Königliches Jubiläum: 200 Jahre Weil-Marbacher Vollblutaraberzucht
Pferde im Mittelpunkt beim 200-Jahre-Jubiläum (Foto: Stefan Kube)
Nachdem das Haupt- und Landgestüt Marbach 2014 sein 500jähriges Bestehen gefeiert hatte, stand 2017 ein weiteres Jubiläum an: 200 Jahre Weil-Marbacher Vollblutaraberzucht.
Ein Zuchtbestand, der sich über zwei Jahrhunderte in ungebrochener Folge fortgesetzt und erhalten hat – so etwas ist in unserer schnelllebigen Zeit alles andere als alltäglich und verdient es, gebührend gefeiert zu werden. Zumal diese Zucht, einst gegründet von König Wilhelm I von Württemberg, nicht nur die weltweite Vollblutaraberzucht, sondern darüber hinaus auch die deutsche Sportpferdezucht nachhaltig mitgeprägt hat. Für den offiziellen Festtag, der am 21. Mai 2017 stattfand, hatten sich Landoberstallmeisterin Dr. Astrid von Velsen-Zerweck und ihr Team einiges einfallen lassen.
Schon am Vorabend ging es im Treffpunkt Marbach los mit einem Vortrag. Unter dem Motto „Im gestreckten Galopp durch die Geschichte Weils“ referierte die Fachjournalistin und Herausgeberin der Zeitschrift „Arabische Pferde“, Gudrun Waiditschka, über die Entwicklung der Weiler Zucht von den Anfängen bis zur Übergabe der königlichen Zucht an das Haupt- und Landgestüt Marbach. Dabei erfuhren die Zuhörer, die so zahlreich erschienen waren, dass noch Stühle hinzugeholt werden mussten, viele erstaunliche und amüsante Dinge – so zum Beispiel, dass die Pferde auf dem Weg von Arabien nach Württemberg bis zu 4000 Kilometer zu Fuß zurücklegten, oder dass der berühmte Hengst Amurath I so zögerlich beim Decken war, dass man ihm mit allerlei Tricks „auf die Sprünge“ helfen musste. Der Vortrag bot einen Vorgeschmack auf Gudrun Waiditschkas Buch „Königliche Pferde“, das leider nicht rechtzeitig zum Jubiläum fertig war, aber im Juli herauskommen soll.
Der „Feiertag“ begann am Sonntag um 10 Uhr mit der Präsentation der diesjährigen Fohlen mit ihren Müttern. Trotz des frühen Zeitpunkts hatten sich bei schönstem Sommerwetter zahlreiche Zuschauer am mittleren Laufstall eingefunden, um den Nachwuchs zu sehen. Das frühe Aufstehen lohnte sich, denn dieser Jahrgang ist wahrhaft jubiläumswürdig! Im Gegensatz zu vorherigen Jahren stammen diesmal alle Fohlen von gestütseigenen Hengsten, darunter die ersten Jahrgänge der Nachwuchsbeschäler WM Safi und WM Malakil. Die beiden konnten mit ihren ersten Fohlen ebenso überzeugen wie Naoufil mit seinem zweiten Jahrgang und jedes Fohlen wurde mit großem Applaus verabschiedet. Für einige soll es anschließend Kaufanfragen gegeben haben.
Vor dem großen Gala-Schauprogramm am Nachmittag hatten die zahlreichen Besucher die Möglichkeit, sich im eigens in der kleinen Reithalle eingerichteten syrischen Restaurant zu stärken und die Verkaufsstände vor der Halle zu besuchen. Dort konnte man viele schöne Dinge rund um das arabische Pferd sehen und erwerben, von den exquisiten Zeichnungen der Künstlerin Heidi Frank über hochwertige Boxenschilder und arabische Halfter bis zun antiquarischen Büchern, Tee und Parfüm.
Die über dreistündige Galaschau in der großen Halle war restlos ausverkauft, Sitzplätze waren schon einige Stunden vor Beginn nicht mehr zu haben. Eingeleitet wurde das Programm durch kurze Ansprachen von Landoberstallmeisterin Dr. Astrid von Velsen-Zerweck und Staatssekretärin Friedlinde Gurr-Hirsch, die auch im Namen des Landes Baden-Württemberg die Bedeutung der Weil-Marbacher Araberzucht und die Verantwortung des Landes für ihre Erhaltung unterstrich. „Wir, das Land und das Haupt- und Landgestüt Marbach, sind stolz auf dieses königliche Erbe, das König Wilhelm I. von Württemberg ins Leben rief“, verkündete die Staatsekretärin vor vollem Haus und betonte: „Es war und ist Aufgabe unseres Gestüts, diese Zucht konsequent weiterzuführen … Wir, das Land und das Gestüt in Marbach, stehen zu dieser großen Verantwortung.“
Als Schirmherr des Jubiläums war auch SKH Carl Herzog von Württemberg, dessen Vorfahr König Wilhelm I die Weiler Zucht vor 200 Jahren begründete, anwesend und richtete einige Worte ans das Publikum. In seiner Rede würdigte er die Bedeutung König Wilhelms I nicht nur für die Pferdezucht, sondern für die Landwirtschaft insgesamt, und insbesondere für die Gründung der Universität Hohenheim, deren 200jähriges Bestehen im kommenden Jahr ansteht: „In Weil wurde systematisch Pferdezucht betrieben, in Hohenheim wurde systematisch Landwirtschaft gelehrt. Beide Themen sind bis heute aktuell geblieben … Auch in einer globalisierten Welt stellen sich Fragen, die bereits vor 200 Jahren aktuell waren. Es ist gut, dass wir im Land Einrichtungen bewahrt haben, die bis heute mit sichtbarem Erfolg Pferdezucht und Landwirtschaft auf internationalem Niveau voranbringen“. Im Anschluss an die Rede überreichte die Landoberstallmeisterin dem Herzog eine Skulptur des Künstlers Wolfgang Schaller, die den 2016 verstorbenen Hauptbeschäler Dschehim darstellt – ein Pferd, das sowohl in der Vater- als auch in der Mutterlinie auf die Originalimporte König Wilhelms I zurückgeht.
