Sandro Hit – schwarz, schön und viele Sünden wert (Teil 1)

Schwarzer Edelstein, brillantes Genie, aber auch wilder Teufel – die Begriffe, mit denen Sandro Hit tituliert wird, sind vielfältig. Und auch wenn immer wieder Kritik an ihm laut wird, was dieser Oldenburger in kurzer Zeit geschaffen hat, ist phänomenal: zehn Bundeschampions, sieben Siegerhengste, über 100 gekörte Söhne sowie Auktionsspitzen in exorbitanten Höhen. [caption id="attachment_215581" align="alignleft" width="242"] Sandro Song: Mit Sandro Hit schuf dessen Vater Sandro Song sein absolutes Meisterstück.[/caption] So glamourös, wie seine Nachkommen oft glänzen, so bodenständig ist er selbst geboren. „Ein echter Bramscher Junge“, sagt Züchterin Gabriele Harder-Brune über „ihren Sandro Hit“. Für die Leiterin der Bramschen Zucht lagen die in unmittelbarer Nachbarschaft stehenden Hengste für ihre Zuchtstuten nahe. Und das war erst einmal der Hengstleistungsprüfungssieger Ramino, der bei Melanie Kötter in Bramsche stand und mit ihr Europameister der Junioren wurde. Nach Italien verkauft, gewann er dort anschließend fünfmal den Titel italienischer Meister. „Ramino führte über Ramiro bewährtes Leistungsblut und hat sich selbst im Sport mehrfach bewiesen“, so die Züchterin, die mit ihrem Ehemann Reinhold einen landwirtschaftlichen Betrieb mit 15 Hektar führt. Ramino wählte sie für ihre Stute Lassie, deren Vater Welt As in den 1980er und 1990er Jahren zahlreiche Top-Sportpferde lieferte. Der Bekannteste ist sicherlich Anky van Grunsvens Olympiasieger und Weltmeister Bonfire, doch auch im Parcours überzeugten Welt As-Nachkommen wie Leroy Brown mit Wout Jan van der Schans oder Wendy unter Heinrich Wilhelm Johannsmann. Das Produkt Loretta paarte sie mit Sandro Song an, damals im nahe gelegenen Gestüt Bonhomme beheimatet. „Sandro Song war gerade Siegerhengst und führte die wertvollen Sandro-Gene. Er gefiel uns sehr gut und zudem hatten wir das Glück, dass er so nahe war. Also ließen wir Loretta in zwei aufeinander folgenden Jahren von ihm im Natursprung decken“, berichtet Harder-Brune. Sandro überzeugte zuvor als Holsteiner Halbblüter von Sacramento Song xx im Springsport unter Franke Sloothaak.

   

Ein schickes Rappfohlen

1993 kam ein Rapphengst zur Welt. Einer, der später die moderne Pferdezucht ganz entscheidend prägen sollte: Sandro Hit. „Er war ein ganz auffallendes Fohlen, sehr schick, dazu in dunkler Jacke, bewegte sich sehr gut und war im Umgang ganz simpel“, erzählt die Züchterin. Beim Brenntermin wurde er direkt für die Oldenburger Auktion zugelassen. Dort sicherte ihn sich Paul Schockemöhle, der für das Rappfohlen stolze 24.000 Mark – zu der Zeit noch richtig viel Geld – anlegte. „Bernd Huslage und Franz Pieper haben ihn für mich auf der Vechtaer Fohlenauktion entdeckt und gekauft. Mein Auftrag war, Hengstfohlen mit Körfähigkeit zu kaufen. Letztlich haben mich an Sandro Hit als Fohlen sein herausragender Typ, seine Korrektheit und die Bewegungsqualität überzeugt“, berichtet Schockemöhle. Die Rechnung ging – anfangs allerdings schleppend – auf. Der Rappe von Sandro Song-Ramino-Welt As wurde 1995 in Oldenburg gekört. Damals debütierte Sandro Hit mit Securus als die beiden ersten Sandro Song-Söhne auf der Körung. Nobel, langbeinig, schick und bewegungsstark präsentierte sich Sandro Hit – ins Prämienlot gelangte er allerdings noch nicht. Auch in der Hengstleistungsprüfung fiel Sandro Hit nicht sonderlich auf. Durchschnittliches Mittelfeld, wenn nicht Hinterfeld – da landete er mit 99.80 Punkten als 16. von 33. Im Springen – darauf deutete seine Abstammung ja eigentlich hin – landete er gar nur auf Rang 22 mit mageren 82.17 Punkten. Immerhin: Die Rittigkeit wurde mit 115.72 Punkten bewertet. Doch trotz der eher normalen bis mageren Aussichten sollte es ganz anders kommen. Sandro Hits Geburtsstätte liegt unweit der Friedensstadt Osnabrück. Rund acht Stuten stehen stets in der Zucht. Sandro Hits Mutter Loretta, inzwischen 21-jährig, bekommt ihr Gnadenbrot. Sie hat sich phänomenal vererbt: Bisher brachte sie mit Sandro Hit, dem vier Jahre später geborenem Grand Prix erfolgreichen Vererber Diamond Hit und dem im Jahr 2000 geborenen Royal Hit drei gekörte Hengste. „Zu diesen dreien gibt es jeweils Vollschwestern – während Sandro Hits Schwester La Traviata vor drei Jahren zu Xavier Marie nach Frankreich verkauft wurde, ging die Diamond Hit-Schwester als Fohlen zu Paul Schockemöhle. Die Royal Hit-Schwester Loretta Live haben wir behalten“, berichtet Harder-Brune. [caption id="attachment_215617" align="alignleft" width="293"] Dr. Ulf Möllers "Leib- und Magenpferd": Sandro Hit, unter ihm Bundeschampion und Weltmeister.[/caption] Insgeheim hofft sie auf einen vierten gekörten Hengst: Einen 2007 geborenen Jährling von Riccione aus der Loretta ziehen sie selbst auf. „Wir versuchen, die interessantesten und besten Stuten für unsere Zucht zu halten. Aus Sandro Hits Schwester haben wir hier noch die Royal Diamond-Tochter Lavirca, die als Elite- und Brillantringstute ausgezeichnet wurde, während deren Vollschwester für 45.000 Mark über die Fohlenauktion wechselte.“ Loretta hat den Titel Elitestute mehr als verdient. Mit Diamond Hit stellte sie den sportlich erfolgreichsten Sohn, mit dem Emma Hindle Grand Prix-Erfolge feiert und ihn für die Olympischen Spiele 2009 in die nähere Auswahl zog. Der Don Schufro-Sohn war 2002 Vizeweltmeister und Vize-Bundeschampion, wurde als VTV-Dressurhengst ausgezeichnet und liegt seit Jahren beständig in der Zuchtwertschätzung auf vorderen Plätzen. Über 13 gekörte Söhne hat er bereits gestellt, darunter den 2005er Bundeschampion Donovan, der nach großen Erfolgen in Amerika zu früh einging. Auch die 2008- er WM-Bronzemedaillen-Gewinnerin Diamantenbörse, die 2007 auf dem Bundeschampionat unter Jessica Süss Dritte wurde, zählt zu Diamond Hits erfolgreichen Nachkommen. Halbbruder Royal Hit von Royal Dance war 2002 zweiter Reservesieger auf der Oldenburger Körung, brachte bereits mehrere gekörte Söhne und wirkt inzwischen auf der Bloomfield-Farm in Australien. Sein Sohn Royal Doruto war 2008 unter Kira Wulferding Oldenburger Landeschampion.

