Ramzes – Revolutionär der Reitpferdezucht (Teil 3)

Ramiro – Holsteiner im Euroformat

[caption id="attachment_213149" align="alignleft" width="300"] Capitol I hatte die Ramzes-Tochter Vase zur Großmutter und gehörte neben Cor de la Bryère zu den einflussreichsten Hengsten Holsteins.[/caption] In Holstein gezeugt, in Westfalen (Gestüt Vornholz) geboren, in Holstein gekört (1967), ein Jahr später Sieger der Leistungsprüfung, 1969 in Holstein auf Station, anschließend in Westfalen mit parallelem Einsatz im Sport unter dem unvergessenen Fritz Ligges, war Ramiro gewissermaßen ein Globetrotter. 1980 holte ihn Leon Melchior in sein Mustergestüt Zangersheide, später kam Ramiro, inzwischen mit dem der Staatsprämie vergleichbaren Prädikat „preferent“ ausgezeichnet, im niederländischen Versuchsgut Brunssum zum Einsatz. Über 1800 Fohlen stammen aus dieser Ära. Als Bronzeplastik begrüßt Ramiro, der im Alter von 30 Jahren einging, die Besucher des FN-Zentrums in Ermelo. Summa summarum gehen 140 gekörte Söhne auf sein Konto, die rund um den Erdball zum Einsatz kamen. In Holstein erlangten Ronald (geb. 1970, a. d. Adrette v. Heilbutt), Rinaldo (geb. 1970, a. d. Rosa v. Gondolier), Rio Negro (geb. 1980, a. d. Fiona v. Pernod xx), Romantiker (geb. 1970, a. d. Dedy v. Martell), Rasputin (geb. 1973, a. d. Marion v. Ramzes) und Romino (geb. 1979, a. d. Ingeli v. Moltke I) Bedeutung, auch wenn sich keiner langfristig in der väterlichen Linie halten konnte. Ronald, selbst in Springprüfungen der Klasse S siegreich, machte später in den Niederlanden Karriere, der spektakulär trabende Rio Negro verbuchte Grand Prix-Siege unter Reitmeister Willi Schultheis und hat sich in Bayern beachtlich vererbt. Romantiker, später nach Schweden abgegeben, stellte mit Rekord GL einen bedeutenden Vererber für die rheinische Zucht, während Rominos bester Sohn der in Oldenburg wirkende Rouletto (geb. 1986, a. d. Narwan v. Roman) war. Er hinterließ hochpreisige Auktionspferde, Dressurcracks und zuchtbewährte Töchter. Einer der letzten RamiroSöhne in Holstein ist Ramirado (geb. 1995, a. d. Dolce Vita v. Constant-Marmor), der einige Decksaisons in Ungarn verbrachte und mit erstklassigen Springpferden aufwarten kann. Im Rheinland machte sich der 2012 abgetretene Rocket Star (geb. 1988, a. d. Marianna v. Landgraf I-Manometer xx), hocherfolgreich in schweren Springprüfungen, einen Namen. Selbst zweifacher Finalist auf dem Bundeschampionat des Deutschen Springpferdes, hat ihn sein rheinischer Sohn Rockwell (geb. 1993, a. d. Galatee v. Grandus), ebenfalls zweifacher Finalteilnehmer am Bundeschampionat, als Vererber deutlich übertroff en. Erfolgreich in Spring- und Dressurprüfungen der schweren Klasse, stehen zehn gekörte Söhne, unter denen Rock Forever I herausragt, Siegerstuten und erfolgreiche Sportpferde auf seinem Konto. Seine Sprösslinge sind Alleskönner im Parcours und in der Dressur. Mit der Anerkennung für fast alle deutschen Zuchtgebiete, darüber hinaus für die Niederlande und Belgien, erfolgte der züchterische Durchbruch des Ramiro, der, man kann es kaum glauben, 1974 lediglich eine Stute deckte. Das später Rodney (geb. 1975) getauft e Hengstfohlen hatte Usch v. Usurpator xx, Stammstute des Züchters und Ramiro-Reiters Fritz Ligges, zur Mutter. In Westfalen über Leistung gekört, gewann der deutlich vom Vater geprägte Braune unter Ligges unzählige schwere Springen, darunter Nationenpreise und große Preise. Vollschwester Ranaschun brachte elf Fohlen zur Welt, darunter vier gekörte Söhne. Ein weiterer Sohn des Ramiro verhalf Fritz Ligges zu Olympischem Edelmetall: Mit Ramzes stand er 1984 im deutschen Team, das sich Mannschaftsbronze in Los Angeles sicherte. Mit Ratina Z stellte Ramiro eine weitere Olympiasiegerin: Geritten von Ludger Beerbaum, gehörte sie 1996 zur deutschen Goldmannschaft in Atlanta.

