Rusty-Klone in der Zucht (Teil 2)

Die Klone pflanzen sich fort

[caption id="attachment_202033" align="alignleft" width="450"] Quidam de Revel war das erste Pferd, das auf Wunsch einer Privatperson reproduziert wurde. Der Belgier Flemming Velin zahlte 250.000 Euro für den Klon, der mittlerweile in Belgien im Deckeinsatz steht © Bernd Eylers[/caption] Dass Klone sich natürlich fortpflanzen können, ist seit 2008 bewiesen. Wieder waren die Italiener am schnellsten: Klon-Sensation Prometea brachte ein gesundes Hengstfohlen zur Welt. „Prometea hat gezeigt, dass sie ein ganz normales und gesundes Tier ist“, freute man sich in Cremona. „Der letzte Beweis für ihre Normalität ist die natürliche Geburt von Pegaso.“ Die Kopie des Vollblüters Pieraz deckt in Frankreich bereits seit 2009 und hat über 30 gesunde Fohlen vorzuweisen, seit letztem Jahr sogar einen Enkel. Der Klon von Hugo Simons Spitzenpferd E.T., der 3,2 Millionen Euro zusammensprang, bekam 2010 zum ersten Mal Nachwuchs. Seit 2012 ist das Tiefgefriersperma von E.T. weltweit zu haben, und das ist gar nicht so teuer. Bei Reservierung sind 600 Euro und bei Trächtigkeit der Stute 800 Euro fällig. „Damit wollen wir zeigen, dass Klonen bei der Zucht helfen kann und im finanziellen Rahmen vieler Züchter liegt“, so Cryozootech. Auch der Klon des Ausnahme-Hengstes Quidam de Revel steht seit 2012 in Belgien im Deckeinsatz, Gemini (Klon von Gem Twist) pflanzt sich fleißig fort und auch die Kopien von Levisto Z und Chellano decken in Zangersheide. Das belgische Stutbuch Zangersheide ist es auch, welches den Reproduktionen von Pieraz, E.T., Levisto und Chellano ihre Zuchterlaubnis erteilt hat. Gestütschef Léon Melchior ist dafür bekannt, dass er neuen Techniken und Methoden offen gegenüber steht. Vor gut 30 Jahren begann Zangersheide mit künstlicher Besamung – gegen den Willen der deutschen Zuchtverbände. [ihc-hide-content ihc_mb_type="show" ihc_mb_who="4,3" ihc_mb_template="3" ]Heute gehört sie zur züchterischen Normalität. Auch beim Embryotransfer spielte Melchior eine Vorreiterrolle und schließlich war Zangersheide das erste Zuchtbuch, das Klone zuließ. Der Belgier ist allerdings nur an Springblut interessiert. Deshalb ließ Palmer Rusty Klon 1 und Rusty Klon 2 ins britische Anglo European Studbook (AES) eintragen. „AES hat außerdem zwei Klone von Gem Twist und einen von Romulus 16 aufgenommen“, freut er sich. Auch das holländische KWPN Stutbuch zog mit und nahm zwei Klone des Dressurhengstes Jazz auf, der jahrelang das Ranking der besten Vererber des Weltzuchtverbandes anführte. „Ich hoffe, das nächste Stutbuch, das Klone registriert, wird ein deutsches sein“, sagt Palmer.

Erste Langzeitstudie läuft

[caption id="attachment_202035" align="alignleft" width="450"] Der Genforscher Dr. Eric Palmer, gründer von Cryozootech, spielt mit dem Gedanken, die Klone von einem Top-Dressurreiter ausbilden zu lassen © Cryozootech[/caption] Hinrichs führt an der A&M Texas University die erste Langzeitstudie zum Thema durch. Seit sechs Jahren beobachtet sie 14 Pferde, die sie selbst geklont hat. Dabei interessieren sie vor allem zwei Fragen: Wie sehr ähneln die Klone ihren Vorbildern und wie kann Klonen für die Pferdeindustrie genutzt werden? „Wie stark die Ähnlichkeit zum Spendertier ist, hängt von mehreren Faktoren ab. Davon stehen zwei direkt mit dem Klonen in Verbindung“, erklärt die Genforscherin. „Das sind zum einen Veränderungen der Mitochondrien, die das Erbmaterial enthalten, und zum anderen epigenetische Veränderungen. Dadurch kann ein Klon zum Beispiel etwas kleiner, größer, kräftiger oder zierlicher ausfallen als das Original.“ Oder, wie im Falle von E.T.s Kopie, nicht dieselbe auffällige Blesse haben. Diese kleinen Veränderungen im Erscheinungsbild entstehen, da Chromosomen nicht nur eins zu eins vererbt, sondern auch durch Lebensumstände beeinflusst werden können. So ist ein Embryo, der im Reagenzglas erzeugt wird, anderen Bedingungen ausgesetzt als einer, der in der Gebärmutter heranwächst. „Das kommt auch beim Embryotransfer vor“, erklärt Hinrichs, „aber beim Klonen fällt es mehr auf, weil man ein bestimmtes Aussehen erwartet.“ Diese Abweichungen sowie gesundheitliche Probleme, die bei vielen neugeborenen Klonen auftreten, machen es für Hinrichs unwahrscheinlich, dass die Klone genauso leistungsfähig sind wie ihre Vorbilder. Sie könnten aber eingesetzt werden, um leistungsfähige Nachkommen zu zeugen, sagt sie. „Klonen ist eine Möglichkeit des Gen-Bankings, ähnlich wie bei Tiefgefriersperma. Auf diese Weise können sich unfruchtbare oder tote Pferde weiter fortpflanzen.“ Aber: „Beim Klonen kann auch Missbrauch und Manipulation betrieben werden und es ist schwer vorhersehbar, wie weit das gehen kann. Klonen ist nicht nur ineffizient und kostspielig, sondern aufgrund der vielen Einflussfaktoren auch ungeeignet, um Champions zu schaffen. Klonen ist nicht dazu da, Sportpferde zu machen, sondern Zuchttiere.“

