Fohlengeburt – In freudiger Erwartung

Die Mehrzahl aller Stuten kann ihr Fohlen ohne Schwierigkeiten allein zur Welt bringen. Doch in zehn Prozent aller Fälle ist menschliche Hilfe nötig. Schlaflose Nächte müssen trotzdem nicht sein. In den Tagen vor der Geburt gibt es verschiedene Möglichkeiten, die Stute zu überwachen.   Stuten fohlen gern still und heimlich, immer dann, wenn der überwachende Mensch kurz zur Tankstelle fährt oder im Gemeinschaftsraum des Stalles ein Nickerchen macht. Hobbyzüchter kennen dieses Szenario nur zu gut, professionelle Züchter kämen überhaupt nicht mehr ins Bett, wenn sie jede Stute persönlich überwachen würden. Aber so ganz allein lassen will man die geliebten und wertvollen Tiere dann doch wieder nicht. Immerhin treten in jedem zehnten Fall Probleme auf. Und dann ist es gut, wenn ein erfahrener Helfer zur Stelle ist und notfalls den Tierarzt hinzuruft. Vor allem bei Stuten, die bereits Geburtsprobleme hatten, ist die Überwachung von großer Bedeutung. Frühere Schwergeburten, Fohlenverluste oder Erkrankungen während der Trächtigkeit sind Alarmsignale. Aber auch bei vollkommen gesunden Stuten ist es sinnvoll, die Geburt zu überwachen, um eine wirkungsvolle Erstversorgung des Fohlens zu gewährleisten.

Kameraüberwachung

[caption id="attachment_201043" align="alignleft" width="450"] Stallkameras filmen die Vorgänge im Stall und geben dem Pferdehalter so die Gelegenheit, seine Stute von zu Hause aus oder von unterwegs zu kontrollieren. © Lafrentz[/caption] Rund die Hälfte aller Züchter nutzen einer Online Umfrage zufolge eine Videokamera als Haupt­-Überwachungselement in den Tagen vor der Geburt. Meist sind Systeme im Einsatz, die entweder über Funk oder Kabel übertragen. Kabelübertragung liefert gewöhnlich ein zuverlässigeres Bild, eignet sich aber nur, wenn Stall und Empfangsgerät in direkter Nähe liegen. Die Kameras sollten mit Infrarotlicht ausgestattet sein, um auch nachts brauchbare Aufnahmen zu machen. Alternativ kann man im Stall ein gedimmtes Licht brennen lassen. Bei modernen Systemen braucht es kein eigenes Fernsehgerät, das ständig in Betrieb ist, sondern die Beobachtung ist mit PC, Tablet oder Smartphone möglich. Anbieter wie „Stallkamera.de“ haben sich auf diese Art der Pferdeüberwachung spezialisiert und liefern dem Stallbetreiber ein komplettes Überwachungssystem für Stall, Weide oder Paddock. Von zu Hause und unterwegs, per Internet oder Handy können Pferdebesitzer dann ihre Tiere beobachten. So werden nicht nur Geburten schnell bemerkt, sondern auch Krankheiten. Die Kameras helfen außerdem, Diebe und Pferdeschänder zu überführen, und geben den Reitern die Gelegenheit, ihre Lieblinge auch vom Urlaub oder vom Büro aus zu kontrollieren. Neben dem Überwachungssystem selbst bietet Stallkamera.de seinen Kunden auch die Installation der Technik vor Ort und das Einrichten des Netzwerkes an. Die Bilder werden dann im Anschluss aber nur für berechtigte Nutzer freigegeben. Andere Anbieter bauen gezielt auf Voyeurismus: Zum Beispiel zeigen Fohlenkameras wie die „Barn Cam“ im Internet verschiedene Abfohlboxen aus aller Welt. Hier kann nicht nur jedermann die Geburt live verfolgen, sondern auch einen Fohlenalarm auslösen, wenn die große Stunde naht.

