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  • Clemens von Nagel – Pferdemann und Visionär (Teil 1)

    Clemens von Nagel – Pferdemann und Visionär (Teil 1)

    [vc_row][vc_column][vc_column_text]Der westfälische Adlige Clemens von Nagel gehört zu den Menschen, die in der Pferdezucht und im Pferdesport unauslöschbare Spuren hinterlassen haben. Im Folgenden soll der Versuch unternommen werden, seinen Lebensweg darzustellen und die Stationen zu beschreiben, die auf ihn einen nachhaltigen Eindruck machten und sein Leben beeinflussten.  

    Mit Clemens Freiherr von Nagel verbinden sich Begriffe wie Gestüt Vornholz und Ramzes AA, die Stutenfamilie der Kebandina und Ramiro. Doch da gab es noch mehr, vor allem seine Lebensgeschichte mit den Stationen wie Wickrath, Beberbeck, Warendorf und Racot oder die Zeit als Kavallerist. All dies prägte den jungen von Nagel und schärfte seinen Blick für das Pferd, das ihm vorschwebte: ein Leistungspferd für den Sport.

    Geboren im Landgestüt Wickrath

    Man schrieb das Jahr 1908, es war der 1. April: Der junge Paul von Nagel, bisher Mitglied einer sogenannten Remontekommission (Auswahl von Pferden für militärische Zwecke), erhielt seine Ernennungsurkunde als Gestütsdirektor für das preußische Landgestüt Wickrath (im ehemaligen Schloss der Reichsgrafen Quadt-Wyckradt-Hüchtenbruch). Seine „Besoldung erfolgt in vierteljährlichen Raten, zusätzlich wird Entschädigung für bare Auslagen gewährt und eine Dienstwohnung“, die sich im Schloss der Gestütsanlage befand. Im gleichen Jahr, einen Tag vor Heiligabend, wurden Paul von Nagel und seine Gattin Elisabeth Gräfin von Merveldt Eltern eines Jungen, der den Namen Clemens erhielt. Er war der Erstgeborene.

    In den 1880er-Jahren noch als „Ablagerungsstätte für züchterischen Bauschutt aus den Hauptgestüten“ bezeichnet, übernahm Paul von Nagel das auf höchstem Niveau stehende und fast ausschließlich auf Kaltblut-Hengsthaltung  spezialisierte Landgestüt Wickrath, das von Nagels Vorgänger zu außerordentlicher Qualität entwickelt hatten. Der Hengstbestand lag bei über 200 Vatertieren, der Bezirk des Landgestütes reichte vom Niederrhein bis nach Koblenz und in den Bereich des heutigen Saarlandes. Die Familie von Nagel wuchs, die Kinder Marie Luise, Josef, Georg und Franz wurden in Wickrath geboren. Der Gestütsdirigent war mit seiner Familie im Schloss untergebracht, das Gestütspersonal wohnte im Bereich der sogenannten Ewigkeit. Für den jungen Clemens wie für die Gestütskinder war der gesamte Gestütsbereich ein herrlicher Spielplatz. Besondere Attraktionen waren die alljährlichen Hengstparaden, die tausende von Besuchern aus der gesamten Provinz anzogen. Wie viel Gefallen der noch junge Clemens von Nagel an diesen „Kraftpaketen“ gefunden hatte, zeigt die Tatsache, dass er später (dies ist nur wenigen bekannt) auf dem geerbten Schloss Vornholz auch Kaltblüter züchtete, darunter gekörte Hengste wie Liktor sowie die Brüder Mentor I, II und III.

    Neue Heimat: Hauptgestüt Beberbeck

    Clemens von Nagel (rechts) während der Zeit in Beberbeck.
    © Archiv Schloss Vornholz

    Mitten im 1. Weltkrieg, im März des Jahres 1916, verstarb der Landstallmeister des Preußischen Hauptgestütes Beberbeck Eugen von der Marwitz. Nach kurzer Rücksprache mit dem Dirigenten von Wickrath versetzte die Preußische Gestütsverwaltung Paul von Nagel nach Beberbeck (Hessen).

    Beberbeck war 1876 aus einer bestehenden Gestütsanlage des hessischen Kurfürsten Wilhelm II. hervorgegangen. Einem Hauptgestüt wie Beberbeck (so auch u. a. Trakehnen) fiel die Aufgabe zu, für die Landgestüte qualitätsvolle und systematisch durchgezüchtete „Halbblut“-Hengste zu liefern, die als Garanten der jeweiligen gewünschten Blutführung und Rassenspezialisierung Kern und Grundstock für die Landespferdezuchten in den zu versorgenden Landgestüten eingesetzt wurden. Von 1905 bis 1922 lieferte Beberbeck 163 Land- und sechs Hauptbeschäler (pro Jahr 9,4 Beschäler), viele davon in die ost- und westpreußischen Landgestüte.

     

    Ferner musste Paul von Nagel als Leiter des Hauptgestüts Beberbeck seine Mutterstutenherde (in Beberbeck waren dies rund 120 Stuten) laufend optimieren, d. h. durch junge Stuten ergänzen und für sogenannte Hauptbeschäler sorgen. Gerade die letzten beiden Aspekte waren eine sichtbare Demonstration des durch die Gestütsleitung im Einvernehmen mit der zentralen Gestütsverwaltung gesteckten Zuchtzieles.

    Im Mai 1917 wurde Ida von Nagel, die jüngste Schwester von Clemens, geboren; zu ihr hatte Clemens zeitlebens ein besonderes Verhältnis. Die beiden verband die Liebe zu den Pferden, zur Zucht wie zum Sport.

    Der Aktionstraber Nepal, einer der beliebtesten Hengste des Landgestüts Warendorf, in den 1930er-Jahren.
    © Archiv Schloss Vornholz

    In Beberbeck, circa 8,5 Kilometer vom kleinen Garnisonsstädtchen Hofgeismar mitten im Reinhardswald gelegen, bildete das Hauptgestüt gewissermaßen eine fast autarke Arbeits- und Wohnstätte. Denn neben der Pferdezucht betrieb man in Beberbeck Landwirtschaft; nicht nur, um die Pferde versorgen zu können, sondern auch, um die dort arbeitenden und lebenden Familien zu ernähren. Sämtliche Mitarbeiter besaßen Deputatvieh, Acker- und Gartenland für den Anbau von benötigten Futtermitteln und Gemüse für den eigenen Verzehr. Man lebte in gestütseigenen Häusern, hatte eine Schule auf dem Gelände des Gestüts (ein Klassenraum für alle Jahrgänge) und sogar einen eigenen Friedhof, man war eine große Gemeinschaft, vom Landstallmeister bis zum Ackerknecht.

