Schlagwort: Clemens von Nagel

  • Don Schufro und sein Vornholzer Mutterstamm (Teil 1)

    Don Schufro und sein Vornholzer Mutterstamm (Teil 1)

    Begibt man sich auf Spurensuche, um die Abstammung und Herkunft eines Pferdes näher zu beleuchten, ist dies oft eine Reise an unterschiedliche geografische Orte, bis hin zum Ursprungsort einer Stutenfamilie, dort, wo alles seinen Anfang nahm. Im Falle von Don Schufro, dem Donnerhall-Pik Bube-Sohn, begann alles im hannoverschen Kernzuchtgebiet unweit von Verden.

    Der nordrhein-westfälische Landbeschäler Polydor gilt als einer der
    erfolgreichsten Produzenten von
    Sportpferden auf dem Globus, trug
    zweimal die Auszeichnung „Sire of the
    world“ – weltbester Springvererber.

    Der Raum Verden als eines der Hochzuchtgebiete der hannoverschen Pferdezucht war von jeher dem edlen Pferd zugewandt. Der Stationsbezirk um die Deckstelle Oiste hatte sich hier besonders hervorgetan; über Jahrzehnte war die Station mit guten Halbblütern, zu denen man immer einen Vollblüter gesellte, besetzt; es gab sogar Phasen (ab 1840), in denen ausschließlich Vollblüter hier stationiert waren. 1893 war Oiste das Zuhause des Beberbeckers Colorado, der bis 1912 blieb, 1378 Stuten deckte und damals eine große Hengstlinie begründete. Seit 1816 wurde die Traditions-Deckstelle betrieben, immer untergebracht im Gasthaus der Familie Gewecke (sie hieß nach einem der dort eingesetzten Hengste „Zum Holderneß“) gehörte sie zunächst zum Landgestüt Celle, später zum Landgestüt Osnabrück. Clemens von Nagel, zum damaligen Zeitpunkt Oberleutnant der Reserve im Reiterregiment 4 und Sohn des Landstallmeisters Paul von Nagel, war auf Anraten des passionierten Dr. Wilhelm Uppenborn (Landstallmeister Landgestüt Osnabrück) und Gustav Rau Mitte der 30er-Jahre dorthin gekommen, um nach edlen Stuten mit Beberbecker Genetik zu suchen. Die Muttertiere waren für sein neu zu errichtendes Gestüt auf Schloss Vornholz gedacht. Dort, so war seine Vision, wollte er großrahmige, dem englischen Hunter ähnliche Leistungspferde züchten. Von seiner ersten Idee, dies auf der Grundlage irischer Stuten anzugehen, war er schnell abgekommen. Geerbt hatte er den Familienbesitz der Familie von Nagel-Dorrnick von seinem Onkel August, einem Pferdemann im eigentlichen Wortsinn, der viele Jahre in England und Irland verbracht hatte, um hinter den bekannten Meuten zu reiten.

    Müller/Intschede – eine Traditions-Zuchtsstätte

    Bei seinen „Pferde-Expeditionen“ an Aller und Weser war Baron Nagel u. a. auf den Hof der Familie Müller (seit Generationen heißen die Stammhalter Hermann) in Intschede gekommen. Auf ihrem Hof hinter dem Weserdeich hatte die Pferdezucht von jeher eine bevorzugte Stellung; ihre Stuten gingen im Geschirr, brachten jedes Jahr ein Fohlen, und wenn es die Arbeit erlaubte, ritt man sonntags in den Nachbarort, um am Turnier teilzunehmen. Die Deckstellentreue zur Station Oiste führte dazu, dass viele hier stationierte Hengste im Pedigree der Müllerschen Pferde auftauchen. Dazu gehörten die Landbeschäler Tüchtig, Schwarzwald, Schamord, Julius Caesar und damit auch viel Blut der hannoverschen Gründerhengste wie King und mehrfach Norfolk. Später tritt Colorado hinzu. Stammstute Juromette (von ihr sind rückwärts betrachtet vier Generationen nachgewiesen) wird 1916 zum Kriegsdienst verpflichtet, bringt jedoch 1912 noch ein dunkelbraunes Stutfohlen, welches den Namen Kebandina erhält und den Bestand des Stutenstammes sichert. Vater ist Kirkland, damals einer der besten und schönsten Beschäler in Hannover. Zweijährig hatte sie Glück und wurde trotz eines Hüft schadens nicht zum Schlachter gebracht. Die Müllers glaubten an die elegante Stute mit dem Stern. Sie wurde in Gurte gehängt, der Bruch heilte aus. Dieser Einsatz sollte sich lohnen! Als Mutterstute brachte sie 17 Fohlen, von den Söhnen glänzten zwei besonders: Finnland I wurde Celler Landbeschäler (u. a. stationiert in Drochtersen an der Unterelbe) und Finnland II (er stand im Landgestüt Lack in den sogenannten „zurück gegliederten Ostgebieten“); Vater der beiden war Flirt (Vollbruder des Fling), der sich nachhaltig in der Zucht bewährte. Die Vollschwester der „Finnländer“, Flickerei, brachte den Osnabrücker Ldb. Fürst von Futurist. Nach dem gleichen Rezept Fling x Kirkland (ein hannoversches Erfolgsrezept, siehe Feiner Kerl!) war die ebenfalls von Flirt stammende, 1930 geborene Finnländerin, trocken, mittelgroß und mit großen Partien ausgestattet, einzig die kurze Kruppe wurde ein wenig bemängelt. Auf dem Hof Müller hatte sie bereits zwei Fohlen zur Welt gebracht u. a. von Denksport. Die Denksport-Tochter wurde Diebin genannt und erhielt 1936 den Titel „Staatsprämienstute“; drei ihrer Nachkommen wurden Hengstmütter und zwar von

    Ldb. Novize (geb. 1973) von Novum xx, Ldb. Dozent (geb. 1966) von Duft II und Pb. Salamander (geb. 1981).

    Mutter, Söhne und Töchter, eine beeindruckende Familie – die Qualität des Blutaufbaus, solide und wohlüberlegt, Clemens von Nagel war beeindruckt. Dies sah die Hannoversche Zuchtleitung bereits 1933 so und zeichnete die Stutenfamilie der Müllers aus Intschede anlässlich der Stutenschau in Verden mit Ia sowie der großen Staatsmedaille aus.

    Endlich in Vornholz: Finnländerin und Trendelburg

    Radetzky entwickelte sich zu einem
    Stempelhengst und gründete eine bis
    heute blühende Dynastie dressurbegabter Hengste.

    Bis Baron Nagel Finnländerin sein Eigen nennen konnte, wurde hart verhandelt und mancher Korn getrunken. 1935 kam Finnländerin tragend vom Osnabrücker Fermor I nach Westfalen, mit ihr kam ihre Schwester Trendelburg (*1933) vom Beberbecker Thronerbe (er war nach der Auflösung von Beberbeck nach Osnabrück überstellt worden). Baron Nagel hatte zum Zeitpunkt der Ankunft von Finnländerin nur den Vollblüter Marcellus xx bei sich in Vornholz aufgestellt; ihm schwebte jedoch zunächst eine Anpaarung mit dem in Beberbeck geborenen und auch zunächst dort eingesetzten Meleager vor. Meleager, ein edler Halbblüter mit viel Draht und guter Linienführung, war nach der Auflösung von Beberbeck im Jahr 1929 dem Landgestüt Warendorf überstellt worden. Dass dieser exzellente Halbblüter (von Cölestin aus der Meerkatze von St. Tropez xx) nach Westfalen gelangt war, hatte einen handfesten Hintergrund: Der Vater von Clemens von Nagel, der bereits oben erwähnte Paul von Nagel, war von 1916 bis 1929 Landstallmeister im Hauptgestüt Beberbeck und hatte anschließend von 1930 bis 1935 das Landgestüt in Warendorf geleitet. Dieser begnadete Pferdemann wusste, was er aus Hessen mit nach Westfalen nahm! Bedauerlicherweise war Meleager nicht in der Nachbarschaft stationiert, er stand während der Deckzeit im 50 Kilometer entfernten Nordwalde, damals eine ziemliche Entfernung. Baron Nagel hielt das nicht ab. Er tat etwas, was für die damalige Zeit ungewöhnlich war: Kurzerhand wurde Finnländerin Anfang Mai 1936 auf dem offenen Viehanhänger Richtung Nordwalde gefahren. Die Stute nahm sofort auf, im Jahr darauf wurde Meerfahrt (*1937) geboren. Im nächsten Jahr blieb sie güst. Erst 1938 probierte Baron Nagel seinen Blüter Marcellus xx als Partner von Finnländerin aus. Die aus dieser Verbindung stammende Stute Finnmark ging nach Stettin. Nun betrat Oxyd die Vornholzer Bühne. Mit Nagels glücklichem Ankauf dieses Landbeschälers aus Rastenburg (von Irrlehrer aus der Oxalis von Metellus xx), der wegen Dämpfigkeit ausgemustert worden war, stand ab 1938 ein Beschäler im Gestüt Vornholz, der ein hundertprozentiges Eigengewächs Beberbecks war. Der Hippologe Werner Schockemöhle (bestimmt kein Freund des ostpreußischen Pferdes) schrieb über den harten, großrahmigen Hunter 1962: „Oxyd vererbte seinen Kindern ungeheure Gehlust und viel Springvermögen!“ Oxyd kam nach Vornholz, erhielt einen „Freiluftplatz ohne Tür und Fenster“ und sein Allgemeinzustand wurde schlagartig besser; die ihm zugeführten Stuten machte er auf Anhieb tragend. Der Rappe entpuppte sich als wahrer Reitpferdemacher, fürs Geschirr waren seine Nachkommen jedoch nur selten brauchbar. Vor allem durch die Verbindung von Oxyd mit Finnländerin und Trendelburg entstand der besondere Typ des Vornholzer Pferdes. Oxyd wurde u. a. Vater der Olympia-Pferde Adular und Afrika, beide Bronzemedaillen-Gewinner 1952 bei den Olympischen Spielen in Helsinki. Finnländerin, belegt von Oxyd, brachte zwei Mutterstuten für Vornholz: Flottille (*1941) und Feodosia (*1942).

    Töchter mit Nachhaltigkeit: Flottille und Feodosia

    Flottille gründete über ihre Tochter Flora von Ramzes AA eine Nebenlinie, die bis heute zwei Hengste für die Zucht hervorbrachte: die Vollbrüder Palisandergrund (*1977), Dressur und Springen bis S erfolgreich, und Pacific Sunset (*1979), beide von Polydor. Feodosias Tochter Feodora (von Krol Walca), geb. 1951, ging in die Zuchtstätte des passionierten Otto Werthmann in Lühringsen; sein in Irland erworbener Vollblüter Plucchino xx wurde mehrfach Partner von Feodora. Feodoras Tochter Phaedra (*1962) wurde Großmutter des international siegreichen Grand Prix-Pferdes Elastique (*1978) von Ehrensold; Reiter waren u. a. Ludger Beerbaum, Franke Sloothaak und Willi Melliger. In den nächsten beiden Jahren (1942 und 1943) wurde Finnländerin dem Warendorfer Landbeschäler Feinsprit zugeführt. Warum war von Nagel von Hengsten wie Meleager und Oxyd abgewichen? Der Zweite Weltkrieg wütete in Europa und brachte die bekannten Einschränkungen und Erschwernisse. Clemens von Nagel war für die Heeresgestütsverwaltung zunächst im polnischen Racot, später im Pferdeversuchsgestüt Grabau in Holstein als Kommandant tätig. Seine Schwester Ida von Nagel, die 1952 olympisches Bronze in Helsinki mit der Oxyd-Tochter Afrika gewann, leitete stellvertretend für ihren Bruder das Gestüt Vornholz. Meleager war inzwischen abgetreten und im Warendorfer Landgestüt hatte ein Hengst Einzug gehalten, der anlässlich seiner Körung für viel Aufsehen als Siegerhengst gesorgt hatte: Feinsprit. Der große, vornehme Beschäler war eine imposante Erscheinung und ein echter Blender, denn in seinem vierjährigen Deckeinsatz hinterließ er nur wenig Brauchbares. Dies war auch im Falle der Finnländerin so. Die beiden Söhne aus dieser Verbindung wurden schnell verkauft, sie hinterließen keine Spuren.