Schweißmessung per Gurtsystem

[caption id="attachment_201055" align="alignleft" width="450"] Bei jeder zehnten Fohlengeburt ist das Eingreifen des Menschen nötig. Dann sorgt eine möglichst zuverlässige Überwachung der Stute für ein hohes Maß an Sicherheit © adobestock/Ingeborg Zeh[/caption] Doch auch das beste Netzwerk ersetzt nicht den regelmäßigen Kontrollgang in den Stall. Trotz Kameraüberwachung muss ein Züchter sich nachts alle zwei Stunden den Wecker stellen, um zumindest einen ausgiebigen Blick auf den Monitor zu werfen. Deshalb schwören viele Stutenbesitzer auf eine andere – oder zusätzliche – Möglichkeit: Geburtsmelder. Diese sehen in der Regel ähnlich aus wie Longiergurte und werden der Stute angelegt, sobald der errechnete Termin näher rückt oder erste Anzeichen der Geburt (siehe Kasten) sichtbar sind. Dabei gibt es verschiedene Systeme. Das erste elektronische Geburtsüberwachungssystem kam in Deutschland 1977 auf den Markt und hält sich dort nach wie vor tapfer: der „Wächtomat“ der Firma  Kegel. Er besteht aus einem Sender am Pferd und einem Empfänger in bis zu 200 Meter Entfernung. Die Stute trägt einen Brust­ oder Deckengurt, an dem ein spritzwasser­- und stoßgeschützter Sender befestigt ist. [ihc-hide-content ihc_mb_type="show" ihc_mb_who="4,3" ihc_mb_template="3" ]Daran befindet sich ein Messfühler, der die elektrische Leitfähigkeit auf dem Fell des Tieres misst. Steigt die Feuchtigkeit durch vermehrtes Schwitzen vor der Geburt an, wird dies über Funk an das Empfangsgerät übermittelt, welches daraufhin den Pferdehalter über eine festgelegte Rufnummer kontaktiert. Wem diese Schweißmessung allein nicht ausreicht, der kann sich für ein Kombisystem entscheiden, das zusätzlich den Geburtsweg der Stute überwacht. Dabei näht der Tierarzt an den Schamlippen der Stute einen Sender an, der mit einem Magneten verbunden ist. Kommt es zur Eröffnungsphase der Geburt, wird der Magnet vom Sender getrennt und dieser löst den Alarm aus. Gemeinsam mit der Schweißmessung verspricht die Firma Kegel somit „nahezu 100-­prozentige Überwachung der Geburtseinleitungsphase.“

Scheidenkontrollsysteme

Das sicherlich bekannteste Scheidenkontrollsystem ist das „Jan­ Wolters ­Abfohlsystem“. Zahlreiche Tierkliniken und große Zuchtstätten schwören darauf. „Das ist eindeutig das sicherste System auf dem Markt“, sagt Dr. Christian Schröer von der Tierärztlichen Klinik Siedenburg. Zusätzlich zur Scheidenkontrolle beobachtet der Tierarzt seine Stuten per Videokamera. In seinen Abfohlboxen fohlen jährlich rund 15 Stuten, bei denen Geburtsprobleme bekannt sind oder deren Besitzer keine Zeit für die Überwachung haben. Zusätzlich betreut Dr. Schröer mehrere Zuchtbetriebe, in denen weitere 100 Fohlen pro Jahr geboren werden: „Wir haben auch andere Geburtsmelder ausprobiert. Sie sind einfacher zu handhaben, weil man die Stute nicht sedieren muss, um sie anzubringen. Aber alle hatten häufige Fehlmeldungen.“ Abstoßungsreaktionen und oder Infektionen im Gebärkanal konnte Dr. Schröer noch bei keiner Stute beobachten. Voraussetzung dafür sei allerdings, dass die Implantate fachgerecht und steril angebracht würden. „Wir lassen zum Beispiel den Faden immer innen laufen, anstatt außen an den Schamlippen. So kann sich der Schweif der Stute nicht darin verfangen“, sagt Dr. Schröer. Seit mittlerweile 17 Jahren sei das Jan-Wolters­-System nun ohne jeden Ausfall oder Reparatur im Einsatz. „Es erspart uns viel Überwachungsarbeit in der Geburtenkontrolle. Insbesondere bei Problemstuten konnten wir so einige Fohlen durch zeitgerechte Geburtshilfe retten.“ Scheidenkontrollsysteme sind allgemein im Kommen. Der Nachteil: Der Sender schlägt erst an, wenn es bereits zum Austritt der Fruchtblase kommt. Dann hat man natürlich nur noch wenige Minuten Zeit. Deshalb sollten Pferdebesitzer, die einen weiten Weg zum Stall haben und Komplikationen befürchten, sich besser für ein anderes System entscheiden.