    Waren die Kaltblüter in Wickrath ausschließlich Zugpferde vornehmlich für die Landwirtschaft, so zeichneten sich die Beberbecker als hoch im Blut stehende Reitpferde aus. Aufgezogen unter harten Bedingungen (die jungen Jahrgänge wurden im sogenannten Mauerpark der nahegelegenen Sababurg, einem Vorwerk von Beberbeck, gehalten) wuchsen hier Pferde heran, die im Ruf standen, besondere Leistungspferde zu sein. So besaßen die mit der Goldmedaille ausgezeichneten Olympiapferde von 1936, Kronos, Absinth und Nurmi, Beberbecker Ahnen. Clemens, der hier mit seinen Geschwistern einen großen Teil seiner Jugendjahre verbrachte, wurde schnell von seinem Vater in vielerlei alltägliche Dinge des Gestütsbetriebs einbezogen. Ob es die Auswahl der Partner für die gestütseigenen Stuten war, die Begutachtung der geborenen Fohlen, das Ausrangieren von Zuchtpferden oder die Feldbestellung auf den landwirtschaftlichen Flächen, an vielen Stellen ging er mit und genoss die Vorzüge, dass die Familie dort wohnte, wo der Vater arbeitete. Um die reiterliche Ausbildung von Clemens von Nagel kümmerte sich persönlich der langjährige Sattelmeister und ehemalige Manteuffel-Dragoner Wilhelm Großberndt. Nachdem bei Clemens die reiterlichen Grundlagen gelegt waren, wurde er schnell mit in den allgemeinen Ausbildungsbetrieb einbezogen. Dies schaffte viele Kontakte zu den Gestütswärtern und deren Kindern, die zu einem großen Teil sein Leben lang hielten und von Clemens gepflegt wurden.

    Caletto I stand lange in Zuchtwertschätzungen weit oben.
    © Caletto I stand lange in Zuchtwertschätzungen weit oben.
    © Bernd Eylers

    Ein bedeutendes und ernstes Thema für Landstallmeister von Nagel war das Anfang der 20er-Jahre zeitweilige Auftreten von ansteckender Blutarmut im Bestand der Zuchtpferde von Beberbeck, ein Thema, welches auch seinen Sohn Clemens später bei seiner eigenen Zuchtarbeit in Vornholz beschäftigte.

    Das Ende von Beberbeck zeichnete sich bereits in der ersten Hälfte der 20er-Jahre ab, als die Anzahl der Halbblutstuten halbiert und um die gleiche Menge mit Kaltblutstuten aufgefüllt wurde. Grund war der Versailler Vertrag, der dem Kriegsverlierer Deutschland vorschrieb, seine Kavallerie-Regimenter drastisch zu reduzieren. Folge war der starke Rückgang der Nachfrage nach Militärremonten. Gleichzeitig verlangte die Landwirtschaft  aufgrund geänderter Wirtschaftsweisen nach mehr „Zugkraft “. Als dann die auftretende Wirtschaftskrise die Staatsfinanzen in eine immer stärkere Bedrängnis brachte, zog die Berliner Reichsregierung die Notbremse und verkaufte den Bestand an Halbblut-Zuchtstuten mit Nachzucht (rund 160 Tiere) für eine halbe Million Goldmark an den polnischen Staat, die Kaltblüter wurden auf andere Staatsgestüte verteilt.

    Als am 3. Dezember 1929 die letzten Gebrauchspferde in einer Hofauktion verkauft  und aus der Bahn geführt worden waren, erklang ein letztes Halali vom Uhrturm hinunter in den Hof des Hauptgestütes: Paul von Nagel, begleitet von seinem Sohn Clemens, zog den Hut und faltete seine Hände zu einem kurzen Gebet. Eine traurige Situation, die viele der Umstehenden sehr bewegte. Der Bläser auf dem Turm war der junge Emil Bremer, der später Hauptsattelmeister im Landgestüt Warendorf wurde.

    Zurück nach Westfalen

    Die Familie von Nagel ging nach Warendorf, zurück ins heimatliche Westfalen. Dort war die Stelle des Landstallmeisters freigeworden. Das staatliche Gestüt an der Ems war ein Landgestüt mit Warm- und Kaltblütern. Vor allem die Warmblutzucht hatte seit der Umstellung der Zucht auf hannoversche Grundlage eine rasante Entwicklung gemacht. Die Familie wohnte im Landstallmeisterhaus an der Sassenberger Straße. Von Warendorf bis zum Schloss des Onkels August von Nagel in Ostenfelde sind es gerade mal 15 Kilometer. Einige der Beberbecker Gestüter folgten ihrem Chef nach Warendorf, sehr zur Freude des Landstallmeisters und seiner Familie. So fiel allen der Neuanfang leichter. Der Reitunterricht für Clemens und seine Geschwister fand unter fast idealen Bedingungen statt: gedeckte Reitbahn, bestes Reitmaterial durch die vorhandenen Zuchthengste und ein Ausbilder mit bestem Renommee: Leopold Jacobowski. Zu den beliebtesten Pferden der Nagel-Kinder gehörten das Bewegungswunder, der Aktionstraber Nepal, und der Beberbecker Hengst Meleager, der für die Stutenfamilie der Dodona (Herbert de Baey) und seine Olympiapferde wie Ahlerich, Rembrandt und Amon in der Gegenwart Bedeutung erlangte. Hippologisch war das Landgestüt Warendorf aus dem Schatten seines großen Bruders Celle herausgetreten. 230 Hengste standen hier, darunter viele westfälische Eigengewächse, rund 80 Deckstellen wurden betrieben und eine gut ausgebildete Stammbelegschaft  war mit der Züchterschaft  in der Provinz fest vernetzt. Die Hengstparade in den 30er-Jahren, vor allem der römische Kampfwagen mit dem Gestüter Bernhard Nienaber an den Leinen von Schatzherr, Burgschwan, Amoroso und Amorso war reichsweit ein legendäres Spektakel.