    Fischerin, die Zew-Tochter

    Radetzky entwickelte sich zu einem Stempelhengst und gründete eine bis heute blühende Dynastie dressurbegabter Hengste.

    Danach kam Finnländerin nur noch zum gestütseigenen Oxyd und zum inzwischen erworbenen Zew, woraus die gemeinsame Tochter Fischerin (*1946) entstand. Und wer war Zew? Zews Vater war der Vollblüter Horoscop xx, seine Mutter ist die Stute Oza II, die eine Tochter der Beberbecker Stute Oxalis ist. Oxalis wiederum (und hier schließt sich der Kreis) ist auch Mutter des o.g. Oxyd. Oxalis war mit dem gesamten wertvollen Beberbecker Stutenbestand (70 Stuten, insgesamt 160 Tiere einschließlich Nachwuchs) für eine halbe Million Goldmark an die staatliche polnische Gestütsverwaltung verkauft worden, die wiederum einen Teil aussortierte und an Privatleute verkauft e. Einer davon war der polnische Graf Jezerski-Worotnikow (Kreis Luck/Wolhynien). Das Pedigree des Zew beinhaltet mit Ortopede, Metellus xx, Jubelgreis und Blondel bestes Beberbecker Leistungsblut; die Stutenfamilie, zu der Zew und der o.g. Oxyd gehörten, die Familie mit der Nummer acht und dem Namen der Gründerstute Trompeuse, hinterließ exzellente Zuchtpferde, beispielsweise den Trakehner Hauptbeschäler Obelisk. Zew kam als Junghengst zur polnischen Hengsttrainieranstalt, wo er Jahrgangsbester wurde. Eingesetzt wurde er bis 1941 im Heereslandgestüt Lack (westlich von Warschau), anschließend im Heereslandgestüt Debica, welches für die Bezirke Krakau und Galizien zuständig war. Bevollmächtigter dieser Gestütseinrichtungen des Heeres in den sogenannten „zurück gegliederten Ostgebieten sowie im Generalgouvernement“ war Gustav Rau. Zew wird von Baron Nagel als ein „edler, vollblutartiger großer Hengst, das Vorbild eines vornehmen Reitpferdes mit etwas wenig Hengstbedeutung“ beschrieben. Zew deckte leider nur wenige Stuten, seine bewährte Tochter Obra brachte das bekannte Springpferd Ohama, Tochter Fischerin aus der Finnländerin wurde Mutter des international erfolgreichen Springpferdes Feuerdorn und sie wurde Begründerin jenes großen und vitalen Zweiges im Kebandina-Stamm, welche den Titelheld dieser Geschichte, Don Schufro, hervorbrachte.

    Mit Meerfahrt und Tochter Malta nimmt Vornholz Fahrt auf

    Die älteste Tochter der Finnländerin, Meerfahrt, brachte trotz aller Bemühungen nur ein Fohlen, welches den Namen Malta bekam; Vater war der o.g. Oxyd. Malta, eine kleine Stute, braun, mit Blesse, ansonsten keine Abzeichen, korrekt, edles Fundament, strotzte vor Fruchtbarkeit; in 17 Zuchtjahren brachte sie 15 Fohlen. Die bedeutendsten Nachkommen waren:

    ■ der gekörte Hurrikan (geb. 1947) vom Trakehner Humboldt, der im Sport als „Malteser“ Dressurlektionen auf Grand Prix-Niveau ging;

    ■ der Warendorfer Landbeschäler Radetzky (geb. 1951), der entscheidenden Anteil an der rasanten Verbreitung des R-Blutes hatte; Vater war der ab 1948 in Vornholz eingesetzte Ramzes AA, der zu jener Zeit mit einem polnischen Offizier namens Bielecki auf deutschen Nachkriegsturnieren startete.

    Ramzes AA, von dem Vollblüter Rittersporn xx aus der kleinen, unscheinbaren polnischen Araber-Stute Jordi, war mittelgroß, ausreichend tief, geschlossen, abgedreht, arabischer Kopf und einem Gesicht, was viel Ausdruck besaß. Während der Kriegsjahre u. a. in Janow Podlaski (Leiter war der deutsche Hans Fellgiebel, Vater von Inge Theodorescu) als Beschäler und zuverlässiges Jagdpferd eingesetzt, kam er nach dem Krieg in den Westen Deutschlands. Nach drei Einsatzjahren in Vornholz lieh ihn Baron Nagel zweimal nach Holstein aus, 1951/1952 und 1959/1960. Er hinterließ in Westfalen vornehmlich Dressurpferde, wohingegen es in Holstein durchweg Springpferde wie Retina, Romanus und Ramona waren. Er initiierte eine Hengstlinie, die bis heute stark präsent ist; Nachkommen wie Ramiro (der später auch nach Vornholz kam) und Rubinstein, Olympiasieger wie Rembrandt und Weltmeister wie Roman sind seine Hinterlassenschaft und gehen auf ihn zurück. Allen gab er sein sanft es und gutmütiges Gemüt mit. Selbst im Sport (Ramzes AA ging M-Springen unter Micky Brinkmann) geprüft, musste er nach einem Fesselbeinbruch seine Turnierkarriere beenden. Radetzky, auf der Körung noch als Zweifelsfall deklariert („zu wenig Hengst“), zeigte schnell, was in ihm steckte. Gekörte Söhne (allen voran die Remus-Brüder, insgesamt mehr als 20), Spitzensportler wie Rasputin, Sieger-Stuten wie Radetta und Raimonda – alles lieferte er. Seine eigene sportliche Reife war beeindruckend, er beherrschte die Grand Prix-Lektionen und galt zu seiner Zeit als der am besten gerittene deutsche Landbeschäler;

    ■ der gekörte Raban (geb. 1954) von Ramzes AA ging als Deckhengst nach Südafrika;

    ■ ebenfalls von Ramzes AA stammte Mariano, der in der Sportszene wie kaum ein anderer die RamzesNachkommen bekannt machte. Der 1955 geborene Schimmel gewann 1966 mit Josef Neckermann die erstmalig ausgeschriebene Weltmeisterschaft der Dressurpferde in Bern. Von der Olympiade 1968 in Mexiko brachte dieses unvergessene Paar die Goldmedaille mit;

    ■ ein Jahr vor Raban brachte Malta ihre Tochter Marina. Vater war der Anfang der 50er Jahre nach Vornholz gekommene Krol Walca. Von dem über viel Boden stehenden Schimmel-Hengst kannte Baron Nagel seinen Vater Jantos xx und vor allem die Mutter Warszawianka gut. Jantos xx war ein hochangesehener Bafur xx-Sohn; Warszawianka war die berühmte polnische Springstute und Olympia-Teilnehmerin 1936 in Berlin, die sich damals im Besitz des Rittmeisters Gutowski vom 17. Ulanen-Regiment in Lissa befand. Als Beutepferd war sie in die Hände der Deutschen gefallen, die sie ins Hauptgestüt Racot (Clemens von Nagel war hier Kommandant) in den Bestand der Abteilung „Leistungsstuten“ einreihten und zur Zucht benutzten. Sie brachte drei Hengstfohlen, Krol Walca war Fohlen Nummer zwei. Nach dem verlorenen Krieg wurde sie samt Nachzucht dem rechtmäßigen Besitzer zurückgegeben. Gutowski verkaufte die drei Söhne der Warszawianka als Springpferde an britische Offiziere. Als Baron Nagel Krol Walca für Vornholz kaufte, befand er sich im Besitz des Royal Horse Guards-Majors Darley, der mit ihm auf dem Turnier in Vornholz startete. Die Verehrung von Warszawianka durch Baron Nagel wird dadurch deutlich, dass er beispielsweise eine Springprüfung im Rahmen seines Turniers der Sieger nach ihr benannte, den Warszawianka-Preis. Wenn Krol Walca auch nicht mängelfrei war, beeindruckte er durch seine imposante Erscheinung und durch seinen unbedingten Willen, Hindernisse zu überwinden. Besonders letzteres vererbte er „mit Garantie“.

     

    © Dieser Auszug basiert auf einem Beitrag von Franz-Josef Neuhaus, der im Sammelwerk „Ausgewählte Hengste Deutschlands 2012/13“ erschienen ist.

  • Don Schufro und sein Vornholzer Mutterstamm (Teil 2)

    Don Schufro und sein Vornholzer Mutterstamm (Teil 2)

    Die Nebenlinie der Malta-Tochter Marina (a. d. Malta)

    Marinas Partner war neben Ramzes AA mehrmals ein Vollblüter aus eigener Zucht mit Namen Pernod xx. Er stammte aus dem ersten Jahrgang des in der ersten Phase der Vornholzer Zuchtgeschichte eingesetzten Marcellus xx, der dazu beitragen sollte, dass im Gestüt des Barons Nagel qualitätvolle Pferde für den Hindernissport entstehen sollten. Gleichzeitig sollte der Versuch unternommen werden, Vollblüter für den Springsport zu züchten. Mutter war Perlenreihe xx aus der hoch bewährten Mydlinghovenerin Postenkette xx. Zunächst auf der Rennbahn eingesetzt, siegte er bei 24 Starts fünfmal, seine Lebensgewinnsumme (LGS) betrug 44.000 Reichsmark. Als er aus englischer Kriegsgefangenschaft zurückkam, war er auf beiden Vorderbeinen niedergebrochen. Nach einer längeren Erholungspause startete er mit Willi Schultheiss zu seiner zweiten Karriere als Dressurpferd. In der schweren Klasse erhielt er 26-mal die goldene Schleife (trotz erheblicher Schwäche in der Piaffe), er war zeitweilig Deutschlands erfolgreichstes Dressurpferd. Züchterisch gesehen vererbte er in der Regel mehr Rahmen und Größe als er selbst besaß. Der erste Nachkomme aus der Verbindung Marina x Pernod xx erhielt im Sport den Namen Macbeth (geb. 1958), und wurde unter Bubi Günther im internationalen Dressursport zum Begriff. Der eigenwillige Rappe war ein ungeheures Energiebündel, der auf Trense überhaupt nicht zu reiten war, sondern sich nur mit der Kandare auf den Reiter einließ. Tochter Marokkanerin (geb. 1959), ebenfalls von Pernod xx, hat unter ihren Töchtern und deren Nachkommen Spitzen-Auktionspferde, Bundeschampionatsfinalisten und den gekörten Privatbeschäler For Jump (geb. 2001) von For Feeling, der in Kanada wirkt. Aus einer Halbschwester von For Jump, Parodie von Pik Ramiro stammt die international erfolgreiche Springstute Cindy Crawford (geb. 1995) von Cheenook, die von Piet Raymakers eingesetzt wird. Marina-Tochter Marion brachte mit dem Euro-Ramiro den Holsteiner Verbandshengst Rasputin (geb. 1973), dessen Züchterin die langjährige Vornholzer Gestütsleiterin und St. Georg-Chefredakteurin Gabriele Pochhammer ist. Der viel zu früh aus der Zucht genommene Dunkelbraune lieferte rittige und charakterstarke Pferde, besonders seine Töchter waren hoch geschätzt. Er ist Muttervater von beispielsweise Bachus und dem vielseitig vererbenden Conteur. Rasputins Schwester Mazurka (geb. 1970) von Herold brachte den Privatbeschäler Wappenprinz (geb. 1986) von Wendland II und ist Großmutter des Pb. Granulit, geb. 1993. Der Reservesiegerhengst der Oldenburger Körung 1994, HLP-Sieger 1995 und Hauptprämiensieger 1996 ist ein Sohn des Grannus, der viele Jahre bei Heinrich Klatte in Klein-Roscharden stationiert war. Er hat sich vor allem als Stuten- und Sportpferdemacher einen Namen gemacht. Heute wirkt der vielseitig vererbende Schimmel in Südafrika.

