein Zufall! Caravelle brachte sechs Nachkommen, Tochter Gracieuse K (v. Artichaut) gewann zweimal mit Patrice Delaveau die französische Meisterschaft der Jungen Reiter. Gracieuse brachte die internationalen Springpferde Caladin II und Ut du Tot. Für die enorme Leistungsdichte im Mutterstamm ließen sich weitere Leistungspferde aufzählen. Doch Caravelles Nachwuchs mit der größten Nachhaltigkeit wurde eine weitere Artichaut-Tochter mit dem fantasievollen Namen Melodie en Fa (deutsch: Melodie auf F), geboren im Jahr 1978. Zunächst für eine Sportkarriere vorgesehen – immerhin brachte sie es unter Jan Vleugels bis auf den dritten Platz beim belgischen Championat – und inzwischen im Beritt bei Nelson Pessoa, beendete sie überraschend mit einem Sehnenschaden ihre sportliche Laufbahn. Sie kam zu Stephan de Bruyn ins Haras de Reve, wo sie 1988 ihr erstes Fohlen bekam. 1990 wurde Nabab de Reve vom oben beschriebenen Quidam de Revel geboren; weitere drei Kinder gehen über 1,40, 1,50 und 1,60 Meter Höhe, neben Nabab sind das Pin-up de Reve, Rush de Reve und Une Melodie de Reve. Gekört wurden neben Nabab auch Rush de Reve und Illico de Reve (ging in die Schweiz). Die Väter der Erfolgspferde sind neben Quidam weitere sechs Vererber, was die enorme züchterische Durchsetzungskraft der Mutter belegt.

     

     

    Nababs Karriere und sein Nachlass

    Nabab sprang als Youngster in den Aufbauprüfungen für junge Springpferde unter dem in diesem Metier erfahrenen Stephan van de Walle. Als Nabab 9-jährig war, übernahm der renommierte belgische Nationenpreisreiter Philippe Le Jeune die Verantwortung für den braunen Sportsmann, die Zusammenarbeit war von Anfang an erfolgsorientiert. Sie standen ganz oben auf dem Treppchen bei den Sires of the World in Malines und beim Grand Prix im nordfranzösischen Compiegne. Beide gewannen 2001 mit dem belgischen Team den Nationenpreis von Aachen. Nach der etwas glücklosen Teilnahme an der Europameisterschaft in Arnheim 2001, kamen die Weltreiterspiele in Jerez de la Frontera im Jahr darauf zum richtigen Zeitpunkt: Bronze für die belgische Mannschaft mit Nabab unter Le Jeune.

    Nababs Kinder in Zucht und Sport

    Der Jahrhunderthengst
    Quidam de Revel, Nababs
    Vater, hat 190 gekörte Söhne
    hervorgebracht. © Ridehesten.com

    Ein Springhengst auf Weltklasseniveau ist der Nabab-Sohn Glock’s London (Mutter von Chin Chin). Er war vorher unter dem Namen Eurocommerce London bekannt und holte in der Stadt, deren Namen er trägt, anlässlich der Olympischen Spiele 2012 mit Gerco Schröder die Silbermedaille im Einzel. Neben Siegen und Platzierungen in Großen Preisen gewann er unter anderem die elfte Etappe der Global Champions Tour in Wien. In Deutschland wird sein Samen von der Hengststation Schockemöhle vertrieben. Le Jeune war es auch, der den Nabab-Sohn Vigo d’Arsouilles (ingezogen auf Ibrahim) zum Weltmeistertitel 2010 in Kentucky führte. Sein Sohn, Vagabond de la Pomme, wurde 2015 unter Pénélope Leprovest Zweiter beim Weltcup-Finale in Las Vegas. Aus der Nabab-Tochter Walnut de Muze (Topjumperin und Mutter von allein sechs über internationale Abmessungen springenden Kindern) stammt der rappfarbene und in der Zucht inzwischen hoch gehandelte Hengst I’m Special de Muze, der neben WeltcupSiegen wie in Washington eine Reihe Großer Preise und Nationenpreise (Aachen, Falsterbo, Gijon) gewann. Von London und Walnut de Muze ist der belgische Hengsthalter Joris de Brabander der Züchter, Vigo d’Arsouilles steht auf seiner Station. Ebenfalls aus einer Nabab-Tochter stammt Hello Sanctos, der unter Scott Brash 2015 den Großen Preis von Aachen gewann. Viel Aufsehen erregte er auch mit dem Gewinn der Mannschafts-Goldmedaille bei den Olympischen Spielen in London 2012. Bereits 2014 war er von der WBFSH zum „besten Springpferd der Welt“ proklamiert worden. Hello Sanctos gewann außerdem den Rolex Grand Slam, ausgestattet mit einem der höchsten Gewinnprämien, die jemals im Reitsport ausgeschüttet wurden: 1,3 Millionen Euro. Die Liste der Topjumper, die Nabab zum Vater haben, lässt sich noch um einige Namen fortsetzen. Allein bei den Weltreiterspielen in Kentucky war Nabab mit vier Kindern (Vigo d’Arsouilles, Valentina van’t Heike, Va et Viens des Zelm und Walnut de Muze) Spitzenvererber bei den teilnehmenden Pferden, die hier auf höchstem Niveau im Parcours um den Sieg kämpften.