    Reiter 4 Potsdam

    Clemens von Nagel © Archiv Schloss Vornholz

    Clemens von Nagel, der seine Gymnasialbildung zeitweilig bei den Benediktinern im Kloster Ettal erhalten hatte, verpflichtete sich im Frühjahr 1929 (er war 21 Jahre), beim Reichsheer für 12 Jahre Dienst zu tun. Wie sein Vater, der u. a. beim Reiterregiment 4 gedient hatte, zog es auch den jungen Clemens zur Kavallerie nach Potsdam.

    Die „Reiter-4“ war eine Eliteeinheit und bestand aus vier Eskadronen, dem Stab und der Ausbildungseskadron; die Offiziere, Unteroffiziere und Mannschaften waren hochqualifiziert und sehr angesehen. Die schmucken Uniformen, der intensive Umgang mit den Pferden, ob beim Schwadron-Exerzieren, im Gelände oder in der Reitbahn, das Fluidum des alten geliebten Potsdam, die soldatenfreundlichen Bürger und die besondere Atmosphäre einer alten Residenz – das war wohl das Besondere, das auch Clemens anzog. Auch als das Regiment auf zwei Standorte (Potsdam und Perleberg) verteilt wurde, tat dies Clemens von Nagels Eifer keinen Abbruch. Seine Karriere war zielgerichtet: Fähnrich, Leutnant, Oberleutnant. Fragt man sich nach der Triebfeder für diesen Berufsweg, so waren es bestimmt nicht monarchistische Sehnsüchte oder eine Annäherung an den republikanischen Staat, sondern vielmehr die Möglichkeit, einen traditionellen Lebensstil (die Leidenschaft  für Pferde, den Reitsport und die Jagd als Elemente einer adligen Lebenswelt) und militärische Arbeit sinnvoll miteinander verknüpfen zu können. Dass am Ende besonders die Kavallerie (das Reiterregiment 4 wurde 1935 aufgelöst) unter einem enormen Veränderungsdruck stand, war sicher tragisch. Doch Clemens gehörte noch zu den jungen Offizieren, die u. a. zur legendären Kavallerieschule Hannover abgeordnet wurden, um Ausbildungsabschnitte zu absolvieren (wie Offiziersausbildung im Reiterregiment mit hochqualifizierter Reitausbildung). Seinen Urlaub und seine freie Zeit verbrachte er in Warendorf, er hielt intensiven Kontakt zu seinem geschätzten Vater, vor allem nachdem dieser erkrankt war, und zu seinem auf dem Familienschloss in Ostenfelde lebenden Onkel August.

     

    © Dieser Auszug basiert auf einem Beitrag von Franz-Josef Neuhaus, der im Sammelwerk „Ausgewählte Hengste Deutschlands 2014/15“ erschienen ist.[/vc_column_text][/vc_column][/vc_row]

  • Clemens von Nagel – Pferdemann und Visionär (Teil 2)

    Clemens von Nagel – Pferdemann und Visionär (Teil 2)

    Reiterregiment 15 Paderborn

    Clemens von Nagel beim Reiterregiment 4 in Potsdam.
    © Archiv Schloss Vornholz

    Im Rahmen der Motorisierung und Technisierung des Heeres wurde 1935 das Reiterregiment 4 aufgelöst. Große Teile wurden zur Auffüllung in das Panzerregiment 6  in Neuruppin eingebracht. Clemens von Nagel wurde auf Umwegen über das Kavalleriekommando Bamberg in das Reiterregiment 15 nach Paderborn versetzt. In der dortigen Leitungsriege war er von damals bekannten Reiterpersönlichkeiten von internationalem Format umgeben. Unter anderem waren da der ehemals langjährige Leiter der westfälischen Reit- und Fahrschule Paul Stecken (lebt heute in der Nähe von Münster), der Coppa d´Oro-Gewinner Hermann von Nagel, der Olympiagold-Gewinner in der Vielseitigkeit Rudolf Lippert und der ehemalige Leiter des Springstalls in der Kavallerieschule Hannover Edwin Graf zu Rothkirch und Trach sowie Georg und Philipp von Boeselager, Kavalleristen und Widerständler gegen das Naziregime. Die ansonsten vor allem mit westfälischen Mannschaft en und Offizieren des hiesigen Adels besetzte Einheit hatte als ideales Übungsgelände die Senne, ein über 200 Quadratkilometer großes Heidegebiet zwischen Paderborn und Gütersloh. Kilometerlange Galoppstrecken, Naturhindernisse, Wassergräben und eine regimentseigene Hundemeute, und das alles rund 50 Kilometer entfernt von Warendorf, waren für Clemens von Nagel glückliche Bedingungen, um seine Kenntnisse und Fähigkeiten rund ums Pferd zu festigen.

    Zwei Schicksalsschläge zwangen Clemens von Nagel, seine langfristigen Pläne für seine militärische Laufbahn aufzugeben: Bereits am 13. März 1935 verstarb sein Onkel August von Nagel, ein Pferdemann im Wortsinn (er hatte u. a. einige Jahre in Irland hinter den besten Hundemeuten auf der grünen Insel gejagt), und im gleichen Jahr, am 3. Oktober, sein Vater Paul. Zunächst versuchte er, mit Freistellungen und Beurlaubungen den Spagat zwischen Militärkarriere und Führung eines großen land- und forstwirtschaftlichen Betriebes hinzubekommen. Dieser Doppelbelastung konnte Clemens nicht lange standhalten. Ende 1936 gab man seinem Antrag auf Entlassung aus dem Heer und Übernahme in das Reserve-Offizierskorps des Regiments statt und er wurde Schlossherr auf Vornholz.