Ramiro – weltweit gefragt

[caption id="attachment_213233" align="alignleft" width="202"] Der spektakulär trabende Rio Negro
verbuchte Grand Prix-Siege unter Reitmeister Willi Schultheis und hat sich in
Bayern beachtlich vererbt.[/caption] Neben Rodney erlangten weitere Söhne Bedeutung, darunter der Holsteiner Romanow (geb. 1969, a. d. Laute v. Fanatiker), die Westfalen Report II (geb. 1977, a. d. Jackie v. Jäger) und Rasso (geb. 1971, a. d. Feodora v. Fiffikus), die allerdings in Bayern wirkten. Rasso hat die bayerische Zucht, nicht nur mit über zwölf gekörten Söhnen, geradezu beflügelt. Seine springbegabten Nachkommen waren auf internationalem Parkett siegreich. Rescator (geb. 1976, a. d. Schallaly v. Schwarzdorn) avancierte als Dillenburger Landbeschäler zu einem einflussreichen Vererber der hessischen Zucht, sein Sohn Reflektor war Körungssieger. Enkel Rodgau, der im Alter von acht Jahren einging, war ebenfalls Körungssieger und begründete eine Hengstdynastie, die allerdings auf wackeligem Fundament steht, denn nicht alle gekörten Söhne erhielten die hannoversche Anerkennung. Florian Solle, seinerzeit Zuchtleiter in Hessen in einer Rückschau: „Kein anderer Hengst aus hessischer Zucht hat auch nur annähernd die Pferdezucht im Lande so nachhaltig geprägt wie Rodgau“. Ein weiterer westfälischer Sohn des Ramiro war Rex Fritz (geb. 1978, a. d. Merana v. Milan), Lieferant hervorragender Springpferde und Vater des Ritterorden, 1989 westfälischer Siegerhengst. Erwähnenswert sind auch die Vollbrüder Ribot (geb. 1978, a. d. Dorina v. Damhirsch) und Rothschild (geb. 1979). Rothschild, erfolgreich im Springsport und Gründer einer Hengstlinie in Bayern, hat u. a. für die belgische und niederländische Zucht erstklassige Töchter hinterlassen. Weitere Söhne waren Rotarier (geb. 1979, a. d. Goldika v. Goldlack I), Renard (geb. 1980, a. d. Barolina v. Ben Shrin xx) und die Vollbrüder Ramiroff (geb. 1978) und Ramino, unter denen Ramino (geb. 1980, a. d. Dombuche v. Dominik) herausragte. Im oldenburgischen Cappeln aufgestellt, gewann Melanie Kötter mit ihm die Europameisterschaft en der jungen Springreiter, später verhalf Ramino Loris Pujatti zu fünf italienischen Meistertiteln. [ihc-hide-content ihc_mb_type="show" ihc_mb_who="4,3" ihc_mb_template="3" ] [caption id="attachment_213241" align="alignleft" width="234"] Mit Ratina Z stellte Ramiro eine
Olympiasiegerin. Geritten von Ludger
Beerbaum gehörte sie 1996 zur deutschen Goldmannschaft in Atlanta.[/caption] Trotz überschaubarer Bedeckungszahlen stellte Ramino eine beachtliche Zahl sehr guter Springpferde und gekörte Söhne. Unter seinen mitunter hochbonitierten Töchtern ragen Loretta, Mutter der Spitzenhengste Diamond Hit, Sandro Hit und Royal Hit, und Rumina heraus. Sie firmiert als Großmutter der gekörten Hengste Conterno Grande, Couleur Rubin und Couleur Rouge, die im internationalen Springsport für Furore sorgten. Mit dem ebenfalls gekörten Congress und zwei Staatsprämienstuten ist ihre züchterische Bilanz geradezu einmalig. Ein Ausnahmehengst war der herrlich modellierte Ramiro-Sohn Raphael (geb. 1979, a. d. Annekatrin v. Abhang I- Wotan), stationiert auf dem Amselhof in Walle, der nach glänzender Leistungsprüfung Spitzenspringpferde gleich in Serie lieferte – darunter diverse Finalisten des Bundeschampionats. Zeitweise war Raphael bundesweit der erfolgreichste Springpferdevererber. Sein Sohn Radiator (geb. 1987, a. d. Sangrita v. San Fernando SF) zeigte schon in der Leistungsprüfung grenzenloses Springvermögen. Siegreich unter Gerd Wiltfang in großen Preisen, avancierte er unter René Tebbel zu einem der gewinnreichsten Springhengste der Welt mit Erfolgen rund um den Globus. Leider wurde der Sieger der großen Preise von Calgary und Bologna, Gewinner von World Cup-Springen, als Vererber nur wenig genutzt, gleichwohl verbuchten die Nachkommen beachtliche Springerfolge. Viele Gemeinsamkeiten wiesen die hannoversch gezogenen Raphael-Söhne Ragazzo (geb.1990, a. d. Pirola