    Die Nebenlinie der Malve (a. d. Malta)

    Ging aus der Marbella-Dynastie hervor: Polany, Don Schufro und Co. –
    die Nebenlinie der Fischerin (a.d. Finnländerin)

    Malve (geb. 1957) von Ramzes AA brachte gemeinsam mit dem ehemaligen Traventhaler Landbeschäler Herold eine Reihe ausgezeichneter Mutterstuten. Der Holsteiner war von Baron Nagel aus dem Land zwischen den Meeren geholt worden, um sich die Springanlagen dieses alten Holsteiner Blutes zu sichern, und um in Vornholz einer Gefahr zu begegnen, der jede edle Reitpferdezucht ausgesetzt ist, nämlich die Verfeinerung des Fundaments, der Verlust an Größe und Stärke. Seine Blutführung war mit dem Springblut der Hengste Tobias und Favorit mehrfach angereichert. Der Braune war ein Beschäler alten Typs, besaß ein mächtiges Kaliber. Mit der geraden Kruppe und dem hohen Schweifansatz, dem gewaltigen Halsansatz und einem ausdrucksstarken Gesicht zog er den Betrachter in seinen Bann. Die „Herolds“ in Vornholz konnten alle springen, waren weniger edel wie ihre Mütter; einige hatten ein Atemgeräusch. Malve-Tochter Minerva (geb. 1964), eine typische Herold-Tochter, wurde Urgroßmutter des KWPN-Hengstes Itens (geb. 1990) von Mytens xx, der als Privatbeschäler in den Niederlanden wirkte. Itens´ Mutter Zaline ist eine Schwester der Ester, die 1989 Körelite-Siegerstute in Friesland wurde. [ihc-hide-content ihc_mb_type=“show“ ihc_mb_who=“4,3″ ihc_mb_template=“3″ ]Marita (geb. 1967), ebenfalls aus der Verbindung Malve x Herold, ist Urgroßmutter des Pb. Adelfos (geb. 1983) von Athlet Z, der auch als internationales Grand Prix-Pferd über den Stangen Meriten verdiente. Nahe Verwandte sind der Warendorfer Ldb. Neumond (geb. 1988) von Nimmerdor sowie der ebenfalls für die Staatshengsthaltung in NRW gekaufte Good Year (geb. 1991) von Goodwill, der jedoch nicht zum Deckeinsatz kam und in der Deutschen Reitschule als Lehrpferd landete. Die Malve-Tochter Marbella (geb. 1966) stammte von Usurpator xx, der auf Rennbahn einen nachhaltigen Eindruck hinterlassen hatte. Der hart geprüfte Röttgener stand als Zweijähriger an der Spitze seines Jahrgangs und lief in neun Jahren 124 Rennen, von denen er 24 gewann. In Vornholz war der Dunkelbraune von 1965 bis 1967, anschließend stand er noch einige Jahre in Hessen. Seine Kinder waren ausgesprochen begehrt. Marbella gelangte zu Familie Bolten ins Rheinland, wo sie mit dem Frühling-Sohn Foxtrott den passenden Partner fand. Die Marbella-Dynastie brachte nicht nur den Siegerhengst Polany (geb. 1988) von Polydor, der selbst S-Springen ging, den Pb. Caracol (geb. 1992) von Cartusch, der als Dressurpferd in internationalen Grand Prix Erfolge feierte, sondern auch Rheinische Landeschampions (Florenz und Foxton), und Rheinische Siegerstuten (Revanche und Florenz) sowie zahlreiche Sportpferde bis zur schweren Klasse. Der vielleicht spektakulärste und lebendigste Zweig, der aus der Finnländerin hervorging, ist derzeit die Nebenlinie der Fischerin. Zu einer außergewöhnlichen Leistungsträgerin wurde dabei Fabiola (geb. 1961) von dem o. g. Herold. Fabiola war nicht gerade das, was man einen „Ankommer“ nennt; die hochbeinige Braune, ein Pferd mit „etwas viel Luft unterm Bauch“, einem nicht idealen Hals und den etwas langen Herold-Ohren ging zunächst unter Vornholzer Reitern im ländlichen Sport, später war sie international mit Hermann Schridde bzw. dem niederländischen Reiter Wouters van den Oudenweijer erfolgreich. Fabiolas Sohn, der im Sport den Namen Rubelit (geb. 1975) erhielt, wurde unter Christine Stückelberger eine internationale Dressurgröße; u. a. belegte er beim ersten Welt-Cup-Finale 1986 in s`Hertogenbosch mit der Schweizerin den dritten Platz. Fabiolas Tochter Fabia (geb. 1974) und ihr Bruder Rubelit stammten vom Trakehner-Hengst Unkenruf, der eine Zeit lang in Norddeutschland gewirkt hat. Unkenruf, Jahrgang 1970, war ein bunter Fuchs mit viel weiß im Gesicht und an den Beinen. Er war ein bedeutend angelegtes Beschälermodell, mit einem sehr gut gemachten Hals, einer ansprechenden Oberlinie, guter Breite und Tiefe, vier starken Beinen, ausgezeichneten, raumgreifenden Bewegungen in allen drei Grundgangarten. Vieles davon findet man in dieser Nebenlinie noch Generationen weiter (verstärkt durch Donnerhall) wieder. Vater des Unkenruf ist der Trakehner-Stempelhengst Donauwind, Mutter ist eine wenig auffällige Stute namens Ultima, die auf die Treckstute Urania zurückgeht. Für die Vererbungssicherheit der Mutter und der Familie spricht die Tatsache, dass Unkenrufs Halbschwester, die vielfache Materialprüfungssiegerin Ulanka (v. Rosenberg) mit 32.000 D-Mark Spitzenpferd der Krefelder Stutenauktion 1972 wurde. Unkenruf war trotz seines späten Geburtsdatums (26.5.1970) bei seiner Körung schon sehr ausgereift und wurde nach einem gefeierten Auftritt in Neumünster unbestrittener Siegerhengst. Er wurde auf dem anschließenden Hengstmarkt für den sehr guten Preis von 57.000 D-Mark an ein neugegründetes Gestüt zugeschlagen, den Grönwohldhof bei Trittau; Besitzer war Otto Schulte-Frohlinde, ein Mann der über viele Jahre Zucht und Sport in Deutschland prägte. Unkenruf, zeitlebens kein „Vieldecker“ jedoch bis Grand Prix gefördert, ging später in die USA, wo er als Sporthengst Beachtung fand. Die bedeutendsten Töchter der Fabia sind die Pik Bube I-Töchter Fiesta und Fantasia (geb. 1980). Ihr Vater, der Pik As xx-Enkel Pik Bube aus einer Stute von Frustra-Domspatz-Der Löwe xx, war ein sportlich hoch talentierter Schwarzbrauner, der gleich in seiner ersten Turniersaison drei S-Siege feiern konnte. Seine züchterische Bilanz auf dem Grönwohldhof ist außergewöhnlich: 28 gekörte Söhne in Deutschland und 43 Staatsprämienstuten.

    Pik Bube: Der trittgewaltige Schwarzbraune gedieh unter Herbert Rehbein
    zu einem Dressurpferd der Extraklasse. 1980, in ihrer einzigen Turniersaison, waren sie bei zwölf Starts in
    Klasse S elfmal Sieger.

    Fantasia wurde durch ihren Züchter mit dem gerade erst auf dem Grönwohldhof aufgestellten Donnerhall verbunden; der 1985 geborene Hengst namens Don Primero wurde zu einem der weltweit wertvollsten Donnerhall-Söhne und bestätigte zum wiederholten Mal die Passerpaarung Donnerhall x Pik Bube. Selbst Bundeschampion unter Heiko Münzmeier und im weiteren Sporteinsatz vorwiegend von Karin Rehbein gefördert, schaffte Don Primero Siege bis Grand Prix. Nach einem kurzen Gastspiel in Schweden setzte ihn Paul Schockemöhle ein. Don Primero lieferte Fohlenjahrgänge, aus denen zahlreiche Top-Pferde für Zucht und Sport erwachsen sind, u. a. die internationalen Dressur-Cracks Di Caprio und Dow Jones. Fiestas Tochter Fantastica, geb. 1988, aus der Verbindung mit Donnerhall wurde zweimal Hengstmutter, und zwar von Classico alias Cappuccino (geb. 1991) von Classiker, der noch 2010 unter Julia-Katharina Platen für Erfolge auf Grand Prix-Niveau sorgte. Fantasticas Sohn Sunny-Boy (geb. 1997) von Sandro Hit ist auf dem Weg, ein ganz Großer zu werden. Bereits heute verfügt er über annähernd 20 gekörte Söhne, 27 St.Pr. St. und reihenweise Auktionspferde, u. a. Spielberg (180.000 Euro). Fantasticas Urenkel Pb. Davidoffs Hit (geb. 2002) stammt aus dem Gestüt Lewitz und wurde 2004 in Vechta gekört. Fantasticas Vollschwester St.Pr. St. Donna Primera (geb. 1991) ist Mutter des Pb. Ron Rubin (geb. 2003) von Rubin Royal, ist hoch platziert in M-Dressuren und steht in der Quadriga Pferdehaltung in Radeburg. Eine weitere Vollschwester, Farina M, geb. 1994, brachte in Verbindung mit Placido-Sun das international erfolgreiche S-Dressurpferd Pentagons`s Peron M (geb. 2000). Fabina, geb. 2000, ebenfalls von Donnerhall, wurde 2003 Oldenburger Siegerstute. Zwischen all diesen Fiesta-Töchtern strahlt Don Schufro, geb. 1993, der wohl spektakulärste Donnerhall-Sohn. Den Namen erhielt er nach dem Züchter seiner Mutter Fiesta: Otto Schulte-Frohlinde, kurz „Schufro“ genannt. Nach seiner Körung und seinem Debüt als Zuchthengst absolvierte Don Schufro die HLP in Adelheidsdorf. Ergebnis: mit über 150 Punkten war er unangefochtener Dressurchampion. Nach gewonnenen Materialprüfungen ging er als Dreijähriger geradewegs im Bundeschampionats-Finale in Warendorf. Vierjährig wechselte der Dunkelfuchs nach Dänemark, zum Gestüt Blue Hors. Gefördert von Lars Pedersen und Andreas Helgstrand ging der Weg steil nach oben, bis Grand Prix. Der größte Erfolg ist sicherlich die Bronze-Medaille für das Team Dänemark bei den Olympischen Spielen 2008 in Hongkong, in der Einzelwertung Platz 11. Im gleichen Jahr war er dänischer Meister.

    Don Schufros Glanzlichter

    Don Schufros Name rührt von seinem
    Züchter her: Otto Schulte-Frohlinde,
    kurz Schufro.