    Vollblüter für den Sport

    Fritz Ligges, stets von Baron Nagel gefördert, in traditioneller Uniform bei den Vornholzer Husarentagen.
    © Archiv Schloss Vornholz

    Schnell ging von Nagel daran, im Herzen des Münsterlandes ein Gestüt aufzubauen; zunächst war es seine Absicht, Vollblüter für den Hindernissport und gleichzeitig für den Springsport zu züchten. Auf Empfehlung des damaligen Leiters des Rennstalls an der Kavallerieschule Hannover, Oberst Hans Jay, kaufte von Nagel den rennbewährten Vollbluthengst Marcellus xx, der über seinen Vorfahren Le Sancy xx eine ordentliche Portion Springveranlagung mitbekommen hatte. Zu seinen ersten Partnerinnen auf Vornholz gehörte die ausgesprochen schicke und harmonische Perlenreihe xx von Anakreon xx. Aus der erstmaligen Anpaarung fiel 1938 Perpetua xx, die trotz der Kriegsumstände auf der Rennbahn 80.000 Reichsmark gewann. Vollbruder Pernod xx, ein Jahr später geboren, galoppierte immerhin 40.000 Reichsmark zusammen und war in den ersten Jahren nach dem 2. Weltkrieg unter dem Reiter des Stalles Vornholz, Willi Schultheis, in mehr als 70 Dressurprüfungen der mittleren und schweren Kategorie siegreich. Pernod xx kam 15-jährig in die Zucht, auch dort verdiente er beachtliche Meriten: seine Kinder Puschkin, Piccolo und Prunus gingen wie der vielseitige Puschkyn bis zur Klasse S, Macbeth sogar bis Grand Prix. [ihc-hide-content ihc_mb_type=“show“ ihc_mb_who=“4,3″ ihc_mb_template=“3″ ]

    Wiederaufbau in Polen

    Heideblume mit Fohlen unter uralten Vornholzer Eichen.
    © Archiv Schloss Vornholz

    Als Deutschland im Herbst 1939 Polenangriff  und damit den 2. Weltkrieg initiierte, war von Nagel zunächst als Offizier in einer berittenen Aufklärungsabteilung an der Westfront. Anfang November erhielt er die Order, sich unverzüglich auf den Weg nach Lodz in Polen zu machen. Alles Weitere würde er dort vom „Beauftragten für Pferdezucht und Gestütswesen beim Oberbefehlshaber Ost“ Gustav Rau erfahren. Die deutsche Reichswehr verfolgte das Ziel, in den sogenannten zurückgegliederten Ostgebieten und für das Generalgouvernement eine eigene Gestütsverwaltung aufzubauen, um damit die Pferdeproduktion anzukurbeln. Für von Nagel lautete der konkrete Einsatzbefehl vor Ort: Kommandeur des Hauptgestüts Racot. Kommandeure in 13 weiteren Heeresgestüten waren u. a. der Vater von Inge Theodorescu, Oberstleutnant Hans Fellgiebel, der das häufig als polnisches Trakehnen bezeichnete Janow Podlaski übernahm. Die durch die Kriegseinwirkungen gebeutelten, vornehmlich polnischen Gestüte, die fast 80 Prozent ihrer Hengste verloren hatten, wurden durch gezielte Maßnahmen in relativ kurzer Zeit wieder aufgebaut, die Bestände an Zuchttieren aufgefüllt und größtenteils verbessert. Die Benutzung der Hengste stieg umgehend rasant an.

    Wie kam es zur Berufung von Nagels? Rau hatte den jungen Oberleutnant von Nagel anlässlich verschiedener Termine mit seinem Vater, Landstallmeister von Nagel, in Beberbeck und Warendorf kennen und schätzen gelernt. Der wesentlichste Aspekt war, dass die Beberbecker Stuten, als sie nach Polen transportiert worden waren, größtenteils in Racot gelandet waren. All diese original Beberbecker Zuchtpferde kannte von Nagel im Detail. Durch die Kriegseinwirkungen waren sie zwar in alle Winde zerstreut worden, doch eine intensive Suche führte dazu, dass die meisten von ihnen wieder aufgefunden wurden. Nach etwa zwei Jahren Einsatz in Polen wurde von Nagel von Rau als militärischer Leiter ins Heeresremontegestüt nach Grabau bei Lübeck geschickt. Mit ihm gingen Teile der Beberbeck-Racoter Stuten sowie die sogenannten Leistungsstuten, also Stuten, die als erfolgreiche Sportpferde ihre erste Karriere hinter sich hatten und nun entsprechend den Vorstellungen Raus und von Nagels als Zuchtstuten mit Spitzenhengsten, teilweise mit Sporterfolgen, angepaart wurden, um daraus besondere Leistungspferde zu züchten. Zu den Leistungsstuten gehörten u. a. Tora, die 1936 Gold gewonnen hatte, und die Rittersporn  xx-Tochter Warszawianka, die ebenfalls bei der Olympiade in Berlin vorne mit dabei war. Ziel war es, Spitzensportler zu züchten. Daneben war es Raus Vision, in diesem Versuchsgestüt ein vielseitig einsatzbares Militärpferd zu züchten: beides Ideen, die aufgrund der Ereignisse nicht realisiert wurden. Spätestens hier reifte die Idee, bei sich auf dem heimatlichen Gestüt (seine Schwester Ida hatte während der Kriegsjahre den Familienbetrieb geleitet) eine Leistungszucht mit Halbblütern für den Turniersport aufzubauen und die ohnehin bei Kriegsende danieder liegende Vollblutzucht aufzugeben.

    Kriegsende und Turnier der Sieger

    Landstallmeister Paul von Nagel, Vater von Clemens.
    © Archiv Schloss Vornholz

    Der verlorene Krieg brachte Deutschland und den anderen kriegsbeteiligten Ländern entbehrungsreiche Jahre. Clemens von Nagel fand schnell Kontakt zur englischen Besatzungsmacht und über den Pferdesport auch manchen privaten Kontakt. Den Engländern waren die Aktivitäten des westfälischen Landadligen nicht verborgen geblieben, und als von Nagel den Engländern anbot, bei sich auf seinem Gestüt ein „Showjumping“ zu veranstalten, griffen diese gerne zu. Deutsche waren als Kriegsverlierer nicht zugelassen, aber sie durften ihre Pferde und ihr reiterliches Vermögen den Anwesenden in einer „Dressage Exhibition“ zeigen, und Willi Schultheis zog auf dem bewährten Dorffrieden alle Register. Die britischen Zuschauer waren begeistert. Eine Wiederholung wurde vereinbart und fand im Jahr darauf statt. Bald waren deutsche Teilnehmer zugelassen und spätestens 1948 war dieses Turnier in Deutschland ein, wie man heute sagen würde, Top-Event, welches von seinem Initiator den Namen „Turnier der Sieger“ erhielt und in Münster bis heute seine Fortsetzung fand.