    Nababs Einsatz in der Zucht

    Zeitgenossen, die Nabab in seiner aktiven züchterischen wie sportlichen Zeit gekannt haben, beschreiben ihn als ruhig und ausgeglichen. Er verfügte über einen starken Rücken, war mit gewaltiger Galoppade ausgestattet, hatte ein unbegrenztes mutiges Springen, was ihn förmlich fliegen ließ, im Bewegungsablauf vermisste man die letzte Elastizität, im Typ wurde er als schwer, als kalibrig beschrieben – obwohl er einen xx/ox-Anteil von über 60 Prozent im Pedigree aufweist. Seine Partnerinnen, mit denen er gute Nachkommen gezeugt hat, standen oft höher im Blut, waren willensstark, mit wendigem und flinkem Bewegungsablauf. Fingerzeige auf die passenden Partnerinnen geben unter anderem die Chin-Chin-Töchter, wie beispielsweise die Mütter von Glocks London, Walnut de Muze und Equador van’t Roosakker. Nabab-Kinder, die auch eine Mutter des Pachat II haben, sind ebenfalls sehr geeignet für Anpaarungen. Pachat II, ein Hengst mit viel Leistungsbereitschaft und Go, ging international, sein Vater ist ein Anglo-Araber, seine Mutter Hautesse stammt von Quastor ab (v. Ibrahim und viel Inzucht auf Orange Peel xx). Die Mutter von Hautesse ist eine Tochter des bereits in Nababs Pedigree auffälligen Bel Avenir. Nabab mal Pachat II – das ist eine Kombination, die viele gute Springer bis über 1,60 Meter verspricht. Übrigens: Pachat II stand bei Joris de Brabander, ebenso wie Nabab. Auch die Verbindung Nabab x Lys de Darmen scheint vielversprechend zu sein, denn dabei wird Nababs Vorfahre Ibrahim mit Lys de Darmens Mutter „Darmen“ (einer Enkelin des Ibrahim) zusammengeführt. Einleuchtende Beispiele sind die Olympiapferde Valentina van’t Heike, Hello Sanctos sowie Wido. Eine weitere Variation für gelungene Linienzucht ist Nabab de Reve mit Furioso II: Erfolgreiche Beispiele hierfür sind Derly Chin de Muze, Epleaser van’t Heike (Mutter ist die bereits erwähnte Valentina), Vagabond de la Pomme (Vigo d’Arsouilles x For Pleasure) und Barron (For Pleasure x Nabab).

    Bestes Springpferdeblut

    Nabab de Reve ist in der Summe einer der erfolgreichsten Sportpferdevererber der Neuzeit. Der 25 Jahre alt gewordene, mächtige Braune gehört zu der Generation Hengste, die auf höchstem Niveau ihre sportlichen Qualitäten bewiesen haben und gleichzeitig in ihrer Vererbung beste Genetik für Springen im modernen, technisch anspruchsvollen Parcours weitergegeben haben. Ein Franzose für Springpferdezucht von Welt.

     

     

     

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    © Dieser Auszug basiert auf einem Beitrag von Franz-Josef Neuhaus, der im Sammelwerk „Ausgewählte Hengste Deutschlands 2018/19“ erschienen ist.