Blut der Saft, der Wunder schafft? Vollblüter in der Pferdezucht (Teil 3)

Vollblut Helden – Heraldik xx und Lauries Crusador xx 

2008 war das Jahr von Heraldik xx. Auf den Olympischen Spielen in Hongkong gewannen Butts Abraxxas unter Ingrid Klimke und Butts Leon, geritten von Andreas Dibowski, Mannschaftsgold in der Vielseitigkeit. Auf dem Bundeschampionat wurde Butts Avedon, blutidentisch mit Abraxxas, denn die Mütter sind Vollschwestern, Sieger der fünfjährigen Geländepferde mit Andreas Dibowski, Mighty Magic (v. Mytens xx), gekörter Holsteiner Hengst aus der Heraldik xx - Tochter Neika, holte Silber. Die im Stockmaß kleine, im „Busch“ aber groß auftrumpfende Karascada von Heraldik xx, Trakehnerin des Jahres 2009, siegte mit Kai-Steffen Meier in Pardubice und war in Badminton platziert. Als Heraldik xx (*1982, v. Caramel) 1995 auf dem Gestüt Birkhof erstmals zum Einsatz kam, standen S-Siege und hohe Platzierungen im internationalen Springsport auf seinem Konto – eine Rennbahn hat der Rappe nie betreten! Sein Pedigree, geprägt durch Nearco xx, Großvater von Lucky Boy xx und Cardinal xx, bei Sacramento Song xx und Marlon xx im Mutterstamm auftretend, war erstklassig und wird durch Großvater Wiesenklee xx (v. Chief), Dritter im Deutschen Derby, Vater des gekörten S-Dressur-Sieger Elan xx, untermauert. Nach dem ersten Fohlenjahrgang wurden alle deutschen Zuchtgebiete auf ihn aufmerksam. Von daher tragen die Nachkommen, darunter über ein Dutzend gekörter Söhne, die unterschiedlichsten Brandzeichen. Sie sind Alleskönner und im Dressur-, Spring- und Vielseitigkeitssport bis zur schweren, auch internationalen Klasse siegreich. Auf dem Dressurviereck verbuchten Hennessy, Halloween, Hidalgo, Highlight, Humphrey und Haakon S-Erfolge, international Grand Prix siegreich ist der pompöse Holsteiner Schimmelhengst Ekwador mit Katarina Milczarek, 2008 über Leistung gekört und Teilnehmer an Europa- und Weltmeisterschaften. Seine in internationalen Parcours´ der Kl. S bewährten Sprösslinge tragen nahezu ausnahmslos den Holsteiner Stempel, darunter der gekörte Herald, Nationenpreispferd unter der Spanierin Pilar Cordon Muro. High Spirit geht international mit Geir Gullikson, sein Landsmann Stein Andresen verbucht mit Hoyo de Monterey (ex Heraldicus) internationale Erfolge. Hitchcock war Pferd des Jahres in Italien und mit Franceso Franco Finalist der Weltmeisterschaften der Jungen Pferde in Lanaken. Vollschwester Herka xx hinterließ die auf Championaten erfolgreichen Hengste Royaldik (v. Royal Diamond) und Meraldik (v. Münchhausen/ Tr.). In Holstein stellte Heraldik xx mehrfach die Siegerin in der Halbblutklasse. Ein Phänomen als Vererber ist Lauries Crusador xx (*1985, v. Welsh Pageant), der, von Maas J. Hell entdeckt, eigentlich für Holstein vorgesehen war, dort aber durchs Sieb fiel. Sein GAG von 90.5 Kilogramm verdankt er unter anderem dem 3. Platz im Royal Ascot Cup. Sein Metier waren lange Distanzen; eine Fesselkopffraktur beendete seine Karriere als Rennpferd. Für das Landgestüt Celle und die hannoversche Zucht erwies er sich als Volltreffer. [ihc-hide-content ihc_mb_type="show" ihc_mb_who="4,3" ihc_mb_template="3" ]Als erster Vollblüter überhaupt 2006 zum „Hannoveraner Hengst des Jahres“ proklamiert, stehen über 50 gekörte Söhne auf der Habenseite, darunter die Siegerhengste Londonderry und Lauda, die in Verden Spitzenpreise erzielten. Londonderry, selbst Bundeschampion, stellte mit Liberty Gold einen Kör- und Leistungsprüfungssieger, mit Locksley II einen Bundeschampion und mit dem gekörten London Time 2006 eines der teuersten Pferde in der Verdener Auktionsgeschichte mit 510.000 Euro. Weitere gekörte Söhne des „Laurie“, dessen 25. Geburtstag am 3. April 2010 auf der Station Landesbrück zünft ig gefeiert wurde, sind Lancier, hocherfolgreich in Zucht und Sport, Laurent, Lemur und Lizitant – allesamt in Celler Diensten. Auf dem Viereck bis zur Kl. S siegreich war der Celler Longchamp, mehrfacher Medaillengewinner auf Bundeschampionaten. Sein im Landgestüt Warendorf wirkender Sohn Laurentianer, den Gestütschefin Schmidt-Rimkus zu einem „Schnäppchenpreis“ erwarb, gewann 2000 die Weltmeisterschaft der sechsjährigen Dressurpferde, verbuchte internationale Dressurerfolge unter niederländischem Patronat und stellte mit Laureus einen leistungsstarken Sohn. Laudabilis, ebenfalls in Westfalen postiert, ist Hoflieferant der Auktionen in Münster- Handorf mit sehr guter Vererbung, Laurentio, Reservesieger der Leistungsprüfung, ist Vater talentierter Dressurpferde. Mehrere Söhne des Lauries Crusador xx tragen die Elchschaufel, darunter die Vollbrüder Krokant und Karamell sowie Immens. Und 2010 stellte er mit Laurano, der sich beachtlich bewegen konnte, einen Sohn auf der Holsteiner Körung! Mit annähernd 600 eingetragenen Töchtern, darunter 200 Staatsprämienstuten, ist „Laurie“ nicht nur in Hannover omnipräsent. Allein 2006 stammten 61 Prozent aller Vollblutnachkommen in Hannover von Lauries Crusador xx! Im Sport erzielten seine Nachkommen ihre Erfolge nahezu ausschließlich auf dem Dressurviereck, darunter die Grand Prix-Sieger Le Bo mit Carola Koppelmann, Little Big Man, geritten von Falk Rosenbauer, Lesotho, mit der Kaderreiterin Ellen Schulten-Baumer und Le Primeur unter der Schweizerin Marie-Line Wettstein. Der gekörte Fuchshengst Louis Heslegards war Olympiateilnehmer mit Gerda Lehmann. Lauries Crusador xx – a never ending story.