    Zuchtziel Leistungspferd

    Innenhof des Gestüts Racot.
    © Archiv Schloss Vornholz

    Bereits kurz nach der Übernahme des Familienbesitzes hatte von Nagel hannoversche Stuten im Raum Verden und an der Unterelbe gekauft, die teilweise Beberbecker Blut führten. Die bekannteste ist ohne Zweifel die Finnländerin von Flirt aus der Kebandina von Kirkland-Julius Caesar. Die züchterischen Anstöße, die  durch diese Stute bis heute weltweit gegeben wurden, sind enorm. Die Verbreitung ihres Blutes resultierte in Nachkommen wie Radetzky, Don Primero und Don Schufro. Eine ausführliche Beschreibung der Kebandina-Familie (von Nagel hatte auch die Halbschwester der Finnländerin mit Namen Trendelburg gekauft ) ist im Buch „Ausgewählte Hengste Deutschlands 2012/2013“ unter „Das Vermächtnis des Clemens von Nagel“ nachzulesen.

    Weniger bekannt ist die Vornholzer Stutenfamilie der Altdeutsche von Alsterpreis a. d. Sabobilla von Schumann-Colonel, die ihren Ursprung an der Unterelbe hat. Die Vorfahren sind auf den Deckstationen Hechthausen, Großenwörden und Hollern entstanden. Interessant ist, dass die Väter der in der beigefügten Stammtafel aufgeführten Stuten häufig Beberbecker Blut führen. So ist bei Alsterpreis, dem Vater der Altdeutschen, auf der Mutterseite der original Beberbecker Comet vertreten. Ebenso stammt die Großmutter der Altdeutschen, die Anhang-Stute 790, von einem Enkel des Beberbeckers Colorado mit Namen Colonel. Dies waren Gründe für von Nagel, die Stute Altdeutsche 1936 von Johann von Borstel in Krautsand zu kaufen; Züchter war Rudolf Büther in Hollern.

    Die Eintragung der Altdeutschen war in Westfalen kein Problem, da sich bereits 1920 das Westfälische Pferdestammbuch entschieden hatte, auf hannoverscher Basis zu züchten. Welche Qualität diese Stute hatte, belegt die vorgenommene Punktierung: Für alle Kriterien von Gebäude, Fundament und Gang gab es die Punktzahl 8 (auf einer Skala von 1 bis 10). Ihre herausragenden Kinder stammen allesamt vom harten Beberbecker Beschäler Oxyd von Irrlehrer. Der harte, großrahmige Hunter hatte außer in Beberbeck einige Jahre in Ostpreußen als Landbeschäler gewirkt, besaß nach von Nagels Meinung eine exzellente Blutführung und hatte seine Rittigkeit als Reit- und Jagdpferd unter Beweis gestellt. Der Rappe Oxyd wird als ausdrucksstark und tief beschrieben, seine Gänge beeindruckten. Vor allem seine Töchter waren edle und harmonische Modelle. Durch die Verbindung der ausgesuchten Hannoverschen Stuten mit dem Beberbecker Hengst Oxyd, der zudem einen Schuss Vollblut besaß, entstand das in der Literatur viel gerühmte Vornholzer Pferd.

    Clemens von Nagel als Kavallerist.
    © Archiv Schloss Vornholz

    Zu Altdeutsches Nachkommen zählen die drei Onyx-Brüder sowie ihre Tochter Admiralität. Onyx I wurde Landbeschäler im damaligen Landgestüt Lack, welches unter militärischer Leitung stand und Hengste für den Warthegau zur Verfügung stellte. Onyx II wurde ebenfalls gekört und an den westfälischen Privathengsthalter Cosack, einen ausgesprochenen Edelpferde-Mann, verkauft . Onyx III erhielt ebenfalls das Prädikat gekört und sorgte mit seinen Stallnachbarn Afrika und Chronist xx als Adular für eine handfeste olympische Überraschung.

    Admiralität erhielt dreijährig die Staatsprämie und wurde in den Vornholzer Stutenbestand eingereiht.

    Sie brachte mehrere Töchter, zu nennen sind besonders vier. Arie, Admira, Adria und Sieglinde.

    ■  Arie (v. Ramzes AA) brachte sieben Stutfohlen: Arosa wurde Mutter des M-Springpferdes Ribana von Ramiro und Großmutter von Wolke (v. Weltmeister), ebenfalls im M-Parcours erfolgreich, sowie Magic Mouse (v. Aristokrat), auf dem Viereck M-siegreich.

    ■  Arosas Tochter Adeline war Großmutter des SSpringpferdes Calida von Calido sowie der Sportpferde Acorada von Acorado, Cherubin von Calido, und der Vollgeschwister Co-Jack und Celebration, beide von Cassandro; Arosas Tochter Ramona brachte den Privatbeschäler Gran Rio von Graditz. Aries Tochter Ariane von Herold wurde durch ihren Sohn Uhland bekannt, der Usurpator xx-Sohn ging unter Peter Weinberg Nationenpreise u. a. in La Baule sowie Große Preise wie den von Dortmund 1977. Aries Tochter Elke von Herold wurde die Staatsprämie zugesprochen.

    ■  Admiras (von Ramzes AA) Enkel und Urenkel zeichnen sich durch besondere sportliche Leistungsfähigkeit im Parcours und auf dem Viereck aus, so zum Beispiel die S-Springpferde Ikhor von Ingbert, Wicking von Wikinger und Paradiso 9 von Paradiso sowie das S-Dressurpferd Mario von Martinez.