    Den Don Schufro-Kindern sagt man häufig eine auffällige Athletik, lange Linien, Dehnfähigkeit und eine tolle Einstellung nach, also eine große Sportlichkeit. Zu den Glanzlichtern seiner züchterischen Erfolge gehören zweifelsohne seine gekörten Söhne, allen voran sein erster Sohn mit Zuchtzulassung, Diamond Hit, ein wahrer Hit in Sport und Zucht. Zweimal war er Vizebundeschampion. Seine Kinder sind inzwischen mit Emma Hindle in der Grand Prix-Klasse angekommen und schicken sich an, es dem Vater gleichzutun, beispielsweise sein Sohn Donovan, der 2005 Bundeschampion der vierjährigen Hengste wurde, und seine Tochter Loxana, die 2005 den Titel „Oldenburger Siegerstute“ errang. Bei den Söhnen des Don Schufro gibt es weitere Nachkommen, die aufhorchen lassen. So wurde Sohn Don Romantic 2002 Siegerhengst der dänischen Körung in Herning und „Hengst des Jahres“ in Dänemark 2008. Er steht im Gestüt Blue Hors als Boxennachbar neben seinem Vater. Sohn Doolittle (aus einer Lauries Crusador xx-Mutter) wurde sechs Jahre später ebenfalls Siegerhengst in der dänischen Pferdemetropole. Aktuell: 2010 war der Vater des Oldenburger Siegerhengstes Don Schufro. Bei der Farbe von De Martino werden Erinnerungen wach: Er ist ein Schimmel – Ramzes AA lässt grüßen, denn den trifft man auf der Vater- wie Mutterseite! Übrigens: De Martino ist einer von 15 gekörten Söhnen, die in Deutschland registriert sind. Da sein Samen weltweit vermarktet wird, kann man sicher davon ausgehen, dass die gleiche Anzahl noch mal dazu kommt. Sohn Der Euro (aus einer Wanderer-Mutter) wurde 2002 als Vierjähriger Bundeschampion und war auch beim Oldenburger Championat auf dem Siegertreppchen ganz oben. Als Dreijähriger war er einem amerikanischen Kunden bei der Vechtaer Frühjahrs-Auktion bereits 300.000 Euro wert. Don Schufro ist auch Vater der Weltmeisterin der jungen Dressurpferde, Uno Donna Unique, die unten genannte Rebelle kam auf den vierten Platz. Zu den herausragenden Töchtern des Don Schufro gehören ohne Zweifel die Fuchsstute Rebelle (M. v. Reggazoni), die 2007 Siegerstute in Rastede wurde und im gleichen Jahr auch das Landeschampionat für sich entschied. Tochter Weihegold wurde ein Jahr später Siegerstute des Oldenburgischen Verbandes. Don Schufro hat mit seinen Leistungen und denen seiner Nachkommen sieben Jahre lang, von 2002 bis 2009, die Zuchtwertschätzung der Deutschen Reiterlichen Vereinigung angeführt, erst 2010 wurde er von Real Diamond abgelöst.

    Fiona – erst Familienpferd, dann Zuchtstute

    Fabiolas Schwester Fiona (geb. 1958) von Pernod xx wurde volljährig zunächst ins Lipperland verkauft. Mit zehn Jahren kam sie zurück nach Vornholz, um hier in der Zucht eingesetzt zu werden. Es gab eine Bedingung: Das zweite in Vornholz geborene Fohlen geht an den vorherigen Eigentümer zurück. Das zweite Fohlen ging vereinbarungsgemäß an die Zwischeneigentümer, die den kleinen Hengst von Ramiro als Hengst aufzogen, und in Holstein für ihn ein positives Körurteil erhielten. Mit dem Namen Rio Negro (geb. 1979) wurde er zwei Jahre in Holstein eingesetzt, anschließend kam der Schwarzbraune zu Willi Schultheiss, der ihn bis Grand Prix erfolgreich vorstellte. Nach seiner Sportkarriere kam er nach Bayern auf die Renommierdeckstelle Breitner, die ihn noch bis in die 90er-Jahre einsetzte. Rio Negros Halbschwester Omana (geb. 1977) von Romanow (Ramiro x Holsteinerin Laute) brachte den gekörten Almé Z-Sohn Aldato, geb. 1981, der sich schnell als sicherer Springpferdemacher herausstellte. Besonders für Schlagzeilen sorgte sein Sohn Aldatus, der mit Christian Ahlmann Europameister und Jos Lansink Niederländischer Meister wurde.

    Trendelburg nicht zu vergessen

    Ohne Trendelburgs Zuchtleistung zu erwähnen, ist die Geschichte des Kebandina-Stammes nicht vollständig. Die Kebandina-Tochter Trendelburg von Thronerbe, also eine Halbschwester von Finnländerin, war ab 1938 im Zuchteinsatz auf Vornholz. Ihr ausschließlicher Partner war der oben beschriebene Oxyd, von dem sie am Ende 17-jährig nicht mehr tragend wurde; auch die Versuche mit dem Vornholzer Hengst Krol Walca (siehe unten) schlugen fehl, sodass sie ausschied. Ihr erstgeborener Nachkomme, welcher zunächst Taxus hieß, erhielt spätestens bei seiner Körung 1942 in den Zuchtviehhallen in Hamm den Namen Odenwald (geb. 1940) und wurde Landbeschäler im polnischen Janow Podlaski, wo auch damals Ramzes AA stand. Zu den wertvollen Trendelburg-Oxyd-Töchtern zählen Trosse, Trendula und Traviata. Trosse brachte die beiden Springpferde Tarquinius und Trajan (R.: Paul Weier, Schweiz) von Krol Walca. Trendula (selbst erfolgreiches Dressurpferd in Aufb auprüfungen) fohlte das spätere S-Dressurpferd Prunus III (Berlin 1963 Deutscher Vizemeister mit Willi Schultheiss) von Pernod xx sowie Vollschwester Tirolerin, die Großmutter des Privatbeschälers Godeward (Tirade x Gottwalt) wurde. Tirolerins Tochter Tiga (selbst Grand Prix Pferd im Viereck, LGS 48.000 D-Mark), von Ramzes AA, ist Mutter von Tina, die bis St. Georges erfolgreich war. Tirolerins Sohn von Raubritter, Ribot, wurde 1984 beim Zuchtverband für deutsche Pferde gekört. Zwei Söhne im Sport machten Trendelburg bekannt: Tambour, geb. 1948, ging unter Otto Rothe (Silbermedaillen-Gewinner in der Military bei zwei Olympischen Spielen) S-Prüfungen als Military-Pferd, Tannhäuser, geb. 1949, wurde nach Spanien verkauft und ging dort erfolgreich schwere Parcours‘.

    Auch das Olympiapferd Enigk stammt aus dem Kebandina-Stamm

    Rio Negro war zunächst in der Military
    bis Klasse M erfolgreich und später
    unter Willi Schultheis, der ihn bis
    Grand Prix vorstellte.

    In Intschede auf dem Züchterhof der Müllers blieb der Zweig der erwähnten Denksport-Tochter Diebin aus der Finnländerin. Diebins Tochter Futulein von dem überragenden Typvererber Futurist I brachte Fabel von Farina (vom typvollen Ostpreußen Fahnenträger). Eine ihrer Töchter Alpengerte von Abendkerl, die Partnerin des Lilienhofers Endspurt xx wurde, brachte aus dieser Verbindung ein international hoch erfolgreiches Sportpferd: Enigk. Der wenig attraktive Dunkelbraune mit den auffallend starken Ganaschen ging zunächst auf die Rennbahn, u. a. startete er in Castrop-Rauxel auf dem Rundkurs bei Haus Goldschmieding in Halbblutrennen. Sein Renneinsatz währte nicht lange; aufgrund einer Lahmheit im Vorderbein schied er aus und wurde von einem Tierarzt nach langer Auszeit wieder fit gemacht. Vermarktet über die Reitschule in Verden fiel sein enormes Springvermögen auf. Im Oktober 1968 schlug dann Enigks große Stunde, gemeinsam mit Hermann Schridde/Dozent, Alwin Schockemöhle/Donald Rex gewannen Hans Günter Winkler mit Enigk die Bronze-Medaille bei den Olympischen Reiterspielen in Mexiko. Enigk ging anschließend zu Piero d`Inzeo (Italien).

    Don Schufro und sein Vornholzer Mutterstamm

    Der Vornholzer Mutterstamm der Kebandina spiegelt nicht nur die züchterischen Ideen und Entscheidungen des Baron Nagel wieder, sondern erzählt in allen Facetten auch den Verlauf und die Geschichte dieses in vielerlei Beziehung erfolgreichen Stutenstammes. Don Schufro ist einer der aktuellen Höhepunkte dieses Familienverbandes, an dem der westfälische Adelige sicher seine Freude gehabt hätte. Dies gilt auch für die Tatsache, dass sich diese Familie über Jahrzehnte so rasant entwickelt hat und ein Paradebeispiel für konsequente Leistungszucht von Anfang an ist. Um den Fortbestand des Kebandina-Stammes braucht man sich nicht zu sorgen, da die inzwischen vielen Nachkommen bei passionierten Züchtern gelandet sind, die vom Gedankengut des Clemens von Nagel fasziniert sind und an vielen Stellen leben.

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    © Dieser Auszug basiert auf einem Beitrag von Franz-Josef Neuhaus, der im Sammelwerk „Ausgewählte Hengste Deutschlands 2012/13“ erschienen ist.

  • Clemens von Nagel – Pferdemann und Visionär (Teil 1)

    Clemens von Nagel – Pferdemann und Visionär (Teil 1)

    [vc_row][vc_column][vc_column_text]Der westfälische Adlige Clemens von Nagel gehört zu den Menschen, die in der Pferdezucht und im Pferdesport unauslöschbare Spuren hinterlassen haben. Im Folgenden soll der Versuch unternommen werden, seinen Lebensweg darzustellen und die Stationen zu beschreiben, die auf ihn einen nachhaltigen Eindruck machten und sein Leben beeinflussten.  

    Mit Clemens Freiherr von Nagel verbinden sich Begriffe wie Gestüt Vornholz und Ramzes AA, die Stutenfamilie der Kebandina und Ramiro. Doch da gab es noch mehr, vor allem seine Lebensgeschichte mit den Stationen wie Wickrath, Beberbeck, Warendorf und Racot oder die Zeit als Kavallerist. All dies prägte den jungen von Nagel und schärfte seinen Blick für das Pferd, das ihm vorschwebte: ein Leistungspferd für den Sport.

    Geboren im Landgestüt Wickrath

    Man schrieb das Jahr 1908, es war der 1. April: Der junge Paul von Nagel, bisher Mitglied einer sogenannten Remontekommission (Auswahl von Pferden für militärische Zwecke), erhielt seine Ernennungsurkunde als Gestütsdirektor für das preußische Landgestüt Wickrath (im ehemaligen Schloss der Reichsgrafen Quadt-Wyckradt-Hüchtenbruch). Seine „Besoldung erfolgt in vierteljährlichen Raten, zusätzlich wird Entschädigung für bare Auslagen gewährt und eine Dienstwohnung“, die sich im Schloss der Gestütsanlage befand. Im gleichen Jahr, einen Tag vor Heiligabend, wurden Paul von Nagel und seine Gattin Elisabeth Gräfin von Merveldt Eltern eines Jungen, der den Namen Clemens erhielt. Er war der Erstgeborene.