Im Fokus 

[caption id="attachment_201861" align="alignleft" width="450"] In zehn Rennsaisons hart geprüft, verfügt Albaran xx über ein beachtliches Springvermögen mit ausgefeilter Technik © Grewe De Watermoelen NL[/caption] Zu den Hengsten, die in jüngerer Zeit von sich reden machen, gehört der Rappe Likoto xx (*1993, v. Fit to Fight), 1997 von Werner Schockemöhle auf der Vollbluthengstschau in Köln entdeckt, postiert auf der Celler Station Artland. Unter seinen über hundert Töchtern, darunter die Mutter des Körsiegers Dressur der Süddeutschen Körung 2009, Famous Flamur (v. Flamur), befinden sich einige Staatsprämienstuten. Von seinen gekörten Söhnen sorgt der Oldenburger Licotus, VTV-Hengst 2010, für Schlagzeilen. Selbst bis Intermédiaire II erfolgreich, ist er Vater hochdekorierter Töchter und gekörter Söhne: Licosto ging über die NRW-Auktion für 200.000 Euro nach Bayern. Levante, ein bildschöner Rappe, deckt in Thüringen und der gekörte Lunatico gewann das bayerische Springchampionat. Likoto Hit ist neben seiner Beschälertätigkeit in Belgien auf dem Dressurparkett erfolgreich. Ob sich die Hoffnungen, die man in Holstein auf Ibisco xx (*2000, v. Royal Solo) setzt erfüllen, bleibt abzuwarten. Eigenleistung und Pedigree überzeugen ebenso wie seine Auftritte unter dem Sattel. Ein GAG von 89 Kilogramm weist ihn als gutes Rennpferd aus – in Hindernisrennen war er bei fünf Starts viermal im Geld. Royal Solo xx ist mütterlicher Halbbruder zu Dashing Blade xx, mit sechs gekörten Söhnen in der Reitpferdezucht präsent, der Muttervater Local Suitor xx hinterließ u.a. den vielseitig vererbenden Templer xx. Auch Water Dance xx (*1997, v. Saddlers Hall), Sieger in Vielseitigkeitsprüfungen der Kl. S und „zwischen den Meeren“ im Zuchteinsatz, stammt aus einer Local Suitor xx-Mutter. Die Fohlen des gut frequentierten Ibisco xx gefallen durch Wuchs, Korrektheit, ihren schönen Typ und wurden vielfach prämiert. Im Stockmaß eher knapp, aber auf der Rennbahn ganz groß, das ist Timolino xx (*1998, v. Monsun). In Flachrennen überzeugend, über Hindernisse hervorragend, darunter fünf Siege, war er 2004 Deutschlands bestes Hindernispferd und erhielt ein GAG von 89 Kilogramm. Monsun xx, dessen Decktaxe 150.000 Euro beträgt, ist eine Legende und über den Triple Crown- Sieger Köngsstuhl xx und den nicht minder bedeutenden Surumu xx reichlich mit Leistungsblut ausstaffiert. Muttervater Trempolino xx hat mit Sharpen Up xx den gleichen Vater wie Royal Solo xx (siehe Ibisco xx). Timolino xx wartete in mehreren Zuchtverbänden mit zum Teil hoch bewerteten Fohlen auf, die Auftritte seiner ersten Nachkommen unter dem Sattel erwartet man mit Spannung. Den Prototyp eines Vollblüters verkörpert Albaran xx (*1993, v. Sure Blade), der in zehn Rennsaisons 67 Mal an den Start ging und die Bahn mit einem GAG von 93.5 Kilogramm gesund verließ. 1996 Dritter im Deutschen Derby, war er zweimal Zweiter im renommierten Hansa-Preis, verbuchte aber auch in Norwegen erstklassige Erfolge auf der Rennbahn. Unter dem Sattel in Ermelo geprüft , attestierte ihm das KWPN „gute Anlagen als Springpferd“, aber auch in allen anderen Kriterien erhielt er gute Noten. Vater Sure Blade xx und Großvater xx Kris waren hinsichtlich Eigenleistung und Vererbung Weltklasse, Muttervater Königsstuhl xx fand schon bei Timolino xx Erwähnung. Seine beiden beim KWPN registrierten Fohlenjahrgänge sind vielversprechend: Die Fohlen stehen im Typ ihres Vaters, sind langbeinig und bewegungsstark. Armand xx (*2001, v. Winged Love) verfügt über ein Pedigree internationalen Zuschnitts. Winged Love xx, 1995 Sieger im Irischen Derby, ist ein Sohn des In Th e Wings xx, der dem Gestüt Schlenderhan mit Adlerflug xx 2007 den 18. Derbysieger bescherte.  Winged Love xx wurde inzwischen nach Irland zurück beordert, um Hindernispferde zu „produzieren“. Die Art, wie sich Armand xx, dessen GAG von 84.5 Kilogramm auf Siegen und Platzierungen in Flach- und Hindernisrennen basiert, über Sprünge bewegt, ist genetisch vorgegeben. Muttervater Chief Singer xx kam in Graditz zum Einsatz, die mütterliche Linie zählt zum „Tafelsilber“ der deutschen Vollblutzucht, geprägt durch die Derbysiegerin Asterblüte xx des Gestüts Schlenderhan. 2007 in Holstein gekört, standen die Züchter nicht gerade „Schlange“. Immerhin gelang es ihm, 2010 aus seinem ersten Jahrgang mit Alant einen Sohn zu präsentieren, den der Zuchtleiter als „ausdrucksstarken Halbblüter in großem Rahmen und viel Substanz“ beschrieb.