Rechtliche Lage

[caption id="attachment_202037" align="alignleft" width="450"] In den Stallungen des Gen-Labors Cryozootech in Frankreich wächst Rusty-Klon 1 heran © Cryozootech[/caption] Es ist noch ungeklärt, wer das Recht am Genmaterial von Zuchtpferden hat. Streng genommen ist der Züchter der Ideengeber einer Anpaarung und somit Inhaber des Urheberrechts. Lässt ein Züchter jedoch, zum Beispiel wegen Mängeln am Exterieur, ein Pferd kastrieren und verkauft es als Wallach, könnte der Käufer aus dessen Genmaterial einen Klon zu erzeugen. Obwohl Klonen in der EU nicht verboten ist, weder zur Fleischproduktion noch zu Forschungszwecken, sind sich Experten einig, dass in Deutschland vorerst nicht geklont wird: zu teuer, zu aufwändig, zu strenge Gesetze. „Deutschland hat ein sehr strenges Tierschutzgesetz“, erklärt Genforscher Wolf. „Klon-Experimente mit Tieren sind hier genehmigungspflichtige Tierversuche. Um eine Genehmigung zu erhalten, müssen wir nachweisen, dass potenzielle Leiden, Schmerzen oder Schäden beim Klonierungsprozess oder an den Klonen selbst im Gleichgewicht zum zu erwartenden Erkenntnisgewinn stehen. Deswegen brauchen Forscher in Deutschland einen triftigen Grund, um eine Genehmigung zu erhalten, zum Beispiel die Aussicht auf neue Erkenntnisse zur Bekämpfung von Krankheiten.“ Dass in Deutschland das Klonen für die Pferdezucht zugelassen wird, ist für Wolf deshalb kaum vorstellbar.

Wie wird ein Pferd geklont?

[caption id="attachment_202039" align="alignleft" width="450"] Der zweite Rusty-Klon lebt auf der Puntaci Farm in Texas © Cryozootech[/caption] Um ein Pferd zu klonen, wird ihm ein fingernagelgroßes Stück Haut aus der Brust gestanzt. Die Zellen werden im Labor als Kultur angelegt und in flüssigem Stickstoff tiefgefroren. Zum Klonen wird die Konserve aufgetaut und mit einer entkernten Eizelle verschmolzen, sodass ein Embryo entsteht. Dieser wird dann einer Leihstute eingesetzt. Die meisten Klon-Versuche scheitern. Der Embryo verkümmert oder es kommt zu Frühgeburten. Für diese hohe Fehlerquote werden sogenannte Imprinting-Defekte verantwortlich gemacht. Das heißt, dass die Prägung („imprinting“) der Gene falsch abläuft. Denn ein Embryo, der im Reagenzglas erzeugt wird, ist anderen Bedingungen ausgesetzt, als einer, der in der Gebärmutter heranwächst.

Klone berühmter Pferde:

Insgesamt leben weltweit etwa 150 geklonte Pferde.
  • Pieraz-Cryozootech-Stallion (geb. 2005) ist der Klon des Araber-Wallachs Pieraz (v. Pierscien/Farazdac), der in den 90er-Jahren zweimal Distanz-Weltmeister wurde. Pieraz 2 ist im Studbook Zangersheide eingetragen und deckt seit 2009 in Frankreich. Er hat über 30 Nachkommen.
  •  Paris-Texas (geb. 2005) ist der Klon von Quidam de Revel (v. Jalisco B/Nankin), den dessen Besitzer Fleming Velin selbst für 250.000 Euro in Auftrag gegeben hat. Er ist 2012 in Belgien in den Deckeinsatz gegangen.
  •  E.T.-Cryozootech-Stallion (geb. 2006) ist der Klon von Hugo Simons Spitzenpferd E.T. FRH (v. Espri/Garibaldi II). E.T. 2 ist im Studbook Zangersheide eingetragen und deckt seit 2008 in Frankreich. Sein Tiefgefriersperma ist seit 2012 weltweit erhältlich. Im März 2010 erblickte sein erstes Fohlen das Licht der Welt, mittlerweile hat er mehrere Nachkommen.
  • Poetin 1 und Poetin 2 (geb. 2007) sind zwei Klone der Dressur-Weltmeisterin Poetin (v. Sandro Hit/Brentano), die mit einem Auktionspreis von 2,5 Millionen Euro zum teuersten Dressurpferd aller Zeiten wurde. Da sie bereits mit acht Jahren wegen Hufrehe eingeschläfert werden musste, stand sie der Zucht nicht persönlich zur Verfügung.
  • Chellano Z II (geb. 2008) ist der Klon vom Zangersheider Spitzenvererber Chellano I (v. Contender a. d. Fayence, Holsteiner Stamm 6879) und deckt bereits selbst.
  • Gemini (geb. 2008) ist der Klon des Vollblüters Gem-Twist (v. Good Twist a. d. Coldly Noble), der im Springsport eingesetzt wurde. Er war dreimal Horse oft  the Year und gewann in Seoul Doppel-Silber. Mittlerweile kam noch ein zweiter Gem-Twist-Klon auf die Welt, beide sind im Anglo European Studbook (AES) eingetragen. Gemini steht im Deckeinsatz.
  • Calvaro-Cryozootech-Stallion (geb. 2008) ist der Klon von Willi Melligers „weißem Mythos“  Calvaro V (v. Cantus/ Merano). Bereits 2006 war ein Calvaro-Klon auf die Welt gekommen, hatte jedoch nicht überlebt. Die Produktion dauerte laut den beteiligten Wissenschaft lern fünf Jahre.
  • Levisto Alfa Z (geb. 2009) ist ein Klon des erfolgreichen Springhengstes Levisto Z (v. Leandro/Carolus I). Der Holsteiner ist unter Leon Melchiors Tochter Judy-Ann im Springsport erfolgreich und steht aktuell in Zangersheide im Zuchteinsatz.
  • Ratina Alfa Z, Ratina Beta Z und Ratina Gamma Z (geb. 2009) sind drei Klone von Ludger Beerbaums Superstute Ratina Z (Ramiro Z/Almé Z). Züchter der Hannoveranerin, die 2010 in Riesenbeck starb, war Leon Melchior.
  • Air Jordan Alfa Z (geb. 2009) ist ein Klon des Oldenburgers Air Jordan (v. Argentinus/Matador), der Daniel Deußer im internationalen Springsport über Nacht bekannt machte. Der Hengst war im Besitz von Jan Tops und Gestüt Zangersheide und wurde nach Italien verkauft .
  • Grande Dame II ist ein Klon von Grande Dame (v. Grannus/Ramino). Die Stute war unter Jan Tops und Judy-Ann Melchior bis 2008 im Sport erfolgreich und in mehr als 60 internationalen Springen platziert.
  • Top Gun Cryozootech (geb. 2010) ist der Klon von Top Gun La Silla. Der Hannoveraner (v. Grannus/Winnetou) war unter Jan Tops erfolgreich. Mit dem holländischen Team sicherte sich das Paar EM- und Olympia-Gold. Der Hengst starb 2005 im Alter von 23 Jahren.
  • Romulus 17 ist der Klon von Romulus 16 (KWPN, v. Armstrong a. d. Warina), der unter Charles Damian von 1998 bis 2004 im britischen Spring-Team erfolgreich war und in die Vorauswahl für Olympia in Sidney kam. Seine jetzige Besitzerin Julia Harrison Lee ritt ihn erfolgreich im Amateurbereich. Sein Klon ist im Anglo European Studbook (AES) eingetragen.
  • Die holländische Deckstation Broere beauft ragte 2011 Cryozootech mit Klonen des Niederländischen Warmbluts Jazz, das jahrelang das Ranking der besten Dressurvererber des Weltzuchtverbandes anführte. 2012 kamen zwei gesunde Fuchshengste zur Welt, die im KWPN-Stutbuch eingetragen sind.
  • Rusty Klon 1 und Rusty Klon 2 (geb. 2012) sind die Reproduktionen von Ullas Salzgebers Olympia-Pferd Rusty  (v. Rebuss/Akcents). [/ihc-hide-content]
© Dieser Auszug basiert auf einem Beitrag von Anna Castronovo, der im Sammelwerk „Ausgewählte Hengste Deutschlands 2014/15“ erschienen ist.