    In den 1880er-Jahren noch als „Ablagerungsstätte für züchterischen Bauschutt aus den Hauptgestüten“ bezeichnet, übernahm Paul von Nagel das auf höchstem Niveau stehende und fast ausschließlich auf Kaltblut-Hengsthaltung  spezialisierte Landgestüt Wickrath, das von Nagels Vorgänger zu außerordentlicher Qualität entwickelt hatten. Der Hengstbestand lag bei über 200 Vatertieren, der Bezirk des Landgestütes reichte vom Niederrhein bis nach Koblenz und in den Bereich des heutigen Saarlandes. Die Familie von Nagel wuchs, die Kinder Marie Luise, Josef, Georg und Franz wurden in Wickrath geboren. Der Gestütsdirigent war mit seiner Familie im Schloss untergebracht, das Gestütspersonal wohnte im Bereich der sogenannten Ewigkeit. Für den jungen Clemens wie für die Gestütskinder war der gesamte Gestütsbereich ein herrlicher Spielplatz. Besondere Attraktionen waren die alljährlichen Hengstparaden, die tausende von Besuchern aus der gesamten Provinz anzogen. Wie viel Gefallen der noch junge Clemens von Nagel an diesen „Kraftpaketen“ gefunden hatte, zeigt die Tatsache, dass er später (dies ist nur wenigen bekannt) auf dem geerbten Schloss Vornholz auch Kaltblüter züchtete, darunter gekörte Hengste wie Liktor sowie die Brüder Mentor I, II und III.

    Neue Heimat: Hauptgestüt Beberbeck

    Clemens von Nagel (rechts) während der Zeit in Beberbeck.
    © Archiv Schloss Vornholz

    Mitten im 1. Weltkrieg, im März des Jahres 1916, verstarb der Landstallmeister des Preußischen Hauptgestütes Beberbeck Eugen von der Marwitz. Nach kurzer Rücksprache mit dem Dirigenten von Wickrath versetzte die Preußische Gestütsverwaltung Paul von Nagel nach Beberbeck (Hessen).

    Beberbeck war 1876 aus einer bestehenden Gestütsanlage des hessischen Kurfürsten Wilhelm II. hervorgegangen. Einem Hauptgestüt wie Beberbeck (so auch u. a. Trakehnen) fiel die Aufgabe zu, für die Landgestüte qualitätsvolle und systematisch durchgezüchtete „Halbblut“-Hengste zu liefern, die als Garanten der jeweiligen gewünschten Blutführung und Rassenspezialisierung Kern und Grundstock für die Landespferdezuchten in den zu versorgenden Landgestüten eingesetzt wurden. Von 1905 bis 1922 lieferte Beberbeck 163 Land- und sechs Hauptbeschäler (pro Jahr 9,4 Beschäler), viele davon in die ost- und westpreußischen Landgestüte.

     

    Ferner musste Paul von Nagel als Leiter des Hauptgestüts Beberbeck seine Mutterstutenherde (in Beberbeck waren dies rund 120 Stuten) laufend optimieren, d. h. durch junge Stuten ergänzen und für sogenannte Hauptbeschäler sorgen. Gerade die letzten beiden Aspekte waren eine sichtbare Demonstration des durch die Gestütsleitung im Einvernehmen mit der zentralen Gestütsverwaltung gesteckten Zuchtzieles.

    Im Mai 1917 wurde Ida von Nagel, die jüngste Schwester von Clemens, geboren; zu ihr hatte Clemens zeitlebens ein besonderes Verhältnis. Die beiden verband die Liebe zu den Pferden, zur Zucht wie zum Sport.

    Der Aktionstraber Nepal, einer der beliebtesten Hengste des Landgestüts Warendorf, in den 1930er-Jahren.
    © Archiv Schloss Vornholz

    In Beberbeck, circa 8,5 Kilometer vom kleinen Garnisonsstädtchen Hofgeismar mitten im Reinhardswald gelegen, bildete das Hauptgestüt gewissermaßen eine fast autarke Arbeits- und Wohnstätte. Denn neben der Pferdezucht betrieb man in Beberbeck Landwirtschaft; nicht nur, um die Pferde versorgen zu können, sondern auch, um die dort arbeitenden und lebenden Familien zu ernähren. Sämtliche Mitarbeiter besaßen Deputatvieh, Acker- und Gartenland für den Anbau von benötigten Futtermitteln und Gemüse für den eigenen Verzehr. Man lebte in gestütseigenen Häusern, hatte eine Schule auf dem Gelände des Gestüts (ein Klassenraum für alle Jahrgänge) und sogar einen eigenen Friedhof, man war eine große Gemeinschaft, vom Landstallmeister bis zum Ackerknecht.

    Waren die Kaltblüter in Wickrath ausschließlich Zugpferde vornehmlich für die Landwirtschaft, so zeichneten sich die Beberbecker als hoch im Blut stehende Reitpferde aus. Aufgezogen unter harten Bedingungen (die jungen Jahrgänge wurden im sogenannten Mauerpark der nahegelegenen Sababurg, einem Vorwerk von Beberbeck, gehalten) wuchsen hier Pferde heran, die im Ruf standen, besondere Leistungspferde zu sein. So besaßen die mit der Goldmedaille ausgezeichneten Olympiapferde von 1936, Kronos, Absinth und Nurmi, Beberbecker Ahnen. Clemens, der hier mit seinen Geschwistern einen großen Teil seiner Jugendjahre verbrachte, wurde schnell von seinem Vater in vielerlei alltägliche Dinge des Gestütsbetriebs einbezogen. Ob es die Auswahl der Partner für die gestütseigenen Stuten war, die Begutachtung der geborenen Fohlen, das Ausrangieren von Zuchtpferden oder die Feldbestellung auf den landwirtschaftlichen Flächen, an vielen Stellen ging er mit und genoss die Vorzüge, dass die Familie dort wohnte, wo der Vater arbeitete. Um die reiterliche Ausbildung von Clemens von Nagel kümmerte sich persönlich der langjährige Sattelmeister und ehemalige Manteuffel-Dragoner Wilhelm Großberndt. Nachdem bei Clemens die reiterlichen Grundlagen gelegt waren, wurde er schnell mit in den allgemeinen Ausbildungsbetrieb einbezogen. Dies schaffte viele Kontakte zu den Gestütswärtern und deren Kindern, die zu einem großen Teil sein Leben lang hielten und von Clemens gepflegt wurden.

    Caletto I stand lange in Zuchtwertschätzungen weit oben.
    © Caletto I stand lange in Zuchtwertschätzungen weit oben.
    © Bernd Eylers

    Ein bedeutendes und ernstes Thema für Landstallmeister von Nagel war das Anfang der 20er-Jahre zeitweilige Auftreten von ansteckender Blutarmut im Bestand der Zuchtpferde von Beberbeck, ein Thema, welches auch seinen Sohn Clemens später bei seiner eigenen Zuchtarbeit in Vornholz beschäftigte.

    Das Ende von Beberbeck zeichnete sich bereits in der ersten Hälfte der 20er-Jahre ab, als die Anzahl der Halbblutstuten halbiert und um die gleiche Menge mit Kaltblutstuten aufgefüllt wurde. Grund war der Versailler Vertrag, der dem Kriegsverlierer Deutschland vorschrieb, seine Kavallerie-Regimenter drastisch zu reduzieren. Folge war der starke Rückgang der Nachfrage nach Militärremonten. Gleichzeitig verlangte die Landwirtschaft  aufgrund geänderter Wirtschaftsweisen nach mehr „Zugkraft “. Als dann die auftretende Wirtschaftskrise die Staatsfinanzen in eine immer stärkere Bedrängnis brachte, zog die Berliner Reichsregierung die Notbremse und verkaufte den Bestand an Halbblut-Zuchtstuten mit Nachzucht (rund 160 Tiere) für eine halbe Million Goldmark an den polnischen Staat, die Kaltblüter wurden auf andere Staatsgestüte verteilt.

    Als am 3. Dezember 1929 die letzten Gebrauchspferde in einer Hofauktion verkauft  und aus der Bahn geführt worden waren, erklang ein letztes Halali vom Uhrturm hinunter in den Hof des Hauptgestütes: Paul von Nagel, begleitet von seinem Sohn Clemens, zog den Hut und faltete seine Hände zu einem kurzen Gebet. Eine traurige Situation, die viele der Umstehenden sehr bewegte. Der Bläser auf dem Turm war der junge Emil Bremer, der später Hauptsattelmeister im Landgestüt Warendorf wurde.

    Zurück nach Westfalen

    Die Familie von Nagel ging nach Warendorf, zurück ins heimatliche Westfalen. Dort war die Stelle des Landstallmeisters freigeworden. Das staatliche Gestüt an der Ems war ein Landgestüt mit Warm- und Kaltblütern. Vor allem die Warmblutzucht hatte seit der Umstellung der Zucht auf hannoversche Grundlage eine rasante Entwicklung gemacht. Die Familie wohnte im Landstallmeisterhaus an der Sassenberger Straße. Von Warendorf bis zum Schloss des Onkels August von Nagel in Ostenfelde sind es gerade mal 15 Kilometer. Einige der Beberbecker Gestüter folgten ihrem Chef nach Warendorf, sehr zur Freude des Landstallmeisters und seiner Familie. So fiel allen der Neuanfang leichter. Der Reitunterricht für Clemens und seine Geschwister fand unter fast idealen Bedingungen statt: gedeckte Reitbahn, bestes Reitmaterial durch die vorhandenen Zuchthengste und ein Ausbilder mit bestem Renommee: Leopold Jacobowski. Zu den beliebtesten Pferden der Nagel-Kinder gehörten das Bewegungswunder, der Aktionstraber Nepal, und der Beberbecker Hengst Meleager, der für die Stutenfamilie der Dodona (Herbert de Baey) und seine Olympiapferde wie Ahlerich, Rembrandt und Amon in der Gegenwart Bedeutung erlangte. Hippologisch war das Landgestüt Warendorf aus dem Schatten seines großen Bruders Celle herausgetreten. 230 Hengste standen hier, darunter viele westfälische Eigengewächse, rund 80 Deckstellen wurden betrieben und eine gut ausgebildete Stammbelegschaft  war mit der Züchterschaft  in der Provinz fest vernetzt. Die Hengstparade in den 30er-Jahren, vor allem der römische Kampfwagen mit dem Gestüter Bernhard Nienaber an den Leinen von Schatzherr, Burgschwan, Amoroso und Amorso war reichsweit ein legendäres Spektakel.

    Reiter 4 Potsdam

    Clemens von Nagel © Archiv Schloss Vornholz

    Clemens von Nagel, der seine Gymnasialbildung zeitweilig bei den Benediktinern im Kloster Ettal erhalten hatte, verpflichtete sich im Frühjahr 1929 (er war 21 Jahre), beim Reichsheer für 12 Jahre Dienst zu tun. Wie sein Vater, der u. a. beim Reiterregiment 4 gedient hatte, zog es auch den jungen Clemens zur Kavallerie nach Potsdam.