    ■ Nachkommen der Adria von Ramzes AA sind der Ldb. Fröhlich, Ldb. Plinius, Pb. Lord Loh und Pb. Pablo Picasso. Sie selber wurde Mutter eines Leistungshengstes, der eine Hengstlinie von internationaler Bedeutung auf den Weg brachte, denn ihr arabisch aufgemachter Sohn Perseus wurde Vater des Pilatus, der bekanntermaßen die Halbbrüder Pilot und Polydor brachte, die durch ihre springgewaltigen Kinder jahrelang die Gewinnsummen-Hitlisten in Deutschland anführten. In Adrias Nachkommenschaft  fallen die große Anzahl von S-Pferden in der Dressur (u. a. Faustus von Fontanus xx, Babou von Bormio xx) und im Springen (u. a. Snop von Schwangau, Diamant von Draufgänger) auf.

    ■ Sieglinde vom harten Ebbesloher Sünder xx belegt mit ihren Kindern und Enkeln wie bei den o. g. Schwestern einmal mehr die vielseitige Eignung und das entsprechende Leistungsvermögen im Reitsport; M- und S-Pferde vornehmlich über den Stangen sind in diesem Zweig der Altdeutsche-Familie keine Seltenheit, zum Beispiel Pan Am von Polydor, First Faisal von Faisal, Penny Lane von Dunhill H, Pageno von Pilot und Aragorn von Anmarsch. Der letztgenannte Wallach entstammt einer Nebenlinie, die von der Frühlingsduft  I-Tochter Freisonne initiiert wurde und in Bayern reihenweise Springpferde gebracht hat.

    Schloss Beberbeck, Haus des Landstallmeisters.
    © Archiv Schloss Vornholz

    Oxyd wurde zu einem bedeutenden Stützpfeiler der Vornholzer Sportpferdeschmiede, denn durch seine Nachkommen begann nun für die Zuchtstätte Vornholz eine Ära des sportlichen Erfolgs: Vornholzer Pferde zogen ausgebildet und vorgestellt durch Otto Lörke, Willi Schultheis, Alfons Przybylski und Ida von Nagel von Turnier zu Turnier, von Sieg zu Sieg. Die komplette bundesdeutsche Dressurequipe bei den Olympischen Spielen 1952 in Helsinki, die Bronze gewann, stammte aus der Vornholzer Zucht, Adular (a. d. Altdeutschen) v. Oxyd, Afrika (aus einer weiteren hannoverschen Stute namens Anlage vom Beberbecker Anlauf) v. Oxyd und der Marcellus xx-Sohn Chronist xx – ein nie dagewesener und so leicht nicht wiederholbarer Triumph durch eine einzige Zuchtstätte. Nur durch eine plötzlich aufgetretene Lahmheit wiederholte sich dieser spektakuläre Erfolg der Vornholzschen Zucht vier Jahre später in Stockholm nicht – Chronist xx, vorgesehen für Hannelore Weygand, musste durch den Trakehner Perkunos ersetzt werden. Doch die beiden Oxyd-

    Der Hengst Oxyd wurde in Vornholz Vater ausgezeichneter Mutterstuten und nachhaltiger Söhne.
    © Archiv Schloss Vornholz

    Nachkommen Adular (jetzt unter Liselott Linsenhoff) und Afrika (jetzt mit Anneliese Küppers) halfen, Mannschaftssilber zu sichern, Adular schaffte mit seiner Reiterin sogar Einzelbronze.

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    © Dieser Auszug basiert auf einem Beitrag von Franz-Josef Neuhaus, der im Sammelwerk „Ausgewählte Hengste Deutschlands 2014/15“ erschienen ist.

  • Clemens von Nagel – Pferdemann und Visionär (Teil 3)

    Clemens von Nagel – Pferdemann und Visionär (Teil 3)

    Ramzes AA wegweisend

    Pernod xx prägte entscheidend die Zucht im Gestüt Vornholz, sportlich war er ein Multitalent.
    © Archiv Schloss Vornholz

    Infolge des altersbedingten Ausscheidens der Vornholzer Hengste Marcellus xx, Oxyd xx und Pernod xx sowie durch den Weggang des Ausbildergespanns Lörke/ Schultheis richtete Baron von Nagel sein Augenmerk stärker auf den zum damaligen Zeitpunkt noch recht kleinen Springstall. Mit dem Ankauf der polnischen Schimmelhengste Ramzes AA und Krol Walca steckte der Baron ein neues Ziel für seine Zucht. Vornehmlich die Töchter des Oxyd bildeten den Grundstock für den Erfolg des Ramzes AA, der aus heutiger Sicht einer der bedeutendsten Leistungsvererber der deutschen, wenn nicht europäischen Warmblutzucht nach dem 2. Weltkrieg ist.

    Ramzes AA war während des 2. Weltkrieges zunächst als Remontehengst im polnischen Janow Podlaski eingesetzt, später aufgrund der Kriegsentwicklung nach Grabau verlegt und bei Kriegsende an den polnischen Offizier Witalis Bielecki gekommen, der ihn auf den ersten Turnieren der Alliierten nach dem Krieg ritt. Von Nagel kaufte ihn, nicht zuletzt weil er seine Qualitäten kannte.

    Ramzes AA bestritt unter Micky Brinkmann erfolgreich eine Reihe von M-Springen, bis er sich das Fesselbein brach. Mit unglaublicher Geduld ertrug er seine Verletzung und trug so zu seiner Genesung bei, erholte sich und blieb der Zucht erhalten. Bereits in seinem Deckeinsatz in Polen hatte er sehr gute Jagd- und Springpferde gemacht, mehr im Huntertyp seines Vaters Rittersporn xx als im arabischen Typ seiner Mutter Jordi. Genau dies kam dem Vornholzer Zuchtziel mit seinen vornehmlich Beberbecker, Holsteiner und hannoverschen Stuten sehr entgegen.