v. Pik König) und Ravallo (geb. 1986, a. d. Gala v. Goldstein) auf. Beide stammten aus springbetonten Mutterstämmen, beide gewannen ihre Leistungsprüfung überlegen, beide lieferten Nachkommen, die sowohl im Spring- wie Dressursport bis zur schweren Klasse erfolgreich waren, beide hinterließen staatsprämierte Töchter, darunter Hengstmütter. Analog seinem Großvater Ramiro war Ragazzo ein Eurohengst, lieferte er doch Nachkommen, die aus nahezu einem Dutzend Zuchtgebieten, Schwerpunkt Skandinavien, kamen. Für eine große Verbreitung des R-Bluts sorgten die Holsteiner Vollbrüder Ramiro’s Son I (geb. 1980) und Ramiro’s Son II (geb. 1990, a. d. Juwel v. Moltke I). Der Erstgeborene, bei Fritz Ligges stationiert und international pilotiert, wurde Vater erstklassiger, bis zur schweren Klasse erfolgreicher Springpferde. Sein noch in der Zucht stehender Vollbruder, Sieger in schweren Springprüfungen, eifert ihm nach und kann ebenfalls mit S-Siegern aufwarten. In puncto Springen ließ der Ramiro-Sohn Ritual (geb. 1985. a. d. Die Löwin II v. Der Löwe xx) schon auf der Leistungsprüfung erkennen, von wem er abstammt. [caption id="attachment_213235" align="alignleft" width="300"] Einer der letzten Ramiro-Söhne in
Holstein ist der 1995 geborene
Ramirado.[/caption] Nach drei gekörten Söhnen aus dem ersten Jahrgang stieg das Züchterinteresse stetig. Unter seinen 20 Söhnen, die teilweise im Springsport Erfolge bis zur Klasse S erzielten, bildet Rilke, Warendorfer Landbeschäler, eine Ausnahme. Erfolgreich bis Intermédiaire II, ist er auch beim KWPN ein begehrter Hengst. Springbegabte Nachkommen gehen auf das Konto von Rudelsburg (geb. 1989, a. d. Grandezza v. Goya), begehrter Landbeschäler in Neustadt a. d. Dosse. Auch der RitualSohn Rickmer (geb. 1989, a. d. Dörte v. Düker), seinem Großvater Ramiro überaus ähnlich, sprang in der S-Klasse und war begehrter Vererber in der Schweiz. Springbegabte, bis zur S-Klasse siegreiche Pferde stellte der Celler Landbeschäler Rabino (geb. 1990, a. d. Wonne I v. Calypso II). Die Vollbrüder Robin I Z (geb. 1983) und Robin II Z (geb.1987, a. d. Alpha Z v. Almé) waren international im Springsport unterwegs. Robin I Z stand im schwedischen Gestüt Flyinge und hinterließ neben bedeutenden Töchtern Springpferde internationalen Zuschnitts, darunter Myntha und Butterfly Flip, die wesentlich zur Silbermedaille des schwedischen Teams anlässlich der Weltmeisterschaft en 2002 im spanischen Jerez beitrugen. Auch die Vererbung von Robin II Z, zunächst in Dänemark, später in Italien als Deckhengst aufgestellt, ist überdurchschnittlich. Hervorragend gezogen gewann der bildschöne Ramonus (geb. 1992, a. d. Germina v. Grannus) unter dem Sattel von Helena Weinberg große Preise und Nationenpreise. Es ist unbegreiflich, dass er als Deckhengst kaum genutzt wurde. [caption id="attachment_213237" align="alignleft" width="300"] Rockwell (v. Rocket Star) verbuchte
Erfolge in Dressur- und Springprüfungen bis zur Klasse S, seine
Nachkommen sind Alleskönner in der
Dressur und im Parcours.[/caption] Im Rheinland aufgestellt, hat sich auch Radjah Z (geb. 1985, a. d. Almund v. Almé Z) trotz spärlicher Benutzung ordentlich vererbt. Internationale Meriten im Springsport erwarb sich unter Vater und Sohn Raymakers Rascin (geb. 1995, a. d. Paola v. Pilot), der ab 2013 in den Niederlanden in die Zucht geht. Aus Zangersheider Zucht stammten Rebell I, II und III Z (a. d. Argentina Z v. Almé Z), unter denen Rebell I Z (geb. 1981) herausragte. Der Versuch der Holsteiner Zuchtleitung, mit ihm die Hengstlinie des Ramiro wieder zu beleben, ist nur im Ansatz gelungen, allerdings war er in anderen Zuchten durchaus von großem Einfluss. Gleiches gilt für den Schimmel Renommee Z (geb. 1981, a. d. Goldret Z v. Gotthard), der mit guten Springpferden aufwartete und einige Söhne hinterließ, darunter Roderik (geb. 1985, a. d. Hellebarde v. Landgraf I). Er wurde nur mäßig benutzt, dennoch gingen einige Springpferde auf sein Konto.