    Die „Reiter-4“ war eine Eliteeinheit und bestand aus vier Eskadronen, dem Stab und der Ausbildungseskadron; die Offiziere, Unteroffiziere und Mannschaften waren hochqualifiziert und sehr angesehen. Die schmucken Uniformen, der intensive Umgang mit den Pferden, ob beim Schwadron-Exerzieren, im Gelände oder in der Reitbahn, das Fluidum des alten geliebten Potsdam, die soldatenfreundlichen Bürger und die besondere Atmosphäre einer alten Residenz – das war wohl das Besondere, das auch Clemens anzog. Auch als das Regiment auf zwei Standorte (Potsdam und Perleberg) verteilt wurde, tat dies Clemens von Nagels Eifer keinen Abbruch. Seine Karriere war zielgerichtet: Fähnrich, Leutnant, Oberleutnant. Fragt man sich nach der Triebfeder für diesen Berufsweg, so waren es bestimmt nicht monarchistische Sehnsüchte oder eine Annäherung an den republikanischen Staat, sondern vielmehr die Möglichkeit, einen traditionellen Lebensstil (die Leidenschaft  für Pferde, den Reitsport und die Jagd als Elemente einer adligen Lebenswelt) und militärische Arbeit sinnvoll miteinander verknüpfen zu können. Dass am Ende besonders die Kavallerie (das Reiterregiment 4 wurde 1935 aufgelöst) unter einem enormen Veränderungsdruck stand, war sicher tragisch. Doch Clemens gehörte noch zu den jungen Offizieren, die u. a. zur legendären Kavallerieschule Hannover abgeordnet wurden, um Ausbildungsabschnitte zu absolvieren (wie Offiziersausbildung im Reiterregiment mit hochqualifizierter Reitausbildung). Seinen Urlaub und seine freie Zeit verbrachte er in Warendorf, er hielt intensiven Kontakt zu seinem geschätzten Vater, vor allem nachdem dieser erkrankt war, und zu seinem auf dem Familienschloss in Ostenfelde lebenden Onkel August.

     

    © Dieser Auszug basiert auf einem Beitrag von Franz-Josef Neuhaus, der im Sammelwerk „Ausgewählte Hengste Deutschlands 2014/15“ erschienen ist.[/vc_column_text][/vc_column][/vc_row]

  • Clemens von Nagel – Pferdemann und Visionär (Teil 2)

    Clemens von Nagel – Pferdemann und Visionär (Teil 2)

    Reiterregiment 15 Paderborn

    Clemens von Nagel beim Reiterregiment 4 in Potsdam.
    © Archiv Schloss Vornholz

    Im Rahmen der Motorisierung und Technisierung des Heeres wurde 1935 das Reiterregiment 4 aufgelöst. Große Teile wurden zur Auffüllung in das Panzerregiment 6  in Neuruppin eingebracht. Clemens von Nagel wurde auf Umwegen über das Kavalleriekommando Bamberg in das Reiterregiment 15 nach Paderborn versetzt. In der dortigen Leitungsriege war er von damals bekannten Reiterpersönlichkeiten von internationalem Format umgeben. Unter anderem waren da der ehemals langjährige Leiter der westfälischen Reit- und Fahrschule Paul Stecken (lebt heute in der Nähe von Münster), der Coppa d´Oro-Gewinner Hermann von Nagel, der Olympiagold-Gewinner in der Vielseitigkeit Rudolf Lippert und der ehemalige Leiter des Springstalls in der Kavallerieschule Hannover Edwin Graf zu Rothkirch und Trach sowie Georg und Philipp von Boeselager, Kavalleristen und Widerständler gegen das Naziregime. Die ansonsten vor allem mit westfälischen Mannschaft en und Offizieren des hiesigen Adels besetzte Einheit hatte als ideales Übungsgelände die Senne, ein über 200 Quadratkilometer großes Heidegebiet zwischen Paderborn und Gütersloh. Kilometerlange Galoppstrecken, Naturhindernisse, Wassergräben und eine regimentseigene Hundemeute, und das alles rund 50 Kilometer entfernt von Warendorf, waren für Clemens von Nagel glückliche Bedingungen, um seine Kenntnisse und Fähigkeiten rund ums Pferd zu festigen.

    Zwei Schicksalsschläge zwangen Clemens von Nagel, seine langfristigen Pläne für seine militärische Laufbahn aufzugeben: Bereits am 13. März 1935 verstarb sein Onkel August von Nagel, ein Pferdemann im Wortsinn (er hatte u. a. einige Jahre in Irland hinter den besten Hundemeuten auf der grünen Insel gejagt), und im gleichen Jahr, am 3. Oktober, sein Vater Paul. Zunächst versuchte er, mit Freistellungen und Beurlaubungen den Spagat zwischen Militärkarriere und Führung eines großen land- und forstwirtschaftlichen Betriebes hinzubekommen. Dieser Doppelbelastung konnte Clemens nicht lange standhalten. Ende 1936 gab man seinem Antrag auf Entlassung aus dem Heer und Übernahme in das Reserve-Offizierskorps des Regiments statt und er wurde Schlossherr auf Vornholz.

    Vollblüter für den Sport

    Fritz Ligges, stets von Baron Nagel gefördert, in traditioneller Uniform bei den Vornholzer Husarentagen.
    © Archiv Schloss Vornholz

    Schnell ging von Nagel daran, im Herzen des Münsterlandes ein Gestüt aufzubauen; zunächst war es seine Absicht, Vollblüter für den Hindernissport und gleichzeitig für den Springsport zu züchten. Auf Empfehlung des damaligen Leiters des Rennstalls an der Kavallerieschule Hannover, Oberst Hans Jay, kaufte von Nagel den rennbewährten Vollbluthengst Marcellus xx, der über seinen Vorfahren Le Sancy xx eine ordentliche Portion Springveranlagung mitbekommen hatte. Zu seinen ersten Partnerinnen auf Vornholz gehörte die ausgesprochen schicke und harmonische Perlenreihe xx von Anakreon xx. Aus der erstmaligen Anpaarung fiel 1938 Perpetua xx, die trotz der Kriegsumstände auf der Rennbahn 80.000 Reichsmark gewann. Vollbruder Pernod xx, ein Jahr später geboren, galoppierte immerhin 40.000 Reichsmark zusammen und war in den ersten Jahren nach dem 2. Weltkrieg unter dem Reiter des Stalles Vornholz, Willi Schultheis, in mehr als 70 Dressurprüfungen der mittleren und schweren Kategorie siegreich. Pernod xx kam 15-jährig in die Zucht, auch dort verdiente er beachtliche Meriten: seine Kinder Puschkin, Piccolo und Prunus gingen wie der vielseitige Puschkyn bis zur Klasse S, Macbeth sogar bis Grand Prix. [ihc-hide-content ihc_mb_type=“show“ ihc_mb_who=“4,3″ ihc_mb_template=“3″ ]

    Wiederaufbau in Polen

    Heideblume mit Fohlen unter uralten Vornholzer Eichen.
    © Archiv Schloss Vornholz

    Als Deutschland im Herbst 1939 Polenangriff  und damit den 2. Weltkrieg initiierte, war von Nagel zunächst als Offizier in einer berittenen Aufklärungsabteilung an der Westfront. Anfang November erhielt er die Order, sich unverzüglich auf den Weg nach Lodz in Polen zu machen. Alles Weitere würde er dort vom „Beauftragten für Pferdezucht und Gestütswesen beim Oberbefehlshaber Ost“ Gustav Rau erfahren. Die deutsche Reichswehr verfolgte das Ziel, in den sogenannten zurückgegliederten Ostgebieten und für das Generalgouvernement eine eigene Gestütsverwaltung aufzubauen, um damit die Pferdeproduktion anzukurbeln. Für von Nagel lautete der konkrete Einsatzbefehl vor Ort: Kommandeur des Hauptgestüts Racot. Kommandeure in 13 weiteren Heeresgestüten waren u. a. der Vater von Inge Theodorescu, Oberstleutnant Hans Fellgiebel, der das häufig als polnisches Trakehnen bezeichnete Janow Podlaski übernahm. Die durch die Kriegseinwirkungen gebeutelten, vornehmlich polnischen Gestüte, die fast 80 Prozent ihrer Hengste verloren hatten, wurden durch gezielte Maßnahmen in relativ kurzer Zeit wieder aufgebaut, die Bestände an Zuchttieren aufgefüllt und größtenteils verbessert. Die Benutzung der Hengste stieg umgehend rasant an.

    Wie kam es zur Berufung von Nagels? Rau hatte den jungen Oberleutnant von Nagel anlässlich verschiedener Termine mit seinem Vater, Landstallmeister von Nagel, in Beberbeck und Warendorf kennen und schätzen gelernt. Der wesentlichste Aspekt war, dass die Beberbecker Stuten, als sie nach Polen transportiert worden waren, größtenteils in Racot gelandet waren. All diese original Beberbecker Zuchtpferde kannte von Nagel im Detail. Durch die Kriegseinwirkungen waren sie zwar in alle Winde zerstreut worden, doch eine intensive Suche führte dazu, dass die meisten von ihnen wieder aufgefunden wurden. Nach etwa zwei Jahren Einsatz in Polen wurde von Nagel von Rau als militärischer Leiter ins Heeresremontegestüt nach Grabau bei Lübeck geschickt. Mit ihm gingen Teile der Beberbeck-Racoter Stuten sowie die sogenannten Leistungsstuten, also Stuten, die als erfolgreiche Sportpferde ihre erste Karriere hinter sich hatten und nun entsprechend den Vorstellungen Raus und von Nagels als Zuchtstuten mit Spitzenhengsten, teilweise mit Sporterfolgen, angepaart wurden, um daraus besondere Leistungspferde zu züchten. Zu den Leistungsstuten gehörten u. a. Tora, die 1936 Gold gewonnen hatte, und die Rittersporn  xx-Tochter Warszawianka, die ebenfalls bei der Olympiade in Berlin vorne mit dabei war. Ziel war es, Spitzensportler zu züchten. Daneben war es Raus Vision, in diesem Versuchsgestüt ein vielseitig einsatzbares Militärpferd zu züchten: beides Ideen, die aufgrund der Ereignisse nicht realisiert wurden. Spätestens hier reifte die Idee, bei sich auf dem heimatlichen Gestüt (seine Schwester Ida hatte während der Kriegsjahre den Familienbetrieb geleitet) eine Leistungszucht mit Halbblütern für den Turniersport aufzubauen und die ohnehin bei Kriegsende danieder liegende Vollblutzucht aufzugeben.

    Kriegsende und Turnier der Sieger

    Landstallmeister Paul von Nagel, Vater von Clemens.
    © Archiv Schloss Vornholz

    Der verlorene Krieg brachte Deutschland und den anderen kriegsbeteiligten Ländern entbehrungsreiche Jahre. Clemens von Nagel fand schnell Kontakt zur englischen Besatzungsmacht und über den Pferdesport auch manchen privaten Kontakt. Den Engländern waren die Aktivitäten des westfälischen Landadligen nicht verborgen geblieben, und als von Nagel den Engländern anbot, bei sich auf seinem Gestüt ein „Showjumping“ zu veranstalten, griffen diese gerne zu. Deutsche waren als Kriegsverlierer nicht zugelassen, aber sie durften ihre Pferde und ihr reiterliches Vermögen den Anwesenden in einer „Dressage Exhibition“ zeigen, und Willi Schultheis zog auf dem bewährten Dorffrieden alle Register. Die britischen Zuschauer waren begeistert. Eine Wiederholung wurde vereinbart und fand im Jahr darauf statt. Bald waren deutsche Teilnehmer zugelassen und spätestens 1948 war dieses Turnier in Deutschland ein, wie man heute sagen würde, Top-Event, welches von seinem Initiator den Namen „Turnier der Sieger“ erhielt und in Münster bis heute seine Fortsetzung fand.

    Zuchtziel Leistungspferd

    Innenhof des Gestüts Racot.
    © Archiv Schloss Vornholz

    Bereits kurz nach der Übernahme des Familienbesitzes hatte von Nagel hannoversche Stuten im Raum Verden und an der Unterelbe gekauft, die teilweise Beberbecker Blut führten. Die bekannteste ist ohne Zweifel die Finnländerin von Flirt aus der Kebandina von Kirkland-Julius Caesar. Die züchterischen Anstöße, die  durch diese Stute bis heute weltweit gegeben wurden, sind enorm. Die Verbreitung ihres Blutes resultierte in Nachkommen wie Radetzky, Don Primero und Don Schufro. Eine ausführliche Beschreibung der Kebandina-Familie (von Nagel hatte auch die Halbschwester der Finnländerin mit Namen Trendelburg gekauft ) ist im Buch „Ausgewählte Hengste Deutschlands 2012/2013“ unter „Das Vermächtnis des Clemens von Nagel“ nachzulesen.