    Polnische Gestütswärter üben unter der Anleitung von Clemens von Nagel eine Quadrille
    © Archiv Schloss Vornholz

    Bei den Westfalen wurde Ramzes AA zunächst in die Zuchtwertklasse IV eingestuft, die Holsteiner zeigten weniger Zurückhaltung und sicherten sich den Hengst für zwei Decksaisons (1951 und 1952, später nochmal 1959/1960). Der beispiellose Siegeszug des Anglo-Arabers nahm seinen Anfang: Während er (der ausnahmslos seine Schimmelfarbe vererbte) in Holstein Spitzenspringpferde wie Ramona (Alwin Schockemöhle), Retina (Fritz Thiedemann), Romanus (Hans Günter Winkler) und Ramzes XIII (Kurt Jarasinski) sowie hochklassige Töchter und gekörte Söhne lieferte, brachte er in Westfalen Talente fürs Viereck, zum Beispiel Mariano (Silber und Gold 1968 in Mexiko unter Josef Neckermann), Tiga (Grand Prix-Pferd unter Heinz Lammers) und den aus einer Abdel Krim-Hersdorf gezogenen Remus (Silber und Gold in Tokio 1964 unter Harry Boldt), um nur einige zu nennen. In der westfälischen Zucht war es der Ramzes AA-Sohn Ldb. Radetzky, ein Vollbruder des Mariano, der als Kronerbe des Ramzes-Blutes galt. Dieser Schimmel, gezogen in Vornholz, aus der hochedlen Malta von Oxyd (a. d. Meerfahrt von Meleager, den von Nagel aus seiner Zeit in Beberbeck, Warendorf und Racot kannte), wurde Warendorfer Landbeschäler und war das beste Beispiel der hervorragenden Reitpferdeeigenschaft en, die Ramzes AA vererbte. Radetzky war bis Grand Prix ausgebildet und wird mit Blick auf seine Vererbungsleistung mit Hengsten wie Duellant und Abglanz gleichgesetzt.

    Als Ramzes AA mit fast dreißig Jahren nach 18-jähriger Decktätigkeit 1966 eingeschläfert wurde, wurden die Freunde dieses Hengstes mit einer eigens gedruckten Karte benachrichtigt; seine Geschichte war noch nicht zu Ende, sie begann gerade erst – und hält bis heute an.

    Der andere Polen-Import, der o. g. Krol Walca, ein etwas derber Dunkelschimmel, stammte vom Vollblüter Jantos xx, der in Racot gewirkt hatte. Krol Walcas Mutter Warszawianka (siehe oben) war ohne Zweifel das erfolgreichste Springpferd Polens in den 20er- und 30er-Jahren und nahm an den Olympischen Spielen 1936 in Berlin teil. Krol Walca stand immer im Schatten von Ramzes AA und wurde vornehmlich für die eigenen Vornholzer Stuten benutzt; unter anderem brachte er das Springpferd Feuerdorn (H.G. Winkler).

    Holsteiner Stuten geadelt

    Ramiro, eine Hengstlegende mit Weltformat.
    © Bernd Eylers

    Die Erfolge der „Ramzes-Expedition“ im Land zwischen den Meeren ließen Clemens von Nagel, diesen von der Norm abweichenden, genialen Horseman, dem das Brandzeichen nie zur Ersatzreligion geworden war, schnell umdenken. In den 50er-Jahren, als durch die unaufhaltsame Motorisierung in der Landwirtschaft  die schweren Holsteiner alten Schlages verschwanden, kaufte Clemens von Nagel gezielt einige dieser Stuten aus bewährten Springstämmen. Er war überzeugt, dass eine edle Sportpferdezucht an gewisses Maß an Substanz und Kaliber benötigt. Das schien ihm durch die kalibrigen Stuten „mit den gemeißelten Köpfen auf Wikingerhälsen“ (Gustav Rau) gewährleistet. Gleichzeitig mit diesen Stuten kauft e er den Landbeschäler Herold v. Herder-Makler I vom damals kurz vor der Schließung stehenden Landgestüt Traventhal. Herold war ein Erhalterhengst alten Typs, der in Holstein „unmodern“ geworden war und gehäuft  das Springblut der holsteinischen Favorit-Tobias-Linie führte.

    Clemens von Nagels neues Konzept lautete nun: Verankerung des natürlichen Springvermögens, der Springfreudigkeit, Leistungsbereitschaft  und Unverdrossenheit des Holsteiners in der Vornholzer Zucht auf drei Wegen: einmal durch holsteinische „Reinzucht“, durch die Kombination der angekauft en Holsteiner Stuten mit Herold, zweitens durch Anpaarung dieser Stuten mit Veredler-Hengsten wie Ramzes AA und Vollblütern wie Usurpator xx und drittens, umgekehrt, Anpaarung der Altvornholzer Stuten mit Herold. Aus diesen Kombinationen entstanden im Laufe der nächsten Jahre Pferde, die dem Gestüt neue sportliche und züchterische Impulse und Erfolge brachten. [ihc-hide-content ihc_mb_type=“show“ ihc_mb_who=“4,3″ ihc_mb_template=“3″ ]Besonders hervorgetan haben sich als Mutterstuten die sporterfolgreiche Heideblume von Heidebauer-Loretto-Heinitz, Mutter des Goldmedaillenpferdes Robin v. Ramzes und weiterer S-erfolgreicher Nachkommen, Nachtrose von Fangball-Loretto-Lorenz, Mutter des in Westfalen erfolgreichen Deckhengstes Roderich v. Ramzes, Laute von Fanatiker-Nubier-Neptun, Mutter des Vornholzer Vererbers Romanow v. Ramiro, und Pomeranze v. Löwenjäger, Mutter des international erfolgreichen Springpferdes Fatinitza v. Ramiro.

    Ein besonderer Glücksgriff  gelang Baron von Nagel mit dem Kauf der Stute Valine von Cottage Son xx-Logenschließer-Favorit, die tragend nach Westfalen kam und hier im Mai 1964 ein Hengstfohlen von Raimond (v. Ramzes) bekam: Ramiro, eine Hengstlegende mit Weltformat und ein gewaltiges Sportpferd mit Ausnahmequalitäten, aber auch ein Streitpunkt zwischen dem westfälischen Zuchtverband und von Nagel, der sich über viele Jahre hinzog. Der kapitale Braune, oft  als erster Euro-Hengst bezeichnet, hinterließ unvergessliche Sportkinder wie Ramzes (Mannschaftsbronze Olympiade Los Angeles), Rodney, Rosella G (zweifache Bundeschampionesse Springen) und die Spring-Ikone Ratina, vererbungsstarke Töchter, die bis heute wirken, zum Beispiel Ramira, die Mutter des zweifachen Bundeschampions Springen Monte Bellini, oder Ramiros Söhne bzw. Enkelsöhne wie Ramirado bzw. Rockwell, Rock for Ever und Revolverheld. Dies alles war möglich, obwohl man ihn anfangs nur in Zuchtwertklasse IV (nur für Stuten des Hengsthalters) einstuft e. Wie sportlich talentiert Ramiro war, belegt seine erste Sportsaison 1971 als 6-Jähriger unter Fritz Ligges: anfangs noch in L- und M-Prüfungen ging es Ende 1971 bereits über ländliche S-Parcours – und 1973 bei der EM in Hickstead landete er auf Platz 8.