 

Voll Harmonie und Eleganz

[caption id="attachment_215609" align="alignleft" width="450"] Halbbruder Diamond Hit: Grand Prix erfolgreicher Spitzenvererber mit Bundeschampions und Auktionsspitzen[/caption] Zurück zu Sandro Hit: Den absoluten Durchbruch schaffte der Hengst erst mit sechs Jahren. Zuvor auf keinem Turnier gewesen, startete er 1999 in eine Saison, die den Titel Ausnahme nicht zu scheuen brauchte: Vor rund 15.000 Zuschauern gewann er die Weltmeisterschaft der sechsjährigen Dressurpferde in Arnheim. Wenige Wochen später siegte er ebenfalls unter Dr. Ulf Müller mit einem „Gänsehaut-Ritt“ und der Traumnote 9,5 im Bundeschampionat der sechsjährigen Dressurpferde. Dicht gedrängt saßen die Zuschauer am Dressurviereck, als der noble, schwarze Beau seine Prüfung leichtfüßig, voller Harmonie und Eleganz absolvierte. Eine Vorstellung, die Kommentator Christoph Hess zu den Worten verleitete: „Hier wird die Faszination Dressursport deutlich.“ Der vormals eher im Hintergrund auftretende Hengst, von vielen bereits als schwierig abgestempelt, war zum Star avanciert. Das ließ natürlich auch die Züchter aufhorchen. Immer mehr wollten den Oldenburger Rappen für ihre Stuten einsetzen. „Die Nachfrage wurde so groß, dass wir das Reiten stark in den Hintergrund stellen mussten. Somit gaben wir auch seine Turnierkarriere auf “, erzählt Dr. Ulf Möller, der Reiter, den Sandro Hit gesucht und gefunden hatte. Als wirklich schwierig empfand er den Hengst nie. „Ich konnte von Anfang an einen besonderen Draht zu ihm aufbauen.“ Große Auftritte hat Sandro Hit seitdem „nur“ noch auf den Hengstschauen der Station Paul Schockemöhle. Doch da herrscht stets volles Haus – die Vechtaer Auktionshalle platzt aus allen Nähten. Meist bekommt Möller seinen „Schwatten“ drei Wochen zuvor. Doch die Zeit reicht, um ihn optimal zu präsentierten. „Es ist faszinierend, aber je mehr Publikum da ist, umso stolzer zeigt sich der Hengst. Er scheint es regelrecht zu genießen, im Rampenlicht zu stehen. Ihn so vorstellen zu können, macht wirklich Spaß, weil er eine unheimliche Bergauftendenz hat und toll mitmacht“, so Möller.   © Dieser Auszug basiert auf einem Beitrag von Julia Wentscher, der im Sammelwerk „Ausgewählte Hengste Deutschlands 2010/11“ erschienen ist.