Perspektiven

[caption id="attachment_213257" align="alignleft" width="300"] Der Warendorfer Landbeschäler Rilke ist
erfolgreich bis Intermédiaire II und auch
beim KWPN ein begehrter Hengst.[/caption] Trotz des großen Einflusses, den Ramiro als Vererber über seine Söhne und Enkel erzielte, ist der Fortbestand dieser Hengstlinie keineswegs gesichert. In Holstein tröpfelt sein Blut nur noch in homöopathischer Dosis. Über seine in Belgien, Frankreich, Deutschland und in den Niederlanden eingesetzten Söhne und Enkel, die eine separate Betrachtung notwendig machen würden, ist die Quelle allerdings (noch) nicht versiegt. Ganz anders verhält es sich bei Rubinstein I und seinen Erben, die in allen Pferdezuchten rund um den Globus zum Einsatz kommen. Hinsichtlich seiner züchterischen Bedeutung, nicht nur als Lieferant leistungsstarker Dressurpferde, die durch ihre Rittigkeit bestechen, steht er mit Donnerhall auf einer Stufe. Um auf den Stammvater Ramzes zurück zu kommen. Es war Zufall und glückliche Fügung zugleich, dass der Schimmelhengst in Deutschland blieb. Ihm zu Ehren wird seit 1988 alljährlich beim „Turnier der Sieger“ in Münster der Ramzes-Preis an einen besonders erfolgreichen Züchter vergeben. Von seinem Entdecker Freiherr von Nagel bis ins hohe Alter umsorgt, starb Ramzes 1967 im Alter von 30 Jahren.        

[/ihc-hide-content]       © Dieser Auszug basiert auf einem Beitrag von Hans Kirchner, der im Sammelwerk „Ausgewählte Hengste Deutschlands 2014/15“ erschienen ist.