Messung der Körpertemperatur

[caption id="attachment_201047" align="alignleft" width="450"] Einige Geburtsmelder messen das Liegeverhalten der Stute, andere ihre Temperatur oder die Intensität ihrer Schweißabsonderung. Auch müssen sie robust gebaut sein, denn sie machen einiges mit - Wälzen im Schlamm und auf der Weide inklusive © Lafrentz[/caption] Dass jedoch die Schweißmessung allein nicht ausreicht, um zuverlässig und möglichst ohne tägliche Fehlalarme eine Geburt vorherzusagen, haben mittlerweile die meisten Hersteller erkannt. Deshalb bauen neuere Systeme eher auf die Körpertemperatur. Bei entsprechenden Studien wurde die Temperatur von Stuten vor und während der Geburt gemessen. Dabei kam heraus: Etwa vier Stunden vor der eigentlichen Geburt sinkt die Körpertemperatur um durchschnittlich 0,76 °C ab. Ihren Tiefpunkt erreicht sie zum Zeitpunkt der Geburt. Dieser Temperaturrückgang ist ein relativ sicheres Indiz dafür, dass das Fohlen sich auf den Weg macht. Diese Erkenntnis liegt auch dem Geburtsmelder Radco der Firma Verdor aus Belgien zugrunde. Auch hier befindet sich der Sender in der Scheide, muss jedoch nicht eingenäht werden und baut auch nicht auf die Erweiterung des Geburtskanals. Hier geht es tatsächlich um eine genaue Temperaturmessung, die das System alle fünf Minuten vornimmt. Die bleistiftgroße Messsonde hält durch ein einfaches Klemmsystem in der Scheide, dennoch muss das Pferd aber ein Gurtsystem tragen.

Kontrolle des Liegeverhaltens

Noch ein weiteres Indiz spricht für eine bevorstehende Geburt: Das Liegeverhalten der Stute. Die Tierärztin Melanie Borchers untersuchte in ihrer Doktorarbeit die Häufigkeit der Seitenlage bei Stuten vor der Geburt. Dabei kam heraus, dass eine Stunde vor der Geburt die Zahl der in Seitenlage liegenden Stuten stark ansteigt. Ebenfalls erhöhte sich in dieser Zeit die Aktivität der Stuten, also das vermehrte Aufstehen, Drehen und wieder Hinlegen. Dieses Verhalten kann von Bewegungssensoren an einem Geburtsmelder registriert und ausgewertet werden. Beispielsweise baut der „Birth Alarm“ der Firma Gallagher darauf, dass die Stute sich zur Geburt in die Seitenlage begibt. Wie bei den meisten anderen Systemen auch, arbeiten Sender und Empfänger über Prepaidkarte und Handy. Der Sender sitzt oben auf einem Bauchgurt und wird von einem Überrollbügel geschützt. Das Ganze sieht also ähnlich aus wie ein Voltigiergurt und ist insgesamt sehr stabil gebaut. Da nicht jede Stute während der Geburt die gleichen Verhaltensweisen zeigt, bietet der Birth Alarm zwei verschiedene Einstellungsmöglichkeiten: Die erste ist für Stuten vorgesehen, die sich ausschließlich zur Geburt in die völlige Seitenlage begeben. In dieser Einstellung sendet das System nach 7,6 Sekunden Seitenlage – so lange dauert eine durchschnittliche Wehe – einen Alarm an den Empfänger. Die zweite Einstellung ist für Stuten, die generell häufig in der Seitenlage ruhen. Das betrifft etwa zehn Prozent aller Stuten. Im Falle einer Geburt bereitet sich die Stute nach den ersten Wehen auf die nächste Kontraktionswelle vor und verlässt dazu die seitliche Position. Ruht sie jedoch nur, so bleibt sie wesentlich länger liegen. In der zweiten Einstellung merkt sich das Gerät also die Abfolge von Liegen und Stehen und alarmiert den Züchter erst dann, wenn der Rhythmus einer Geburt entspricht. Außer dem Birth Alarm meldet auch der Columbus GSM Geburtsmelder die Seitenlage der Stute. Hier kann der Sender sowohl in einen Gurt eingepasst als auch am Halfter getragen werden. „Viele Pferdebesitzer wollen ihrer Stute mehr Bewegungsfreiheit geben und suchen deshalb nach Alternativen“, sagt Andreas Wegmann von Columbus. Der Halfter­ Geburtsmelder kann an jedem beliebigen Halfter, direkt unter dem Kinn der Stute, platziert werden und ruft direkt auf dem Handy oder Festnetztelefon an, wenn die Stute in Seitenlage geht. „Das funktioniert nach demselben Prinzip wie bei einer Wasserwaage“, erklärt Wegmann. „Legt die Stute sich hin, so registriert das Gerät den schrägen Winkel und springt an.