Perspektiven in der Vollblutzucht

[caption id="attachment_201863" align="alignleft" width="450"] Der Vollbruder zu Perser xx wurde Gründer einer Hengstlinie, besonders über Pik Bube I © H. Sting, Archiv Deutsches Pferdemuseum, Verden[/caption] Im Rückblick auf die „blutarme“ westfälische Elitestutenschau 2009 monierte Zuchtleiter Dr. Friedrich Marahrens, dass […]„die Züchter wenig Zutrauen zur Vererbungsleistung der in Deutschland verfügbaren Vollbluthengste haben. Wir brauchen für den Sport reaktionsschnelle, intelligente Pferde, die die nötige Sensibilität beim Reiten mitbringen. Ohne das Vollblut laufen wir Gefahr, dass die Pferde zu grob und zu langsam werden.“ Ein Jahr später sorgte More Thoroughbred xx (*2007, v. Dashing Blade) für eine kleine Sensation. Leistungsgeprüft , in den Grundgangarten am Optimum, wurde sie in Westfalen mit der Staatsprämie ausgezeichnet und wenig später beim „4. Schaufenster Vollblut“ in Münster-Handorf, der einzigen Veranstaltung bundesweit, die Vollblüter in den Fokus stellt, zu einem Spitzenpreis verkauft . Auf großes Interesse stieß auch der Siegerhengst Chiron xx (*2001, v. Valanour). Begeisternd im Trab und im Galopp, wies der herrlich modellierte Schimmel eine Gewinnsumme von über 100.000 Euro mit einem GAG von 90.5 Kilogramm auf. Von Vanessa Hölscher-Bölting in der Vielseitigkeit eingesetzt, bleibt die Hoffnung, dass er eine Chance in der Reitpferdezucht erhält. Er verkörpert den Typ Vollblüter, den der langjährige Warendorfer Landstallmeister Dr. Gerd Lehmann, seit 1976 und dann über Jahrzehnte Mitglied der Zuchtkommission des Direktoriums für Vollblutzucht und Rennen (DVR), fordert: „Erstrebenswert ist der reitgerecht modellierte Vollbluthengst, der viele Starts mit ordentlichen Leistungen über mehrere Rennzeiten hinweg, schadlos überstanden hat. Die Höhe des GAG ist dabei von nachrangiger Bedeutung“. Hengste dieses Zuschnitts sind zwar nicht so selten wie die „Blaue Mauritius“, aber eben doch Raritäten.    [/ihc-hide-content]   © Dieser Auszug basiert auf einem Beitrag von Hans Kirchner, der im Sammelwerk „Ausgewählte Hengste Deutschlands 2012/13“ erschienen ist.