    Leistungsschub  „à la France“

    Das internationale Sportpferd Retina, eine Tochter des Ramzes AA © Archiv Schloss Vornholz

    In den 70er-Jahren stand der Vornholzer Gestütsherr vor der Aufgabe, die zu enge Blutbasis seiner Zucht zu erweitern, denn die eingesetzten Stuten führten ein- oder mehrfach Ramzes-Blut. Um sich nicht der Gefahr der Inzucht auszusetzen, durfte nur beschränkt weiteres R-Blut über seinen Enkel Ramiro und dessen Sohn Romanow eingebracht werden. Von Nagel erinnerte sich an die gute Wirkung anglo-arabischen Blutes in seiner Zucht und in Leistungszuchten überhaupt. Er erwarb den großrahmigen anglo-arabischen Vollblüter Kallistos, geboren 1970, der als Sohn des Arabers Djerba Qua ox und der Keseybiss, eine springgeprüfte Hauptgestütsstute in Pompadour, Nachfahre einer im Renn- und Hindernissport renommierten Familie ist. Die Entscheidung war erwartungsgemäß richtig: Kinder (aus Vornholzer Zeit wie auch aus dem späteren Einsatz bei Familie Lackner in Borgholzhausen) dieses Schwarzbraunen machten vom Fleck weg im Sport auf sich aufmerksam, Mütter dieser Sportler waren häufig Töchter des Ramiro. Erfolgspferde wie Korsar (Fritz Ligges) und Kaktus sowie Kalypso (Ulrich Meyer zu Bexten) belegten die Richtigkeit dieses züchterischen Konzeptes.

    Das letzte Kapitel der Vornholzer Zucht schließlich schrieb noch einmal ein Holsteiner. Vierzehn Tage vor seinem Tod einigte sich Clemens von Nagel mit dem damaligen Geschäftsführer des Holsteiner Verbandes, Johann Maas Hell, über die Anpachtung eines Junghengstes. Es handelte sich um keinen anderen als Caletto I v. Cor de la Bryère, der seinen ersten Deckeinsatz als junger, unbekannter und nicht unumstrittener Hengst in Vornholz begann. Das westfälische Pferdestammbuch verweigerte ihm die Anerkennung, aber die fünf Stutfohlen, die er in dieser halben Saison produzierte, gingen ihren Weg: als Siegerstute der Dreijährigen, als Sportpferd oder als Stammmutter von Erfolgspferden. Caletto I, selbst unter Michael Rüping erfolgreich in Championaten, stand jahrelang in jeder Zuchtwertschätzung ganz oben.

    Tradition und Verbundenheit

    Der Schimmel Radetzky (geb. 1951) revolutionierte die westfälische Zucht.
    © Landgestüt Warendorf

    Von Nagel, kein Ewig-Gestriger, hat sich an die Lebensstationen, die ihn besonders berührt haben, stets aktiv erinnert und die Freundschaft  mit den damit verbundenen Personen gepflegt. Besonders die Zeit in Beberbeck und in den Kavallerieregimentern lag ihm am Herzen. Bis zu seinem Tod fanden jährlich sogenannte „Beberbecker Treffen“ statt. Hierzu wurden die ehemaligen Mitarbeiter, die teilweise im Landgestüt Warendorf untergekommen waren, sowie Mitglieder der eigenen Familien nach Vornholz eingeladen. Das gedruckte Programm sah eine Besichtigung der Hengste und Stuten sowie der jungen Jahrgänge und einer Reitabteilung vor, anschließend saß man an einer Kaffeetafel beziehungsweise beim Abendessen gemütlich beisammen.

    In größeren Abständen wurden Regiments- und Husarentage auf dem Schloss abgehalten. Vor großer Zuschauerkulisse erschallte Marschmusik von englischen und deutschen Kapellen, vorgetragen über die Wiese vor dem Schloss. ReiterInnen (darunter Olympiasieger Fritz Ligges, der ehemalige Vorsitzende des Westfälischen Pferdestammbuches, Gustav Meyer zu Hartum, und die langjährige Vornholzer Gestütsleiterin und ehemalige Chefredakteurin des St. Georg, Gabriele Pochhammer) in traditionellen Uniformen beziehungsweise im Damensattel marschierten auf und zeigten reiterliches Können, Husarenkommers und Manöverball bildeten den Abschluss dieser Traditionstage.

    Viele Spuren bleiben

    Ramzes AA, eine Vererber-Legende © Archiv Schloss Vornholz

    Clemens Freiherr von Nagel-Doornick blieb keine Zeit mitzuerleben, wie richtig auch diese von ihm eingeleitete fünfte Phase für das züchterische Gesamtkonzept seines in Westfalen, ja in Deutschland einmaligen Privatgestüts der Leistungspferdezucht war. Er starb nach einem Leben, welches durch Pferde von Anfang bis Ende geprägt war, im September des Jahres 1977. Der Gestütsbetrieb wurde eingestellt, der Pferdebestand fast gänzlich verkauft. Geblieben sind vor allem die vielen Spuren der Hengste Ramzes AA, Radetzky und Ramiro, oder der Stuten, wie Adria, die über ihren Pluchino xx-Sohn Perseus und dessen Sohn Pilatus Urgroßmutter der Welthengste Pilot und Polydor wurde, alles Pferde, die Westfalens Zucht Weltgeltung verschafft haben und den Pferdesport weitergebracht haben.

     

     

     

     

     

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    © Dieser Auszug basiert auf einem Beitrag von Franz-Josef Neuhaus, der im Sammelwerk „Ausgewählte Hengste Deutschlands 2014/15“ erschienen ist.