Alleskönner-Halfter

[caption id="attachment_201045" align="alignleft" width="450"] Das Horse Control Halfter misst sowohl die Temperatur als auch das Liegeverhalten der Stute © Hippomed[/caption] Ebenfalls ein Halfter ­System ist das „Hippomed Horse Control Halfter“. Dieses misst sowohl die Temperatur als auch das Liegeverhalten der Stute. Deshalb besteht es nicht nur aus einem Kästchen mit Sender, sondern zusätzlich aus einem speziellen Halfter, das es in drei Größen gibt. In den Nacken­ und Nasenriemen sind Sensoren eingearbeitet, die die Temperatur des Pferdes messen. Zudem kontrolliert das System das Liegeverhalten der Stute. Spricht beides für eine bevorstehende Geburt, so sendet das Halfter den Alarm an eine Basisstation im Stall. Diese funktioniert über eine SIM ­Karte und leitet den Alarm entsprechend an ein Handy weiter. „An eine Basiseinheit können bis zu acht Halfter angeschlossen werden“, erklärt Hans­ Joachim Neumann von Hippomed. Auch die individuellen Bedürfnisse des jeweiligen Pferdes sind einstellbar – so kann beispielsweise anstelle einer Vollüberwachung auch nur die Temperatur oder nur das Liegeverhalten gemessen werden. Am Halfter selbst besteht zudem die Möglichkeit, die Empfindlichkeit des Systems zu verändern. So können mit dem „Horse Control Halfter“ nicht nur trächtige Stuten, sondern auch Pferde mit Schmerzzuständen überwacht werden, beispielsweise nach einer Kolik oder Operation. Neumann hat das System in Zusammenarbeit mit der Veterinärmedizinischen Universität Wien entworfen und entwickelt es ständig weiter. „Auch eine Scheidenkontrolle wird künftig nachrüstbar sein“, verrät er.  

Teststreifen

[caption id="attachment_201067" align="alignleft" width="450"] Die so genannten "Harztropfen" (Präkolostrum), erscheinen etwa ein bis zwei Tage vor der Geburt © Lafrentz[/caption] Wer weder Videokameras installieren, noch einen Geburtsmelder mieten oder kaufen möchte, dem bleibt – neben einem Heubett im Stall – noch eine weitere Möglichkeit der Geburtenkontrolle: Geburts­-Teststreifen reagieren auf Veränderungen des Kalzium­ und Magnesiumgehalts in der Vorkolostralmilch der Stute. Je nach Gehalt lässt sich so voraussagen, ob das Abfohlen innert der nächsten 24 Stunden eintritt. Dazu wird rund ein Milliliter Milch mit destilliertem Wasser gemischt und der Teststreifen hineingetaucht. Inzwischen sind verschiedene Streifen auf dem Markt. Der Merckoquant 110025 (Firma Merck) hat fünf Balken, welche sich proportional zum Erdalkaliengehalt verfärben. Es konnte gezeigt werden, dass die Mehrzahl der Stuten bei einer Verfärbung aller Balken innerhalb der nächsten 24 Stunden gebären. Entwickelt wurde dieser „Gesamthärtetest“ ursprünglich, um den Härtegrad von Wasser zu bestimmen. Tierärzte bestellen ihn stattdessen zur Geburtenkontrolle. Weitere Teststreifen sind der Foal Watch ­Test von Chemetrics Inc. und der Predict­a­foal­-Teststreifen von Animal Healthcare Products. Alle Teststreifen können einfach im Internet bestellt werden.  

Anzeichen der Geburt

  • Sechs Wochen vor der Geburt: Vergrößerung des Euters.
  •  Einige Tage vor der Geburt: Einfallen der Kruppe durch die Erweichung der Beckenbänder
  •  Einige Tage vor der Geburt: Absenken des Bauches und Einfallen der Flanken
  •  Ein bis zwei Tage vor der Geburt: Austreten von Präkolostrum („Harztropfen“)
  •  Ein bis zwei Tage vor der Geburt: Schamspalte erscheint verlängert und leicht geöffnet. (Die Vaginal Schleimhaut wird feuchter und glänzend und es kann zum Abfließen von zähem Schleim kommen.)
  •  Vier Stunden vor der Geburt: Deutliches Abfallen der Körpertemperatur
  •  Zwei Stunden vor der Geburt: Milch kann tropfenweise oder im Strahl ablaufen.
  •  Kurz vor der Geburt: Schweißbildung im Bereich der Flanken und Ellbogen  [/ihc-hide-content]
© Dieser Auszug basiert auf einem Beitrag von Regina Käsmayr, der im Sammelwerk „Ausgewählte Hengste Deutschlands 2018/19“ erschienen ist.