    Weniger bekannt ist die Vornholzer Stutenfamilie der Altdeutsche von Alsterpreis a. d. Sabobilla von Schumann-Colonel, die ihren Ursprung an der Unterelbe hat. Die Vorfahren sind auf den Deckstationen Hechthausen, Großenwörden und Hollern entstanden. Interessant ist, dass die Väter der in der beigefügten Stammtafel aufgeführten Stuten häufig Beberbecker Blut führen. So ist bei Alsterpreis, dem Vater der Altdeutschen, auf der Mutterseite der original Beberbecker Comet vertreten. Ebenso stammt die Großmutter der Altdeutschen, die Anhang-Stute 790, von einem Enkel des Beberbeckers Colorado mit Namen Colonel. Dies waren Gründe für von Nagel, die Stute Altdeutsche 1936 von Johann von Borstel in Krautsand zu kaufen; Züchter war Rudolf Büther in Hollern.

    Die Eintragung der Altdeutschen war in Westfalen kein Problem, da sich bereits 1920 das Westfälische Pferdestammbuch entschieden hatte, auf hannoverscher Basis zu züchten. Welche Qualität diese Stute hatte, belegt die vorgenommene Punktierung: Für alle Kriterien von Gebäude, Fundament und Gang gab es die Punktzahl 8 (auf einer Skala von 1 bis 10). Ihre herausragenden Kinder stammen allesamt vom harten Beberbecker Beschäler Oxyd von Irrlehrer. Der harte, großrahmige Hunter hatte außer in Beberbeck einige Jahre in Ostpreußen als Landbeschäler gewirkt, besaß nach von Nagels Meinung eine exzellente Blutführung und hatte seine Rittigkeit als Reit- und Jagdpferd unter Beweis gestellt. Der Rappe Oxyd wird als ausdrucksstark und tief beschrieben, seine Gänge beeindruckten. Vor allem seine Töchter waren edle und harmonische Modelle. Durch die Verbindung der ausgesuchten Hannoverschen Stuten mit dem Beberbecker Hengst Oxyd, der zudem einen Schuss Vollblut besaß, entstand das in der Literatur viel gerühmte Vornholzer Pferd.

    Clemens von Nagel als Kavallerist.
    © Archiv Schloss Vornholz

    Zu Altdeutsches Nachkommen zählen die drei Onyx-Brüder sowie ihre Tochter Admiralität. Onyx I wurde Landbeschäler im damaligen Landgestüt Lack, welches unter militärischer Leitung stand und Hengste für den Warthegau zur Verfügung stellte. Onyx II wurde ebenfalls gekört und an den westfälischen Privathengsthalter Cosack, einen ausgesprochenen Edelpferde-Mann, verkauft . Onyx III erhielt ebenfalls das Prädikat gekört und sorgte mit seinen Stallnachbarn Afrika und Chronist xx als Adular für eine handfeste olympische Überraschung.

    Admiralität erhielt dreijährig die Staatsprämie und wurde in den Vornholzer Stutenbestand eingereiht.

    Sie brachte mehrere Töchter, zu nennen sind besonders vier. Arie, Admira, Adria und Sieglinde.

    ■  Arie (v. Ramzes AA) brachte sieben Stutfohlen: Arosa wurde Mutter des M-Springpferdes Ribana von Ramiro und Großmutter von Wolke (v. Weltmeister), ebenfalls im M-Parcours erfolgreich, sowie Magic Mouse (v. Aristokrat), auf dem Viereck M-siegreich.

    ■  Arosas Tochter Adeline war Großmutter des SSpringpferdes Calida von Calido sowie der Sportpferde Acorada von Acorado, Cherubin von Calido, und der Vollgeschwister Co-Jack und Celebration, beide von Cassandro; Arosas Tochter Ramona brachte den Privatbeschäler Gran Rio von Graditz. Aries Tochter Ariane von Herold wurde durch ihren Sohn Uhland bekannt, der Usurpator xx-Sohn ging unter Peter Weinberg Nationenpreise u. a. in La Baule sowie Große Preise wie den von Dortmund 1977. Aries Tochter Elke von Herold wurde die Staatsprämie zugesprochen.

    ■  Admiras (von Ramzes AA) Enkel und Urenkel zeichnen sich durch besondere sportliche Leistungsfähigkeit im Parcours und auf dem Viereck aus, so zum Beispiel die S-Springpferde Ikhor von Ingbert, Wicking von Wikinger und Paradiso 9 von Paradiso sowie das S-Dressurpferd Mario von Martinez.

    ■ Nachkommen der Adria von Ramzes AA sind der Ldb. Fröhlich, Ldb. Plinius, Pb. Lord Loh und Pb. Pablo Picasso. Sie selber wurde Mutter eines Leistungshengstes, der eine Hengstlinie von internationaler Bedeutung auf den Weg brachte, denn ihr arabisch aufgemachter Sohn Perseus wurde Vater des Pilatus, der bekanntermaßen die Halbbrüder Pilot und Polydor brachte, die durch ihre springgewaltigen Kinder jahrelang die Gewinnsummen-Hitlisten in Deutschland anführten. In Adrias Nachkommenschaft  fallen die große Anzahl von S-Pferden in der Dressur (u. a. Faustus von Fontanus xx, Babou von Bormio xx) und im Springen (u. a. Snop von Schwangau, Diamant von Draufgänger) auf.

    ■ Sieglinde vom harten Ebbesloher Sünder xx belegt mit ihren Kindern und Enkeln wie bei den o. g. Schwestern einmal mehr die vielseitige Eignung und das entsprechende Leistungsvermögen im Reitsport; M- und S-Pferde vornehmlich über den Stangen sind in diesem Zweig der Altdeutsche-Familie keine Seltenheit, zum Beispiel Pan Am von Polydor, First Faisal von Faisal, Penny Lane von Dunhill H, Pageno von Pilot und Aragorn von Anmarsch. Der letztgenannte Wallach entstammt einer Nebenlinie, die von der Frühlingsduft  I-Tochter Freisonne initiiert wurde und in Bayern reihenweise Springpferde gebracht hat.

    Schloss Beberbeck, Haus des Landstallmeisters.
    © Archiv Schloss Vornholz

    Oxyd wurde zu einem bedeutenden Stützpfeiler der Vornholzer Sportpferdeschmiede, denn durch seine Nachkommen begann nun für die Zuchtstätte Vornholz eine Ära des sportlichen Erfolgs: Vornholzer Pferde zogen ausgebildet und vorgestellt durch Otto Lörke, Willi Schultheis, Alfons Przybylski und Ida von Nagel von Turnier zu Turnier, von Sieg zu Sieg. Die komplette bundesdeutsche Dressurequipe bei den Olympischen Spielen 1952 in Helsinki, die Bronze gewann, stammte aus der Vornholzer Zucht, Adular (a. d. Altdeutschen) v. Oxyd, Afrika (aus einer weiteren hannoverschen Stute namens Anlage vom Beberbecker Anlauf) v. Oxyd und der Marcellus xx-Sohn Chronist xx – ein nie dagewesener und so leicht nicht wiederholbarer Triumph durch eine einzige Zuchtstätte. Nur durch eine plötzlich aufgetretene Lahmheit wiederholte sich dieser spektakuläre Erfolg der Vornholzschen Zucht vier Jahre später in Stockholm nicht – Chronist xx, vorgesehen für Hannelore Weygand, musste durch den Trakehner Perkunos ersetzt werden. Doch die beiden Oxyd-

    Der Hengst Oxyd wurde in Vornholz Vater ausgezeichneter Mutterstuten und nachhaltiger Söhne.
    © Archiv Schloss Vornholz

    Nachkommen Adular (jetzt unter Liselott Linsenhoff) und Afrika (jetzt mit Anneliese Küppers) halfen, Mannschaftssilber zu sichern, Adular schaffte mit seiner Reiterin sogar Einzelbronze.

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    © Dieser Auszug basiert auf einem Beitrag von Franz-Josef Neuhaus, der im Sammelwerk „Ausgewählte Hengste Deutschlands 2014/15“ erschienen ist.

  • Clemens von Nagel – Pferdemann und Visionär (Teil 3)

    Clemens von Nagel – Pferdemann und Visionär (Teil 3)

    Ramzes AA wegweisend

    Pernod xx prägte entscheidend die Zucht im Gestüt Vornholz, sportlich war er ein Multitalent.
    © Archiv Schloss Vornholz

    Infolge des altersbedingten Ausscheidens der Vornholzer Hengste Marcellus xx, Oxyd xx und Pernod xx sowie durch den Weggang des Ausbildergespanns Lörke/ Schultheis richtete Baron von Nagel sein Augenmerk stärker auf den zum damaligen Zeitpunkt noch recht kleinen Springstall. Mit dem Ankauf der polnischen Schimmelhengste Ramzes AA und Krol Walca steckte der Baron ein neues Ziel für seine Zucht. Vornehmlich die Töchter des Oxyd bildeten den Grundstock für den Erfolg des Ramzes AA, der aus heutiger Sicht einer der bedeutendsten Leistungsvererber der deutschen, wenn nicht europäischen Warmblutzucht nach dem 2. Weltkrieg ist.

    Ramzes AA war während des 2. Weltkrieges zunächst als Remontehengst im polnischen Janow Podlaski eingesetzt, später aufgrund der Kriegsentwicklung nach Grabau verlegt und bei Kriegsende an den polnischen Offizier Witalis Bielecki gekommen, der ihn auf den ersten Turnieren der Alliierten nach dem Krieg ritt. Von Nagel kaufte ihn, nicht zuletzt weil er seine Qualitäten kannte.

    Ramzes AA bestritt unter Micky Brinkmann erfolgreich eine Reihe von M-Springen, bis er sich das Fesselbein brach. Mit unglaublicher Geduld ertrug er seine Verletzung und trug so zu seiner Genesung bei, erholte sich und blieb der Zucht erhalten. Bereits in seinem Deckeinsatz in Polen hatte er sehr gute Jagd- und Springpferde gemacht, mehr im Huntertyp seines Vaters Rittersporn xx als im arabischen Typ seiner Mutter Jordi. Genau dies kam dem Vornholzer Zuchtziel mit seinen vornehmlich Beberbecker, Holsteiner und hannoverschen Stuten sehr entgegen.

    Polnische Gestütswärter üben unter der Anleitung von Clemens von Nagel eine Quadrille
    © Archiv Schloss Vornholz

    Bei den Westfalen wurde Ramzes AA zunächst in die Zuchtwertklasse IV eingestuft, die Holsteiner zeigten weniger Zurückhaltung und sicherten sich den Hengst für zwei Decksaisons (1951 und 1952, später nochmal 1959/1960). Der beispiellose Siegeszug des Anglo-Arabers nahm seinen Anfang: Während er (der ausnahmslos seine Schimmelfarbe vererbte) in Holstein Spitzenspringpferde wie Ramona (Alwin Schockemöhle), Retina (Fritz Thiedemann), Romanus (Hans Günter Winkler) und Ramzes XIII (Kurt Jarasinski) sowie hochklassige Töchter und gekörte Söhne lieferte, brachte er in Westfalen Talente fürs Viereck, zum Beispiel Mariano (Silber und Gold 1968 in Mexiko unter Josef Neckermann), Tiga (Grand Prix-Pferd unter Heinz Lammers) und den aus einer Abdel Krim-Hersdorf gezogenen Remus (Silber und Gold in Tokio 1964 unter Harry Boldt), um nur einige zu nennen. In der westfälischen Zucht war es der Ramzes AA-Sohn Ldb. Radetzky, ein Vollbruder des Mariano, der als Kronerbe des Ramzes-Blutes galt. Dieser Schimmel, gezogen in Vornholz, aus der hochedlen Malta von Oxyd (a. d. Meerfahrt von Meleager, den von Nagel aus seiner Zeit in Beberbeck, Warendorf und Racot kannte), wurde Warendorfer Landbeschäler und war das beste Beispiel der hervorragenden Reitpferdeeigenschaft en, die Ramzes AA vererbte. Radetzky war bis Grand Prix ausgebildet und wird mit Blick auf seine Vererbungsleistung mit Hengsten wie Duellant und Abglanz gleichgesetzt.