Es folgte ein liebevoll gestaltetes Schauprogramm, das trotz dreistündiger Dauer keinerlei Längen aufwies. Für orientalisches Flair sorgten zum Auftakt die Mädchen der Voltigiergruppe Marbach in orientalischen Kostümen, Meike Göbel mit ihren Salukis, und die Bauchtänzerin Gitte Wax im Duett mit dem Hauptbeschäler Said. Die arabischen Pferde des Gestüts an der Hand von Vorführern in zeitgenössischen Kostümen stellten die Entwicklung der Zucht dar, begleitet von Bildern ihrer Vorfahren auf der Videowand. Junge Remonten präsentierten sich unter dem Sattel (und fanden zum Teil gleich Käufer), die Ausbilderin Anja Beran zeigte die Arbeit am Boden und im Sattel mit den jungen Hengsten Mamlakee, WM Malakil und WM Safi, und zwei auf Marbacher Basis gezogenen Stuten aus der Zucht von Bernd Zimmermann demonstrierten mit ihren Fohlen von Trakehner Hengsten den Einfluss des Arabers in der Reitpferdezucht. Nicht fehlen durften natürlich die Schwarzwälder in einer flotten Quadrille unter dem Sattel und vor dem Sulky, sowie einige der namhaften Warmblutbeschäler in einem Dressurquartett und über dem Sprung. Um den Einfluss der Marbacher Zucht zu demonstrieren, waren auch bekannte Gäste gekommen, darunter die erfolgreichste deutsche Distanzreiterin Melanie Arnold mit ihrer Marbacher Stute Sevinc, mit der sie drei ihre fünf Deutschen Meisterschaften gewonnen hat, und ihrem Marbacher Nachwuchspferd Dagash, sowie die ehemalige Junioren-Distanzmeisterin Melanie Mannherz mit ihrer Stute Nuriye, auch sie in Marbach gezogen. Der typvolle Prämien- und Championhengst Mouammar aus der Zucht und dem Besitz von Gerd Meixner strahlte unter dem Westernsattel von Dr. Martin Pauli, und an der Hand seiner Züchters und Besitzers Dr. Nils Ismer demonstrierte der Hengst IS Exxpu, warum er 2016 Silber-Europachampion wurde. Beide Hengste verkörpern die gelungene Verbindung „moderner“ Schaulinien mit Marbacher Stutenbasis. Eine kleine Freiheitsdressur zeigte der in Marbach gezogene Hengst Samir vom Zirkus Krone, und als zum Abschluss – wie könnte es anders sein – die „silberne Herde“ zu den Klängen der Musik aus „Lawrence von Arabien“ durch die Halle galoppierte, blieb kaum ein Auge trocken. „Es war uns eine große Freude diesen historischen Festtag federführend zu organisieren und so viele Menschen für das arabische Pferd und das Gestüt begeistern zu können“ waren sich Dr. Claudia Gille und Carmen Pfefferle, zuständig im Gestüt für Marketing und Veranstaltungen, einig.
Nach dem Ende der Schau ließen es sich viele Besucher nicht nehmen, den Tag an der Stutenweide, wo die Mutterstuten und ihre Fohlen die letzten Sonnenstrahlen genossen, ausklingen zu lassen.
Zum Jubiläum hat das Gestüt eine reich bebilderte Festschrift herausgegeben. In zahlreichen Beiträgen namhafter Fachautoren findet man dort viel Wissenswertes zur Geschichte der Weil-Marbacher Zucht und ihrer Bedeutung. Wussten Sie schon, dass die Weiler Araber in der modernen Sportpferdezucht ebenso präsent sind wie in der Araberzucht? Auch hierzu findet sich ein Beitrag, ebenso wie zu der Hengstlinie des Bairactar und die Stutenfamilie der Murana I und ihrer Verbreitung. Die Festschrift kann zum Preis von € 5,00 im Haupt- und Landgestüt Marbach bestellt werden.
Source: Presseservice Kerstan / Turniernews