    Als Ramzes AA mit fast dreißig Jahren nach 18-jähriger Decktätigkeit 1966 eingeschläfert wurde, wurden die Freunde dieses Hengstes mit einer eigens gedruckten Karte benachrichtigt; seine Geschichte war noch nicht zu Ende, sie begann gerade erst – und hält bis heute an.

    Der andere Polen-Import, der o. g. Krol Walca, ein etwas derber Dunkelschimmel, stammte vom Vollblüter Jantos xx, der in Racot gewirkt hatte. Krol Walcas Mutter Warszawianka (siehe oben) war ohne Zweifel das erfolgreichste Springpferd Polens in den 20er- und 30er-Jahren und nahm an den Olympischen Spielen 1936 in Berlin teil. Krol Walca stand immer im Schatten von Ramzes AA und wurde vornehmlich für die eigenen Vornholzer Stuten benutzt; unter anderem brachte er das Springpferd Feuerdorn (H.G. Winkler).

    Holsteiner Stuten geadelt

    Ramiro, eine Hengstlegende mit Weltformat.
    © Bernd Eylers

    Die Erfolge der „Ramzes-Expedition“ im Land zwischen den Meeren ließen Clemens von Nagel, diesen von der Norm abweichenden, genialen Horseman, dem das Brandzeichen nie zur Ersatzreligion geworden war, schnell umdenken. In den 50er-Jahren, als durch die unaufhaltsame Motorisierung in der Landwirtschaft  die schweren Holsteiner alten Schlages verschwanden, kaufte Clemens von Nagel gezielt einige dieser Stuten aus bewährten Springstämmen. Er war überzeugt, dass eine edle Sportpferdezucht an gewisses Maß an Substanz und Kaliber benötigt. Das schien ihm durch die kalibrigen Stuten „mit den gemeißelten Köpfen auf Wikingerhälsen“ (Gustav Rau) gewährleistet. Gleichzeitig mit diesen Stuten kauft e er den Landbeschäler Herold v. Herder-Makler I vom damals kurz vor der Schließung stehenden Landgestüt Traventhal. Herold war ein Erhalterhengst alten Typs, der in Holstein „unmodern“ geworden war und gehäuft  das Springblut der holsteinischen Favorit-Tobias-Linie führte.

    Clemens von Nagels neues Konzept lautete nun: Verankerung des natürlichen Springvermögens, der Springfreudigkeit, Leistungsbereitschaft  und Unverdrossenheit des Holsteiners in der Vornholzer Zucht auf drei Wegen: einmal durch holsteinische „Reinzucht“, durch die Kombination der angekauft en Holsteiner Stuten mit Herold, zweitens durch Anpaarung dieser Stuten mit Veredler-Hengsten wie Ramzes AA und Vollblütern wie Usurpator xx und drittens, umgekehrt, Anpaarung der Altvornholzer Stuten mit Herold. Aus diesen Kombinationen entstanden im Laufe der nächsten Jahre Pferde, die dem Gestüt neue sportliche und züchterische Impulse und Erfolge brachten. [ihc-hide-content ihc_mb_type=“show“ ihc_mb_who=“4,3″ ihc_mb_template=“3″ ]Besonders hervorgetan haben sich als Mutterstuten die sporterfolgreiche Heideblume von Heidebauer-Loretto-Heinitz, Mutter des Goldmedaillenpferdes Robin v. Ramzes und weiterer S-erfolgreicher Nachkommen, Nachtrose von Fangball-Loretto-Lorenz, Mutter des in Westfalen erfolgreichen Deckhengstes Roderich v. Ramzes, Laute von Fanatiker-Nubier-Neptun, Mutter des Vornholzer Vererbers Romanow v. Ramiro, und Pomeranze v. Löwenjäger, Mutter des international erfolgreichen Springpferdes Fatinitza v. Ramiro.

    Ein besonderer Glücksgriff  gelang Baron von Nagel mit dem Kauf der Stute Valine von Cottage Son xx-Logenschließer-Favorit, die tragend nach Westfalen kam und hier im Mai 1964 ein Hengstfohlen von Raimond (v. Ramzes) bekam: Ramiro, eine Hengstlegende mit Weltformat und ein gewaltiges Sportpferd mit Ausnahmequalitäten, aber auch ein Streitpunkt zwischen dem westfälischen Zuchtverband und von Nagel, der sich über viele Jahre hinzog. Der kapitale Braune, oft  als erster Euro-Hengst bezeichnet, hinterließ unvergessliche Sportkinder wie Ramzes (Mannschaftsbronze Olympiade Los Angeles), Rodney, Rosella G (zweifache Bundeschampionesse Springen) und die Spring-Ikone Ratina, vererbungsstarke Töchter, die bis heute wirken, zum Beispiel Ramira, die Mutter des zweifachen Bundeschampions Springen Monte Bellini, oder Ramiros Söhne bzw. Enkelsöhne wie Ramirado bzw. Rockwell, Rock for Ever und Revolverheld. Dies alles war möglich, obwohl man ihn anfangs nur in Zuchtwertklasse IV (nur für Stuten des Hengsthalters) einstuft e. Wie sportlich talentiert Ramiro war, belegt seine erste Sportsaison 1971 als 6-Jähriger unter Fritz Ligges: anfangs noch in L- und M-Prüfungen ging es Ende 1971 bereits über ländliche S-Parcours – und 1973 bei der EM in Hickstead landete er auf Platz 8.

    Leistungsschub  „à la France“

    Das internationale Sportpferd Retina, eine Tochter des Ramzes AA © Archiv Schloss Vornholz

    In den 70er-Jahren stand der Vornholzer Gestütsherr vor der Aufgabe, die zu enge Blutbasis seiner Zucht zu erweitern, denn die eingesetzten Stuten führten ein- oder mehrfach Ramzes-Blut. Um sich nicht der Gefahr der Inzucht auszusetzen, durfte nur beschränkt weiteres R-Blut über seinen Enkel Ramiro und dessen Sohn Romanow eingebracht werden. Von Nagel erinnerte sich an die gute Wirkung anglo-arabischen Blutes in seiner Zucht und in Leistungszuchten überhaupt. Er erwarb den großrahmigen anglo-arabischen Vollblüter Kallistos, geboren 1970, der als Sohn des Arabers Djerba Qua ox und der Keseybiss, eine springgeprüfte Hauptgestütsstute in Pompadour, Nachfahre einer im Renn- und Hindernissport renommierten Familie ist. Die Entscheidung war erwartungsgemäß richtig: Kinder (aus Vornholzer Zeit wie auch aus dem späteren Einsatz bei Familie Lackner in Borgholzhausen) dieses Schwarzbraunen machten vom Fleck weg im Sport auf sich aufmerksam, Mütter dieser Sportler waren häufig Töchter des Ramiro. Erfolgspferde wie Korsar (Fritz Ligges) und Kaktus sowie Kalypso (Ulrich Meyer zu Bexten) belegten die Richtigkeit dieses züchterischen Konzeptes.

    Das letzte Kapitel der Vornholzer Zucht schließlich schrieb noch einmal ein Holsteiner. Vierzehn Tage vor seinem Tod einigte sich Clemens von Nagel mit dem damaligen Geschäftsführer des Holsteiner Verbandes, Johann Maas Hell, über die Anpachtung eines Junghengstes. Es handelte sich um keinen anderen als Caletto I v. Cor de la Bryère, der seinen ersten Deckeinsatz als junger, unbekannter und nicht unumstrittener Hengst in Vornholz begann. Das westfälische Pferdestammbuch verweigerte ihm die Anerkennung, aber die fünf Stutfohlen, die er in dieser halben Saison produzierte, gingen ihren Weg: als Siegerstute der Dreijährigen, als Sportpferd oder als Stammmutter von Erfolgspferden. Caletto I, selbst unter Michael Rüping erfolgreich in Championaten, stand jahrelang in jeder Zuchtwertschätzung ganz oben.

    Tradition und Verbundenheit

    Der Schimmel Radetzky (geb. 1951) revolutionierte die westfälische Zucht.
    © Landgestüt Warendorf

    Von Nagel, kein Ewig-Gestriger, hat sich an die Lebensstationen, die ihn besonders berührt haben, stets aktiv erinnert und die Freundschaft  mit den damit verbundenen Personen gepflegt. Besonders die Zeit in Beberbeck und in den Kavallerieregimentern lag ihm am Herzen. Bis zu seinem Tod fanden jährlich sogenannte „Beberbecker Treffen“ statt. Hierzu wurden die ehemaligen Mitarbeiter, die teilweise im Landgestüt Warendorf untergekommen waren, sowie Mitglieder der eigenen Familien nach Vornholz eingeladen. Das gedruckte Programm sah eine Besichtigung der Hengste und Stuten sowie der jungen Jahrgänge und einer Reitabteilung vor, anschließend saß man an einer Kaffeetafel beziehungsweise beim Abendessen gemütlich beisammen.

    In größeren Abständen wurden Regiments- und Husarentage auf dem Schloss abgehalten. Vor großer Zuschauerkulisse erschallte Marschmusik von englischen und deutschen Kapellen, vorgetragen über die Wiese vor dem Schloss. ReiterInnen (darunter Olympiasieger Fritz Ligges, der ehemalige Vorsitzende des Westfälischen Pferdestammbuches, Gustav Meyer zu Hartum, und die langjährige Vornholzer Gestütsleiterin und ehemalige Chefredakteurin des St. Georg, Gabriele Pochhammer) in traditionellen Uniformen beziehungsweise im Damensattel marschierten auf und zeigten reiterliches Können, Husarenkommers und Manöverball bildeten den Abschluss dieser Traditionstage.

    Viele Spuren bleiben

    Ramzes AA, eine Vererber-Legende © Archiv Schloss Vornholz

    Clemens Freiherr von Nagel-Doornick blieb keine Zeit mitzuerleben, wie richtig auch diese von ihm eingeleitete fünfte Phase für das züchterische Gesamtkonzept seines in Westfalen, ja in Deutschland einmaligen Privatgestüts der Leistungspferdezucht war. Er starb nach einem Leben, welches durch Pferde von Anfang bis Ende geprägt war, im September des Jahres 1977. Der Gestütsbetrieb wurde eingestellt, der Pferdebestand fast gänzlich verkauft. Geblieben sind vor allem die vielen Spuren der Hengste Ramzes AA, Radetzky und Ramiro, oder der Stuten, wie Adria, die über ihren Pluchino xx-Sohn Perseus und dessen Sohn Pilatus Urgroßmutter der Welthengste Pilot und Polydor wurde, alles Pferde, die Westfalens Zucht Weltgeltung verschafft haben und den Pferdesport weitergebracht haben.

     

     

     

     

     

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    © Dieser Auszug basiert auf einem Beitrag von Franz-Josef Neuhaus, der im Sammelwerk „Ausgewählte Hengste Deutschlands 2014/15“ erschienen ist.